Inhalt

LG Bayreuth, Grund- und Teilurteil v. 14.07.2022 – 31 O 173/21
Titel:

Einbeziehung der VOB/B in einen Zusatzauftrag – Untersuchungspflicht des Fußbodenlegers 

Normenkette:
BGB § 305 Abs. 2, § 305c Abs. 1, Abs. 2, § 633
Leitsätze:
1. Wird ein BGB-Bauvertrag nachträglich erweitert, indem der Auftraggeber ein Angebot gegenzeichnet, an dessen Ende steht "Ausführung nach VOB/B … liegt zur Einsichtnahme in unseren Geschäftsräumen aus", reicht dies nicht zu einer wirksamen Einbeziehung er VOB/B gegenüber einem Laien. (Rn. 48)
2. Es ist (ohne Fachplanung) Angelegenheit des Fussbodenlegers sicherzustellen, dass der ausgewählte Belag und dessen Befestigung für die zu belegende Fläche geeignet ist, falls er keine belastbaren Angaben zur Beschaffenheit des zu belegenden Objekts hat, muss er diese aufklären. (Rn. 42 – 45)
3. Bringt der Fussbodenleger, ohne solche Ermittlungen angestellt zu haben, einen dampfdichten Belag auf einem naturbelassenen Boden auf und kommt es in der Folge zu einer Verseifung des Klebers und Ablösung des Fussbodenbelags, handelt es sich um einen Baumangel. (Rn. 42 – 45)
Schlagworte:
Fußbodenbelag, Fußbodenleger, Baugrundrisiko, Baumangel, verseifter Kleber, überraschende Klausel, Angebotserweiterung, Einbeziehung VOB/B
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Urteil vom 24.08.2023 – 12 U 58/22
OLG Bamberg, Beschluss vom 28.08.2023 – 12 U 58/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51009

Tenor

1. Die Klage ist in Ziffer I. dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die gesamten infolge der Durchführung der Sanierung im Zeitraum von 15.02.2022 bis einschließlich 01.03.2022 entstandenen Verluste aus Umsatzerlösen/Verluste von Betriebseinnahmen und Schäden aus entstehenden Lohnkosten für sanierungsbedingt freizustellende Mitarbeiter abzüglich ersparter Aufwendungen zu ersetzen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten für Schäden am Fußbodenbelag der klägerischen Geschäftsräume in Kulmbach.
2
Die Klägerin hatte die Geschäftsräume in …, … in einem ca. 1970-1975 erstellten Gebäude neu angemietet und wollte sie für ihre Zwecke sanieren lassen; vorher wurden sie von einem Lebensmittelmarkt genutzt.
3
Der ursprüngliche Fußbodenbelag der nicht unterkellerten Räume bestand aus einem Terrazzoboden auf einer Tragschicht aus Zement, die unmittelbar auf dem sandigen Untergrund aufsteht, ohne dass Dämmung, Folienquerung oder eine sonstige Feuchtigkeitssperrlage vorhanden ist (vergleiche Gutachten …, Seite 12).
4
Nach einem Angebot der Beklagten vom 01.09.2014, ergänzt um ein Verhandlungs- und Vergabeprotokoll vom 8. September, schlossen die Parteien auf Angebot des Beklagten vom 10. September und mit Annahme der Klägerin vom 15.09.2014 einen Vertrag über „Trockenbauarbeiten, Brandschutz, Deckenmontage, Türeneinbau, Malerarbeiten, Bodenlegerarbeiten“ (Anlage K2), zur Gewährleistung ist in § 7 des Vertrags geregelt, dass diese nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches erfolgen sollte; in § 8 ist explizit geregelt, dass Bedenken und Behinderungen hinsichtlich der Ausführung vom Auftragnehmer (Beklagte) anzuzeigen wären. Für Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags wurde in § 9 geregelt, dass diese der Schriftform bedürften.
5
Bereits am 13.09.2014 hatte die Beklagte ein weiteres Angebot betreffend: „BV: Umbau Markt zum Sanitätshaus … Bodenbelagsarbeiten“ gelegt, das von der Klägerin unter dem 25.09.2014 angenommen wurde (Anlage K1); am Ende des von der Klägerin entworfenen Angebots steht: „Ausführung nach VOB/B in der derzeit gültigen Verfassung. VOB liegt zur Einsichtnahme in unseren Geschäftsräumen aus.“
6
Die Bodenbelagsarbeiten hat tatsächlich die Streithelferin als Subunternehmerin der Beklagten ausgeführt. Sie hat auf dem Terrazzoboden elektrisch Feuchtigkeitswerte von 47-52 Digits ermittelt, den Fliesenboden mechanisch abgefräst, gesäubert und mit Spachtelmasse vorbereitet, anschließend mit einem faserarmierten Nassbett-Klebstoff den von der Klägerin ausgesuchten PVC-Belag aufgeklebt (Gutachten … Seite 5). Eine weitere Untersuchung des Bodenaufbaus hat sie nicht angestellt, ebenso wenig die Beklagte. Bedenken wurden der Klägerin nicht angezeigt.
7
Unter dem 09.12.2014 legte die Beklagte Schlussrechnung (Anlage K3) über alle Arbeiten, die die Klägerin ausgeglichen hat.
8
Mit E-Mail vom 26.02.2016 (Anlage K4) zeigte die Klägerin an: „Probleme mit dem Boden, sieht aus wie starke Abnutzungen …“. Die Beklagte verwies die Klägerin an die Streithelferin, die am 07.06.2016 die Situation prüfte, jedoch nichts veranlasste.
9
Mit E-Mail vom 14.11.2018 (Anlage K5) beklagte die Klägerin die Untätigkeit der Streithelferin, teilte mit: „Der Fußboden hebt sich an immer mehr Stellen auf und es besteht für Kunden und Mitarbeiter eine Stolpergefahr“ und setzte Frist bis 29.11.2018.
10
Schließlich beauftragte die Klägerin einen Privatgutachter (Anlagen K6 bis K8). Das Ergebnis teilte sie der Beklagten mit und setzte Frist zur Mängelbeseitigung des 31.05.2019 (Anlage K9).
11
Am 9.9.2019 beantragte sie die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, der Antrag im Verfahren 31 OH 17/19 des Landgerichts Bayreuth wurde der Beklagten am 13.09.2019 zugestellt. Das Beweisverfahren endete mit der Anhörung des Sachverständigen … am 12.11.2020. Ein schriftliches Gutachten vom 03.03.2020 („Gutachten …“, Anlage K 18 und enthalten in den Akten des selbstständigen Beweisverfahrens) wurde erstellt.
12
Unstreitig nach Beweisaufnahme ist die Mangelursache, nämlich eine Verseifung (Auflösung in seine Bestandteile und Funktionsverlust) des verwendeten Klebstoffs aufgrund ständiger Feuchtigkeitseinwirkung. Der nicht gegen Feuchtigkeit abgedichtete Unterbau zieht ständig Feuchtigkeit nach oben, die Feuchtigkeit kann nicht durch den PVC Belag entweichen und sammelt sich im Bereich der darunterliegenden Klebstoffschicht. Der Dispersionskleber hält einer anhaltenden Feuchtigkeitsbelastung nicht stand. Beim ursprünglichen Bodenbelag konnte die Feuchtigkeit durch die unbehandelte Terrazzoschicht aufsteigen und in der Folge verdunsten und führte zu keinen Problemen.
13
Die Klage ist am 11.03.2021 anhängig geworden, nach Festsetzung eines vorläufigen Streitwerts erging am 19.03.2021 Vorschussanforderung, nach Einzahlung des Vorschusses am 30.03.2021 wurde die Klage am 12.04.2021 zugestellt.
14
Nach Klageerhebung hat die Klägerin im Februar 2022 die Sanierung durchführen lassen.
15
Die Sanierung fand statt im Zeitraum von 15.02.2022 bis einschließlich 01.03.2022 (Faschingsdienstag), während dieser Zeit war das Ladenlokal der Klägerin geschlossen.
16
Die Klägerin macht Beklagte (und Streithelferin) verantwortlich, denn sie hätten vor der Verlegung eines feuchtigkeitsdichten Oberbelags den Fußbodenaufbau abklären müssen, das Problem aufsteigender Feuchtigkeit erkennen können und auf Bedenken gegen die geplante Ausführung hinweisen müssen. Es handele sich um einen Ausführungsfehler des Fußbodenlegers (der Streithelferin). Die Klägerin macht sich insoweit die Stellungnahme des Sachverständigen … im selbständigen Beweisverfahren zu eigen.
17
Der Eigentümer des Gebäudes, …, sei mit der Geschäftsführerin der Klägerin verheiratet gewesen, die Ehe sei rechtskräftig geschieden, eine Zurechnung von dessen Kenntnis gegenüber der Klägerin könne nicht erfolgen. Im Übrigen seien die Behauptungen der Beklagten zum Zustand des Gebäudes falsch.
18
Einen Planer – …- habe die Klägerin nur für die Trockenbauarbeiten gehabt, das Leistungsverzeichnis für die Bodenbelagsarbeiten habe die Beklagte (bzw. die Streithelferin) selbstständig erstellt, nachdem die Bodenbelagsarbeiten Teil des ursprünglichen Vertrags waren, seien dessen Gewährleistungsregeln anzuwenden.
19
Ohnehin seien VOB/B schon deshalb nicht anwendbar, weil sie der nicht im Bausektor tätigen Klägerin unstreitig nicht körperlich übergeben wurden. Eine konkludente Abnahme könne nicht vor dem 30.06.2015 angenommen werden.
20
Außerdem beruft sich die Klägerin auf Hemmung nach § 203 BGB durch die Mangelrüge vom 26.02.2016 und die nachfolgende Tätigkeit der Streithelferin im Auftrag der Beklagten (K31) bis Pfingsten 2019 und ab 13.05.2019 bis zur Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens (63 ff. d.A.; Anlage K 13, K 25-29).
21
Die Klägerin forderte mit der ursprünglichen Klage Sanierungsvorschuss (35.781,85 Euro) für die vom Sachverständigen … vorgeschlagene Variante einer Epoxidharz-Abdichtung.
22
Sowie (II.) die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, auch die diesen Vorschussbetrag übersteigenden Sanierungskosten zu erstatten.
23
Nach der Durchführung der Sanierung beansprucht die Klägerin die tatsächlich entstandenen Kosten für eine Ausführung mit dampfdichtem Vinyl in Höhe von 35.798,23 € netto (Blatt 110 der Akten, Anlagen K 35-41).
24
In einem nicht zu dieser Frage nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat sie den ihr während der Zeit der Sanierung entgangenen Gewinn auf 45.200,75 € beziffert und eine Umstellung des Feststellungsantrag Ziffer III. auf einen Leistungsantrag angekündigt (Blatt 144 d.A.).
25
Die Klägerin beantragt zuletzt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.798,23 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 21 Januar 2020 zu zahlen.
II. (aufgegangen in Ziffer I.)
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die gesamten infolge der Durchführung der Sanierung entstehenden Verluste aus Umsatzerlösen/Verluste von Betriebseinnahmen und Schäden aus entstehenden Lohnkosten für sanierungsbedingt freizustellende Mitarbeiter abzüglich ersparter Aufwendungen zu ersetzen.
26
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Klage abzuweisen.
27
Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Sie geht dabei aus von zwei getrennten Verträgen, wobei der Vertrag über die Ausführung der streitgegenständlichen Bodenbelagsarbeiten einer Verjährung nach der VOB/B unterliegt. Der Vertrag über die Bodenbelagsarbeiten sei nachträglich und zusätzlich geschlossen worden. Die Arbeiten seien im Oktober 2014 durchgeführt und am 27.10.2014 abgenommen worden. An diesem Tag sei auch eine vorläufige Rechnungsstellung erfolgt (Anlage B2). Verjährung sei deshalb spätestens mit Ablauf des 27.10.2018 eingetreten. Wenigstens mit der Eröffnung des Sanitätshaus nach Fertigstellung der Arbeiten am 08.11.2014 zzgl. 6 Werktagen gemäß § zwölf Abs. 5 Nummer 2 VOB/B sei eine konkludente Abnahme erfolgt. Spätestens aber mit der Schlusszahlung vom 19.12.2014.
28
Unabhängig davon treffe die Beklagte keine Verantwortung für die Wasserdurchlässigkeit bzw. fehlende Abdichtung des Fußbodens, weder sei diese Situation für die Beklagte oder die Streithelferin erkennbar gewesen noch habe eine rechtliche Verpflichtung zur Überprüfung des Fußbodenaufbaus mit einer CM-Messung (laut Gutachten …, Seite 15) bestanden.
29
Dabei sei auch das Baujahr des Gebäudes zu berücksichtigen.
30
Wenn überhaupt, hätte eine solche Verpflichtung die von der Klägerin beauftragte … … getroffen, die für die Planung sämtlicher Arbeiten verantwortlich gewesen sei. Selbst wenn sie nur die Trockenbauarbeiten geplant hätte, hätte sie die Beklagte auf die aufsteigende Feuchtigkeit hinweisen müssen.
31
Jedenfalls der Eigentümer des Gebäudes (Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin) habe den Zustand des Gebäudes gekannt, in dem es massive Feuchteschäden bis hin zum Hausschwammbefall gab.
32
Die vom Sachverständigen … vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen führten auch – nach eigener Einsicht des Sachverständigen – nicht zur Beseitigung der Mängel. Aufsteigende Feuchtigkeit dringe nicht nur durch die Bodenplatte, sondern auch durch das Mauerwerk ein. Es müsse vielmehr zuerst eine ordnungsgemäße Abdichtung des Bodens und des gesamten Bauwerks stattfinden. Auch bei den Vorschlägen des Sachverständigen – Abdichtungsschicht aus Epoxidharz oder mit einer Sperrmatte – handele es sich um Sowiesokosten.
33
Die von Klägerseite gestellten Feststellungsanträge rügt die Beklagte als unbestimmt und damit unzulässig. Zum Feststellungsantrag III könnten allenfalls Ansprüche auf Ersatz entgangenen Gewinns bestehen, um deren korrekte Berechnung sich die Klägerin nicht drücken könne. Dabei könne der Zeitraum nicht angesetzt werden, der für die sowieso anzubringende Abdichtung gebraucht werde. Ein völliges Schließen des klägerischen Geschäfts sei auch gar nicht nötig.
34
Die Streithelferin trägt weiter vor:
35
Die Abdichtung der Bodenplatte gegen das Erdreich könne und müsse der Bodenleger nicht prüfen. Hierzu bedürfe es einer stets zerstörten Prüfung auch der Bodenplatte, um festzustellen, ob eine geeignete Abdichtung vorhanden ist. Über die dazu erforderlichen bauphysikalischen Kenntnisse und Erfahrungen verfüge der Bodenleger nicht.
36
Auch die vom Sachverständigen … erwähnte CIM-Messung sei nicht möglich gewesen.
37
Die Epoxidharz Beschichtung habe nach der klägerseits vorgelegten Rechnung Sowiesokosten in Höhe von 9.697,07 € verursacht. Außerdem seien Maler- und Ausbesserungsarbeiten in Höhe von 1694,60 € mit berechnet.
38
Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 31 OH 17/19 mit dem schriftlichen Sachverständigengutachten … und der Niederschrift über dessen mündliche Erläuterung wurden beigezogen; weitere Beweise hat das Gericht nicht erhoben. Auf den Inhalt der Akten und Beiakten wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

39
1. Die zulässige Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, in Ziffer I aber der Höhe nach streitig, sodass das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, insoweit durch Grundurteil (und hinsichtlich des Antrags III durch Teilurteil) zu entscheiden. Der bezifferte Antrag zu Ziffer III ist noch nicht wirksam gestellt. Der Antrag Ziffer II. war neben dem ursprünglich erhobenen Vorschussantrag technisch nicht notwendig und hat sich beim Übergang von der Vorschussklage zur Klage auf Ersatz der tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten ohnehin erledigt.
40
2. Die Beklagte ist aus Bauvertrag verpflichtet, der Klägerin Mangelbeseitigungskosten und Schadenersatz für Mangelfolgeschäden für den von der ihr zuzurechnenden (§ 278 BGB) Streithelferin verursachten Baumangel – Ablösung des Bodenbelags der Ladenfläche – zu ersetzen. Dazu gehört als Mangelfolgeschaden auch der während der Zeit der Sanierung der Klägerin entgangene Gewinn.
41
3. Der Mangel als solcher und seine Ursache sind nach Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens außer Streit geblieben.
42
4. Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Verantwortlichkeit für den Mangel seitens der Streithelferin den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren an. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es aus technischer Sicht Angelegenheit des Bodenlegers ist, sicherzustellen, dass der ausgewählte Belag und dessen Befestigung für die zu belegende Fläche geeignet ist; falls er keine belastbaren Angaben zur Beschaffenheit des zu belegenden Objekts hat, diese aufzuklären. Im folgenden Fall war es ohne weiteres abzusehen, dass aufsteigende Feuchtigkeit aus dem naturbelassenen Boden sich unter dem dampfdichten Belag sammeln und zur Verseifung des verwendeten Klebers führen würde. Es handelt sich gerade nicht um einen Fall des sich unvorhersehbar verwirklichenden Baugrundrisikos.
43
Diese Verantwortlichkeit der Streithelferin entspricht auch dem allgemeinen Grundsatz, dass es zunächst Sache des Unternehmers ist, zu prüfen, ob das von ihm angebotene Werk für den Auftraggeber überhaupt in irgendeiner Art und Weise geeignet ist und von Nutzen sein kann.
44
5. Eine zu einer gegebenenfalls quotalen Mithaftung der Klägerin führende Mitverantwortlichkeit sieht das Gericht auf der Klägerseite nicht. Zwar war der Klägerin grundsätzlich bekannt, dass das Objekt älteren Datums und teilweise nicht unterkellert war. Die Eigenheit des verwendeten Materials im Verhältnis zum Bauzustand und die Tatsache, dass der verwendete Kleber unter Feuchtigkeitseinfluss verseifen würde, musste der Klägerin – da nicht vom Fach – indessen nicht bekannt sein. Einen Fachplaner, dessen Verschulden dann vorgelegen hätte und ihr zugerechnet werden könnte, hatte die Klägerin für das Werk der Streithelferin nicht eingeschaltet; dies folgt ohne weiteres daraus, dass die Streithelferin das Angebot samt LV erstellt hat; den darüber hinausgehenden Vermutungen der Beklagtenseite muss das Gericht nicht nachgehen. Dass ihr eine Fachplanung für den Fußboden zur Verfügung gestellt wurde, hat sie ohnehin nicht vorgetragen.
45
Ebenso wenig nachgehen muss das Gericht den Hinweisen der Beklagtenseite betreffend das persönliche Verhältnis der (Geschäftsführerin der) Klägerin zum Hauseigentümer. Ein so enges Verhältnis, dass eine unmittelbare Wissenszurechnung vom Hauseigentümer zur Klägerin erfolgen könnte, ist im Zeitraum des Baus nicht vorhanden gewesen. Ob das Haus in anderen Stockwerken Feuchtigkeitsschäden hatte, ist für den hier gegenständlichen Schadensmechanismus ohnehin irrelevant. Für den von der Streithelferin überklebten Terrazzoboden sind von keiner Seite Vorschäden vorgetragen (der Sachverständige hat denn auch ausgeführt, dass aufgrund der Dampfdurchlässigkeit des Terrazzobodens keine zu erwarten waren).
46
6. Hinsichtlich etwaiger Sowiesokosten schließt sich das Gericht ebenfalls der Beurteilung des Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren an, wonach der von ihm vorgeschlagene Sanierungsweg Sowiesokosten nicht beinhaltet. Es wird daher Gegenstand des Betragsverfahren sein, zu überprüfen, ob die von der Klägerin dargestellten Aufwendungen mit dem vom Sachverständigen vorgezeichneten Sanierungsweg grundsätzlich übereinstimmen.
47
7. Abzüge neu für alt sind degegen nicht zu berücksichtigen, da das Werk der Streithelferin wenigstens seit Februar 2016 (K4) fehlerbehaftet gewesen ist, ohne dass die Beklagtenseite Abhilfe zu schaffen in der Lage war (vgl. Werner-Pastor/Manteufel RN 2937 m.w.N).
48
8. Die Einrede der Verjährung wird erfolglos erhoben. Es kann von fünfjähriger Gewährleistungsfrist nach BGB ausgegangen werden: das Angebot vom 11.09.2014 und seine Annahme bewegen sich im Bereich von § 3 des Werkvertrags vom 10. September/15.09.2014, die Auftragserweiterung wird deshalb von seinen Regelungen insgesamt mit erfasst. Die individuellvertragliche Regelung geht vor der Einbeziehung der VOB/B durch die AGB der Beklagten; im Übrigen ist die Einbeziehung der VOB/B im vorliegenden Fall eindeutig überraschend. Überraschende Klauseln sind auch im Verhältnis zwischen Kaufleuten unzulässig.
49
Ohnehin ist davon auszugehen, dass die Verjährung so lange gehemmt gewesen ist, als die Streithelferin mit der Klägerin über Mängelbeseitigung verhandelte, insoweit gelten §§ 164 ff. BGB analog, nachdem die Beklagte die Klägerin an die Streithelferin verwiesen hatte.
50
9. Zum Schaden zählt auch der entgangene Gewinn, der zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht abschließend bezifferbar gewesen ist, so dass die Feststellungsklage in Ziffer III zulässig und nach dem Vorstehenden ebenfalls begründet ist.
Verkündet am 14.07.2022