Titel:
Erfolgreiche Klage auf Bewilligung einer befristeten Gewässerbenutzung
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
WHG § 12, § 14, § 16
Leitsätze:
1. Bei der Befristungsentscheidung nach § 14 Abs. 2 WHG handelt es sich um eine gesetzesnotwendige Inhaltsbestimmung der wasserrechtlichen Bewilligung selbst. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beurteilung der Angemessenheit der Frist nach § 14 Abs. 2 WHG unterfällt als unbestimmter Rechtsbegriff vollständiger gerichtlicher Prüfung nach der sich dem Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Bestimmung der Frist ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die Belange des Gemeinwohls im Sinne des § 12 WHG und die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 3–6 und § 16 WHG genannten Kriterien gegeneinander abzuwägen sind. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein besonderer Fall iSd § 14 Abs. 2 WHG für eine über 30 Jahre hinausgehende Frist kann etwa dann angenommen werden, wenn nicht nur die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 WHG vorliegen, sondern die erforderlichen Investitionen nicht innerhalb von 30 Jahren erwirtschaftet werden können. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wasserrechtliche Bewilligung, Befristung, Angemessenheit, Abweichen von der Regelfrist, wasserrechtliche Bewilligung, Auflagen, Bewilligung, Bewilligungszeitraum, Investitionen, Amortisierungsdauer, Interessenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 5088
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung von Nr. 8 des Bescheids vom 8. Dezember 2020 verpflichtet, die Laufzeit der Bewilligung bis zum 31. Dezember 2065 zu befristen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten, die lediglich bis zum 31. Dezember 2048 befristete wasserrechtlichen Bewilligung zum Aufstauen der ... bis zum 31. Dezember 2065 festzusetzen.
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Die Klägerin ist ein kommunaler Energieversorger, der ausschließlich in kommunaler Trägerschaft steht und die Kommunen, ... und ... sowie einige kleinere Gemeinden vorwiegend mit Elektrizität beliefert. Die Klägerin betreibt hierzu 7 kleinere und mittlere Wasserkraftwerke an der, darunter seit dem Jahr 1969 die Staustufe ... mit dem ihr zugehörigen „Flusskraftwerk ...“, das erstmals mit Bescheid vom 25. November 1968 genehmigt wurde. Die wasserrechtliche Bewilligung war zuletzt bis zum 31. Dezember 2014 befristet.
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Mit Anträgen vom 11. Dezember 2014 und zugehörigen Planunterlagen vom 20. Dezember 2013, 5. Dezember 2014 und 5. Juli 2015 beantragte die Klägerin die erneute Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zum Aufstauen der ... auf 633,42 m.ü.NN sowie die wasserrechtliche Gestattung für die Erstellung einer zusätzlichen Hochwasserentlastungsanlage, die Anpassung der Dämme und Deiche an die neue Freibordmessung, die Erstellung einer Erosionssicherung an den wasserseitigen Dämmen, dem Bau von Pflegewegen und Deichfußdrainagen und den Austausch des Rechens am Kraftwerk (Verringerung des Stababstandes von 40 mm auf 20 mm).
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Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 25. April 2018 wurde der Klägerin die wasserrechtliche Bewilligung für den beantragten Aufstau befristet bis zum 31. Dezember 2048 sowie die Plan-/ bzw. Anlagengenehmigung für die im Übrigen beantragten Maßnahmen erteilt. Der Bescheid war mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen und Hinweisen verbunden, die Anordnung weiterer Auflagen im wasserwirtschaftlichen, im öffentlich-fischereirechtlichen und naturschutzfachlichen Interesse, insbesondere Auflagen, die sich auf Geschiebemanagement und Fischschutz beziehen, und weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstrukturen, die zur Erreichung des guten ökologischen Potenzials notwendig werden, wurde vorbehalten.
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Bezüglich des weiteren Inhalts und der Begründung wird auf den Bescheid vom 25. April 2018 Bezug genommen.
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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 23. Mai 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben (Au 9 K 18.866) mit dem Antrag, im einzelnen aufgeführte Nebenbestimmungen aufzuheben. Insbesondere richtete sich die Klage gegen die bis zum 31. Dezember 2048 ausgesprochene Befristung der Bewilligung (Nr. 8 des Bescheids) mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, die Bewilligung bis zum 31. Dezember 2068 zu erteilen bzw. den Beklagten zu verpflichten, den Antrag der Klägerin insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung der Klage wurde in Bezug auf die Befristungsentscheidung mit Schriftsatz vom 10. August 2018 ausgeführt, die Befristung der Bewilligung auf 30 Jahre sei nicht ausreichend, um das Vorhaben der Klägerin zu amortisieren. Nach Berechnungen der Klägerin sei für die Wirtschaftlichkeit ihres Vorhabens eine Befristung von 50 Jahren erforderlich. Mit Schriftsatz vom 11. September 2018 wurde für die Klägerin für die Anlage eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Ingenieurbüros ... vom 6. September 2018 vorgelegt.
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In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2019 wurde bezüglich eines Großteils der beklagten Nebenbestimmungen eine Einigung erzielt und das Verfahren insoweit von den Beteiligten für erledigt erklärt. Bezüglich der noch streitigen Nebenbestimmungen des angefochtenen Bescheids erfolgte im Einverständnis der Beteiligten eine Entscheidung ohne weitere Verhandlung im schriftlichen Verfahren.
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Mit Urteil vom 25. Mai 2020 wurde die in Nr. 8 des Bescheids des Landratsamts ... vom 25. April 2018 bis zum 31. Dezember 2048 ausgesprochene Befristung aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über die Befristung der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Zur Begründung wurde in den Urteilsgründen (Rn. 58-64 des Urteils) ausgeführt, dass die im Bescheid vom 25. April 2018 auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 WHG getroffene Befristung auf die Dauer von 30 Jahren nicht angemessen und somit rechtswidrig sei. Gemäß § 14 Abs. 2 WHG werde die Bewilligung für eine bestimmte angemessene Frist erteilt, die in besonderen Fällen 30 Jahre überschreiten dürfe. Die Angemessenheit der Frist unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff vollständiger gerichtlicher Überprüfung. Da Überlegungen zur Angemessenheit der Befristung im angefochtenen Bescheid gänzlich fehlten und sich dessen Begründung in diesem Punkt lediglich auf die Nennung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 WHG beschränke, sei Nr. 8 des Bescheids von 25. April 2018 aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Angemessenheit einer die Dauer von 30 Jahren überschreitenden Befristung zu entscheiden. Die Bestimmung der Frist müsse nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Die in § 14 Abs. 2 WHG genannte Frist von 30 Jahren sei dem Grundsatz nach zwar als obere Grenze der Frist zu verstehen, das schließe jedoch nicht aus, dass besondere Gründe im Einzelfall eine längere Laufzeit rechtfertigen könnten. Bei der Festsetzung sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die Belange des Gemeinwohls im Sinne des § 12 WHG und die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der §§ 14 Abs. 3 bis 6 und 16 WHG gegeneinander abzuwägen seien. Gründe für eine 30 Jahre überschreitende Befristung könnten insbesondere in Fällen der öffentlichen Wasserversorgung oder bei gemeinnützigen Kraftwerken vorliegen, weil hier wegen des Wohls der Allgemeinheit eine Wasserbenutzung über eine längere Zeitspanne sichergestellt werden müsse. Vor dem Hintergrund, dass § 14 WHG insbesondere auch dem Investitionsschutz diene, sei ein besonderer Fall im Sinn des § 14 Abs. 2 WHG dann anzunehmen, wenn nicht nur die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 WHG vorliegen, sondern die erforderlichen Investitionen nicht innerhalb von 30 Jahren erwirtschaftet werden könnten. Unter Berücksichtigung der im Verfahren von der Klägerin vorgelegten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Ingenieurbüros ... vom 6. September 2018 und der Stellung der Klägerin als kommunalen Energieversorger, die als Stadtwerk mehrere größere und kleinere Gemeinden mit Elektrizität beliefert und somit gemeinnützige Aufgaben wahrnimmt, erachte das Gericht vorliegend eine Befristung über einen längeren Zeitraum als 30 Jahre für sachlich geboten.
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Mit Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2020 setzte der Beklagte die im Klageverfahren einvernehmlich vereinbarten Änderungen der angefochtenen Nebenbestimmungen des Bescheids vom 25. April 2018 um und befristete die Dauer der Bewilligung bis zum 31. Dezember 2048 (Nr. 8 des Bescheids).
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Bezüglich der Befristungsentscheidung wird ausgeführt, die in § 14 Abs. 2 WHG genannte Obergrenze von 30 Jahren dürfe nur in besonderen Fällen überschritten werden. Bei der Entscheidung sei ein strenger Maßstab anzuwenden. Zwar könne insbesondere bei gemeinnützigen Kraftwerken eine längere Laufzeit gerechtfertigt sein, weil wegen des Wohls der Allgemeinheit eine Wasserbenutzung über eine längere Zeitspanne sichergestellt werden müsse. Eine Befristung auf 30 Jahre behindere die Sicherstellung der Elektrizität für die Allgemeinheit nicht, zumal nach Ablauf der Frist eine weiterführende wasserrechtliche Gestattung erteilt werden könne. Nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Klägerin könne die Anlage bei einer Laufzeit von 30 Jahren nicht wirtschaftlich betrieben werden. Um die Anlage an die aktuellen wasserbautechnischen und wasserrechtlichen Anforderungen anzupassen, seien Investitionen erforderlich, was der Klägerin bei Antragstellung bekannt gewesen sei. Im Antrag auf wasserrechtliche Gestattung vom 5. Dezember 2014 sei aber weder auf besondere schwierige wirtschaftliche Verhältnisse verwiesen worden, noch sei von einem längeren Bewilligungszeitraum die Rede gewesen. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 6. September 2018 sei erst nach Bescheidserlass vorgelegt worden und sei nicht plausibel. Die angesetzte Mindestwasserabgabe in den ... sei vom Landratsamt nicht weiter verfolgt worden und könne bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Die Restwasserabgabe von 270 l/s für eine Fischabstiegshilfe könne nicht angesetzt werden, da eine Fischabstiegshilfe nicht verlangt worden sei. Die Kosten für die Ertüchtigung der Wasserkraftanlage würden auch bei anderen Anlagen anfallen, die die Sanierungsarbeiten auf mehrere Jahre verteilt hätten. Bei der Klägerin liege ein Aufstau von Investitionsmaßnahmen vor. Die Maßnahmen würden nur gewährleisten, dass die Wasserkraftanlage rechtlich weiterbetrieben werden könne. Bei anderen Anlagen sei auch keine längere Befristung notwendig gewesen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin würden durch die Befristung auf 30 Jahre nicht in ihrer Substanz berührt. Die Frist sei nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Benutzung für die Unternehmerin bemessen worden. Aufgrund von Prognoseunsicherheiten könne nicht vorhergesagt werden, ob eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung bei einer Bewilligungsdauer von 30 Jahren gefährdet wäre. Die Befristung stelle eine Kompensation für die erschwerte Widerrufsmöglichkeit einer Bewilligung dar und gewährleiste, dass die wasserwirtschaftliche Entwicklung nicht durch unbefristete Rechte erschwert werde. Es sei nicht ausgeschlossen, dass nach Ablauf der Frist der Betrieb des Wasserkraftwerks für eine weitere angemessene Frist bewilligt werde. Durch die dann erforderliche erneute Prüfung der Betriebsweise der Wasserkraftanlage könne besser auf unerwartete Umweltauswirkungen reagiert werden. Bei der Bestimmung der Frist seien vor allem die Belange des Wasserhaushalts zu berücksichtigen. Zwar seien auch die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers in die Überlegungen einzubeziehen, die Frist sei aber nicht stets so zu bemessen, dass dem Benutzer ein aus seiner Sicht ausreichender Abschreibungszeitraum bleibe. Aufgrund gleichgelagerter Fälle sei davon auszugehen, dass sich die Investitionen in 30 Jahren amortisieren lassen. Eine Amortisierung von 50 Jahren würde die Wirtschaftlichkeit der Anlage in Frage stellen. Die Klägerin habe keine außergewöhnlichen Umstände vorgetragen, die eine Überschreitung der regelmäßigen Höchstgrenze rechtfertigten. Ein von der Klägerseite zitierter Fall, bei dem eine längere Befristung erfolgt sei, sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Bei Abwägung aller Interessen sei eine Abweichung von der generellen Befristung vom 30 Jahren nicht gerechtfertigt.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 12. Januar 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage und beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, die Bewilligung in Abänderung der Nebenbestimmung in Ziffer 8 des Bescheids des Beklagten vom 8. Dezember 2020 mit der Geschäftsnummer,, ... bis zum 31. Dezember 2065 zu befristen sowie
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hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, soweit der Regelungsgegenstand von Ziffer 8 des Bescheids betroffen ist, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Anspruch auf die geltend gemachte Befristung der Bewilligung ergebe sich bereits aus der Rechtskraft des Bescheidungsurteils vom 25. Mai 2020. Das Gericht habe in den Entscheidungsgründen, die an der Rechtskraftwirkung des Urteils teilnehmen würden, ausgeführt, dass eine Befristung, die länger als 30 Jahre umfasse, sachlich geboten sei. An diese Feststellung sei das Gericht in dem Folgeprozess gebunden. Die nach § 14 Abs. 2 WHG zu treffende Entscheidung erfordere auf der Tatbestandsebene eine umfassende Interessenabwägung, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Eine Ermessensentscheidung sehe das Gesetz nicht vor. Die Angemessenheit der Frist sei in jedem Einzelfall gesondert zu bestimmen. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Überschreitung zulasse, belege, dass es Fälle geben könne und müsse, in denen 30 Jahre nicht angemessen seien. Die Interessenabwägung des Beklagten leide unter erheblichen Mängeln. Da § 14 WHG dem Investitionsschutz diene, seien die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers, namentlich die Amortisierungsdauer von den im Zusammenhang mit der Bewilligung zu tätigenden Investitionen zu berücksichtigen. Eine längere Dauer könne auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Bewilligungsinhaber öffentliche Daseinsvorsorge betreibe oder ein Kraftwerk gemeinnützig sei. Der Beklagte sei bezüglich des Einwands der mangelnden Plausibilität der im Vorprozess vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung präkludiert, da er diese nicht angegriffen habe und das Urteil rechtskräftig geworden sei. Darüber hinaus seien die vorgetragenen Kritikpunkte an der Berechnung nicht zutreffend. Die angesetzte Abflussmenge in das linksseitige Bachsystem zur Verbesserung der Gewässerstruktur sei aufgrund des Auflagenvorbehalts nachträglich möglich und sei vom Beklagten auch bereits vorgeschlagen worden. Gleiches gelte für die Ausleitung von 270 l/s für eine Fischabstiegshilfe nach der Wasserrahmenrichtlinie. Angesichts steigender Umweltanforderungen erscheine eine Forderung nach einer Fischabstiegshilfe nicht fernliegend.
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Darüber hinaus habe die Klägerin am 6. Mai 2021 eine neue Untersuchung der Wirtschaftlichkeit ohne Berücksichtigung der Ableitungsmengen in den ... und für die Fischabstiegshilfe anfertigen lassen, die der Klage beigefügt sei. Im Übrigen sei die Wirtschaftlichkeitsberechnung an die förderrechtlichen Gegebenheiten angepasst worden. Nach dem EEG 2021 komme eine Anschlussförderung des Kraftwerks nicht mehr in Betracht, da die für die Förderung vorausgesetzte Leistungserhöhung um mindestens 10% nicht erreichbar sei. Die Strompreisprognose sei an die zu erwartende Erhöhung des Strompreises angepasst worden. Dennoch könne eine Rentabilität frühestens Ende 2065 erreicht werden. Die Behauptung, bei der Klägerin liege ein von ihr verschuldeter Investitionsstau vor, entspreche nicht den Tatsachen. Bei Errichtungskosten von ca. 3 Millionen Euro seien weitere 2 Millionen Euro für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen aufgewendet worden. Durch Biberbefall und Seaweed seien erhöhte Unterhaltungskosten angefallen. Das Kraftwerk der Klägerin weise Besonderheiten auf, die den Unterhalt besonders kostenintensiv machen würden. Dies gelte beispielsweise für die für den mittlerweile untersagten Schwallbetrieb konzipierten und nun überdimensionierten Dämme. Neuberechnungen hätten ergeben, dass die notwendige Hochwasserableitung höher auszulegen sei, als ursprünglich gefordert. Hierfür würden zusätzliche Investitionskosten anfallen, denen kein energetischer Nutzen gegenüberstehe. Erst während des Genehmigungsverfahrens habe sich der Sanierungsbedarf der Dämme herausgestellt, für den ca. 2,63 Millionen Euro anzusetzen seien. Rücklagen hätten hierfür nicht gebildet werden können, zudem wären Rücklagen in Höhe der erforderlichen Investitionsmaßnahmen betriebswirtschaftlich verfehlt. Die Auffassung des Beklagten, dass sich die Investitionen ohne Weiteres in 30 Jahren amortisieren lassen würden, sei nicht nachvollziehbar.
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Neben der fehlerhaften Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten lege der Beklagte auch einen falschen rechtlichen Maßstab an. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien Investitionen nicht nur innerhalb der Höchstgrenze von 30 Jahren zu berücksichtigen. Der Beklagte setze sich mit den Besonderheiten des Kraftwerks nicht auseinander. Der Umfang der Investitionsmaßnahmen und der Umstand, dass das Kraftwerk mit anderen Anlagen nicht vergleichbar ist, sei dem Beklagten hinreichend bekannt. Zweifel an der Wirtschaftlichkeitsberechnung habe der Beklagte erstmals im streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid geäußert und es der Klägerin unmöglich gemacht, auf die Kritik zu reagieren. Auch würden die Besonderheiten, die sich durch die Struktur der Klägerin als kommunales Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge ergeben würden, nicht berücksichtigt. Eine lokale Energieerzeugung durch gemeinnützige Marktteilnehmer sei aus energiepolitischen Gründen wünschenswert. Die Möglichkeit einer Anschlussbewilligung schaffe keine Investitionssicherheit, zumal die Rechtslage zu dem dann maßgeblichen Zeitpunkt völlig unklar sei. Die Annahme, nur eine Befristung von 30 Jahren könne die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Wassers gewährleisten, sei unzulässig. Eine Reaktion auf sich verändernde Umstände sei nicht nur in einem neuen Bewilligungsverfahren möglich, sondern könne auch über den ausdrücklich vorbehaltenen Auflagenvorbehalt erfolgen. Diese Möglichkeit werde nicht einmal erwähnt.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte habe, wie vom Gericht gefordert, über die Angemessenheit einer die Frist von 30 Jahren überschreitenden Befristung entschieden. Eine absolute Bindungswirkung in Bezug auf die Befristung trete für den Beklagten aufgrund des Urteils nicht ein. Das Gericht habe selbst ausgeführt, dass der Klägerin kein gebundener Anspruch zur Seite steht. Die Amortisation sei nicht das alleinige Kriterium für die Befristung der Bewilligung. Die Frist sei zum einen restriktiv auszulegen und sei zum anderen nicht so zu verstehen, dass sie so zu bemessen sei, dass dem Benutzer ein ausreichender Abschreibungszeitraum verbleibt. Maßgeblich seien in erster Linie die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse. Der Hinweis auf die fehlende Investitionssicherheit angesichts der unsicheren Rechtslage nach Ablauf der Bewilligung gelte auch bei einer Befristung auf 50 Jahre. Auch eine längere Befristung schütze den Betreiber nicht vor nachträglich notwendigen Auflagen. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen seien schon bei einer Befristung von 30 Jahren kaum überschaubar. Das gelte erst recht für eine noch längere Befristung.
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Am 31. Januar 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Verlauf der Verhandlung wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen.
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Bezüglich der weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Beklagte wird verpflichtet, die der Klägerin erteilte wasserrechtliche Bewilligung antragsgemäß bis zum 31. Dezember 2065 zu befristen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Ein Anspruch auf die Festsetzung der beantragten Frist folgt allerdings nicht bereits aus der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 25. Mai 2020 (Az. Au 9 K 18.866). Mit diesem Urteil wurde der Beklagte lediglich dazu verpflichtet, über die Dauer der Bewilligung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Nachdem der in jenem Verfahren streitgegenständliche Bescheid vom 25. April 2018 jegliche Erwägungen zur Dauer der Frist vermissen ließ, war das Gericht angesichts der der Behörde in § 14 Abs. 2 WHG eingeräumten Beurteilungsermächtigung gehindert, abschließend über die angemessene Dauer der Frist zu entscheiden. Da die Gerichte einen der Behörde zugewiesenen Entscheidungsspielraum nicht eigenmächtig ausfüllen können, bestand auch keine Pflicht zur Spruchreifmachung. Das Gericht hat lediglich dem Beklagten Kriterien genannt, die bei der Entscheidung über die Angemessenheit der Frist zu berücksichtigen sind. Auch wenn das Gericht in seinen Urteilsgründen ausgeführt hat, dass eine Frist von über 30 Jahren angemessen erscheine, führt dies nicht zur Verpflichtung des Beklagten, seine Entscheidung im Sinn der von der Klägerin konkret beantragten Laufzeit zu treffen.
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2. Die Klägerin hat jedoch aus § 14 Abs. 2 WHG einen Anspruch auf die Befristung des Bewilligungszeitraums bis zum 31. Dezember 2065, so dass die in Nr. 8 des streitgegenständlichen Bescheids vom 8. Dezember 2020 verfügte Befristungsentscheidung aufzuheben war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die vom Beklagten vorgenommene Befristung bis zum 31. Dezember 2048 ist nach den konkreten Umständen des vorliegend zu entscheidenden Falls nicht angemessen im Sinn von § 14 Abs. 2 WHG.
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a) Gemäß § 14 Abs. 2 WHG wird die wasserrechtliche Bewilligung einer Gewässerbenutzung für eine bestimmte angemessene Frist erteilt, die in besonderen Fällen 30 Jahre überschreiten darf. Die Befristungsentscheidung ist von Amts wegen zu treffen und hat gemeinsam mit der Erteilung der Bewilligung zu erfolgen. Fehlt eine solche Entscheidung kann sie auch nachträglich erfolgen (vgl. Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz - im Folgenden: S/Z/D/K, Bd. 1, Stand: Juli 2021, § 14 WHG Rn. 63; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 14 Rn. 29). Als untrennbarer Teil der wasserrechtlichen Bewilligung kann die Befristungsentscheidung nur zusammen mit der Bewilligung angefochten werden (Knopp in S/Z/D/K, a.a.O., § 14 WHG Rn. 68). Da es sich um eine gesetzesnotwendige Inhaltsbestimmung der wasserrechtlichen Bewilligung selbst handelt, ist statthafte Klageart insoweit die Verpflichtungsklage, gerichtet auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung unter Aufhebung der Fristbestimmung in Nr. 8 des streitgegenständlichen Bescheids und antragsgemäße Neufestsetzung.
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b) Ausgehend vom Wortlaut des § 14 Abs. 2 WHG muss die Befristung „angemessen“ sein. Die Beurteilung der Angemessenheit unterfällt als unbestimmter Rechtsbegriff vollständiger gerichtlicher Prüfung nach der sich dem Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Die Bestimmung der Frist liegt daher nicht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, vielmehr muss die angemessene Laufzeit der Bewilligung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Welche Bewilligungsdauer im konkreten Fall als angemessen anzusehen ist, kann der Vorschrift des § 14 Abs. 2 WHG nicht entnommen werden. Die in § 14 Abs. 2 WHG genannte Frist von 30 Jahren stellt zwar dem Grundsatz nach die Höchstgrenze für den Regelfall dar. Das bedeutet aber auch, dass bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall 30 Jahre überschritten werden können.
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Bei der Bestimmung der Frist ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die Belange des Gemeinwohls im Sinne des § 12 WHG und die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 3 bis 6 und § 16 WHG genannten Kriterien gegeneinander abzuwägen sind. Zu berücksichtigen sind daher auf der einen Seite die Interessen des Unternehmers, insbesondere an einem wirtschaftlichen Betrieb der Anlage, und auf der anderen Seite die Interessen der Allgemeinheit an einer nicht zu langfristigen Festlegung wasserwirtschaftlicher Benutzungsverhältnisse. Im Zusammenhang mit der Entscheidung, welche Frist im konkreten Fall als angemessen anzusehen ist, ist auch die Ausgestaltung der Bewilligung von Bedeutung. Stellt diese durch entsprechende Auflagen und anderweitige Nebenbestimmungen eng gefasste Anforderungen an den Betrieb der Anlage, indiziert dies die Möglichkeit einer längeren Befristung (vgl. Pape in Landmann/Rohmer Umweltrecht, Stand: Mai 2021, § 14 Rn. 29; Knopp in SZDK, § 14 WHG Rn. 69ff; Guckelberger in BeckOK Umweltrecht, Stand: Januar 2021, § 14 WHG Rn. 9; Eiselt, NuR 2007, 814 ff. zu § 8 Abs. 5 WHG). Die Rechtfertigung für eine längere Laufzeit in diesem Fall beruht auf dem Gedanken, dass durch enggefasste Benutzungsbedingungen und durch den Vorbehalt nachträglicher Auflagen (vgl. § 13 Abs. 2 und 3 WHG) den wasserwirtschaftlichen Belangen für die Zukunft ausreichend Rechnung getragen werden kann. Gründe für eine längere Befristungsdauer können auch in Fällen der öffentlichen Wasserversorgung oder bei gemeinnützigen Kraftwerken vorliegen, weil hier wegen des Wohls der Allgemeinheit eine Wasserbenutzung über eine längere Zeitspanne gerechtfertigt ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 14 Rn. 32; Guckelberger in BeckOK Umweltrecht, Stand: Januar 2021, § 14 WHG Rn. 9). Vor dem Hintergrund, dass § 14 WHG insbesondere auch dem Investitionsschutz dient, ist die Amortisierungsdauer für die vom Unternehmen getätigten Investitionen in die Erwägungen einzubeziehen. So kann ein besonderer Fall im Sinn des § 14 Abs. 2 WHG auch dann angenommen werden, wenn nicht nur die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 WHG vorliegen, sondern die erforderlichen Investitionen nicht innerhalb von 30 Jahren erwirtschaftet werden können.
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c) Unter Anwendung der genannten Gesichtspunkte war über die Laufzeit der streitgegenständlichen Bewilligung antragsgemäß zu entscheiden, da im Fall des von der Klägerin betriebenen streitgegenständlichen Wasserkraftwerks besondere Umstände vorliegen, die eine Abweichung von der im § 14 Abs. 2 WHG gesetzlich geregelten Regelfrist rechtfertigen. Die Abwägung der in § 12 WHG verankerten Belange des Gemeinwohls mit den Interessen der Klägerin geht zu deren Gunsten aus.
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(1) Die Klägerin hat durch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 6. Mai 2021 und der in der mündlichen Verhandlung hierzu vorgenommenen Erläuterungen plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass sich unter Berücksichtigung der im streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid vom Beklagten geforderten Maßnahmen die von der Klägerin für die Weiterbewirtschaftung der Anlage aufzubringenden Investitionen frühestens im Jahr 2066 amortisiert haben werden. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung beruht auch auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, da in die Berechnung eingestellten Investitionen bei der Berechnung Berücksichtigung finden können. Dieses gilt insbesondere für die Kosten für die Dammsanierung in Höhe von insgesamt 3,3 Millionen Euro. Die vom Beklagten gegen die Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgebrachten Einwände führen zu keinem anderen Ergebnis.
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Da es sich vorliegend um ein Verpflichtungsbegehren handelt, kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an. Grundlage für die Entscheidung, welche Laufzeit im konkreten Fall angemessen ist, ist daher ausschließlich die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 6. Mai 2021. Auf die Einwände des Beklagten bezüglich der Berechnung vom 9. September 2018 bezüglich der dort eingestellten Gesichtspunkte (Mindestwasserabgabe, Kosten für eine Fischaufstiegshilfe) kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Die aktuelle Berechnung wurde zudem um die beanstandeten Posten bereinigt.
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Der Klägerin kann auch nicht der Einwand entgegengehalten werden, sie habe in der Vergangenheit notwendige Unterhaltungsmaßnahmen unterlassen, was nun einen erhöhten Investitionsbedarf zur Folge habe. Dieser könne daher im Rahmen der Entscheidung über die Laufzeit der Bewilligung nicht mehr berücksichtigt werden. Die vom Beklagten insoweit - unsubstantiiert - in den Raum gestellten Vorwürfe sind durch keine konkreten Nachweise belegt und werden von der Klägerin ausdrücklich bestritten. Sollten in der Vergangenheit notwendige Unterhaltsmaßnahmen unterblieben sein, die für den ordnungsgemäßen Zustand der Anlage erforderlich gewesen wären, hätte dem durch Maßnahmen der Gewässeraufsicht entgegengewirkt werden können. Entsprechende Maßnahmen wurden jedoch nicht ergriffen. Auch lässt das Genehmigungsverfahren keinen Schluss darauf zu, dass die Klägerin ihren Pflichten zum ordnungsgemäßen Unterhalt der Anlage nicht nachgekommen wäre.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten zählen die für die Dammsanierung angesetzten Kosten in Höhe von 3,3 Millionen Euro nicht zu den laufenden Unterhaltskosten, sondern sind als Investitionskosten im Rahmen der Finanzierungsplanung berücksichtigungsfähig. Die Unterhaltung einer Anlage ist darauf ausgerichtet, die bestehenden Einrichtungen in ihrem ordnungsgemäßen bau- und betriebstechnischen Betriebszustand zu erhalten. Sie umfasst neben Betriebskontrollen die Wartung und Reparatur, gegebenenfalls auch vom bisherigen bautechnischen Zustand der Anlage nur unwesentlich abweichende, auf die Gewässerverhältnisse keinen Einfluss nehmende baulichen Modifikationen. Wesentliche Änderungen der baulichen Anlagen fallen nicht unter den Begriff einer Unterhaltungsmaßnahme (vgl. Knopp in S/Z/D/K, WHG, Stand Juli 2021, § 36 Rn. 30). Schon der Umstand, dass die Anpassung der Dämme und Deiche an die neue Freibordbemessung, die Erstellung einer Erosionssicherung an den wasserseitigen Dämmen, der Bau von Pflegewegen und Deichfußdrainagen der Genehmigungspflicht unterliegen, spricht gegen die Auffassung, dass es sich bei den für die Maßnahmen veranschlagten Kosten um nicht berücksichtigungsfähige Unterhaltskosten handelt. Auch ist die streitgegenständliche Bewilligung an die Erfüllung der in den Nebenbestimmungen Nrn. 6.1.6.11 bis 6.1.6.24 detaillierten und umfangreichen Vorgaben zur Umsetzung dieser Maßnahmen geknüpft. Der Klägerin kann auch nicht vorgehalten werden, sie habe es unterlassen, die notwendige Ertüchtigung der Stauanlagen im vorangegangenen Bewilligungszeitraum umzusetzen. Der Umfang der Sanierung und Verbreiterung der Dämme beruht auf der Regelung in § 36 WHG, einer neu aufgenommenen Regelung im Wasserhaushaltsgesetz, die als Teil des Wasserrechtneuregelungsgesetzes (BGBl S. 2585) am 1. März 2010 in Kraft trat. Die Anforderungen an die technische Ausgestaltung der Stauanlagen und Stauhaltungsdämme sind in § 36 Abs. 2 WHG geregelt, eine Vorschrift, die erst durch das Hochwasserschutzgesetz II vom 30. Juli 2017 (BT-Drs. 18/10879) in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügt worden ist. Dafür, dass die Klägerin die Anlagen nach den im jeweiligen Zeitraum bestehenden Vorschriften nicht ausreichend unterhalten hat, gibt es keine Anhaltspunkte. Da die Stauanlagen einen notwendigen Bestandteil der Wasserkraftanlage darstellen, müssen die für diese aufzuwendenden Kosten bei der Gesamtbetrachtung der Investitionskosten der Anlage berücksichtigt werden. Der Einwand des Beklagte, der Investitionsbedarf bezüglich der Notwendigkeit der Anpassung der Dämme sei im Zeitpunkt des Bewilligungs- bzw. Genehmigungsantrags bekannt, ändert nichts an der Notwendigkeit und Berücksichtigungsfähigkeit dieser Investitionen. Auch der Einwand, die Klägerin hätte den Investitionsbedarf im vorangegangenen Bewilligungszeitraum durch eine Rücklagenbildung absichern können, greift nicht durch. Die Bildung von Rücklagen ist nur unter Beachtung der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätze möglich und an konkrete Maßnahmen oder Ereignisse geknüpft. Der Klägerin kann deshalb nicht vorgehalten werden, dass sie die erst im Jahr 2017 eingeführte Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben an die technischen Anforderungen ihrer Anlagen nicht durch Rücklagen abgesichert hat.
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Weitergehende substantielle Einwendungen gegen die Wirtschaftlichkeitsberechnung vom 6. Mai 2021 wurden vom Beklagten nicht erhoben.
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(2) Die Klägerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass das von ihr betriebene Wasserkraftwerk besonders hohe Unterhaltskosten produziert. Das Wasserkraftwerk wurde im Jahr 1969 als Schwallkraftwerk konzipiert und genehmigt. Der Schwallbetrieb wurde jedoch mittlerweile untersagt, dennoch sind die hierfür errichteten Anlagen (Stausee, Dämme mit einer Länge von 3,5 km) weiterhin zu unterhalten, ohne dass diese einen wirtschaftlichen Ertrag erbringen. Einem Rückbau der Anlagen (Ablass des Stausees) stehen gewässerökologische Gesichtspunkte entgegen.
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(3) Die Klägerin kann für den Fall, dass in 30 Jahren eine Amortisation der Investitionen nicht erreicht wird, nicht auf die Möglichkeit der Verlängerung der Bewilligung verwiesen werden. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums entfällt die Befugnis zur Gewässerbenutzung. Die Fortführung setzt eine neue, vollständige Prüfung aller wasserwirtschaftlich relevanter Gesichtspunkte voraus. Da der Unternehmer keinen Anspruch auf die Erteilung einer Anschlussbewilligung hat und der Konkurrenz eines Mitbewerbers ausgesetzt sein kann, kann für die Frage der Wirtschaftlichkeit nur auf den im konkreten Fall festgelegten Bewilligungszeitraum abgestellt werden. Der Einwand des Beklagten, es stelle sich die Frage nach der Planrechtfertigung und Wirtschaftlichkeit der Anlage, wenn eine Amortisation in dreißig Jahren nicht möglich sei, überzeugt nicht, da nach § 14 Abs. 2 WHG eine Verlängerung über dreißig Jahre hinaus möglich ist.
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(4) Eine weitere Besonderheit im vorliegenden Fall liegt in der Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um ein ausschließlich kommunales Unternehmen handelt, deren Gesellschafter sich aus fünf Kommunen zusammensetzen, die durch das streitgegenständliche Wasserkraftwerkt mit Elektrizität versorgt werden. Der Gewinn des Wasserkraftwerks wird zu 100% an die beteiligten Kommunen abgeführt, die auch die Verluste zu tragen haben. Die Klägerin unterliegt bei der Bewirtschaftung und Auftragsvergabe den für die öffentliche Hand geltenden Regelungen, so dass von einer sparsamen und wirtschaftlichen Unternehmensführung ausgegangen werden kann. Auch ist zu erwarten, dass ein kommunales Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen an die Gewässerbewirtschaftung beachtet und umsetzt. Anhaltspunkte dafür, dass dies in dem ausgelaufenen Bewilligungszeitraum, der im Übrigen 50 Jahre umfasste, nicht der Fall war, bestehen nicht.
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(5) Dem Interesse der Klägerin an der antragsgemäßen Befristung der Aufstaubewilligung stehen keine gravierenden wasserwirtschaftlichen Belange entgegen. Der Beklagte beruft sich insoweit auf den allgemeinen Grundsatz, dass die Befristung der Bewilligung eine Kompensation für deren erschwerte Widerrufsmöglichkeit darstelle. So sei gewährleistet, dass die wasserwirtschaftliche Entwicklung nicht durch sehr lange bzw. unbefristete Rechte gehemmt oder erschwert werde. Im Fall einer Neuerteilung könnten die Betriebspläne und die Betriebsweise der Wasserkraftanlage erneut einer Überprüfung unterzogen werden und auf unerwartete Umweltauswirkungen reagiert werden. Den Belangen der Wasserwirtschaft wurde im vorliegenden Fall jedoch durch umfangreiche Nebenbestimmungen und dem Vorbehalt der Anordnung weiterer Auflagen im wasserwirtschaftlichen, im öffentlich-fischereirechtlichen und naturschutzfachlichen Interesse ausreichend Rechnung getragen. Dem Beklagten stehen somit weitreichende Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich ändernden Umweltbedingungen durch Maßnahmen der Gewässeraufsicht Rechnung tragen zu können.
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d) Unter Berücksichtigung der im Verfahren von der Klägerin vorgelegten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Ingenieurbüros ... vom 6. Mai 2021, der Stellung der Klägerin als kommunalem Unternehmen und der oben bereits erörterten Besonderheiten des streitgegenständlichen Wasserkraftwerks erachtet das Gericht in Abwägung mit den für das Vorhaben maßgeblichen Interessen der Allgemeinheit vorliegend eine Befristung der Bewilligung auf den Zeitpunkt der Amortisierung für angemessen und sachlich geboten. Ausweislich der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist diese ab dem Jahr 2066 zu erwarten. Daher war der Klage antragsgemäß stattzugeben und die Bewilligung auf den 31. Dezember 2065 zu befristen.
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3. Als im Verfahren unterlegen hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).