Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 24.08.2022 – 10 O 1623/22
Titel:

Kein Ausschluss einer Vorfälligkeitsentschädigung

Normenkette:
BGB § 502 Abs. 2 Nr. 2, § 503
Leitsatz:
Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist dann nicht nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, wenn nach § 503 BGB aF § 502 BGB nicht auf grundpfandrechtlich gesicherte Darlehensverträge anzuwenden ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorfälligkeitsentschädigung, Ausschluss, grundpfandrechtlich
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 25.07.2023 – 14 U 2764/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 12.03.2024 – XI ZR 159/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51106

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.750,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.06.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 Euro freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 91,7 % und die Beklagte 8,3 % zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % über dem jeweils zu vollstreckenden Betrag vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 33.317,74 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht Rückzahlung einer gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung geltend.
2
Die Parteien schlossen unter dem 17.04.2009 einen Immobiliardarlehensvertrag über 350.000,00 Euro (vgl. Grundschuldzweckerklärung Anlage B 1). Durch Anschlusszinsvereinbarung vom 31.01./06.02.2014 (Anlage B 2) vereinbarten die Parteien eine Zinsfestbindung bis 30.04.2024. Für die vorzeitige Darlehensrückzahlung berechnete die Beklagte unter dem 19. Mai 2021 eine Vorfälligkeitsentschädigung mit 33.317,74 Euro (Anlage DB 2).
3
Der Kläger macht Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung geltend.
4
Die Vorfälligkeitsentschädigung sei unzulässig erhoben, weil er nicht die nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB (und § 494 Abs. 6 BGB) erforderlichen Informationen in zureichender Weise erhalten habe. Die Vorfälligkeitsentschädigung sei im Übrigen falsch berechnet, die Negativzinsen hätten unberücksichtigt bleiben müssen, die Risikoersparnis hätte mit 0,25 Prozentpunkten zum Ansatz kommen müssen, die ersparten Verwaltungskosten seien mit mindestens 100,00 Euro jährlich anzusetzen, die Erhebung der Bearbeitungsgebühr von 150,00 Euro sei unzulässig, jedenfalls überhöht.
5
Der Kläger beantragt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33.317,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.06.2021 zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.626,49 Euro freizustellen.
6
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
7
Die Beklagte beruft sich darauf, dass § 502 BGB zum Zeitpunkt des Darlehensvertragsschlusses nicht für den streitgegenständlichen Vertragstypus (Immobiliendarlehensvertrag) anwendbar war. Die Vorfälligkeitsentschädigung sei in der Höhe richtig berechnet.
8
Wegen des Vorbringens im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den damit übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9
Die zulässige Klage ist in Höhe von 2.750,93 Euro nebst Zinsen und entsprechender vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begründet, im Übrigen unbegründet. Die Beklagte hat dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung, lediglich die berechneten Negativzinsen in Höhe von 2.600,93 Euro und die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 150,00 Euro sind ohne Rechtsgrund im Sinn von § 812 BGB erlangt.
1. Ausschluss der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB:
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Die Vorfälligkeitsentschädigung ist nicht nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, weil nach § 503 BGB a.F. § 502 BGB nicht auf grundpfandrechtlich gesicherte Darlehensverträge anzuwenden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob maßgebend auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (17.04.2009) oder auf die Anschlusszinsvereinbarung vom 31.01.2014 abzustellen ist, weil insoweit Stichtag für die Regulierung der Vorfälligkeitsentschädigung der 21.03.2016 ist.
2. Berechnung der Höhe nach:
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a) Der Kläger hat einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der von der Beklagten angesetzten negativen Zinsen in Höhe von 2.600,93 Euro (Differenz zwischen der „Summe Zinsen“ mit 31.441,55 Euro und der „Vorfälligkeitsentschädigung brutto“ mit 34.042,48 Euro).
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Vorfälligkeitsentschädigung ist der Schaden, der dem Darlehensgeber aus der zur Beendigung des Darlehensvertrags führenden Kündigung entsteht. Das erfordert im Einzelfall einen Vorteilsausgleich. Dem Grunde nach handelt es sich um Schadensersatz, so dass in der Regel die §§ 249 f, insbesondere auch § 252 anzuwenden sind. Zu ersetzen ist der Zinsschaden, gemessen an der Wiederanlage des Kapitals. Die Wiederanlagerendite ist der Kapitalmarktstatistik der Bundesbank zu entnehmen (vgl. Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch 81. Auflage 2022, § 490 Rdnr. 8 mwN). Grundsätzlich sind von den durch vorzeitige Ablöse entgangenen Zinsen die Vorteile, die mit der Wiederanlage des Kapitals erzielt werden können, abzuziehen (Vorteilsausgleich). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Darlehensgeber keine Pflicht hat, das vorzeitig zurück erhaltene Kapital wieder anzulegen. Unterlässt er die Wiederanlage, muss er sich fiktiv die Wiederanlagerendite anrechnen lassen. Umgekehrt bedeutet das für den hier vorliegenden Fall einer negativen Wiederanlagerendite nicht, dass der Darlehensgeber die fiktiven negativen Zinsen für eine Wiederanlage vom Darlehensnehmer verlangen kann. Ein solches Vorgehen wäre mit den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs unvereinbar und würde zu einer unzulässigen Besserstellung des Darlehensgebers führen, zumal die Beklagte noch nicht einmal konkret vorgetragen hat, dass sie für das vorzeitig zurückbezahlte Kapital tatsächlich Negativzinsen aufbringen musste.
b) Risikoersparnis:
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Das Gericht billigt die von der Beklagten mit (lediglich) 0,06 Prozentpunkten angesetzte Risikoersparnis, § 287 ZPO. Der Kläger hatte nicht aufgezeigt, dass ein höher zu bewertendes Risiko im Hinblick auf seine wirtschaftliche Situation oder die Werthaltigkeit der bestellten Sicherheit besteht.
c) Ersparte Verwaltungskosten:
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Das Gericht schätzt die ersparten Verwaltungskosten gemäß § 287 auf den von der Beklagten mit 30,00 Euro jährlich bezifferten Wert. Anhaltspunkte für eine höhere Ersparnis liegen nicht vor.
d) Bearbeitungsgebühren:
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Die Bearbeitungsgebühren in Höhe von 150,00 Euro wurden zu Unrecht erhoben. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erfolgt im eigenen Interesse der Bank, der Aufwand fällt unabhängig davon an, ob dann tatsächlich ein Auflösungsvertrag zustande kommt. Im Übrigen erscheint die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 150,00 Euro gemessen an dem tatsächlichen Aufwand deutlich überhöht, dies auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Verwaltung des Vertrags mit lediglich 30,00 Euro pro Jahr von der Beklagten beziffert wird, insoweit besteht eine augenfällige Diskrepanz.
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3. Die Zinsforderung und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren beruhen auf Verzugsgesichtspunkten in gesetzlicher Höhe.
4. Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 92 Abs. 1 und 709 ZPO.
Verkündet am 24.08.2022