Inhalt

VG München, Urteil v. 22.02.2022 – M 1 K 19.5390
Titel:

Baugenehmigung für Werbetafel

Normenkette:
BayBO Art. 8 S. 3, Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
Leitsätze:
1. Die „Häufung“ erfordert ein räumlich so dichtes Nebeneinander von Werbeanlagen, dass diese gleichzeitig wahrgenommen werden. Sie liegt vor, wenn mehrere, mindestens aber drei gleichartige oder verschiedene Werbeanlagen in enger räumlicher Beziehung zueinander angebracht werden und gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen, wobei dabei alle vorhandenen Werbeanlagen einzubeziehen sind; auf deren Funktion als Eigen- oder Fremdwerbeanlage kommt es nicht an. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme einer Störung durch gehäufte Werbeanlagen ist nicht einmal in gewerblich geprägten Baugebieten ausgeschlossen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung für Werbeanlage, störende Häufung (bejaht), Baugenehmigung, Werbetafel, Werbeanlagen, Häufung, Störung, gewerblich
Fundstelle:
BeckRS 2022, 5096

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Plakatwerbetafel.
2
Die Klägerin beantragte unter dem 22. Mai 2019 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beidseitigen, angestrahlten Plakatwerbetafel auf Monofuß für wechselnde Produktwerbung auf dem Grundstück FlNr. 486 Gem. … … Die zu errichtende Tafel soll eine Größe von 2,80 m auf 3,80 m haben, die jeweilige Ansichtsfläche beträgt ca. 9,36 m². Das Grundstück wird derzeit als Parkplatz genutzt; ferner wird in einem bungalowähnlichen Gebäude ein Pizza-Döner-Lieferdienst betrieben. Das Grundstück liegt an der Kreisstraße … Auf der anderen Straßenseite, vom Vorhabengrundstück in nordöstlicher Richtung, liegt das Grundstück FlNr. 806/3 Gem. … …, das mit einem alpenländischen Landhaus aus dem Jahr 1920 bebaut ist; dieses ist als Einzelbaudenkmal in der Liste der Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege eingetragen. Ein Bebauungsplan besteht für den maßgeblichen Bereich nicht.
3
Die Beigeladene hat mit Stadtratsbeschluss vom 24. September 2020 eine Werbeanlagensatzung erlassen, die am 6. Oktober 2020 bekanntgemacht wurde. In dem Teilbereich A trifft die Satzung Regelungen zu Werbeanlagen in einem räumlich beschränkten Stadtbereich. Der Teilbereich B enthält Regelungen zu großflächigen Plakatanschlagtafeln für das gesamte Stadtgebiet. Dieser Satzung gingen Vorgängersatzungen voraus, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch in Kraft waren.
4
Die Beigeladene hat mit Beschluss vom 2. Juli 2019 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben nicht erteilt. Dies wurde begründet mit der unerwünschten Häufung bzw. störenden Werbeflächenvergrößerung und somit einer negativen Ortsbildwirkung, ferner mit der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs und der Schaffung eines möglichen Bezugsfalls.
5
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege lehnte in einer mündlichen Stellungnahme am 13. August 2019 sowohl die in der Nähe des Vorhabenstandorts befindlichen Werbeanlagen als auch das Vorhaben selbst ab, weil ein naheliegendes Denkmal in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt werde.
6
Die Tiefbauverwaltung des Landratsamts als Straßenbaulastträger stimmte mit Stellungnahme vom 9. August 2019 dem Vorhaben nicht zu, weil die Sicherheit des Verkehrs durch die zusätzliche, ablenkende Werbeanzeige beeinträchtigt werde. Bei der Kreisstraße handele es sich um eine viel befahrene Straße mit einem Fahrzeuganteil von 7150 Kfz pro Tag. Durch den bereits jetzt schon vorhandenen anstauenden Rückstauverkehr bestehe bei einer zusätzlichen Werbeanzeige ein erhöhtes Auffahrrisiko. Ferner rage die Werbeanlage von ihrer Ausrichtung in den vorhandenen Parkplatz.
7
Der Fachbereich Verkehrswesen im Landratsamt nahm unter dem 12. August 2019 dahingehend Stellung, dass eine Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs durch die Werbeanlage nicht ausgeschlossen sei. Das Verkehrsaufkommen im hier maßgeblichen Abschnitt der Kreisstraße sei erheblich, ebenso die vielen unterschiedlichen Verkehrsbeziehungen wie etwa Schulweg, Fahrradfahrer, Rückstau zu Stoßzeiten, querende Fußgänger; ferner sei eine Lichtsignalanlage vorhanden.
8
Mit Bescheid vom 17. September 2019, der am 24. September 2019 per Einschreiben aufgegeben wurde, lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Bauplanungsrechtlich handele es sich um ein im Innenbereich als Gemengelage zu qualifizierendes Gebiet. Das Vorhaben falle unter die Ortssatzung über das Verbot der Errichtung von großflächigen Plakatanschlagtafeln, entspreche dieser Satzung aber nicht. Der Standort sei nicht in der Satzung vorgesehen. Beleuchtete, großflächige Werbeanlagen seien nach § 4 Abs. 2 der Satzung unzulässig, ebenso wie die Aneinanderreihung mehrerer großflächiger Werbeanlagen mit insgesamt mehr als 12 m². Es befänden sich vor Ort bereits zwei Plakatanschlagtafeln. Das Vorhaben sei aus den von den Fachstellen genannten Gründen mit Art. 14 Abs. 2 BayBO nicht vereinbar. Die Verweigerung des Einvernehmens sei auch im Hinblick auf die seitens der Beigeladenen geäußerten Bedenken zu der unerwünschten Häufung, einer negativen Ortsbildwirkung und den denkmalfachlichen Bedenken rechtmäßig erfolgt.
9
Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten am … Oktober 2019 (einem Montag) Klage erhoben und beantragt,
10
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. September 2019 verpflichtet, die Baugenehmigung zur Errichtung einer statischen, freistehenden, beleuchteten Plakatsanschlagtafel auf Monofuß auf der Liegenschaft M... …, T... … Straße 14a gemäß näherer Darstellungen in den Bauvorlagen zu erteilen.
11
Der Ablehnungsbescheid sei der Klägerin am 27. September 2019 zugestellt worden. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig, weil es sich angesichts der in der näheren Umgebung anzutreffenden Nutzungen um ein faktisches Mischgebiet handele. Die Werbeanlagensatzung der Beigeladenen dürfte schon deswegen unwirksam sein, weil eine Binnendifferenzierung nicht stattfinde und inhomogene Gebietstypen mit einer gleichlautenden Satzungsregelung überzogen seien. Eine konkrete verkehrsgefährdende Wirkung weise das Vorhaben nicht auf. Es ver-/überdecke nicht den freien Blick auf eine Lichtzeichenanlage oder ein Verkehrszeichen. Ein Unfallschwerpunkt liege ebenfalls nicht vor. Die Verkehrsführung erweise sich als normal bis einfach und keinesfalls als komplex. Ohnehin gehörten Werbeanlagen in innerstädtischen Bereichen zur Normalität; selbst bei Wechselwerbeanlagen könne erwartet werden, dass sich der durchschnittliche Autofahrer davon nicht ablenken lasse. Zwar seien in der T... … Straße andere Werbeanlagen vorhanden, das Hinzutreten des Vorhabens führe jedoch nicht zu einer engen räumlichen Überladung mit Werbung im Sinne einer störenden Häufung. Die notwendigen Ruhepunkte für das Auge seien weiterhin vorhanden. Ferner seien die Werbeanlagen unterschiedlich positioniert, sodass sie nicht gleichzeitig mit dem Vorhaben in einem Blick wahrnehmbar seien und daher jedenfalls keine Störung eintrete. Die Verkehrsteilnehmer aus beiden Richtungen könnten jeweils nur eine der beiden vorhandenen Werbeanlagen mit einem Blick wahrnehmen. Eine negative Ortsbildwirkung, auch im Hinblick auf denkmalrechtliche Belange, könnten nicht angeführt werden, weil vor Ort bereits gleichartige Werbeanlagen im Euroformat vorhanden seien. Ferner befinde sich das Vorhaben nicht in einem unmittelbaren Sichtachsenbereich eines durch die Werbeanlage dann verdeckten Denkmals; eine Beeinträchtigung der vorhandenen Denkmäler liege nicht vor.
12
Der Beklagte beantragt
13
Klageabweisung.
14
Der Standort sei dem Innenbereich zuzuordnen, im Flächennutzungsplan sei am Vorhabenstandort eine Grünfläche dargestellt, nördlich gegenüber der T... … Straße grenze ein Mischgebiet an, östlich ein allgemeines Wohngebiet. Durch das Vorhaben entstehe eine unerwünschte Häufung bzw. eine störende Werbeflächenvergrößerung. Sie wirke aufgrund des überproportionalen Umrisses sowie der Beleuchtung als aufdringlich verunstaltend und somit störend zur Umgebung. Das Vorhaben führe zu einer konkreten Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, jedenfalls aber bestünde eine erkennbare Möglichkeit, dass das Bauvorhaben den Verkehrsablauf beeinträchtigen oder gefährden würde. Die Tafel rage in den Verkehrsraum hinein, welcher verkehrlich anspruchsvoll sei. Die Ablenkungswirkung der Anlage lasse eine Unfallgefahr wahrscheinlich erscheinen. In Sichtbeziehung befänden sich ein Kreisverkehr und eine Lichtsignalanlage; es handele sich überdies um eine kurvige Verkehrsführung. In dem maßgeblichen Streckenabschnitt seien in den vergangenen zehn Jahren 21 Unfälle registriert worden. Bei einer einwöchigen Verkehrszählung im November 2021 seien 13.185 Kfz gezählt worden. Das Vorhaben sei mit der Werbeanlagensatzung vom 1. Januar 2020 nicht vereinbar; dies sei im Genehmigungsverfahren versehentlich nicht berücksichtigt worden. Es fehle bereits an einem Antrag auf Erteilung einer Abweichung. Ferner stehe auch die zwischenzeitlich erlassene Satzung vom 25. September 2020 dem Verpflichtungsbegehren entgegen. Die Werbeanlage liege in der Sichtachse von und zum gegenüberliegenden Denkmal, das dadurch in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt werde. Wie sich aus Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz und des Stadtarchives ergebe, bestünden in der Umgebung des Vorhabens historische Anlagen als Zeugnis der menschlichen Geschichte und Entwicklung. Das Ortsbild sei aufgrund der Nähe des Vorhabens zu den Baudenkmälern als beeinträchtigt anzusehen.
15
Die Beigeladene stellt keinen Antrag, hält das Vorhaben wegen der Häufung von Werbeanlagen jedoch für unzulässig. Ferner entsprächen die bestehenden Anlagen nicht der geplanten; durch die Lage und die Aufständerung ergebe sich eine deutliche dominantere Wirkung.
16
Das Gericht hat aufgrund Beschlusses vom 20. August 2021 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. In der sich anschließenden mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
17
Zu den Feststellungen beim Augenschein wird auf das Protokoll samt Lichtbilder verwiesen. Zum Sachvortrag im Übrigen und den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen;

Entscheidungsgründe

18
Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierauf verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
19
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
20
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, dass ihr die begehrte Baugenehmigung für die Errichtung einer doppelseitigen Werbetafel auf dem Grundstück FlNr. 486 Gem. … … erteilt wird. Die Ablehnung des Bauantrags vom 22. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21
1. Der Beklagte hat dem Vorhaben zu Recht die Genehmigung versagt, weil es mit seiner Errichtung zu einer störenden Häufung von Werbeanlagen käme, Art. 8 Satz 3, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO.
22
a) Die „Häufung“ erfordert ein räumlich so dichtes Nebeneinander von Werbeanlagen, dass diese gleichzeitig wahrgenommen werden. Sie liegt vor, wenn mehrere, mindestens aber drei gleichartige oder verschiedene Werbeanlagen in enger räumlicher Beziehung zueinander angebracht werden und gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen. Einzubeziehen sind dabei alle vorhandenen Werbeanlagen, auf deren Funktion als Eigen- oder Fremdwerbeanlage kommt es nicht an (VG Ansbach, U.v. 2.7.2020 - AN 17 K 19.01354 - juris Rn. 26; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 8 Rn. 204 ff).
23
Eine Häufung liegt nach den Eindrücken des Augenscheintermins vor. Dem aus nordwestlicher Richtung auf der T... … Straße kommenden Verkehrsteilnehmer fallen schon jetzt zwei großflächige, freistehende großformatige Plakatanschlagtafeln zur Fremdwerbung gleichzeitig in den Blick (vgl. hierzu Fotos Nrn. 1 und 8). Diese befinden sich am Ende des Parkplatzes dies- und jenseits der östlichen Grenze des Vorhabengrundstücks. Durch die räumliche Versetzung dieser beiden Anlagen zueinander und der unterschiedlichen Werbung auf den Tafeln wirken diese nicht als einheitliche, sondern als zwei selbständige Anlagen. Ferner tritt - von der nördlichen Straßenseite aus wahrnehmbar - die Eigenwerbung des baulich zurückgesetzten Pizza-Döner-Lieferservice als optischer Reiz hinzu. Diese besteht aus zwei aus der Fassade heraustretenden Hinweisschildern („R... …“ und „P... … ... … … - Haus“) sowie ein vollständig mit Eigenwerbung beklebtes großes Schaufenster (vgl. Foto Nr. 8). Zusätzlich befindet sich ein Zigarettenautomat mit dem Betreiberlogo „…“ an der Hauswand des Lieferservices. Ein Hinzutreten des Vorhabens im straßenseitigen Bereich des Parkplatzes zwischen dem Lieferservice und den beiden Fremdwerbeanlagen würde zu einer Häufung führen, weil aus mindestens zwei Blickwinkeln drei oder mehr Werbeanlagen in hinreichend enger räumlicher Nähe sichtbar wären (vgl. hierzu auch die Fotomontage, S. 17 der Behördenakte).
24
b) Von dieser Häufung geht auch eine Störung im Sinne von Art. 8 Satz 3 BayBO aus.
25
Von der störenden Wirkung vermochte sich die Kammer im Augenscheinstermin zuüberzeugen. Nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.01.2012 - 15 ZB 10.445 - juris Rn. 16) handelt es sich bei Hinzutreten der beabsichtigten Werbeanlage um keinen maßvollen Kontrast der Werbeanlage zu ihrer Umgebung mehr; es besteht vielmehr ein Missverhältnis zwischen den Eindrücken der Werbeanlagen und der Umgebung. Zwar ist das Vorhabengrundstück selbst gewerblich geprägt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist freilich Wohnbebauung vorzufinden (Grundstücke FlNrn. 805/5 und 806/3), sodass der Charakter eines Mischgebiets oder einer Gemengelage mit Wohn- und Gewerbeelementen vorliegen dürfte. Gleichwohl ist die Annahme einer Störung durch gehäufte Werbeanlagen nicht einmal in gewerblich geprägten Baugebieten ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 9.9.2020 - 9 ZB 17.1406 - juris Rn. 8). Hier stellt sich bei Verwirklichung des Vorhabens der Eindruck einer störenden Überladung der näheren Umgebung mit Werbeanlagen ein. Dies gilt zunächst wegen der Platzierung der Werbeanlage als freistehende Anlage auf dem Parkplatz, der seinerseits mit einer Länge von ca. 25 m und einer Breite von ca. 10 bis 12 m als eine eher kleinere Parkfläche erscheint. Damit dominiert die beabsichtigte Werbeanlage ihre Umgebung. Dadurch, dass sie der wechselnden Fremdwerbung zu dienen bestimmt ist, ordnet sie der Betrachter auch nicht dem Lieferservice zu, wie es bei Eigenwerbung eher der Fall wäre, sondern nimmt sie als eigenen optischen Reiz wahr. Der vorherrschende Effekt der Werbeanlage wird verstärkt durch die Aufstellung der Tafel auf einen 2,50 m hohen Monofuß und durch die erhebliche Ansichtsfläche von 2,80 x 3,80 m, die obendrein nachts beleuchtet werden soll. Die beabsichtigte Werbeanlage zusammen mit den anderen bereits vorhandenen Anlagen, die weiterhin in der Flucht wahrnehmbar sind, lenken von der Funktion des Parkplatzes, des optisch niedrigen Bungalowgebäudes des Pizzaservices und des umgebenden Grüns ab. Dies gilt umso mehr, als der Blick des aus nordwestlicher Richtung kommenden Verkehrsteilnehmers aufgrund des vorhandenen Kurvenbereichs gerade auf die Ansammlung der Werbeanlagen gelenkt wird und er damit kaum mehr das teils umgebende, teils verdeckte Grün wird wahrnehmen können. Auch wenn dem Vorhandenen keine ansprechende ästhetische Gestaltung zugesprochen werden kann, besteht kein Grund, mit der begehrten Werbeanlage die bestehende Vorbelastung zu verstärken; einen Rechtsatz, dass weiter verunstaltetet werden darf, was schon verunstaltet ist, gibt es nicht (vgl. OVG Münster, U.v. 6.2.1992 - 11 A 2235/89 - juris Rn. 45 und Leitsatz 4).
26
2. Auf die ansonsten geltend gemachten Einwände gegen die Errichtung der Werbeanlage kommt es daher nicht streitentscheidend an.
27
a) Gleichwohl hält die Kammer jedenfalls die von der Beklagten und der Beigeladenen ins Feld geführten straßenverkehrsrechtlichen Hinderungsgründe nach Art. 23, Art. 24 BayStrWG nach den Erkenntnissen im Augenschein und den nachgereichten Unterlagen des Beklagten für nicht durchgreifend. Ein nennenswerter Einfluss der Werbeanlage auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist nicht zu erwarten. Die Verkehrssituation stellt sich für den Verkehrsteilnehmer als rasch erfassbar dar, und in der maßgeblichen Umgebung finden sich keine Einrichtungen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern würden. Bis auf die leichte Kurvensituation sind etwa keine Lichtzeichenanlagen vorhanden, besondere Regelungen zur Vorfahrt zu beachten oder etwa Spurwechsler zu erwarten, ebensowenig sind in der näheren Umgebung der T... … Straße Verkehrszeichen vorhanden, deren Beachtung die Werbeanlage erheblich stören würde. Zwar ist der Verkehrsteilnehmer in seiner besonderen Aufmerksamkeit im Bereich des Kreisverkehrs, der sich in nordwestlicher Richtung zum Vorhabenstandort befindet, gefordert. Angesichts der gegebenen Entfernung des Kreisverkehrs zum Vorhaben (vgl. Foto Nr. 2) hält die Kammer - trotz der Möglichkeit eines Rückstaus - den Ablenkungsgrad der Werbeanlage auf den Verkehr für gering und tolerabel.
28
b) Die Wirksamkeit der zwischenzeitlich erlassenen und in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Werbeanlagensatzung begegnet hingegen erheblichen rechtlichen Zweifeln.
29
Zum einen findet sich in den vorgelegten Satzungsakten keine Satzungsausfertigung, die auch den textlichen Teil umfasst. Die Unterschrift des Ersten Bürgermeisters findet sich ausschließlich unter der „Anlage zum Teilbereich A der Werbeanlagensatzung vom 23. Juli 2020“. Sie umfasst hingegen nicht den Textteil, weil dieser nicht körperlich mit der ausgefertigten Anlage verbunden ist. In den Akten ist lediglich eine Reihe loser Blätter, die nicht durchnummeriert sind und im Übrigen auch nicht einzeln ausgefertigt sind, vorhanden.
30
Zum anderen ist der räumliche Geltungsbereich des Teils A der Satzung nicht hinreichend bestimmt. Der Maßstab des Kartenausschnitts auf dem ausgefertigten Exemplar ist sehr grob, und der in roter Farbe eingezeichnete Geltungsbereich jedenfalls in Teilen kaum erkennbar. Diese Bedenken betreffen insbesondere den nordwestlichen Teil.
31
Ob insoweit die Vorgängersatzung, die am 1. Januar 2019 in Kraft getreten war, wiederauflebt und dem Vorhaben entgegengehalten werden kann, weil bereits kein Antrag auf Abweichung (vgl. § 12 der Satzung, Art. 63 BayBO) gestellt worden ist, kann wegen der oben unter 1. dargestellten Bedenken offengelassen werden.