Titel:
Kaufpreis, Fahrzeug, Laufleistung, Revision, Anspruch, Kraftfahrt-Bundesamt, Zeitpunkt, Anlage, Auskunft, Feststellung, Zulassung, Manipulation, Abgasreinigung, sittenwidrig, unerlaubte Handlung, Zulassung der Revision, amtliche Auskunft
Schlagworte:
Kaufpreis, Fahrzeug, Laufleistung, Revision, Anspruch, Kraftfahrt-Bundesamt, Zeitpunkt, Anlage, Auskunft, Feststellung, Zulassung, Manipulation, Abgasreinigung, sittenwidrig, unerlaubte Handlung, Zulassung der Revision, amtliche Auskunft
Vorinstanz:
LG Memmingen vom 25.10.2021 – 26 O 1049/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 18.03.2022 – 24 U 8280/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 31.07.2023 – VIa ZR 489/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51050
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 25.10.2021, Az. 26 O 1049/21, durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
Entscheidungsgründe
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Die Klägerin erwarb laut verbindlicher Bestellung vom 13.12.2018 von der Autohaus S. GmbH einen Gebrauchtwagen Audi A5 2.0 TDI (Erstzulassung 17.11.2016) mit einer Laufleistung von 52.493 km zum Kaufpreis von 30.800 €. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe EA 288 mit SCR-Katalysator (Schadstoffklasse Euro 6) verbaut. Für das Fahrzeug erging kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts wegen Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Fahrzeug hatte am 22.10.2021 eine Laufleistung von 88.162 km.
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Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht Memmingen geltend gemacht, das Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen. Das Landgericht hat ihre im Hauptantrag auf Zahlung von 27.434 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 25.10.2021 abgewiesen. Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiter, wobei sie den Zahlungsanspruch auf 26.361,32 € reduziert.
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Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
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1. Ein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) besteht nicht.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19 ‒ juris Rn. 13 bis 19 und vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 ‒ juris Rn. 27 f.) wäre Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB, dass die Beklagte in Fahrzeugen des vom Kläger erworbenen Typs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und diesen Umstand dem KBA als für die Typgenehmigung zuständiger Behörde verschwiegen hat, um sich die begehrte Typgenehmigung zu erschleichen. Selbst wenn die Beklagte also in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben sollte, genügte dies nicht dafür, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 826 BGB bestehen. Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems („Thermofenster“) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt war. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit wäre nur gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme objektiver Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Für diese Voraussetzung trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die Klägerin als Anspruchstellerin die Beweislast.
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b) Die Klägerin behauptet eine Manipulation der Abgasreinigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in dreifacher Hinsicht. Der Motor verfüge über eine „Zykluserkennung/Fahrkurvenerkennung“, welche die Arbeitsweise des SCR-Katalysators auf dem Prüfstand manipuliere. Das Fahrzeug schalte 1180 Sekunden nach dem Motorstart in einen anderen Betriebsmodus, in dem es mehr Stickoxid ausstoße. Die zunächst erhöhte AGR-Rate werde nach 1180 Sekunden und nach Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators (200 Grad) zurückgefahren. Nur bei vollem Ad Blue-Tank werde eine ausreichende Menge Ad Blue zur Abgasreinigung eingesetzt. Außerdem bestehe ein sogenanntes „Thermofenster“. Nur im Temperaturbereichen zwischen 20 und 30 Grad arbeite die Abgasrückführung optimal. Auch das On-Board-Diagnose System (OBD-System) des Fahrzeugs sei als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten. Alle Behauptungen belegen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsbegründung keine objektive Sittenwidrigkeit im dargelegten Sinne.
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aa) Die Klägerin beruft sich für ihre Behauptung, es liege eine unzulässige „Prüfstandserkennung/ Zykluserkennung“ vor, auf Auszüge aus der internen „Entscheidungsvorlage:
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Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288“ der Beklagten vom 18.11.2015 (siehe Klägeranlagen). Aus der von der Klägerin nicht vorgelegten Seite 2 der Applikationsrichtlinien (siehe Anlage B7) ergibt sich allerdings, dass die „angehängten Unterlagen zu Applikationsrichtlinien für Serien- und Neuprojekte EA 288 sowie Freigabevorgaben für EA 288 Projekte […] inhaltlich mit den Zulassungsbehörden (KBA) und dem Rechtswesen vereinbart“ sind. Für eine bewusste Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts über Abschalteinrichtungen (Zyklus-/Fahrkurvenerkennung) zu diesem Zeitpunkt – nach Bekanntwerden des den Motortyp EA 189 betreffenden Abgasskandals im September 2015 – ergibt sich aus der Entscheidungsvorlage nichts. Dass insoweit eine Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt erfolgte, wird ferner durch das von der Beklagten als Anlage B5 vorgelegte Schreiben an das Kraftfahrt-Bundesamt vom 29.12.2015 bestätigt.
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bb) Auch soweit die Klägerin geltend macht, mittels der Prüfstandserkennung werde in unzulässiger Weise auf den SCR-Katalysator eingewirkt, ergibt sich aus den Applikationsrichtlinien (Anlage B7, Seite 5), dass dieses Vorgehen mit dem KraftfahrtBundesamt abgestimmt war. Für eine sittenwidrige Erschleichung der Betriebserlaubnis bestehen auch insoweit keine Anhaltspunkte.
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Außerdem rechtfertigt das Vorbringen der Klägerin zur Manipulation des SCR-Katalysators (erhöhte AGR nach 1180 Sekunden und Erreichen der Betriebstemperatur des SCR- Katalysators, Abhängigkeit der Ad Blue-Zuführung von der Füllmenge des Ad Blue-Tanks) nicht den Vorwurf, die Abgasreinigung arbeite auf dem Prüfstand in anderer Weise als im realen Fahrbetrieb. Das Vorbringen genügt daher nicht zum schlüssigen Vortrag einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, da Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die maßgeblichen Ingenieure der Beklagten im Bewusstsein gehandelt hätten, möglicherweise gegen die Abgasbestimmungen für die Typgenehmigung nach dem Euro 6-Abgasstandard zu verstoßen.
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cc) Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung (wie bereits im Klageverfahren) immer wieder zu einer angeblichen Manipulation der Regeneration des NOx-Speicherkatalysators (NSK, streckengesteuert/beladungsgesteuert) vorträgt, hat dies mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun, da das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig mit einem SCR-Katalysators ausgestattet ist, nicht mit einem NSK.
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dd) Auch bezüglich des beanstandeten „Thermofensters“ fehlt es an ausreichendem Vortrag zu einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Wie bereits ausgeführt wurde, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.01.2021 ‒ VI ZR 433/19 ‒ juris) das Verhalten der für einen Kraftfahrzeugsteller handelnden Personen nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben (vgl. hierzu zuletzt auch den VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20). Weitere hinzutretende Umstände, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das Kraftfahrt-Bundesamt im Typgenehmigungsverfahren über bestimmte Tatsachen im Zusammenhang mit dem „Thermofenster“ getäuscht haben könnte. Dagegen spricht, dass dem Kraftfahrt-Bundesamt (wie dem Senat in mehreren KBA-Anfragen im Zuge der Bearbeitung von „Dieselverfahren“ bestätigt wurde) bekannt war, dass Dieselmotoren mit einer „außenlufttemperaturgeführten Korrektur der Abgasrückführungs-Rate“ versehen sind, und es dementsprechend Prüfungen hierzu durchführt.
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ee) Auch der Vortrag bezüglich einer angeblichen Manipulation des OBD-Systems vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich eine Pflicht der Beklagten hätte ergeben sollen, das OBD-System so zu konfigurieren, dass es das Überschreiten bestimmter Abgaswerte im Straßenbetrieb anzeigt. Für die Zulassung waren damals für den Prüfstand normierte Grenzwerte maßgeblich.
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c) Der Vortrag der Klägerin zu Abgasmessungen, die außerhalb des NEFZ bei Fahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 288 durchgeführt wurden, ist nicht geeignet, eine Substantiierung des Vorbringens zum behaupteten Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen herbeizuführen.
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Dies gilt im Grundsatz schon deshalb, weil die Werte des NOx-Ausstoßes während des Fahrbetriebs außerhalb des NEFZ für die Erteilung der Typgenehmigung nicht maßgeblich sind.
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Ob und inwieweit ein exorbitant höherer NOx-Ausstoß außerhalb des NEFZ ein Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung darstellen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, weil die Klägerin hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Audi A5 2.0 TDI, Schadstoffklasse Euro 6) einen derartigen exorbitant erhöhten NOx-Ausstoß gerade nicht aufzeigt:
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aa) Soweit sich die Klägerin auf Messungen berufen will, die das Umweltbundesamt/die Technische Universität G. oder die DUH bei Fahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 288 der Schadstoffklasse Euro 5 durchgeführt hat, liegt auf der Hand, dass hieraus von vornherein keine Rückschlüsse auf den NOx-Ausstoß des streitgegenständlichen Fahrzeugs (2.0 Liter Dieselmotor Schadstoffklasse Euro 6) gezogen werden können. Die Klägerin vergleicht insoweit Äpfel mit Birnen.
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bb) Soweit sich die Klägerin auf Messungen beruft, die das Umweltbundesamt/die Technische Universität G. oder die DUH bei Fahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 288 der Schadstoffklasse Euro 6 durchgeführt hat, fällt auf, dass keine der von ihr in der Berufungsbegründung herangezogenen Messungen einen Audi A5 2.0 TDI, Schadstoffklasse Euro 6, mit SCR-Katalysator betrifft. (Dies gilt auch mit Blick auf den Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“.) Die Behauptung der Klägerin, die bei den unterschiedlichen untersuchten Fahrzeugen erhobenen Messergebnisse seien auf das streitgegenständliche Fahrzeug (Audi A5 2.0 TDI, Schadstoffklasse Euro 6, mit SCRKatalysator) zu übertragen, geht fehl. Die von der Klägerin in der Berufungsbegründung aufgeführten Messergebnisse sind – je nach dem untersuchten Fahrzeugtyp – völlig unterschiedlich (auch wenn es jeweils um Motoren der Baureihe EA 288 ging). Eine Übertragung der Messergebnisse (welcher?) auf das streitgegenständliche Fahrzeug verbietet sich.
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cc) Aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K C2 ist zu entnehmen, dass die DUH bei dem hier streitgegenständlichen Fahrzeutyp (Audi A5 2.0 TDI, Schadstoffklasse Euro 6, mit SCRKatalysator) eine NOx-Messung durchgeführt hat, die in der Berufungsbegründung verschwiegen wird. Die Messung der DUH ergab, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp den NOx-Grenzwert (80 mg/km) deutlich einhält (Messergebnis: 40 mg/km). Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, weshalb sich die Klägerin von der Beklagten getäuscht sieht.
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Der Senat weist die Klägervertreter darauf hin, dass die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben haben (§ 138 Abs. 1 ZPO). Vor diesem Hintergrund erscheint es äußerst fragwürdig, dass bei der Wiedergabe der Messergebnisse der DUH auf den Seiten 49/50 der Berufungsbegründung gerade das Messergebnis für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp (Audi A5) offenbar bewusst in der Tabelle unterschlagen wurde.
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d) Der Umstand, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp unstreitig nicht von einer Rückrufaktion des Kraftfahrt-Bundesamts wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen ist, stellt aus Sicht des Senats ein ganz erhebliches Indiz dafür dar, dass die von der Klägerin behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht vorliegen.
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e) Gegen das behauptete Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und eine dahingehende sittenwidrige Erschleichung der Typgenehmigung spricht außerdem, dass das Kraftfahrt-Bundesamt in Gerichtsverfahren die amtliche Auskunft erteilte, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden (vgl. die Beispiele in den Beklagtenanlagen). Dem Senat ist aus seiner umfangreichen Befassung mit „Dieselklagen“ keine KBA-Auskunft bekannt, in der eine unzulässige Abschalteinrichtung bei einem Motor der Baureihe EA 288 bestätigt wurde. Dies entspricht dem Ergebnis des Berichts der Untersuchungskommission „Volkswagen“ (Anlage K C3, dort Seite 12), wonach sich Hinweise, die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 288 (Euro 6) seien von Abgasmanipulationen betroffen, auf der Grundlage der Untersuchung als unbegründet erwiesen haben.
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Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht das Vorbringen der Klägerin zu angeblich doch vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtungen zu Recht als unschlüssig angesehen.
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f) Das Fehlen eines Rückrufbescheids ist insbesondere auch hinsichtlich einer etwaigen Schadensfeststellung und der Feststellung eines etwaigen Schädigungsvorsatzes auf Seiten der Beklagten von Bedeutung. Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat dazu in seinem Urteil vom 14.04.2021 (15 U 3584/20 ‒ juris Rn. 79-81), eine vergleichbare Fallkonstellation betreffend, aus Sicht des Senats im Kern zutreffend ausgeführt wie folgt:
„Im Übrigen liegt auch kein Schaden vor. Diesen hat der BGH in den EA189Verfahren maßgeblich auf die drohende Betriebsbeschränkung oder -untersagung aufgrund des KBA-Rückrufbescheids gestützt. Abgestellt wurde darauf, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs für die Zwecke des Käufers nicht voll brauchbar gewesen sei, weil es einen verdeckten Sachmangel aufgewiesen habe, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können. Für einen solchen Sachmangel gibt es vorliegend jedoch gerade keine Anhaltspunkte. Wenn der Kläger behauptet, im Motor EA 288 sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, welche die erteilte Genehmigung in Frage stelle (und welche offensichtlich nach der Vorstellung des Klägers vom KBA im Rahmen der Untersuchungen stets übersehen wurde), und hierzu Sachverständigenbeweis anbietet, übersieht er, dass das KBA die für einen eventuellen Rückruf des Fahrzeugs oder Widerruf der Typengenehmigung maßgebliche Behörde ist. Das (abstrakte) Risiko eines Widerrufs kann mit Null bezeichnet werden, wenn die zuständige Behörde nach (mehrfacher) tatsächlich durchgeführter, sorgfältiger Prüfung keine unzulässige Abschaltvorrichtung festzustellen vermag.“
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Dies gilt auch im Fall der Klägerin, zumal ihr Fahrzeug – folgt man den von ihr vorgelegten Messungen der DUH – die geltenden NOx-Emissionsgrenzwerte problemlos einhält.
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2. Ansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 2, § 31 BGB, § 263 StGB scheiden mangels Täuschung und zudem deswegen aus, weil es an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen dem auf Seiten der Klägerin behaupteten Vermögensschaden und dem von der Beklagten vermeintlich erstrebten Vermögensvorteil fehlt (vgl. BGH Urteil vom 30. 07. 2020 – VI ZR 5/20 – juris).
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3. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 831 BGB sind nicht erfüllt, da eine unerlaubte Handlung eines Verrichtungsgehilfen nicht festgestellt werden kann.
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4. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder i. V. m. Bestimmungen der VO (EG) 715/2007 besteht nicht. Wie der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19 ‒ juris Rn. 76) und vom 30.07.2020 (VI ZR 5/20 ‒ Rn. 11) ausgeführt hat, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, weder im Aufgabenbereich der §§ 6 I, 27 I EG-FGV noch des Art. 5 VO (EG) 715/2007. Sie stellen damit keine Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar.
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5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.01.2021, Az. VI ZR 433/19, Rn. 16, 17; Urteil vom 13.07.2021, Az. VI ZR 128/20) kommt es bei Diesel-Fällen außerhalb des Motortyps EA 189 darauf an, ob die Klagepartei substantiiert behauptet hatte, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht hatte. Eine einheitliche Entscheidung zu einem bestimmten Motortyp ist demnach nicht geboten und auch gar nicht möglich, da die Entscheidung vom Vorliegen eines substantiierten Vortrags im Einzelfall abhängt.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, sollte auch aus Kostengesichtspunkten – Ersparung zweier Gerichtsgebühren gemäß Nr. 1222 KV-GKG – ihre Rücknahme erwogen werden.