Titel:
Unzulässiger Asylfolgeantrag eines nigerianischen Staatsangehörigen
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 5, S. 6, § 60a Abs. 1 S. 1
EMRK Art. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1
Leitsatz:
Der allgemeine Verweis auf die Corona-Pandemie in Nigeria kann ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht begründen. Es handelt sich hierbei um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der iRd § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zu begegnen ist. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nigeria, Folgeantrag, keine Änderung der Sach- und Rechtslage glaubhaft gemacht, Abschiebungsverbote (verneint), keine Änderung der Sach- und Rechtslage, Abschiebungsverbot, wirtschaftliche Lage, Corona-Pandemie, allgemeine Gefahren
Fundstelle:
BeckRS 2022, 5090
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bzw. hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hinsichtlich Nigeria bzw. eines anderen aufnahmebereiten Staats.
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Der am ... 1976 in, Nigeria, geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Edo und christlichen Glaubens. Er reiste seinen Angaben zu Folge am 9. Februar 2019 illegal in der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. März 2019 einen Asylantrag. Eine Abfrage der EURODAC-Daten ergab, dass der Kläger am 25. Oktober 2016 bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, der erfolglos blieb.
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Am 11. März 2019 wurde der Kläger zur Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats angehört, er gab an, Nigeria im März 2015 verlassen zu haben. In Italien sei sein Asylantrag am 30. August 2016 abgelehnt worden. Neue Gründe könne er nicht nennen.
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Die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 22. März 2019. Zu seinen persönlichen Verhältnissen trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe neun Jahre die Schule besucht und Kfz-Mechaniker gelernt. Sein Vater sei gestorben, als er 20 Jahre alt gewesen sei, eine jüngere Schwester mit ihrer Familie würde noch in Nigeria leben. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei zu einer Autopanne gerufen worden und habe dort drei Tage verbracht. Dann sei er angerufen worden, weil sein Haus gebrannt habe. Die Tochter des Vermieters habe eine Brandverletzung erlitten. Er habe diese gemeinsam mit der Mutter seines Vermieters ins Krankenhaus gebracht. Der Vermieter sei der Meinung gewesen, dass er für den Brand verantwortlich gewesen sei. Er sei deswegen geflüchtet. Später habe seine Schwester ihm mitgeteilt, dass das Kind im Krankenhaus gestorben sei. Der Vermieter habe Soldaten und Polizei beauftragt, ihn im ganzen Land zu suchen. Der Vorfall sei im Oktober 2015 gewesen. Er sei zunächst zu seinem Freund gegangen, dann aber ins Dorf zurückgekehrt. Als er sich dort aufgehalten habe, habe der Vermieter gesagt, er solle abhauen und nicht mehr zurückkehren. Da ihn niemand retten wolle, habe er fliehen müssen. Er wolle nicht nach Nigeria zurückkehren, da der Vermieter ihn immer noch bedrohe.
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Für das weitere Vorbringen des Klägers wird auf die über die persönliche Anhörung gefertigte Niederschrift des Bundesamtes Bezug genommen.
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Da der Kläger bereits in Italien erfolglos einen Asylantrag gestellt hatte, wurde der in der Bundesrepublik erneut gestellte Antrag mit Bescheid des Bundesamts vom 16. April 2019 als unzulässig abgelehnt. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage (Az. Au 9 K 19.50374) wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Juli 2019 abgewiesen. Nach Ablauf der Überstellungsfrist wurde über den Asylantrag im nationalen Verfahren entschieden.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 26. Januar 2021 wurde der Bescheid vom 16. April 2019 aufgehoben (Nr. 1 des Bescheids). Die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und Gewährung subsidiären Schutzes wurden abgelehnt (Nr. 2 bis 4 des Bescheids). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 5). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung festgesetzt (Nr. 7).
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass die Überstellungsfrist nach der Dublin-III-Verordnung abgelaufen sei. Deshalb sei im nationalen Verfahren zu entscheiden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen beim Kläger nicht vor. Die Angaben des Klägers seien unglaubhaft, da sie vage und unsubstantiiert gewesen seien. Selbst wenn man den Vortrag als wahr unterstelle, beziehe sich der Vortrag nicht auf ein flüchtlingsrelevantes Merkmal. Außerdem könne er in einen anderen Landesteil ausweichen. Die Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere bestehe in Nigeria kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch sei kein Ausnahmefall zu Gunsten des Klägers zu erkennen. Der Kläger sei ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Er sei auch vor der Ausreise in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Auch würden noch Familienangehörige in Nigeria leben. Der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, die auf eine Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG hindeuten würden. Gefahren, die durch die aktuelle Corona-Pandemie verursacht werden, drohten unterschiedslos allen Personen in Nigeria. Es sei nicht erkennbar, dass dem Kläger aufgrund der Pandemie eine Gefahr für Leib oder Leben bedrohen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange, seien weder vorgetragen noch lägen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamts vor.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 26. Januar 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Die hiergegen vom Kläger zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klage (Az.: Au 9 K 21.30089) wurde mit Urteil vom 14. März 2021 abgewiesen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
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Der gegen das vorbezeichnete Urteil zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss vom 27. April 2021 abgelehnt (Az.: 6 ZB 21.30477).
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Am 13. September 2021 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die wirtschaftliche und soziale Lage in Nigeria in der Vergangenheit für die Mehrheit der Bevölkerung bereits äußert prekär und problematisch gewesen sei. Der Kläger sei bei Rückkehr insbesondere von diesen Umständen betroffen, da er alleinstehend sei. Ein familiäres Umfeld existiere nicht. Auch die politische und ethnische Situation in Nigeria habe sich verschlechtert. Die Zahl und Intensität der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen hätten zugenommen. Die Polizei hätte mit systematischen Problemen zu kämpfen. Das Rechtssystem funktioniere nicht. Aktuell habe sich die Situation in Nigeria auch durch die sich drastisch verschlimmernde Hungersnot zu einer der schlimmsten humanitären Krisen auf dem afrikanischen Kontinent entwickelt. Mehr als 7 Millionen Menschen seien auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. In Anbetracht der desaströsen humanitären Bedingungen würde eine Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen. Dem Kläger sei schließlich auch angesichts der Covid-19-Pandemie eine Rückkehr nach Nigeria nicht zuzumuten. Wirtschaft- und Versorgungslage der Bevölkerung Nigerias hätten sich auch aufgrund der Pandemie derart verschlechtert, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt in Nigeria sicherzustellen. Bei einer Rückkehr nach Nigeria sei er einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Es bestehe kein Zweifel, dass die Zahl der Infektionen in Nigeria viel höher sei als offiziell bekannt. Gleiches gelte auch für die Zahl der Toten. Die Existenzsicherung am Ort des internen Schutzes sei nicht länger gesichert.
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Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 6. September 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. Januar 2022 (Gz.: ...) wurde der Asylfolgeantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 wird der weitergehende Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 26. Januar 2021 bezüglich der Feststellung zu nationalen Abschiebungsverboten ebenfalls abgelehnt.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Eine beachtliche Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Klägers sei nicht zu erkennen. Der Folgeantragsbegründung seien keine neuen Asylgründe zu §§ 3, 4 AsylG zu entnehmen. Daher sei eine Änderung der Sachlage nicht gegeben. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten seien nicht gegeben. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG gem. § 49 VwVfG rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, die zu einem vom Erstverfahrensbescheid abweichenden Ergebnis bezüglich der Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten führen würden. Es sei bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger persönlich konkret von denen im Folgeantrag erwähnten Gefahren in Nigeria betroffen sei. Einer erneuten Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung bedürfe es gem. § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG nicht. Die im Erstbescheid erlassene Abschiebungsandrohung sei weiter gültig und vollziehbar.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 5. Januar 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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I. der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Januar 2022, Gz.: ... (richtigerweise vom 5. Januar 2022), zugestellt am 13. Januar 2022, wird aufgehoben. Hilfsweise
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II. die Beklagte zu verpflichten, das Bestehen von Abschiebungshindernissen gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
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Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 10. Februar 2022 ausgeführt, dass auf den schriftlichen Asylfolgeantrag vom 6. September 2021 verwiesen werde.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist der Klage für die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Februar 2022 entgegengetreten und beantragt,
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Zur Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg vom 24. Januar 2022 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Am 7. März 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte sowie die beigezogene Gerichtsakte des Verfahrens Au 9 K 21.30089 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2022 verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 7. März 2022 form- und fristgerecht geladen worden.
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 71 AsylG) bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens in Bezug auf das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamts vom 5. Januar 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der mit der Klage angegriffene Bescheid ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Folgeantrag des Klägers vom 6. September 2021 (Eingang bei der Beklagten am 14. September 2021) zu Recht als unzulässig gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
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Zudem muss die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 51 Abs. 2 VwVfG erfüllt sein. Die Klägerseite muss ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sein, den Wiederaufgreifensgrund bereits im früheren Verfahren geltend zu machen.
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Mit dem Bundesamt, dessen Ausführungen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG) geht das Gericht davon aus, dass der Kläger die vorgenannten Anforderungen nicht erfüllt hat. Das Gericht sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung ab, weil es den diesbezüglichen Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts folgt, die auch unter Berücksichtigung des maßgeblichen Zeitpunktes der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) zutreffen. Eine individuelle auf den Kläger bezogene Sachlagenänderung, die eine abweichende Beurteilung zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 3, 4 AsylG rechtfertigen könnte, sind dem Asylfolgeantrag vom 6. September 2021 bereits nicht zu entnehmen. Die im Asylfolgeantrag lediglich dargestellte allgemeine Situation im Zielstaat Nigeria kann allenfalls eine abweichende Beurteilung im Hinblick auf das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, bleibt jedoch vor dem Hintergrund der Vorschriften der §§ 3, 3b, 4 AsylG ohne Relevanz. Eine Änderung der Sachlage zugunsten des Klägers in Bezug auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Gewährung subsidiären Schutzes abweichend vom rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren ist auch bereits deshalb begrifflich weitgehend ausgeschlossen, da sich der Kläger nach Abschluss des Asylerstverfahrens nicht in seinem Heimatland Nigeria aufgehalten hat. Soweit der Kläger auf die zwischenzeitliche Ermordung seines Schwagers im November 2021 verweist, schenkt das Gericht dem keinen Glauben. Im Übrigen fehlt auch diesbezüglich jede asylrechtliche Relevanz bezogen auf den Kläger.
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2. Auch in Bezug auf die (hilfsweise) erhobene Verpflichtungsklage auf abweichende Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG bleibt die Klage ohne Erfolg. Auch insoweit bestehen die rechtskräftig getroffenen Feststellungen aus dem verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 4. März 2021 im Verfahren Au 9 K 21.30089 unverändert fort.
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Eine Änderung in Bezug auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist nicht ersichtlich. Daran vermag auch das zwischenzeitlich vorhandene Kind des Klägers nichts zu ändern. Eine Lebensgemeinschaft liegt insoweit bereits nicht vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Mutter des Kindes oder dieses selbst in der Bundesrepublik Deutschland aufenthaltsberechtigt wäre.
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Es ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria - hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria - Lagebericht - vom 5.12.2020, Stand. September 2020, Nr.
I. S.4, Nr. V.1.1 S. 23) - ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht AA a.a.O. Nr. I, S.4, Nr. II.3., S.7 f.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
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Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG.
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Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist hier zugunsten des Klägers bereits nicht ersichtlich. Die rechtskräftig getroffenen Feststellungen im Urteil vom 14. März 2021 gelten in Bezug auf das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten unverändert fort. In Bezug auf die vom Kläger behauptete Asthma-Erkrankung wurden bereits keine aussagekräftigen ärztlichen Atteste im Verfahren beigebracht. Auch leidet der Kläger nach seinen eigenen Angaben bereits seit seinem Aufenthalt in Libyen an der Erkrankung.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat der Kläger bereits nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden.
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Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in Nigeria lediglich 254.640 Corona-Fälle bestätigt und es ist lediglich zu 3.142 Todesfällen gekommen. (Quelle: www.corona-in-zahlen.de/ Nigeria, Stand: 7.3.2022). Die Infektionsrate (7-Tage-Inzidenz) beträgt in Nigeria 0,1%, die Letalitätsrate 1,23%. Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Dieser Umstand ist daher nicht geeignet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
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Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Erforderlich ist, durch Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (OVG NW, B.v. 23.6.2020 - 6 A 844/20.A - juris). An einem entsprechenden substantiierten Vorbringen des Klägers fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine relevante Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich.
41
Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, der der Kläger angehört. Er muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. zu Malaria OVG NW, U.v. 24.3.2020 - 19 A 4479/19.A - juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 - A 4 K 7158/18 - juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des - zugegebenermaßen mangelhaften - nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 5. Dezember 2020, Stand: September 2020, Ziffer V.1.3, S. 24 ff.) verweisen lassen.
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Damit hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne. Der Kläger hat diesbezüglich zwar einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung, im gerichtlichen Verfahren beachtliche Ermessenfehler sind vorliegend weder ersichtlich, noch vorgetragen.
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Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.