Inhalt

VG München, Urteil v. 27.10.2022 – M 11 K 20.2937
Titel:

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für zweigeschossiges Parkhaus

Normenkette:
Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Baugenehmigung ist aufzuheben, wenn sich Gegenstand und Umfang einer Baugenehmigung nicht eindeutig feststellen lassen und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine sog. Quartiers-Garage, welche dem Stellplatzbedarf des angrenzenden, als allgemeines Wohngebiet (WA) qualifizierten Gevierts dienen soll, unterscheidet sich von einer öffentlichen Park & Ride-Anlage. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Baugenehmigung für zweigeschossiges Parkhaus mit teiloffener Fassade, Bestimmtheit (verneint), Gebietserhaltungsanspruch, Lärmschutz, Baugenehmigung, Bestimmtheit, allgemeines Wohngebiet (WA)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51012

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts … … vom 18. Juni 2020 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines zweigeschossigen Parkhauses auf der Fl.Nr. … der Gemarkung … (Vorhabengrundstück) im unbeplanten Innenbereich.
2
Auf dem zwischen dem …weg (Fl.Nr. …) im Westen und der Äußeren … Straße (Staatsstraße …) im Osten gelegenen Vorhabengrundstück befindet sich bislang ein öffentlich genutzter, im Jahre 1991 genehmigter Parkplatz mit 55 Stellplätzen und einem Grünstreifen entlang der westlichen Grundstücksgrenze. Beim …weg handelt es sich um einen schmalen, für den Durchgangsverkehr gesperrten Teerweg, von dessen nördlichem Ende ein Fußgängerweg entlang der St … zum unweit gelegenen Altstadtbereich von … führt. Am südlichen Rand des Parkplatzes befindet sich eine Bushaltestelle. Westlich des …wegs befinden sich Wohnanwesen sowie, auf der Fl.Nr. …, der Gebäudekomplex eines Seniorenwohnheims, welches über nicht unerhebliche, eigene Parkplatzflächen verfügt. Ein Bebauungsplan besteht für das hier maßgebliche Gebiet westlich der Staatsstraße nicht.
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Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des unmittelbar westlich des …wegs gelegenen Wohnanwesens auf dem Grundstück Fl.Nr. … Die Klägerin zu 2) ist Eigentümerin des ebenfalls unmittelbar westlich an den …weg angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. …, welches bislang mit einem Wohngebäude bebaut war; zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung befand sich auf der Fl.Nr. … eine Baugrube zur Errichtung eines neuen Wohnanwesens. Die Klägerin zu 3) ist Eigentümerin des bislang unbebauten Hinterliegergrundstücks Fl.Nr. …, welches westlich des Grundstücks Fl.Nr. … gelegen ist und vom …weg aus über die Wegefläche … erschlossen wird.
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Am 16. Dezember 2019 stellte die Beigeladene einen ersten Bauantrag für den Neubau eines zweigeschossigen Parkdecks mit 106 Pkw-Stellplätzen, zu dem u.a. die untere Immissionsschutzbehörde unter dem 24. Januar 2020 auf Basis einer von der Beigeladenen beauftragten schalltechnischen Untersuchung vom März 2019 (im Folgenden: Lärmgutachten) Stellung nahm. Der Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Einhaltung bestimmter Nebenbestimmungen die Immissionsrichtwerte in der Nachbarschaft des Vorhabens eingehalten werden könnten. Aus immiss-ionsschutzfachlicher Sicht könne dem Vorhaben unter entsprechenden Auflagen zugestimmt werden.
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In dem noch zur Vorentwurfsplanung erstellten Lärmgutachten (S. 2) wird u.a. ausgeführt, dass das geplante Parkdeck als öffentliche P+R-Parkmöglichkeit genutzt werden solle. Nach Westen solle das Parkdeck weitestgehend durch eine Paneelkonstruktion geschlossen werden. Jeweils oberhalb und unterhalb der Paneele seien freie Lüftungsquerschnitte mit einer Gesamtfläche von ca. 88 m² vorgesehen. In der südöstlichen Nachbarschaft befinde sich gemäß Bebauungsplan Nr. … ein allgemeines Wohngebiet. Nördlich daran anschließend und westlich des …wegs lägen gemäß dem Flächennutzungsplan ebenfalls allgemeine Wohngebiete. Dies entspreche auch der tatsächlichen Nutzung. Zusammenfassend wurde auf S. 6 des Gutachtens festgestellt, dass durch das überdachte Parkdeck mit 2 Ebenen und insgesamt 107 Stellplätzen zur öffentlichen Nutzung in der WA-Nachbarschaft rechnerisch die Anforderungen der TA Lärm tags und nachts zuverlässig eingehalten werden könnten. Im Bereich des Seniorenwohnheims würden die Anforderungen nachts gerade eben eingehalten. Voraussetzung dafür seien folgende Maßnahmen:
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- bewertetes Schalldämm-Maß der Paneelkonstruktion an der Westfassade: Rw 20 dB
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- bewertetes Schalldämm-Maß des Dachs: Rw 25 dB
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- Fläche der Lüftungsöffnungen an der Westfassade: A 88 m2 (insgesamt)
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- vollflächige Belegung der Deckenflächen im EG und OG des Parkdecks mit schallabsorbierenden Maßnahmen: s 0,80 bei 500 Hz.
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Nachdem die Kläger im Rahmen der Nachbarbeteiligung Einwendungen u.a. in Bezug auf die Abstandsflächen erhoben hatten, reichte die Beigeladene unter dem 18. Februar 2020 modifizierte Antragsunterlagen (Planungsstand 18. Februar 2019) ein, welche insbesondere einen geänderten Grundstücksverlauf vorsahen.
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Mit Schreiben vom 9. März 2020 wies das Landratsamt … … (im Folgenden: Landratsamt) die Beigeladene u.a. auf die Beachtung der Stellungnahme des Immissionsschutzes hin, wonach die Lüftungsöffnungen an der Westfassade des Parkhauses maximal 88 m² betragen dürften. Der Architekt der Beigeladenen bat daraufhin mit Schreiben vom 2. April 2020 darum, dies in einer entsprechenden Auflage umzusetzen.
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Mit Bescheid vom 18. Juni 2020 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung für den Neubau eines zweigeschossigen Parkdecks mit 106 Pkw-Stellplätzen unter verschiedenen, inhaltlich an die Vorschläge des Lärmgutachtens angelehnten, immissionsschutzrechtlichen Auflagen. Nach Ziff. IV.4 des Bescheids darf etwa die Fläche der Lüftungsöffnungen an der Westfassade maximal 88 qm betragen. In den Gründen des Bescheids wurde u.a. ausgeführt, dass die umliegende Bebauung den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets i.S.d. § 4 BauNVO aufweise. Gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO seien in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze grundsätzlich zulässig, wenn diese dem durch die Nutzung verursachten Bedarf dienen würden. Alleine durch das angrenzende Seniorenwohnheim, welches ebenso dem Wohnen diene, werde der Stellplatzbedarf ausgelöst. Das Bauvorhaben füge sich demnach nach Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Die geltenden Immissionsrichtwerte könnten durch die verfügten Nebenbestimmungen eingehalten werden. Der Bescheid wurde den Klägern jeweils am 25. Juni 2020 zugestellt.
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Am 2. Juli 2020 erhoben die Kläger durch ihre Bevollmächtigte Klage gegen den Bescheid. Neben einem Verstoß gegen Abstandsflächenrecht wurde vorbehaltlich einer weiteren Akteneinsicht insbesondere gerügt, dass sich das Vorhaben seiner Nutzungsart nach nicht in die Umgebungsbebauung eines allgemeinen Wohngebiets einfüge. Ferner beinhalte das genehmigte Bauvolumen und die Ausbildung einer öffentlichen Stellplatzanlage mit rund 110 Stellplätzen in unmittelbarer Nähe zu den rein wohngenutzten Anwesen der Kläger eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
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Mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 nahm der Beklagte im Verfahren Stellung und führte aus, dass drittschützende Rechtspositionen der Kläger weder erkennbar noch vorgetragen seien.
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Mit Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 12. April 2022 wurde die Klage näher begründet. Das Vorhaben verstoße gegen den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch. Die Umgebungsbebauung entspreche einem reinen Wohngebiet und es sei nichts dafür ersichtlich, dass das Parkdeck mit 106 Stellplätzen dem Stellplatzbedarf innerhalb des Wohngebiets (auch unter Einschluss des Seniorenwohnheims) dienen solle. Anders als in der Bescheidsbegründung ausgeführt, ergebe sich aus den im Bescheid in Bezug genommenen Unterlagen gerade nicht, dass das Parkhaus als „Wohnquartiers-Garage“ geplant sei. Vielmehr sei in dem Lärmgutachten von einem öffentlichen Parkhaus bzw. einer Park & Ride-Anlage die Rede. Auch in den maßgeblichen Beschlussfassungen der Beigeladenen zu dem Vorhaben und in aktuellen Presseberichten werde das Parkhaus am …weg als Teil eines Parkraumkonzepts der Beigeladenen beschrieben, welche zur Schaffung innerstädtischer Parkplätze für Handel und Gastronomie sowie zur Aufwertung und Steigerung der Attraktivität der Altstadt benötigt werde. Der Inhalt der Baugenehmigung sei damit widersprüchlich und genüge nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Anhand der im Bescheid getroffenen Regelung und der in Bezug genommenen Unterlagen ergebe sich bereits nicht eindeutig, welchem konkreten Zweck das Parkdeck dienen solle. Soweit im Lärmgutachten für die Parkdeckbenutzung bestimmte Bewegungshäufigkeiten in der Tag- und Nachtzeit unter Annahme eines öffentlichen Parkhauses als Park & Ride-Anlage zugrunde gelegt worden seien, stehe das Gutachten nicht mit der Bescheidsbegründung zur zulässigen Nutzungsart im Einklang, wonach von einem Parkdeck zur Befriedigung des Stellplatzbedarfs für das Wohngebiet selbst die Rede sei. Es bleibe somit unklar, welcher Stellplatzbedarf befriedigt werden solle und welchem Personenkreis die Stellplatzbenutzung zu welchen Zeiten offenstehen solle. Die Unbestimmtheit sei auch nachbarrechtlich relevant, da sich die konkrete Nutzung auf die immissionsschutzfachliche Bewertung auswirke. Stehe das Parkdeck insbesondere auch zur Nachtzeit uneingeschränkt als öffentlicher Parkplatz für Besucher und Gäste der nahegelegenen Innenstadt zur Verfügung, seien die zur Nachtzeit angenommenen Lärmansätze nicht nachvollziehbar bzw. unzutreffend. Schließlich seien die im Bescheid getroffenen Lärmschutzauflagen nicht geeignet, mit Blick auf die schutzbedürftigen klägerischen Wohnanwesen die Immissionsbelastung hinreichend bestimmt zu regeln. Es sei bereits unklar, ob das genehmigte Vorhaben mit den Lärmschutzauflagen in Einklang gebracht werden könne. Das Lärmgutachten sei im März 2019 zu einer Vorentwurfsplanung erstellt worden und nehme damit nicht auf den genehmigten Planungsstand Bezug. Zwar würden zum Schutz der klägerischen Wohnanwesen vor Beeinträchtigungen Paneel-Verkleidungen und Schalldämmmaße vorgesehen. Auch finde sich die Vorgabe, dass durch die Lüftungsöffnungen in der Westfassade maximal 88 qm Fläche in Anspruch genommen werden dürften. Es bleibe jedoch ungeklärt, ob die beauflagten Forderungen durch das nunmehr genehmigte Vorhaben tatsächlich eingehalten werden könnten. Mit Schreiben vom 9. März 2020 habe das Landratsamt in Hinblick auf die Einhaltung der Lüftungsöffnungen an der Westfassade ausdrücklich noch die Vorlage geänderter Pläne gefordert, auf Bitte der Beigeladenen habe es dann lediglich den Auflagenvorschlag des Lärmgutachtens in dem Bescheid übernommen. Die Auflage zur flächenmäßigen Begrenzung der Fassadenöffnungen stelle jedoch bereits mangels hinreichender Bestimmtheit keine geeignete Nebenbestimmung zur Begrenzung der Lärmauswirkungen auf das zumutbare Maß dar; auch würden die genehmigten Planunterlagen insoweit nicht den Anforderungen der Bauvorlagenverordnung genügen. In der Ansicht West sei nicht zu erkennen, welche konkreten Fassadenbereiche geschlossen/offen bzw. mit/ohne Paneel-Elemente als Schallschutzverkleidung zu versehen seien. Die abschnittsweisen Öffnungen bzw. Lüftungsquerschnitte würden in den Planunterlagen weder hinreichend konkret dargestellt noch in ihrer Fläche rechnerisch beschrieben. Nicht nachvollzogen werden könne zudem, dass in dem Lärmgutachten die an der Westseite geplanten offenen und lärmdurchlässigen Paneel-Konstruktionen als Lärmabschirmung mit einem Schalldämmmaß von mindestens 20 dB beurteilt worden seien, da die Westfassade in Richtung der klägerischen Anwesen in weiten Teilen eine offene, schalldurchlässige Verkleidung aufzuweisen scheine. Sowohl in den unteren, seitlichen und oberen Bereichen sowie zwischen den Paneel-Fassadenelementen seien flächig offene Bereiche dargestellt. Dass eine derartige offene Fassadenausführung überhaupt eine effektive Lärmschutzwirkung bzw. ein bestimmtes Schalldämmmaß entfalten solle, sei nicht nachvollziehbar. Der rein rechnerischen Betrachtung im Lärmgutachten habe zudem keine genaue Nutzungsbeschreibung zugrunde gelegen. Eine Nutzung als öffentliches Parkhaus zur Befriedigung des innerstädtischen Bedarfs sei mit den angesetzten Fahrbewegungen von 18 An- und Abfahrten/Stunde, insbesondere während der Nachtzeit, nicht in Einklang zu bringen. Schließlich wurde näher ausgeführt, dass das Vorhaben gegen nachbarschützendes Abstandsflächenrecht und aufgrund der mit der Nutzungsintensivierung verbundenen Beeinträchtigungen durch Geruchs-, Lärm- und Lichtemissionen gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoße. Auch seien nachteilige Auswirkungen des Vorhabens wegen hoher Grundwasserstände nicht ausgeschlossen, die Oberflächenentwässerung sei ungeklärt.
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Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Landratsamts … … vom 18. Juni 2020; Az: … …, aufzuheben.
18
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene stellte keinen Antrag und äußerte sich im Verfahren schriftsätzlich nicht.
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Die Kammer hat am 27. Oktober 2022 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Augenscheins- und Sitzungsniederschrift verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die – von drei verschiedenen Nachbarklageparteien parallel – erhobenen Klagen haben Erfolg. Sie sind zulässig und begründet.
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1. Die Klagen sind zulässig. Insbesondere ist in Hinblick auf den vorgetragenen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch und die gerügten Lärmschutzbelange auch die Klägerin zu 3) als Nachbarin im baurechtlichen Sinne klagebefugt, obwohl es sich bei ihrem Grundstück um ein Hinterliegergrundstück handelt, welches weder an das Vorhabengrundstück noch den …weg unmittelbar angrenzt.
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2. Die Klagen sind auch begründet. Die angefochtene Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen einer Nachbarklage eine Aufhebung der Baugenehmigung nicht allein wegen objektiver Rechtswidrigkeit in Betracht kommt, sondern nur, wenn dritt- oder nachbarschützende Normen verletzt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (zur sog. Schutznormtheorie vgl. etwa Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42, Rn. 89 ff.). Damit ein Nachbar dies prüfen kann, muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt gerade auch im Hinblick auf die Beurteilung der Verletzung nachbarschützender Rechte sein (vgl. etwa BayVGH, B.v. 22.4.2009 – 1 CS 09.221 – juris Rn. 24). Bereits daran fehlt es hier.
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2.1 Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die im Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn sich Gegenstand und Umfang einer Baugenehmigung nicht eindeutig feststellen lassen und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (vgl. etwa BVerwG, B.v. 20.5.2014 – 4 B 21.14 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.1.2022 – 1 CS 21.2776 – juris Rn. 13, B.v. 23.9.2020 – 1 CS 20.1595 – juris Rn. 3; B.v. 27.11.2019 – 9 ZB 15.442 – juris Rn. 10). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angegriffene Baugenehmigung nicht hinreichend bestimmt.
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2.2 Die Klageparteien haben in der Klagebegründung zutreffend ausgeführt, dass nach der ausdrücklichen Begründung des Bescheids (S. 4) eine Garage genehmigt werden sollte, welche dem Stellplatzbedarf des angrenzenden, im Bescheid als allgemeines Wohngebiet (WA) qualifizierten Gevierts dienen sollte (sog. „Quartiers-Garage“). Auch in dem nach Ziff. III.2 des Bescheids zum Genehmigungsbestandteil erklärten Brandschutznachweis (S. 2) wird die Parkanlage ausdrücklich als „Quartiersgarage“ bezeichnet. Das nach Ziff. IV.1 des Bescheids zum Genehmigungsbestandteil erklärte Lärmgutachten geht demgegenüber von einer öffentlichen Park & Ride-Anlage aus. Letzteres legen auch der Vorhabenstandort in fußläufiger Entfernung zur Altstadt von … mit dem Vorhandensein einer Fußwegeverbindung und einer Bushaltestelle nahe. Letztere hat dabei auch explizit Eingang in die Eingabeplanung gefunden (vgl. etwa die Darstellungen im Abstandsflächenplan und die nicht gestempelten Darstellungen zur Straßenplanung). Auf die entsprechenden Ausführungen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung erklärte auch der Vertreter der Beigeladenen, dass diese das Parkhaus nicht für die Anlieger baue, sondern für die Beschäftigten der Geschäfte der Innenstadt. Soweit die Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung erstmalig anführten, dass von einer Gemengelage auszugehen sei, in die sich öffentlicher Parkraum nach § 34 Abs. 1 BauGB einfüge, kann dahinstehen, ob ein solches Austauschen der Bescheidsbegründung mit der Zuschreibung einer anderen Zweckbestimmung des Vorhabens überhaupt zulässig wäre. Denn letztlich bestätigen die Ausführungen des Beklagten und der Beigeladenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung nur die sich bereits aus dem Baugenehmigungsbescheid und den in Bezug genommenen Unterlagen ergebenden Widersprüche. Diese Unklarheiten gehen zulasten der Behörde und sind auch nachbarrechtsrelevant. Im Rahmen des streitgegenständlichen Bescheids wie auch dem Lärmgutachten vom März 2019 und der Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde vom 24. Januar 2020 wurde die nähere Umgebung als (faktisches) allgemeines Wohngebiet qualifiziert, woraus ein entsprechender Gebietserhaltungsanspruch der Kläger resultiert; auf die genaue Abgrenzung des Gevierts kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.
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2.3 Darüber hinaus erweist sich der streitgegenständliche Bescheid auch in Bezug auf die verfügten Lärmschutzauflagen nicht als hinreichend bestimmt, sodass eine Verletzung von Nachbarrechten in Hinblick auf Wahrung des planungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit ausgeschlossen werden kann. Insofern kann zumindest in Bezug auf die Kläger zu 1) und 2) nicht eindeutig ausgeschlossen werden, dass die Nutzung des genehmigten Parkdecks mit unzumutbaren Lärmimmissionen verbunden ist.
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Das noch zur Vorentwurfsplanung von der Beigeladenen eingeholte Lärmgutachten kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Anforderungen der TA Lärm in der WA-Nachbarschaft eingehalten werden könnten – jedoch unter der Voraussetzung der nachfolgend aufgezählten Maßnahmen. Die in dem Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen wurden seitens der unteren Immissionsschutzbehörde in Form von Auflagenvorschlägen übernommen. Im Bescheid selbst wird ausgeführt, dass die geltenden Immissionsrichtwerte durch die Einhaltung der unter Ziff. IV verfügten Nebenstimmungen eingehalten werden könnten. Bezüglich der Bestimmtheit und Geeignetheit insbesondere der Auflage Ziff. IV.4 teilt die Kammer jedoch die in der Klagebegründung bereits näher ausgeführten Bedenken. Bei der genehmigten Wandlänge von ca. 86 m wäre unter Zugrundelegung der Auflage Ziff. IV.4 nur eine Öffnung von etwa 1 m pro m Wandlänge zulässig, was sich mit der genehmigten Eingabeplanung „Ansicht West“ kaum in Einklang bringen lässt. In der für die klägerischen Anwesen maßgeblichen Westseite des Parkdecks befinden sich nach der Ansicht West demnach sowohl im unteren als auch im oberen Fassadenbereich durchgehend offene Bereiche, die in ihrem Umfang über bloße „Lüftungsschlitze“ deutlich hinausgehen. Daneben werden offene Bereiche augenscheinlich auch an der süd- und nordwestlichen Gebäudeecke dargestellt. Ob und inwieweit der mittige Fassadenbereich geschlossen ausgeführt wird, lässt sich der Eingabeplanung angesichts der geplanten unterschiedlichen Fassadengestaltungselemente – „Rankseile“, „Rankgitter“ sowie „Witterungsschutz (geschlossen)“ – kaum zweifelsfrei entnehmen. Während in Bezug auf die Ostfassade u.a. von „Witterungsschutz Lamellen“ die Rede ist – die „Lamellenkonstruktion“ wird dabei im Lärmgutachen von der „Paneelkonstruktion“ unterschieden (vgl. etwa Abbildung auf S. 11 des Gutachtens, Bl. 130 d.BA) – werden „Paneel-Elemente“ in Bezug auf die streitgegenständliche Westfassade weder in den Ansichten noch den Grundrissen als solche bezeichnet. Das Lärmgutachten selbst enthält keinerlei nähere Angaben oder Ansichten zur geplanten Paneel-Konstruktion. Die Ausführungen der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung, wonach es sich bei der Vorgabe der Lüftungsöffnungen von max. 88 qm letztlich um eine brandschutzrechtliche Anforderung gehandelt habe, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, da sie keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
32
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.