Inhalt

LG München I, Endurteil v. 19.10.2022 – 14 S 7692/22
Titel:

Fristlose Kündigung von Wohnraum wegen Störung des Hausfriedens 

Normenkette:
BGB § 140, § 543
Leitsätze:
1. Eine fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens kann in eine Abmahnung umgedeutet werden. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sowohl die Herabwürdigung von Mitbewohnern als „Nazis“ als auch die sexistisch-sexualisierte Beleidigung der Ehefrau eines Mitgesellschafters der Vermieterin mit den Worten „Fick dich, du fette Proletenhausfrau!“ rechtfertigen eine fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnraum, Wohnungsmiete, Mietverhältnis, Hausordnung, Hausfrieden, außerordentliche Kündigung, fristlose Kündigung
Vorinstanz:
AG München, Endurteil vom 15.06.2022 – 461 C 6326/21
Rechtsmittelinstanzen:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 07.09.2023 – 2 BvR 1233/23
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.2023 – 2 BvR 1233/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51271

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.06.2022, Az. 461 C 6326/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klagepartei hinsichtlich der Kostenfolge (Ziffer 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 12.632,88 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung in der Folge zweier fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens in Anspruch.
2
Mit Mietvertrag vom 18.03.1986 und Mietbeginn am 01.05.1986 mieteten die Beklagten zu 1) und zu 2) die streitgegenständliche Wohnung in der … an. Bei dem Beklagten zu 3) (Jahrgang 1977) handelt es sich um den Sohn der Erst- und des Zweitbeklagten. Er wohnt ebenfalls im verfahrensgegenständlichen Mietobjekt.
3
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Mietverhältnisses wird auf den Tatbestand des erstgerichtlichen Endurteils verwiesen.
4
Mit Schreiben vom 03.06.2020 und 10.06.2020 mahnte die Klagepartei die Beklagten wegen diverser Vorfälle im Zeitraum zwischen dem 29.05.2020 und dem 09.06.2020 ab.
5
Mit Schreiben vom 16.11.2020 erklärte die Klägerin die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, wobei sie sich auf einen Vorfall vom 22.10.2020 bezog.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.2021 ließ die Klägerin eine weitere fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aussprechen. Die Kündigung war mit einem Vorfall vom 28.12.2020 begründet.
7
Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird ebenfalls auf die tatbestandlichen Ausführungen im erstgerichtlichen Urteil sowie auf die Anlagen K 5 und K 7 Bezug genommen.
8
Die Klägerin vertrat bereits in erster Instanz die Auffassung, dass die ausgesprochenen Kündigungen formell und materiell wirksam seien. Die Klägerin könne mithin Räumung und Herausgabe des verfahrensgegenständlichen Mietobjekts verlangen.
9
Die Beklagten bestritten dagegen im Wesentlichen die kündigungsgegenständlichen Vorwürfe und stellten die Wirksamkeit der Kündigungen in Abrede.
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Mit Endurteil vom 15.06.2022 hat das Amtsgericht München der auf Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung gerichteten Klage stattgegeben. Es ist eine Räumungsfrist bis 31.10.2022 gewährt worden.
11
Das Urteil ist den Parteivertretern jeweils am 17.06.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.07.2022, beim Landgericht am selben Tage eingegangen, hat die beklagte Partei gegen das vorstehende Urteil Berufung eingelegt. Die diesbezügliche Begründung ist mit Schriftsatz vom 17.08.2022 erfolgt, der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist.
12
Die beklagte Partei führt in der Rechtsmittelinstanz im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe.
13
Das Erstgericht habe zwar eine „umfangreiche und detaillierte Beweisaufnahme durchgeführt“, sodann aber insbesondere die Voreingenommenheit der klägerseits benannten Zeugen übersehen und diese – zu Unrecht – pauschal als glaubwürdig erachtet. In materiell-rechtlicher Hinsicht sei namentlich verkannt worden, dass der (bestrittene) abgemahnte Vorfall vom 09.06.2020 (Vorwurf rassistischer Beleidigung von Straßenpassanten seitens des Beklagten zu 3) u.a. mit den Worten „Drecks-Kanaken, ab nach Dachau mit euch!“) keine mietrechtlich relevante Pflichtverletzung darstelle. Denn der Beklagte zu 3) habe sich zu diesem Zeitpunkt weder im Haus noch auf Flächen, die zum Haus gehören, befunden. Auch hätten sich die Äußerungen weder gegen „Mitglieder[…] der Klägerin noch [gegen] Bewohner[…] oder Besucher[…] des Hauses gerichtet. Für außenstehende Dritte habe der Beklagte zu 3) überdies nicht den Eindruck erweckt, dass er „im weitesten Sinne zum Haus gehör[e].“ sei. Da mithin keine wirksame Abmahnung anzunehmen, eine solche aber auch nicht entbehrlich sei, gingen die fristlosen Kündigungen ins Leere.
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Nach alledem müsse der Berufung Erfolg beschieden sein.
15
Die Beklagten beantragen daher zu erkennen:
1. Das Endurteil des AG München vom 15.06.2022 – Az. 461 C 6326/21 –, zugestellt am 17.06.2022, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
16
Die Klagepartei beantragt demgegenüber:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
17
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
18
Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 15.06.2022 begegnet aus Sicht der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich nach § 529 ZPO. Hiernach sind die vom Gericht der ersten Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Berücksichtigungsfähige neue Tatsachen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wurden nicht dargelegt. Eine Rechtsverletzung im angefochtenen Urteil ist nicht erkennbar. Dabei kann zunächst auch auf das nachvollziehbar und zutreffend begründete Urteil des Erstgerichts verwiesen werden.
19
Soweit das Amtsgericht den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nach § 546 Abs. 1, Abs. 2 BGB aufgrund wirksamer fristloser Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB bejaht hat, ist dies nach Überzeugung der Kammer letztlich nicht zu beanstanden. Denn jedenfalls die fristlose Kündigung vom 01.02.2021 ist als wirksam zu erachten und hat das Mietverhältnis zwischen der Klagepartei und den Beklagten zu 1) und zu 2) beendet.
Hierzu im Einzelnen:
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1. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht auch den Beklagten zu 3) zur Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung verurteilt hat. Denn die gegen den vorstehenden Beklagten gerichtete Klage ist insbesondere als zulässig zu erachten. Zwar ist der Beklagte zu 3) zu keinem Zeitpunkt Partei des Mietvertrags geworden und zudem bereits als minderjähriges Kind zusammen mit seinen Eltern in das Mietobjekt eingezogen. Gleichwohl ist er nicht (mehr) als bloßer Besitzdiener zu erachten, weshalb von einem Rechtsschutzbedürfnis der Klagepartei und damit von der Zulässigkeit der Klage auszugehen ist. Soweit der Beklagte zu 3) in der Berufungsverhandlung vom 19.10.2022 – entgegen der Beklagten zu 1) und trotz Hinweises auf die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO – behauptet hat, durchgehend in der Wohnung gelebt zu haben, war erstinstanzlich unstreitig geblieben, dass dies gerade nicht der Fall war. Die Kammer geht daher – mit dem Erstgericht und von der Berufung nicht beanstandet – von einem Mitbesitz des Beklagten zu 3) aus.
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2. Entgegen der Berufung ist die erstgerichtliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
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Auf Grundlage seiner – auch durch die Kammer einer Entscheidung zugrunde zu legenden – Feststellungen war das Amtsgericht davon überzeugt, dass die klägerseits behauptete nachhaltige Störung des Hausfriedens durch den Beklagten zu 3) nachgewiesen werden konnte.
23
Das Amtsgericht hat die Beweise – soweit erforderlich – erhoben und ausführlich gewürdigt. Ausweislich der Sitzungsprotokolle vom 10.02.2022 und 06.05.2022 ist eine umfassende und gründliche Vernehmung der Zeuginnen bzw. Zeugen … und … durchgeführt worden. Ferner sind eingehende, gewissenhafte Parteianhörungen erfolgt. Die erhobenen Beweise sind sodann im angefochtenen Urteil mit Sorgfalt gewürdigt worden.
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Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung vermögen keineswegs zu verfangen. Soweit die Berufung die Beweiswürdigung angreift, vermag sie keine Fehler oder Verstöße gegen Denkgesetze aufzuzeigen, welche Zweifel an den Feststellungen begründen würden. Sie ersetzt vielmehr in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes durch ihre eigene; dies ist der Kammer in ihrer Entscheidung aber verwehrt. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes unterliegt nur in dem nach § 529 Abs. 1 ZPO beschränkten Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht. Konkrete Anhaltspunkte zu Zweifeln an der Vollständigkeit des seitens des Amtsgerichts zugrunde gelegten Sachverhaltes, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, können sich etwa aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil oder aus dem Übergehen des erstinstanzlichen Vorbringens ergeben (vgl. BGH NJW 2004, 1876). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Amtsgericht bei der Feststellung des Sachverhaltes unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 1987, 1557). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt u.a. dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH NJW 1991, 1894).
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Dies ist hier jeweils nicht im Ansatz der Fall.
26
a) Soweit die Berufung meint, das Erstgericht sei „pauschal“ von der Glaubwürdigkeit der Zeugen der Klagepartei ausgegangen und habe insbesondere deren Voreingenommenheit nicht gesehen, kann dem keineswegs zugestimmt werden. Vielmehr hat das Erstgericht nicht nur eine umfangreiche und überaus sorgfältige sowie erschöpfende Beweisaufnahme durchgeführt, sondern sodann auch eine ausführliche und gewissenhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Dabei ist auch dem Umstand Beachtung geschenkt worden, dass einige der vernommenen Zeugen in einem Näheverhältnis zur Klagepartei stehen.
27
Mit den von den Aussagen der klägerischen Zeugen abweichenden Angaben der Beklagten zu 1) bis 3) hat sich das Erstgericht ebenfalls mit Ausführlichkeit, nachvollziehbar und überzeugend befasst. Letztlich ist der profunden und widerspruchsfreien erstgerichtlichen Beweiswürdigung seitens der Kammer nichts weiter hinzuzufügen.
28
b) Soweit die Berufung mehrfach zum Ausdruck bringt, dass die Beweisaufnahme wegen unsubstantiierten Sachvortrags der Klagepartei und „ins Blaue hinein“ erhobener Vorwürfe schon nicht erforderlich gewesen sei, ist dies zur Gänze unbehelflich. Denn die kündigungsgegenständlichen Vorwürfe waren ohne Zweifel insbesondere zeitlich und inhaltlich substantiiert. Selbstverständlich bestand daher Veranlassung, die Beweisaufnahme durchzuführen.
29
c) Dass das Erstgericht unter Berücksichtigung der gesamten Beweisaufnahme vom kündigungsgegenständlichen Verhalten des Beklagten zu 3) überzeugt war, ist nach alledem vollumfänglich von § 286 ZPO getragen und daher von der Kammer nicht zu beanstanden.
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3. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht vermag das erstgerichtliche Urteil – jedenfalls im Ergebnis – zu überzeugen.
31
Völlig zu Recht ist in Ansehung der nachgewiesenen Verfehlungen des Beklagten zu 3) von einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens ausgegangen worden.
32
a) Soweit die Berufung moniert, dass sich das abgemahnte Verhalten des Beklagten zu 3) vom 09.06.2020 nicht als mietrechtliche Pflichtverletzung darstelle, kann dies vorliegend dahinstehen.
33
Denn die Klagepartei hat hier nach den Abmahnungen insgesamt zwei fristlose Kündigungen ausgesprochen. Die dem Beklagten zu 3) insoweit zum Vorwurf gemachten Beleidigungen stellen sich – zumal auf dem verfahrensgegenständlichen Anwesen ausgesprochen und gegen Mitbewohner bzw. die Ehefrau eines Mitgesellschafters der Klagepartei gerichtet – zweifelsfrei als mietrechtlich relevante Verhaltensweisen dar, die den Beklagten zu 1) und zu 2) freilich zugerechnet werden können.
34
Ginge man zugunsten der beklagten Partei von einer Unwirksamkeit der klägerseits ausgesprochenen Abmahnungen aus, so könnte jedenfalls die erste fristlose Kündigung vom 16.11.2020 ohne Weiteres in eine Abmahnung umgedeutet werden, § 140 BGB. Dem Erfordernis einer vorangegangenen Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB wäre daher mit Blick auf die zweite fristlose Kündigung vom 01.02.2021 ersichtlich genügt.
35
b) Die Berufung vermag schließlich auch dahingehend nicht zu überzeugen, als sie meint, das (bestrittene) Fehlverhalten des Beklagten zu 3) rechtfertigten keine Kündigung des Mietverhältnisses.
36
Es stellt sich vielmehr auch nach Überzeugung der Kammer so dar, dass die wiederholten massiven Ehrverletzungsdelikte des Beklagten zu 3) zum Nachteil gleich mehrerer Mitbewohner bzw. der Ehefrau eines Mitgesellschafters der Klagepartei den Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens rechtfertigen. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, dass die Schwere und Häufigkeit der Beleidigungen zum Nachteil gleich mehrerer Personen erheblich ins Gewicht fällt. Sowohl die Herabwürdigung von Mitbewohnern als „Nazis“, als auch die sexistisch-sexualisierte Beleidigung der Ehefrau eines klägerischen Mitgesellschafters mit den Worten „Fick dich, du fette Proletenhausfrau!“ bringen ein unsägliches Maß an Abschätzigkeit und Respektlosigkeit zum Ausdruck. Ein derartiges Verhalten weist nicht nur strafrechtliche Relevanz nach § 185 StGB, sondern eben auch und gerade eine gravierende mietrechtliche Bedeutsamkeit auf und trägt im vorliegenden Fall die fristlose Beendigung des verfahrensgegenständlichen Mietverhältnisses.
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Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Verweis der Berufung auf eine schwierige Situation, in der sich der Beklagte zu 3) wegen des gesundheitlichen Zustands seines Vaters, des Beklagten zu 2), zeitweise befunden habe. Denn dies rechtfertigt nicht im Ansatz das vorgenannte überaus befremdliche, entgrenzte Verhalten des Beklagten zu 3), das jegliche Rücksichtnahme und den gebotenen zwischenmenschlichen Anstand schon im Ansatz vermissen ließ.
38
Der Berufung ist nach alledem kein Erfolg beschieden.
III.
39
1. Die Kostenfolge beruht auf § 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Der festgesetzte Streitwert beruht auf dem Jahresbetrag der Nettomiete von 1.012,35 € nebst Betriebskostenpauschale in Höhe von 40,39 €.
40
2. Eine weitere Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO konnte vorliegend nicht gewährt werden.
41
Dabei wird nicht verkannt, dass das Mietverhältnis sicherlich als langjährig zu bezeichnen ist und der Gesundheitszustand des Beklagten zu 2) durchaus angeschlagen sein dürfte. Auch das fortgeschrittene Alter der Erst- und des Zweitbeklagten sowie der angespannte Mietmarkt in der Landeshauptstadt kann an sich zugunsten der Beklagten im Rahmen des Bestandsinteresses Berücksichtigung finden.
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Allerdings hat die Kammer hier maßgeblich in die Abwägung einzustellen, dass bereits das Erstgericht eine längere Räumungsfrist gewährt hat und dass das Mietverhältnis aufgrund nachhaltiger Störung des Hausfriedens spätestens mit Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 01.02.2021 – mithin schon vor mehr als 1 3/4 Jahren – beendet worden ist. Aufgrund der nach dem persönlichen Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2022 nicht erkennbaren Unrechtseinsicht des Beklagten zu 3) kann überdies nicht ausgeschlossen werden, dass es zu weiteren gravierenden verbalen Übergriffen des Beklagten zu 3) kommen wird. Dies aber ist der Klagepartei in keiner Weise mehr zuzumuten.
Verkündet am 19.10.2022