Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 12.05.2022 – 13 U 3853/21
Titel:

Bausparverträge, Schenkungsvertrag, Sittenwidrigkeit, Angemessener Unterhalt, Rückforderungsansprüche, Entreicherung, Sozialhilfeträger, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Lebensversicherungsvertrag, Notbedarfseinrede, Bausparkassen, Grobfahrlässige, Streitwertfestsetzung, Sozialhilfeleistungen, Ersatzfahrzeug, Kraftfahrzeugsteuer, Jagdhaftpflichtversicherung, Höchstbetrag, Sittenverstoß, Derzeit unbegründet

Normenkette:
BGB § 528 Abs. 1 Satz 1, § 529 Abs. 2 § 818 Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz:
Die Erhebung der Notbedarfseinrede gemäß § 529 Abs. 2 BGB kann wegen Sittenwidrigkeit der Schenkung unzulässig sein, wenn der Schenker und der Beschenkte mit der Schenkung bewusst oder zumindest grob fahrlässig den Bezug von Sozialhilfeleistungen herbeigeführt haben. Dies ist nicht anzunehmen, wenn der Schenker bei der Schenkung einen erheblichen Teil seines Vermögens behalten hat und zwischen der Schenkung und dem Einzug des Schenkers in ein Pflegeheim, welcher zu einem erhöhten Eigenbedarf des Schenkers geführt hat, ein erheblicher Zeitraum (hier: sechs Jahre) vergangen ist.
Schlagworte:
Schenkung, Entreicherung, Notbedarfseinrede, Unterhaltspflicht
Vorinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 08.10.2021 – 34 O 176/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51125

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 08.10.2021, Az. 34 O 176/21, geändert. Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen, soweit sie auf Zahlung gerichtet ist von monatlich 942,33 €, letztmalig im Monat des Versterbens der Klägerin, bis zu einem Höchstbetrag von insgesamt 14.100 €. Im Übrigen wird sie uneingeschränkt abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 39.577,86 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung eines im Jahr 2014 geschenkten Gelbetrags, um Kosten eines Pflegeheims, in dem sie seit dem 23.09.2020 lebt, begleichen zu können.
2
Der Beklagte ist der Sohn der am ... 1945 geborenen Klägerin. Am 07.10.2014 veräußerte die Klägerin das Einfamilienhaus im L-Weg 7 in 2… L.-Dorf mitsamt Grundstück zu einem Kaufpreis von 165.000,00 € (Anlage K1). Der Kaufpreis wurde von den Käufern vereinbarungsgemäß direkt auf das Konto des Beklagten überwiesen. Der Beklagte leitete daraufhin 25.000,00 € an die Klägerin weiter. Den restlichen Betrag in Höhe von 140.000 € schenkte sie dem Beklagten. Der Beklagte, der verheiratet ist und drei minderjährige Kinder (geboren am ... 2010 sowie am ... 2013) hat, hatte zuvor seit dem 26.10.2006 ein Privatinsolvenzverfahren durchlaufen. Mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 20.12.2012, Aktenzeichen 8 IK …, wurde dem Beklagten die Restschuldbefreiung erteilt (Anlage KB8). Der Beklagte ist berufstätig und arbeitet in Vollzeit, seine Ehefrau arbeitet in Teilzeit.
3
Die Klägerin kann die laufenden Heimkosten aus ihren Einnahmen nicht vollständig begleichen, es verbleibt ein Fehlbetrag von 942,33 € monatlich. Nennenswerte Vermögenwerte sind bei ihr nicht vorhanden.
4
Der Beklagte hat sich erstinstanzlich auf Entreicherung berufen. Der Geldbetrag von 140.000 € sei verwendet worden zur Überbrückung der Zeit der Arbeitslosigkeit des Beklagten bzw. zur Überbrückung der Zeiten, in denen der Beklagte ausschließlich kleineren Gelegenheitsarbeiten nachgehen habe können und die Ehefrau mit den drei gemeinsamen Kindern zu Hause gewesen sei und keinen Verdienst habe erwirtschaften können. Der Geldbetrag von 140.000 € sei vollständig für die Lebenshaltung in dieser Zeit und zur Versorgung der drei gemeinsamen Kinder verbraucht worden, vom letzten Rest seien dann ein Umzug nach Bayern und ein Familienauto, das groß genug für die Familie mit drei Kindern sei, finanziert worden. Der Umzug nach Bayern sei wegen besserer Erwerbsmöglichkeiten als in Schleswig-Holstein erfolgt. Von dem Betrag in Höhe von 140.000 € sei außerdem am 25.11.2014 eine Anzahlung für ein Fahrzeug an die D. AG in Höhe von 25.000 € geleistet worden. Außerdem seien Fahrräder, eine Nähmaschine, Haushaltsgeräte, Möbel, eine Einbauküche und ein Schwedenofen gekauft worden. Außerdem habe der Beklagte einen Hundewelpen für 1.500 € erworben.
5
Des Weiteren hat der Beklagte erstinstanzlich die Einrede des § 529 BGB erhoben, da der Beklagte gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern unterhaltspflichtig sei. Der Beklagte erziele ein monatliches Nettoeinkommen von 1.900 €, seine Ehefrau von 1.200 €. Hinzu komme das Kindergeld. Die Ausgaben der Familie stellt der Beklagte wie folgt dar: Die monatliche Miete betrage kalt 920 €. Hinzu kämen monatliche Kosten von 11,65 € für eine Feuerversicherung, die monatlich an den Vermieter ebenfalls zusätzlich zu überweisen seien. Die monatlichen Kosten für Strom betrügen 148 €, für Wasser 44 €, für Heizung/Öl 90 €. Der Beklagte habe monatlichen Aufwand zu erbringen wegen eines Autokredits in Höhe von 352,54 €. Die Ehefrau des Beklagten habe wegen Autokreditkosten monatlich 202 € zu zahlen. Die Kosten der Müllabfuhr betrügen monatlich 8,30 €, die für die Kfz-Versicherung monatlich 64,40 €. Die Kosten für den Tennisverein der drei Kinder betrügen monatlich 68,83 € (vierteljährlich 206,50 €). Außerdem habe der Beklagte folgende monatliche Ausgaben: 17,50 € GEZ-Kosten, 6,24 € Hausratsversicherung, 5,13 € Privathaftpflichtversicherung, 3,33 € Hundesteuer, und 9,08 € ADAC. Auf die Kraftfahrzeugsteuer des für die Fahrten zur Arbeitsstätte notwendigen Fahrzeugs der Ehefrau des Beklagten würden monatlich 15,50 € gezahlt. Die Kraftfahrzeugsteuer für das beruflich notwendige Fahrzeug des Beklagten betrage monatlich 16,50 €. Die Kosten der Autoversicherung des Fahrzeugs der Ehefrau des Beklagten betrügen monatlich 23,04 €. In einen Riester-Vertrag zahle der Beklagte monatlich 10 € ein, bei der Ehefrau seien dies monatlich 5 €. Die Kosten der Jagd-Haftpflichtversicherung betrügen monatlich 2,51 €. Für Bausparverträge zahle der Beklagte monatlich 60 €, seine Ehefrau 70 €, für die Bausparverträge der Kinder würden monatlich jeweils 30 € gezahlt. Der Beklagte verfüge über kein Vermögen.
6
Mit Endurteil vom 08.10.2021 hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin monatlich 942,33 Euro rückwirkend seit 29.03.2021, letztmalig im Monat des Versterbens der Klägerin, bis zu einem Höchstbetrag von insgesamt 140.000 € zu zahlen. Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung von höchstens 140.000 € aus § 528 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 818 Abs. 2 BGB in Form einer Rente von monatlich 942,33 €. Eine Entreicherung habe der Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Eine Beweiserleichterung für Menschen mit geringem Einkommen komme dem Beklagten unter den gegebenen Umständen nicht zu. So habe er zwar behauptet, aufgrund Arbeitslosigkeit über weite Zeiträume hinweg kein anderes Einkommen gehabt zu haben, sodass er das geschenkte Geld habe verbrauchen müssen, jedoch fehle dazu jeder substantiierte Vortrag, der das Gericht in die Lage versetzen würde, dies konkret nachzuvollziehen. Auf den Notbedarf gemäß § 529 Abs. 2 BGB könne sich der Beklagte nicht berufen. Zum einen sei ihm bei Erhalt der Schenkung mangels gegenteiligen Vortrags bewusst gewesen, dass es sich um den einzigen Vermögenswert der Klägerin gehandelt habe, sodass damit ihre Altersvorsorge „dahin“ war und er auf ein „Behalten dürfen“ nicht vertrauen habe dürfen. Zum anderen sei auch der Vortrag des Beklagten zu den Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB unsubstantiiert.
7
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Den erstinstanzlichen Vortrag zur Entreicherung hat der Beklagte – nach Hinweisen des Senats – vertieft und ergänzend zu dem im November 2014 erworbenen Fahrzeug Daimler zum Preis von 32.500 € vorgetragen. Das Fahrzeug sei im September 2018 zum Preis von ca. 19.000 € Zug um Zug gegen den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs (VW Golf) zum Preis von 11.500 € veräußert worden. Den Differenzbetrag habe der Beklagte für den Erwerb von Winterreifen für das Ersatzfahrzeug, für Lebenshaltungskosten und zur Begleichung offener Rechnungen im damaligen Zeitraum verwendet. Ein Betrag von 700 € sei für eine Garantieverlängerung für das Ersatzfahrzeug gezahlt worden. Am 27.12.2019 sei das Ersatzfahrzeug für den Preis von 9.100 € im Tausch gegen ein Fahrzeug VW Caddy verkauft worden, wobei der Preis für das Fahrzeug VW Caddy 23.604 € betragen habe. Die Familie des Beklagten habe ein größeres Fahrzeug benötigt. Hinsichtlich des Differenzbetrags von 14.500 € sei ein Betrag von 5.000 € anbezahlt, der Restbetrag finanziert worden. Die monatliche Rate betrage 202 €, die Darlehenslaufzeit 60 Monate, die Schlussrate 10.621,80 €. Für das Fahrzeug seien zusätzliche Artikel zum Gesamtbruttobetrag von 859 € und eine Zusatzgarantie zum Betrag von 750 € erworben worden.
8
Zum Bausparvertrag bei der L-Bausparkasse, auf den Zahlungen aus dem streitgegenständlichen Betrag erfolgten, hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, dass dieser Bausparvertrag am 17.09.2015 mit einem Auszahlungsbetrag von 38.260,05 € aufgelöst worden sei. Diesen Betrag habe der Beklagte für die allgemeine Lebenshaltung, kleinere Geschenke für die Kinder, Zahlungen von offenen Rechnungen und für den „Genuss“ verbraucht. Aufgrund der familiären Situation, des plötzlichen Vorhandenseins von Geld, der Schwierigkeiten mit dem Finden von Arbeitsplätzen, des Umzugs etc. habe die Familie das Geld vollständig verbraucht, zumal der Beklagte und seine Ehefrau nie davon ausgegangen seien, dass jemals wieder eine Verpflichtung bestehen würde, dieses Geld ganz oder teilweise wieder zurückzahlen zu müssen. Da das Geld schnell verbraucht worden sei, seien auch Lebensversicherungsverträge der Kinder aufgelöst worden. Die erhaltenen Beträge seien für die allgemeine Lebenshaltung verbraucht worden.
9
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 08.10.2021 verkündeten und am 12.10.2021 zugestellten Endurteils des Landgerichts Regensburg, Aktenzeichen 34 O176/21, die Klage vollständig abzuweisen.
10
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
11
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
12
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist hinsichtlich einer Zahlung von monatlich 942,33 €, letztmalig im Monat des Versterbens der Klägerin, bis zu einem Höchstbetrag von insgesamt 14.100 € derzeit unbegründet, weil der Beklagte sich wirksam auf die Notbedarfseinrede des § 529 Abs. 2 BGB berufen hat. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags – also für einen Höchstbetrag von mehr als 14.100 € – ist sie uneingeschränkt unbegründet, weil der Beklagte insoweit entreichert ist.
13
1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 528 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 2 BGB in Höhe von 14.100 € zu. In dieser Höhe ist der Beklagte noch bereichert, im Übrigen ist Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) eingetreten.
14
a) Die Klägerin hat dem Beklagten unstreitig 140.000 € geschenkt. Die Schenkung wurde auch vollzogen, so dass die Nichteinhaltung der Schriftform geheilt wurde (§ 518 Abs. 2 BGB). Die Klägerin hat nachgewiesen, dass sie außerstande ist, die Heimkosten vollständig zu bezahlen und damit ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten (§ 528 Abs. 1 S. 1 BGB).
15
b) Der Beklagte hat – bis auf einen Betrag von 14.100 € – Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB nachgewiesen. Diese Vorschrift dient dem Schutz des gutgläubig Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das Fortbestehen des Rechtsgrunds verbraucht hat und daher nicht über den Betrag der bestehengebliebenen Bereicherung hinaus zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll.
16
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte und seine Familie die geschenkte Summe bereits bis Sommer 2017 für konsumtive Ausgaben, die sie sich nur wegen des Zuflusses durch die Schenkung leisten konnten und geleistet haben, weitgehend verbraucht haben, bis auf einen Teilbetrag von 14.100 €, der über den sich fortsetzenden Wert des aus geschenkten Mitteln erworbenen Kraftfahrzeugs erhalten geblieben ist.
17
Die entsprechende Überzeugung hat sich der Senat nach Auswertung sämtlicher vorliegender Unterlagen gebildet. Er hat dazu insbesondere sämtliche vom Beklagten vorgelegten Belege geprüft sowie vor allem die Kontoauszüge der Konten Nr. … (B 37), … (B 38), … (B 39) und … (Geldmarktkonto, Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 01.02.2022) bei der Sparkasse H. durchgesehen (Kontoinhaber: der Beklagte, seine Ehefrau bzw. der Beklagte und Ehefrau gemeinschaftlich).
18
Daraus ergibt sich folgendes Bild: Ausgehend vom Eingang des streitgegenständlichen geschenkten Kaufpreises für die Immobilie der Klägerin am 05.11.2014 und 07.11.2014 (1.000 € und 164.000 €) auf dem Konto Nr. 1...6 (Anlage B 37, Seite 18 von 36) ließ sich zur Überzeugung des Senats nachvollziehen, dass der Beklagte mit seiner insgesamt fünfköpfigen Familie den ihm zugewendeten Betrag innerhalb von nur gut eineinhalb Jahren, von den oben genannten Punkten abgesehen, vollständig verbraucht hat, und zwar letztlich für Ausgaben, die er sich ohne die Schenkung nicht hätte leisten können.
19
Zehn Tage nach dem genannten Geldeingang, am 17.11.2014, folgt die Weiterüberweisung von 20.000 € an die Klägerin für den bei ihr verbleibenden Kaufpreisanteil, sowie von zweimal 10.000 € auf die Konten Nr. 1...0 und 1...4 des Klägers bzw. seiner Ehefrau.
20
Danach folgen innerhalb von nur einem Monat – neben einem ständigen Abfluss für kleinere und kleinste Ausgaben – sieben größere Abbuchungen:
- 7.000 € Anzahlung für Kfz Mercedes Viano (17.11.2014)
- 25.500 € Restzahlung für Kfz Mercedes Viano (25.11.2014)
- 41.000 € Lastschrift an die L-Bausparkasse (03.12.2014)
- 25.000 € Überweisung auf Geldmarktkonto Nr. … (08.12.2014)
- dreimal 5.000 € auf drei Lebensversicherungen (09.12.2014 und 15.12.2014)
21
Das weitere Schicksal der Geldbeträge der letzteren drei Positionen konnte anhand der Unterlagen dahingehend nachvollzogen werden,
- dass der Bausparvertrag (L-Bausparkasse) und die drei Lebensversicherungen frühzeitig wieder aufgelöst wurden und die daraus verbleibenden Abrechnungsbeträge wieder auf das Konto Nr. … zurückflossen (von der L-Bausparkasse am 17.09.2015 sowie von den Lebensversicherungen im Januar 2017) sowie
- dass die 25.000 €, welche zunächst auf das Geldmarktkonto Nr. … transferiert wurden, dort zu einem geringeren Teil für die Bezahlung von Fremdforderungen verwendet wurden, ganz weit überwiegend aber nach und nach in den ersten sechs Monaten auf die übrigen Girokonten (ganz überwiegend auf das Konto Nr. …, zweimal jeweils 1.000 € auf die anderen beiden Girokonten) zurückübertragen wurden, um dort drohende Lücken zu schließen, bis das Geldmarktkonto dadurch schließlich am 20.07.2015 vollständig geleert war.
22
Die weitere Auswertung der Auszüge der drei Girokonten – Konten Nr. … (B 37), … (B 38), … (B 39) – zeigt, dass der Beklagte und seine Ehefrau aus den Konten – neben aus den Einkommen bedienbaren Basisausgaben etwa für Mietzins und dergleichen – eine Vielzahl konsumtiver Ausgaben getätigt haben mit ganz überwiegend zwei bis dreistelligen Eurobeträgen, häufig durch Konsum im Onlinehandel oder Kartenzahlungen, daneben Geldautomatenabhebungen, die sich im Wesentlichen aus zahlreichen Kleinabhebungen zusammensetzen (etwa 15 bis 20 Abhebevorgänge pro Monat, verteilt über die drei genannten Girokonten, insgesamt in der Regel etwa 1.700 € bis 1.800 € im Monat in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015), in denen sich typischerweise ebenfalls ein permanenter Verbrauch widerspiegelt. Den Betrag, der aus der Schenkung der Klägerin zunächst nach Abzug der Autoerwerbskosten sowie der Zahlungen an die Bausparkasse und die Lebensversicherungen verblieben war, hatten der Beklagte und seine Ehefrau durch vermehrten Konsum bereits bis Mitte 2015 nachvollziehbar verbraucht. Die Guthaben auf den drei Girokonten und dem Geldmarktkonto sind durch die genannten Arten von Ausgaben von 44.155,11 € am 01.01.2015 auf insgesamt nur noch 2.940,91 € zum 01.07.2015 zusammengeschmolzen.
23
Um diese Art des Konsums – zunächst – fortführen zu können, haben der Beklagte und seine Ehefrau sodann zunächst den Bausparvertrag bei der L-Bausparkasse vorzeitig aufgelöst, in welchen aus der Schenkung der Klägerin 41.000 € eingezahlt worden waren, was am 17.09.2015 zu einem Zufluss von 38.260,05 € führte. Mit dieser Summe konnten der Beklagte und seine Ehefrau einen letztlich durch die Schenkung erhöhten Konsum nochmals bis Mitte 2016 fortführen, dann war auch dieser Betrag aus der Schenkung verbraucht (Kontostände aller Konten zum 01.08.2016 in Summe 3.741,02 €, gegenüber 37.238,39 € am 01.10.2015). In gleicher Weise sind der Beklagte und seine Ehefrau schließlich mit den noch verbliebenen Lebensversicherungsguthaben verfahren, die im Januar 2017 zurückgeflossen sind und ebenfalls verkonsumiert wurden.
24
Nicht entreichert ist der Beklagte lediglich um den Betrag, der letztlich aus dem Kauf des Mercedes Viano Ende 2014 von der Schenkung noch erhalten geblieben ist. Dies sind nicht ausschließbar noch 14.100 €, die in dem derzeit vom Beklagten gehaltenen VW Caddy stecken. Diese stammen letztlich noch aus dem vom Beklagten mit Mitteln der Schenkung erworbenen Mercedes Viano. Für dessen Verkauf hat der Beklagte im September 2018 19.000 € erlöst, wovon er für 11.500 € einen VW Golf erworben hat. Aus dessen Verkauf hat der Beklagte Ende 2019 noch 9.100 € erlöst, was er zusammen mit bei ihm noch vorhandenen 5.000 € als Anzahlung für den Erwerb des aktuell vom Beklagten genutzten VW Caddy verwendet hat. Dieser Wert (insgesamt 14.100 €) war somit aus der ursprünglichen Schenkung im Vermögen des Beklagten noch vorhanden, als er von der Bedürftigkeit der Klägerin erfahren hat.
25
2. Der Beklagte hat sich erfolgreich auf die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB berufen. Er ist außerstande, den geschenkten Betrag zurückzuzahlen, ohne dass die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.
26
a) Nach der aktuellen „Düsseldorfer Tabelle“ ist für den angemessenen Eigenbedarf des Beklagten (sein monatliches Nettoeinkommen liegt nach den vorgelegten Unterlagen zwischen 1.901 und 2.300 €) ein Betrag in Höhe von 1.400 € anzusetzen. Hinzu kommen Unterhaltsverpflichtungen für die am ... 2010 und am ... 2013 geborenen drei Kinder in Höhe von jeweils 478 € abzüglich des hälftigen Kindergelds (insgesamt also 1.103 €: 1.434 €, abzüglich des hälftigen Kindergelds gemäß § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB in Höhe von 331 €) sowie für die Ehefrau in Höhe von 360 € (45% der Einkommensdifferenz von 800 €). Da der Gesamtbetrag von 2.863 € deutlich über dem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten liegt, besteht eine Gefährdung der Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten.
27
b) Als Voraussetzung der Einrede des § 529 Abs. 2 BGB reicht die bloße Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts oder der Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Beschenkten aus (BGH, Urteil vom 15.01.2002 – X ZR 77/00 –, Rn. 14, juris). Sie begründet nach allgemeiner Auffassung wie § 519 BGB eine Einrede, solange und soweit die Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB vorliegen. Damit handelt es sich nur um eine anspruchshemmende Einrede, die nicht dem Rückforderungsanspruch an sich, sondern nur dessen gegenwärtiger Durchsetzung entgegensteht, die Klage ist in einem solchen Fall als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 06.09.2005 – X ZR 51/03, unter IV.1.).
28
c) Die Erhebung der Notbedarfseinrede war dem Beklagten auch nicht verwehrt. Insbesondere erfolgte die Schenkung im Jahr 2014 nicht sittenwidrig. Eine Schenkung ist sittenwidrig, wenn der Schenker und der Beschenkte mit der Schenkung bewusst oder zumindest grob fahrlässig den Bezug von Sozialhilfeleistungen herbeiführen und der Sozialhilfeträger den geschenkten Gegenstand nicht im Wege des Rückgriffs verwerten kann. Eine solche Schenkung ist mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren, denn die Vertragsfreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG endet dort, wo ihr die Rechtspositionen Dritter entgegenstehen. Vertragsparteien, die wie bei einer Schenkung gemäß den §§ 519, 528, 529 Abs. 2 BGB auf die Fähigkeit der jeweils anderen Vertragspartei zur Bestreitung des eigenen Unterhalts Rücksicht zu nehmen haben, missachten die guten Sitten, wenn sie versuchen, eine Unterstützungsbedürftigkeit zu Lasten des Sozialhilfeträgers herbeizuführen. Dies ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die maßgeblichen Umstände den Vertragsparteien bei Abschluss des Schenkungsvertrags bekannt sind oder sie sich diesen Erkenntnissen grob fahrlässig verschließen. Dafür ist nicht erforderlich, dass der Beschenkte die Möglichkeit der Notbedarfseinrede gegenüber einem Rückforderungsanspruch des Sozialhilfeträgers erkennt; ausreichend ist vielmehr die allgemeine Vorstellung, mit der Zuwendung den Vermögensgegenstand dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen. Aus einem solchen Sittenverstoß folgt regelmäßig nicht die Nichtigkeit des Schenkungsvertrags. Vielmehr ist dem Beschenkten die Erhebung der Notbedarfseinrede verwehrt (BGH, Urteil vom 20.11.2018 – X ZR 115/16 –, BGHZ 220, 226-235, Rn. 20, 21).
29
Vorliegend sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin und der Beklagte zum Zeitpunkt der Schenkung im Jahr 2014 bewusst oder zumindest grob fahrlässig den Bezug von Sozialhilfeleistungen herbeiführten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin damals einen Teilbetrag aus dem Erlös des Hausverkaufs zurückbehielt und zwischen der Schenkung und der Aufnahme der Klägerin in ein Pflegeheim etwa sechs Jahre liegen, der entsprechende Kostenbedarf also bei der Schenkung noch nicht konkret absehbar war. Die Klägerin war bei der Schenkung 69 Jahre alt, konkrete Anhaltspunkte zum damaligen Zeitpunkt, dass die Klägerin in absehbarer Zeit pflegebedürftig wird, lagen damals nicht vor. Die Schenkung einer Immobilie, die einen wesentlichen Teil des Vermögens des Schenkers bildet, ist nicht schon dann als solche sittenwidrig, wenn der Schenker deshalb nicht mehr in der Lage ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Den Schenker trifft keine Verpflichtung, für sein Alter vorzusorgen. Daher ist die Schenkung einer Immobilie, die einen wesentlichen Teil des Vermögens des Schenkers bildet, nicht schon als solche sittenwidrig (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2018 – X ZR 115/16 –, BGHZ 220, 226-235, Rn. 23).
III.
30
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
31
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 S. 2 ZPO.
32
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit allgemeine Rechtsfragen entscheidungserheblich waren, folgt der Senat der dazu bestehenden höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung. Verfahrensentscheidend waren tatrichterliche Fragen der Beweiswürdigung.
33
4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 47 GKG, § 3 ZPO.