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ArbG Würzburg, Endurteil v. 30.09.2022 – 8 Ca 627/22
Titel:

Berücksichtigung vorheriger Befristungen bei der Besetzung einer befristeten Stelle durch einen öffentlichen Arbeitgeber

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BayUniKlinG Art. 14 Abs. 3 Nr. 1
BGB § 242
TzBfG § 14 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Es ist auch im Hinblick auf das in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Prinzip der Bestenauslese sachgerecht und willkürfrei, wenn der öffentliche Arbeitgeber die Besetzung einer befristeten Stelle mit einem bei ihm bereits seit mehreren Jahren befristet beschäftigten Bewerber ablehnt, um nicht Gefahr zu laufen, dass bei Abschluss des Vertrages die vom BAG entwickelten Grundsätze zum institutionellen Rechtsmissbrauch eingreifen könnten. (Rn. 15 und 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Frage, ob bereits zuvor bestehende befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Universitätsklinik mit nachfolgend geschlossenen befristeten Verträgen mit der Universität zusammenzurechnen sind (hier: Auslegung von Art. 14 Abs. 3 Nr. 1 BayUniKlinG aF). (Rn. 23 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Bestenauslese, Befristung, Inklusionsvereinbarung, institutioneller Rechtsmissbrauch, Ermessen, Schwerbehinderung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 23.03.2023 – 5 Sa 373/22
BAG Erfurt, Urteil vom 29.02.2024 – 8 AZR 187/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50322

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.  
3. Der Streitwert wird auf 9.591,00 € festgesetzt

Tatbestand

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Der 1968 geborene, schwerbehinderte und ledige Kläger ist derzeit bei dem Beklagten an der J.-M.-Universität B-Stadt (nachfolgend Universität) am physikalischen Institut als technischer Assistent in Vollzeit auf der Grundlage eines bis zum 30.06.2023 befristeten Arbeitsverhältnisses tätig. Er ist ausgebildeter Biologielaborant und erzielte zuletzt 3.179,25 Euro. Bereits zeitlich zuvor bestand ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis beim Beklagten seit 2016. In den Jahren davor ist der Kläger bei der Uniklinik B-Stadt (nachfolgend Klinik) seit 19.04.2010 aufgrund von insgesamt sieben befristeten Verträgen beschäftigt gewesen. Im Januar 2022 schrieb die Beklagte eine Stelle für einen technischen Assistenten am Institut für Pathologie an der Universität aus. Die Stelle war für zwei Jahre mit Option auf Vertragsverlängerung befristet. Der Kläger hat sich auf diese Stelle beworben und hatte am 01.03.2022 ein Vorstellungsgespräch sowie einen Probearbeitseinsatz. Der Leiter der Pathologischen Abteilung war willens den Kläger einzustellen und beantragte in der Folge dessen Einstellung bzw. Umsetzung. Dieser Antrag ist zunächst von der Personalabteilung des Beklagten abgelehnt worden. Der damals gesehene Hinderungsgrund konnte in der Folge vom Kläger beseitigt werden durch Vorlage eines Zwischenzeugnisses, mit dem der Beklagte dem Kläger am 19.05.2022 das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands bestätigte. Mehr zu geben war sie ihm jedoch nicht bereit, zur Begründung wurde auf die Anzahl der Vorbeschäftigungen hingewiesen. Am 27.05.2022 hat der Kläger eine einstweilige Verfügung gerichtet auf eine Besetzungssperre für die angestrebte Tätigkeit eingereicht. Das vor dem Arbeitsgericht Würzburg unter dem AZ. 4 Ga 8/22 geführte Verfahren endete mit einem Vergleich. Danach verpflichtete sich der Beklagte, die streitige Stelle bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht zu besetzen. Am 14.06.2022 ist sodann die vorliegende Klage erhoben worden.
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Der Kläger sieht den Beklagten verpflichtet, ihm die gewünschte Stelle zu übertragen. Der Anspruch folge aus Art. 33 GG und habe sich dergestalt verdichtet, dass eine Verpflichtung zur Besetzung der Stelle mit dem Kläger bestehe. Der Kläger sei der Geeignetste gewesen, auch müsse die Beklagte sich an ihre Inklusionsvereinbarung halten, da es hier um eine interne Stellenbesetzung geht. Das einzige Argument der Beklagten gegen die Besetzung der Stelle mit dem Kläger sieht der Kläger als unzutreffend an. Der Beklagten sei es verwehrt sich auf die Anzahl der Befristungen zu berufen. Ein institutioneller Rechtsmissbrauch der Wahl des Mittels „Befristung“ liege nicht erst vor, wenn der Kläger jetzt von der Beklagten eingestellt werde, sondern sei bereits in der Vergangenheit durch die Anzahl der Vorbefristungen geschaffen worden. In diesem Zusammenhang vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, die Arbeitsverhältnisse bei der Uni wie auch bei der Universität seien zusammenzurechnen und die solcher Art zusammengerechneten Arbeitsverhältnisse einer Überprüfung auf institutionellem Rechtsmissbrauch zu unterziehen. Argumentativ sucht der Kläger hier Unterstützung bei Artikel 14 Abs. 3 Satz 1 des BayUniKlinG. Zwar sei es richtig, dass die Universität und auch die Klinik zwei unterschiedliche und eigenständige juristische Personen sind. Allerdings seien auch Fälle denkbar, wo trotz fehlender Arbeitgeberidentität eine Zusammenrechnung der vorangegangenen Beschäftigungszeiten erfolgen müsse. Zu denken wäre hier an eine vertragliche Vereinbarung, ein Tarifvertrag oder auch ein Gesetz, eben auch z.B. an das UniKlinG. Der Gesetzeswortlaut spreche klar für die Auslegung des Klägers, auch die Entstehungsgeschichte könne hierangezogen werden. Zur weiteren Begründung dieses Punktes wird auf Bl. 160 ff. d. A. verwiesen.
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Es sei ohnedies fraglich, ob man den gesamten Rechtsstreit auf Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG stützen muss. Bereits aus der Inklusionsvereinbarung und einer hieraus resultierenden Selbstbindung folge der Anspruch gegen die Beklagte. Die Inklusionsvereinbarung gebe zwar keinen Individualanspruch, sei aber bei der Ermessensausübung zu beachten. Hiernach müssten behinderte Menschen nochmals in besonderem Maß bei der Planung berücksichtigt werden. Ergänzend läge hier auch eine Zusage des zuständigen Professors vor. Dieser habe den Kläger für den besten Bewerber gehalten. Die Personalabteilung habe hier nur noch ausführende Funktion und könne die Bestenauslese nicht abändern. Die Entscheidung über die fachliche Eignung, getroffen durch den zuständigen Professor, sei für die Personalabteilung bindend.
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Im Übrigen lägen hier aus Sicht der Klägerseite ohnedies Daueraufgaben vor.
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Der Kläger beantragt daher:
Der Beklagte wird verurteilt, die Stelle als „technische Assistenz“ am Institut für Pathologie der J.-M.-Universität B-Stadt mit dem Kläger zu besetzen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
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Aus Sicht der Beklagten begründet die Beschäftigung des Klägers auf den von diesem in Anspruch genommenen Arbeitsplatz die Gefahr, dass die Beklagte sich in den Bereich institutionellem Rechtsmissbrauchs begeben müsste. Dies sei ihr nicht zuzumuten und auch bei der Ermessungsausübung zu berücksichtigen. Eine Zusammenrechnung der Arbeitsverhältnisse bei der Klinik mit den Arbeitsverhältnissen bei der Universität sei rechtlich nicht veranlasst. Auf eine Zusage des Institutsleiters könne sich der Kläger ebenfalls nicht berufen, diese wäre rechtlich unverbindlich, habe doch der Institutsleiter keine Einstellungsbefugnis. Diese komme aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers alleine der Personalabteilung zu. Die Personalabteilung soll den Kläger wegen eines berechtigten Interesses des Beklagten abgelehnt haben. Alles andere hätte dazu geführt, dass der Kläger in einem späteren Entfristungsverfahren den Einwand eines institutionellen Rechtsmissbrauchs hätte bringen können.
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Die Beklagte sieht ihre Rechtsauffassung durch mehrere bayerische Gerichte bestätigt. Auf Artikel 14 Abs. 3 Nr. 1 BayKlinG könne sich der Kläger nicht berufen. Dagegen spräche Gesetzeswortlaut, wie auch der Zweck der Regelung (zur Argumentation hierzu siehe Bl. 126 ff. d. A.).
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Der Beklagte weist daraufhin eine Entscheidung in dieser Sache habe weitreichende Bedeutung für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen und würde in der Konsequenz zur Unmöglichkeit vieler bisher praktizierter Wechsel zwischen Klinik und Universität führen. Aus der Inklusionsvereinbarung könne ebenfalls kein Anspruch abgeleitet werden. Dies schon deshalb, weil es hier nicht um eine Auswahl zwischen Schwerbehinderten und anderen Arbeitnehmern geht, auch andere Arbeitnehmer wären hier nicht entfristet eingestellt worden. Im Übrigen stellt sich der Beklagte die Frage, wie der Kläger, der noch bis 30.06.2023 in einer befristeten Stelle zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, und bisher noch keinen Umsetzungsantrag gestellt hat, überhaupt das von ihm begehrte Arbeitsverhältnis antreten will. Nachdem er eine Umsetzung nicht erzwingen könne, stehe bereits dies dem Erfolg der Klage entgegen. Der Kläger könne die Stelle schlicht nicht antreten.
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Dass die Stelle befristet ausgeschrieben sei und welcher Befristungsgrund gewählt worden wäre, liege in der Organisationshoheit des Beklagten und sei vom Kläger hinzunehmen.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht im Urteilsverfahren folgt aus § 2 Abs. 1 Ziff. 3 b mit Abs. 5 ArbGG. Die Gestaltungsklage ist inhaltlich ausreichend bestimmt im Sinne des § 253 ZPO.
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In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch darauf, dass dieser die begehrte Stelle an der J.-M.-Universität mit dem Kläger besetzt.
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Die vom Kläger in Bezug genommenen Anspruchsgrundlagen greifen nach der Überzeugung des Gerichtes hier nicht. Der Kläger sieht als Anspruchsgrundlage für die begehrte Einstellung Art. 33 GG i.V. m. der Inklusionsvereinbarung der Beklagten und daraus folgend eine Ermessensreduzierung der Beklagten auf Null, welche zielführend nur durch die Einstellung des Klägers ausgeübt werden kann.
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Nachdem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Prinzip der Bestenauslese hat zwar jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dies dient dem öffentlichen Interesse und der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen. Sogleich wird damit dem rechtlichen Interesse des Bewerbers an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung getragen und ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Auswahlentscheidung begründet. Hieraus folgen dann auch Bindungen für den Entscheidungsspielraum des Dienstherren. Art. 33 GG eröffnet aber keinen unbegrenzten Anspruch auf Verschaffung einer Stelle bei einem öffentlichen Arbeitgeber. Vielmehr obliegt es dem Dienstherrn im Rahmen seiner Organisations- und Personalhoheit das von ihm gewünschte Anforderungsprofil festzulegen. Da Stellenbesetzungen auch von organisatorischen personalwirtschaftlichen und personalpolitischen Erwägungen des Dienstherrn wesentlich mit beeinflusst werden, muss ihm ein weit gefasster Spielraum zugebilligt werden, ob er eine Stelle überhaupt besetzt und welchen Personenkreis er dafür in Betracht ziehen soll. Das dem Dienstherrn zustehende Organisationsermessen muss allerdings willkürfrei ausgeübt werden. D. h., dass Beschränkungen des Bewerberkreises auf einem sachlich vertretbaren Grund beruhen müssen. Der Arbeitgeber darf nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen den Schutz des Arbeitnehmers faktisch beseitigen (siehe hierzu LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 18.03.2015, 3 Sa 371/14). Der Beklagte hat das ihm hiernach zustehende Ermessen aus Sicht des Gerichtes sachgerecht und willkürfrei ausgeübt.
Im Einzelnen:
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Zunächst ist festzuhalten, dass die Zusage des Institutsleiters an den Kläger noch keinen Einstellungsanspruch für den Kläger begründet. Auch bindet sie das Ermessen der Personalleitung nicht, sofern die Personalabteilung sich auf Gründe stützt, die nichts mit der Eignung des Klägers zu tun haben. Hier wäre ggf. die Beurteilung des Institutsleiters vorrangig und ermessensbindend. Nachdem der Beklagte sich aber auf sonstige Gründe bei der Ausübung ihres Ermessens stützt, hindert sie die ohnedies streitige Zusage des Institutsleiters nicht daran, dem Kläger abzusagen.
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Für die Einstellung von Arbeitnehmern im Bereich des Freistaats ist hier die Personalabteilung zuständig, nicht aber der Institutsleiter. Dies ist gesetzlich so geregelt und abweichend davon kann sich damit auch kein Anspruch des Klägers begründen.
18
Der von dem Beklagten angesprochene sachliche Grund ist inhaltlich nachvollziehbar und geeignet, die Ablehnung des Klägers zu begründen. Der Beklagte hatte bereits zwei befristete Verträge mit dem Kläger, startend am 01.04.2016. Der nunmehr abzuschließende Vertrag wäre somit der Dritte und würde bei der vorgesehenen Laufzeit die Gesamtbeschäftigungsdauer des Klägers beim Beklagten länger als acht Jahre andauern lassen. Der Beklagte sieht nun zu Recht die Gefahr, dass bei Abschluss dieses Vertrages die vom BAG entwickelten Grundsätze zum institutionellen Rechtsmissbrauch eingreifen könnten.
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Das BAG hat in diesem Zusammenhang, z. B. in der Entscheidung vom 17.05.2017, 7 AZR 420/15 ausgeführt, dass zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen an die gesetzlichen Wertungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG anzuknüpfen ist. Werden die Grenzen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 TzBfG alternativ oder kumulativ mehrfach überschritten, sei eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten. Hiervon sei in der Regel auszugehen, wenn einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG mehr als das Vierfache beträgt oder beide Werte das Dreifache übersteigen. Überschreitet also die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre, hängt es von weiteren vorzutragenden Umständen ab, ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist oder aber nicht. Die Beklagte befürchtet also zu Recht, am Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses sich ggf. eine Entfristungsklage mit ungewissem Ausgang gegenüberzusehen.
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Der Arbeitgeber, insbesondere der öffentliche Arbeitgeber muss sich rechtstreu verhalten. Dazu gehört auch, wenn er sehenden Auges Gefahr läuft in ein rechtsmissbräuchlich gestaltetes Arbeitsverhältnis hineinzukommen, hier schon im Vorfeld entgegengesteuert werden darf. Der Arbeitgeber, der einen Vertragsschluss mit einem Stellenbewerber ablehnt, weil er bei Annahme dieses Vertragsschlusses Gefahr laufen würde in den Bereich institutionellen Rechtsmissbrauchs zu geraten handelt nicht willkürlich, sondern aus sehr gut nachvollziehbaren sachlichen Gründen. Dem Arbeitgeber kann nicht aufgezwungen werden, hier ein ggf. mit offenem Ausgang zu führendes Entfristungsverfahren in Kauf zu nehmen.
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Soweit der Kläger nun vorträgt, der Beklagte sei ohnedies schon in dieser Situation und der neu abzuschließende Vertrag würde somit an der bereits gegebenen Lage des institutionellen Rechtsmissbrauchs nichts ändern, verfängt die Argumentation nicht. Der Kläger sieht in § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Uniklinikengesetzes eine Regelung begründet, welche dazu führen soll, die bereits zuvor bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisse mit der Uniklinik zusammenzurechnen mit den nachfolgend geschlossenen befristeten Verträgen mit der Universität.
22
Die genannte Bestimmung regelt:
Die Beschäftigungszeiten von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen beim Freistaat Bayern beim Klinikum werden vom Freistaat Bayern jeweils wie eigene Beschäftigungszeiten angerechnet.
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Die Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmung ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Als Auslegungskriterien stehen der Text, der sachliche Zusammenhang sowie die Entstehungsgeschichte der Norm zur Verfügung.
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Der Text ist aus Sicht des Gerichtes eindeutig nicht im Sinne der Argumentation des Klägers zu lesen. Hier ist alleine von den Beschäftigungszeiten, sonst aber auch von nichts die Rede. Die Gesetzesbegründung, wie sie von beiden Seiten thematisiert worden ist, ergibt kein eindeutiges Ergebnis. Ob der ursprüngliche Entwurf weiter gefasst war oder aber enger, bringt für die hier zu entscheidende Frage nichts. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass mehr als die Beschäftigungszeit geregelt werden sollte, finden sich darin auch nicht.
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Soweit die Klägerseite damit argumentiert, die Entstehungsgeschichte der Norm spreche für die Anrechnung, so mag dies für die Beschäftigungszeiten gelten, für die hier streitige Frage der Befristung ist die Entstehungsgeschichte allerdings wenig ergiebig. Dass es sich hier um eine sogenannte Kooperationslösung handeln soll, ist aus den Unterlagen zu entnehmen, führt aber nicht dazu, die Frage ob bei befristeten Arbeitsverhältnissen die jeweiligen Befristungen zusammenzurechnen sind oder aber nicht verbindlich oder überzeugend zu regeln. Soweit der Kläger die Situation hier mit einem Konzernunternehmen vergleicht, kann das Gericht dem nicht folgen. Der Beklagtenvertreter weist hier richtigerweise darauf hin, eine solche Betrachtungsweise würde bedeuten, dass sozusagen jeder öffentliche Arbeitgeber, der mit Mitteln des Bayerischen Staatshaushalts betrieben wird automatisch in die Gefahr der Arbeitgeberidentität geführt würde.
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Für das Gericht überwiegen zwei Punkte bei der Interpretation des § 14 Abs. 3 Nr. 1. Zum einen und überwiegend muss berücksichtigt werden, dass die Frage der Befristungen im öffentlichen Dienst schon immer problematisch gewesen ist. Hier hat es bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl von Verfahren gegeben. Dies war auch bei Schaffung des hier maßgeblichen Gesetzes allen Beteiligten bekannt. Die Befristungsproblematik ist also kein fernliegender Aspekt der ggf. übersehen worden ist, sondern ein schon immer virulentes Problem. Wenn nun in einer solchen Situation das UniklinikG lediglich von der Anrechnung der Beschäftigungszeiten spricht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Problematik „Befristung“ sozusagen unausgesprochen mitgeregelt werden sollte. Hätte man dies gewollt, wäre es ein Leichtes gewesen auf die bereits bestehende Bestimmung des § 613a BGB zurückzugreifen. Auch wenn kein Betriebsübergang vorliegt, hätte sich doch angeboten, wollte man entsprechendes regeln, dass die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf die jeweils andere juristische Person übergehen. Das haben die Parteien aber gerade nicht getan. Aus Sicht des Gerichtes liegt hier ein beredetes Schweigen vor mit dem deutlich wird, dass die Befristungsproblematik eben gerade nicht mit dem Art. 14 Abs. 3 Nr. 1 angesprochen war.
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Man muss auch berücksichtigen, dass man ja erst über die Bestimmungen des § 242 BGB in diese Befristungsproblematik hineinkommt. Es liegt ein Sonderfall von Treu und Glauben vor, bei dem sich der Arbeitgeber nicht auf die wirksame Befristung berufen darf. Wir sprechen über institutionellen Rechtsmissbrauch, also letztlich ein vorwerfbares und steuerbares Verhalten des Arbeitgebers, mit dem dieser sich in den Bereich des institutionellen Rechtsmissbrauchs gebracht hat. Im Streitfall geht es um zwei rechtlich selbstständige juristische Personen. Es besteht rechtlich gesehen keine Veranlassung und wäre rein tatsächlich wohl auch kaum zumutbar, ein ggf. vorangegangenes missbräuchliches Verhalten nunmehr einer gänzlich anderen juristischen Person zuzuordnen. Allein der Treu und Glauben-Gedanke lässt einen solchen Übersprung von einer juristischen Person auf die andere juristische Person nur zu, wenn dies eindeutig gesetzlich geregelt ist, wie z. B. im Fall eines Betriebsüberganges. Ein Betriebsübergang liegt hier aber nicht vor, da der Übergang aufgrund eines Gesetzes, nicht aber aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung erfolgt ist.
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Der Kläger kann sich somit nicht erfolgreich darauf berufen, den Beklagten bewege sich bereits im Bereich institutionellen Rechtsmissbrauchs.
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Auch aus der vom Kläger daneben noch angesprochenen Inklusionsvereinbarung kann kein Besetzungsanspruch hergeleitet werden. Beide Parteien sehen übereinstimmend, dass die Inklusionsvereinbarung an sich noch keinen Rechtsanspruch auf Einstellung begründet. Der Kläger meint aber aufgrund des Umstands, dass er der Beste bei der Vorauswahl gewesen ist, wäre er unter Bezugnahme auf die Inklusionsvereinbarung derjenige, dem die Stelle zuzusprechen gewesen ist.
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Eine solche Argumentation würde aber wie bereits vorstehend schon einmal angesprochen zu genau dem Ergebnis führen, das dem Beklagten nicht aufgezwungen werden kann. Die Inklusionsvereinbarung käme zum Tragen, wenn es tatsächlich darum ginge, hier den Schwerbehindertenschutz zu realisieren. Das ist aber nicht die maßgebliche Frage. Die hier dargestellte Ermessensproblematik stellt sich bei einem nicht schwerbehinderten zukünftigen Arbeitnehmer im gleichen Maße wie bei einem schwerbehinderten Arbeitnehmer. Der eine wie der andere treibt den Beklagten in den Gefahrenbereich des institutionellen Rechtsmissbrauchs, wenn mit ihm eine Stellenbesetzung vorgenommen wird. Daran führt auch die Inklusionsvereinbarung nicht vorbei. Diese ist sicherlich ein Abwägungspunkt wenn es um den Schutz des Schwerbehinderten geht, nicht aber bei der hier maßgeblichen Konstellation wo es um andere Gründe geht, die mit der Schwerbehinderung in keiner Verbindung stehen.
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Im Ergebnis war die vorstehende Entscheidung zu treffen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über den Streitwert auf § 44 GKG mit § 61 ArbGG.