Inhalt

VGH München, Urteil v. 03.01.2022 – 21 B 19.32835
Titel:

Keine politische Verfolgung einer jungen, alleinstehenden Frau aus Syrien in Anknüpfung an ihr Geschlecht, ihre Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet der illegalen Ausreise sowie den Asylantrag und den damit verbundenen Aufenthalt in Deutschland

Normenkette:
AsylG § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 3, § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 3c Nr. 2, Nr. 3, § 28 Abs. 1a
Leitsätze:
1. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass eine Asylbewerberin allein wegen ihrer (illegalen) Ausreise, ihres Asylantrags und des Aufenthalts in Deutschland als Oppositionelle betrachtet wird und deshalb eine Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG zu befürchten hat (ebenso mit zum Teil abweichender Begründung: VGH Mannheim BeckRS 2019, 5265; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2019, 2332; OVG Bremen BeckRS 2021, 6455; OVG Hamburg BeckRS 2019, 16202; VGH Kassel BeckRS 2021, 23668; OVG Lüneburg BeckRS 2021, 8474; OVG Münster BeckRS 2021, 7611; OVG Koblenz BeckRS 2018, 8337; OVG Saarlouis BeckRS 2018, 28928; OVG Bautzen BeckRS 2022, 5029; OVG Schleswig BeckRS 2020, 903; OVG Weimar BeckRS 2018, 39853). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass männliche Rückkehrer im militärdienstpflichtigen Alter (Militärdienstpflichtige, Reservisten) allein deshalb in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle bzw. regimefeindliche Gesinnung eine Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte zu befürchten haben, weil sie sich durch Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben (vgl. insbesondere VGH München BeckRS 2021, 22540). Vor diesem Hintergrund kann eine eventuelle Militärdienstentziehung des Vaters und/oder Onkels der Klägerin auch nicht als zusätzlicher signifikanter gefahrerhöhender Umstand angesehen werden (vgl. VGH München BeckRS 2016, 115156; BeckRS 2018, 23745; BeckRS 2019, 15380). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht für einen Rückkehrer allein wegen der Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet in der Regel keine Rückkehrgefährdung (vgl. VGH München BeckRS 2020, 27277; ebenso VGH Mannheim BeckRS 2019, 5265; VGH München BeckRS 2020, 16178; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2019, 2332; OVG Bremen BeckRS 2019, 4915; OVG Hamburg BeckRS 2019, 16202; VGH Kassel BeckRS 2021, 23668; OVG Greifswald BeckRS 2021, 20088; OVG Lüneburg BeckRS 2021, 8474; OVG Münster BeckRS 2020, 3903; OVG Koblenz BeckRS 2018, 18636; OVG Saarlouis BeckRS 2018, 17763; OVG Bautzen BeckRS 2019, 11572; OVG Schleswig BeckRS 2020, 903). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein wegen der Herkunft aus einem vormals durch die Opposition besetzten Gebiet besteht keine Gefahr, dass die betreffende Person bei der Einreise aufgrund ihrer Herkunft festgenommen oder misshandelt werden könnte (so bereits OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2019, 2332). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Syrien), Keine politische Verfolgung allein wegen der (illegalen) Ausreise, des Asylantrags und des damit verbundenen Aufenthalts in Deutschland, Keine Reflexverfolgung von Angehörigen von Militärdienstentziehern, Keine Gruppenverfolgung „alleinstehender Frauen und Mädchen“, Keine asylrelevante Verfolgung einer (jungen) (alleinstehenden) Frau in Anknüpfung an ihr Geschlecht, Keine Rückkehrgefährdung allein wegen der Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet (hier: Hama), illegale Ausreise, Reflexverfolgung von Angehörigen von Militärdienstentziehern, Gruppenverfolgung, alleinstehende Frauen und Mädchen, Rückkehrgefährdung, Rückkehrer im militärdienstpflichtigen Alter, Militärdienstpflichtige, Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet (hier: Hama)
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 23.01.2018 – W 2 K 17.32069
Fundstelle:
BeckRS 2022, 5029

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Januar 2018 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen  

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten über den ihr zuerkannten subsidiären Schutz hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen kann.
2
1. Die am … geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Arabischen Republik Syrien. Am 3. Februar 2016 stellte sie, vertreten durch ihren Vormund, einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland.
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In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 6. April 2017 zum Asylantrag der Klägerin erklärte ihr Vormund, dass die Klägerin nicht wisse, zu welcher Volksgruppe sie gehöre. Sie habe zusammen mit ihrer Familie Syrien bereits verlassen, als sie sechs oder sieben Jahre alt gewesen sei. Seitdem habe sich die Familie im Libanon aufgehalten. Die Klägerin sei 2015 mit Bekannten mit dem Bus in die Türkei gefahren und nach einem einwöchigen Aufenthalt mit ihrem Onkel und später mit weiteren Familienmitgliedern über die Türkei und Ungarn im Sommer 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Vor ihrer Ausreise aus Syrien habe sie zusammen mit ihren Eltern und zwei Schwestern in Hama, …, gelebt. Ihre Eltern lebten in der Nähe von … Zu den Fluchtgründen habe die Klägerin angegeben, dass es in ihrem Wohnort viele Anschläge gegeben habe und viele Häuser kaputtgegangen seien. Ihr Vater sei einmal mit Freunden in Hama unterwegs gewesen und es habe eine Schießerei gegeben. Er sei der Einzige, der überlebt habe. Im Fall einer Rückkehr nach Syrien hätte die Klägerin Angst vor Leichen am Boden, Bomben und Schüssen. Ihre Familie, die noch dort sei, lebe im Bunker.
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Das Bundesamt erkannte die Klägerin mit Bescheid vom 26. April 2017 als subsidiär Schutzberechtigte an und lehnte ihren Asylantrag im Übrigen ab.
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2. Die hiergegen zum Verwaltungsgericht Würzburg erhobene Klage wurde nicht begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Beklagte mit Urteil vom 23. Januar 2018 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz zuzuerkennen.
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3. Die Beklagte hat die mit Beschluss vom 1. August 2019, ihr zugestellt am 9. August 2019, zugelassene Berufung mit Schriftsatz vom 12. August 2019 insbesondere unter Verweis auf die Senatsrechtsprechung begründet. Der Schriftsatz wurde dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als elektronisches Dokument übermittelt, das nachweislich am 13. August 2019 auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen Behördenpostfach zugegangen ist.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung abzuweisen.
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Für die Klägerin wurde kein Antrag gestellt und erfolgte auch keine sonstige Äußerung.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich ebenfalls nicht geäußert.
11
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Januar 2018 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil die Klägerin in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 und 1 AsylG hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer - soweit hier von Interesse - Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 560 - Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin weder im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus der Arabischen Republik Syrien vor (1.) noch ergeben sie sich aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem sie ihr Herkunftsland verlassen hat (2.).
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1. Die Klägerin ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Umstände, aus denen sich eine bereits erlittene oder im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar drohende Verfolgung durch den syrischen Staat oder sonstige Akteure im Sinne von § 3c Nr. 2 und 3 AsylG ergeben, wurden nicht vorgetragen.
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2. Die Klägerin kann für einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nichts daraus für sich ableiten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylG die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch auf Ereignissen beruhen kann, die eingetreten sind, nachdem sie ihr Herkunftsland verlassen hat. Ein solcher Nachfluchtgrund besteht nicht.
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Davon wäre nur dann auszugehen, wenn der Klägerin bei verständiger (objektiver) Würdigung der gesamten Umstände ihres Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohte, so dass ihr nicht zuzumuten wäre, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Die „verständige Würdigung aller Umstände“ hat dabei eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe zum Inhalt. Im Rahmen dieser Prognose ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Klägerin Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen“ Betrachtungsweise weniger als 50 v.H. Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der im Rahmen der Prognose vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage der Klägerin nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ (real risk) einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37 und zu Art. 16a GG U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - juris Rn. 17).
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Nach diesem Maßstab und nach der Erkenntnislage im maßgeblichen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) Zeitpunkt hat der Senat unter Berücksichtigung des Charakters des syrischen Staates (2.1) die Überzeugung gewonnen, dass der Klägerin bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder eine andere staatliche Kontrollstelle allein wegen ihrer (illegalen) Ausreise, ihres Asylantrags und des damit verbundenen Aufenthalts in Deutschland eine politische Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (2.2). Für die Klägerin besteht auch unter dem Gesichtspunkt der - von ihr nicht behaupteten, aber vom Verwaltungsgericht festgestellten - Sippenhaft für eine eventuelle Militärdienstentziehung ihres Vaters und/oder ihres Onkels keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit (2.3). Ebenso wenig muss die Klägerin, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, befürchten, politisch verfolgt zu werden, weil sie als alleinstehende junge Frau nach Syrien zurückkehren würde (2.4). Dasselbe gilt im Hinblick auf eine politische Verfolgung wegen ihrer Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet (2.5).
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2.1 Das Herrschaftssystem des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ist durch den seit dem Jahr 2011 anhaltenden militärischen Kampf gegen verschiedene feindliche Organisationen und infolge internationaler Sanktionen militärisch sowie wirtschaftlich unter erheblichen Druck geraten. Ziel der Regierung ist es, die bisherige Machtarchitektur bestehend aus dem Präsidenten Bashar al-Assad sowie den drei um ihn gruppierten Clans (Assad, Makhlouf und Shalish) ohne einschneidende Veränderungen zu erhalten und das Herrschaftsmonopol auf dem gesamten Territorium der Syrischen Arabischen Republik wiederherzustellen. Diesem Ziel ordnete die Regierung in den vergangenen Jahren alle anderen Sekundärziele unter (vgl. Gerlach, „Was in Syrien geschieht - Essay“ vom 19. Februar 2016). Sie geht in ihrem Einflussgebiet im Ganzen betrachtet zielgerichtet und ohne Achtung der Menschenrechte gegen tatsächliche oder vermeintliche Regimegegner (Oppositionelle) mit größter Brutalität und Rücksichtslosigkeit vor. Dabei sind die Kriterien dafür, was als politische Opposition betrachtet wird, sehr weit: Kritik, Widerstand oder unzureichende Loyalität gegenüber der Regierung sollen Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen geführt haben (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic - Update VI, März 2021, S. 95 - im Folgenden UNHCR International Protection Considerations 2021; siehe auch Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, Februar 2017, S. 8 - im Folgenden: UNHCR, Relevante Herkunftslandinformationen 2017). Seit dem Ausbruch des Krieges im März 2011 sind zahlreiche Fälle von Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, „Verschwindenlassen“, tätlichen Angriffen, Tötung in Gewahrsam der Sicherheitskräfte und Mordanschlägen belegt. Mittlerweile sollen bislang über 17.000 Menschen in syrischen Gefängnissen durch Folter oder aufgrund unmenschlicher Haftbedingungen gestorben sein. Das syrische Regime macht in der Regel keine Angaben zu Todesfällen in Folge von Gewaltanwendung in syrischen Haftanstalten, sondern benennt zumeist unspezifische Todesursachen wie Herzversagen, Schlaganfall und ähnliches (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, 4.12.2020, S. 19).
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2.2 Trotz des Umstands, dass die syrischen Machthaber gegen tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle mit äußerster Härte vorgehen, ist es zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin allein wegen ihrer (illegalen) Ausreise, ihres Asylantrags und des Aufenthalts in Deutschland als Oppositionelle betrachtet wird und deshalb eine Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG zu befürchten hat (ebenso mit zum Teil abweichender Begründung: VGH BW, U.v. 27.3.2019 - A 4 S 335.19; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17; OVG Bremen, U.v. 24.3.2021 - 2 LB 123.18; OVG Hamburg, U.v. 29.5.2019 - 1 Bf 284/17.A; HessVGH, U.v. 23.8.2021 - 8 A 1992/18.A; NdsOVG, U.v. 22.4.2021 - 2 LB 147.18; OVG NW, U.v. 22.3.2021 - 14 A 3439/18.A; OVG RhPf, U.v. 12.4.2018 - 1 A 10988.16; OVG Saarl, U.v. 14.11.2018 - 1 A 609.17; SächsOVG, U.v. 21.8.2019 - 5 A 50/17.A; OVG SH, U.v. 3.1.2020 - 5 LB 34.19; ThürOVG, U.v. 15.6.2018 - 3 KO 155.18 - alle juris).
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Insoweit wird zur Darlegung der maßgebenden Erwägungen auf die bisherige Rechtsprechung des Senats Bezug genommen (vgl. etwa U.v. 12.4.2019 - 21 B 18.32459 - juris Rn. 27 ff.). Der Bericht des Auswärtigen Amts vom 4. Dezember 2020 über die Lage in der Arabischen Republik Syrien gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Darin ist unter anderem ausgeführt, immer wieder seien Rückkehrer, insbesondere - aber nicht nur - solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt seien oder auch nur als solche erachtet würden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen bis hin zu unmittelbarer Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt; selbst bislang als regimenah geltende Personen könnten aufgrund allgegenwärtiger staatlicher Willkür grundsätzlich Opfer von Repressionen werden (Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, 4.12.2020, S. 25). Diese Ausführungen sind zu allgemein gehalten, um daraus die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung jedweden Rückkehrers ableiten zu können (so bereits OVG NW, U.v. 18.3.2020 - 14 A 2778/17.A - juris Rn. 37 zum insoweit inhaltsgleichen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20.11.2019).
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Weitere hinzugekommene Erkenntnisse bestätigen die bisherige Rechtsprechung des Senats. So ist nach den Feststellungen des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS) davon auszugehen, dass an den internationalen Flughäfen Syriens über bestimmte, als regimekritisch wahrgenommene Personen computergestützt Informationen vorliegen. Deshalb drohen einem Rückkehrer, der nicht explizit als politischer Oppositioneller aufgefallen ist, keine Repressionen (vgl. EZKS, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin vom 11.3.2019). Das entspricht den Erkenntnissen der kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde. Danach wird eine Person, die auf einer Fahndungsliste steht, bei der Einreise am Flughafen verhaftet, während Syrer, die nicht in einer Fahndungsliste angeführt sind, im Allgemeinen unbehelligt bleiben (Immigration and Refugee Board of Canada, Responses to Information Requests SYR106356.E, 9.9.2019, S. 3). Nach den dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich vorliegenden Informationen kann die Aufnahme in die Listen der Personen, die als regimefeindlich angesehen werden, aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zu den als regimefeindlich erachteten Personen gehören nach einigen dem österreichischen Bundesamt zur Verfügung stehenden Quellen unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten, Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffen der Regierung verbreitet haben, sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Syrien, 18.12.2020, S. 98). Angesichts dieser konkreten Aufzählung von Personen, die seitens der syrischen Regierung als oppositionell oder regimefeindlich erachtet werden, ist eine vollkommen willkürliche Aufnahme in die Liste der regimefeindlichen Personen zur Überzeugung des Senats nicht der Regelfall. Die Tatsache, dass der syrische Staat nicht unterschiedslos jeden Rückkehrer als regierungsfeindlich betrachtet, zeigt sich zudem daran, dass die illegale Ausreise im Falle einer Rückkehr für sich genommen im Regelfall von den syrischen staatlichen Stellen nicht geahndet wird. Vielmehr haben nur solche Personen Probleme bei der Rückkehr, die anderweitig in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten sind (vgl. Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR´s Country Guidance on Syria, 7.5.2020, S. 21; Accord - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Syrien: Information zur Anwendung des Gesetzes Nr. 18 von 2014 bezüglich der illegalen Ausreise, 9.8.2019; The Danish Immigration Service, Syria - Consequences of illegal exit, consequences of leaving a civil servant position without notice and the situation of Kurds in Damascus, Juni 2019, S. 7).
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Soweit Amnesty International im September 2021 davon berichtet, dass der syrische Geheimdienst Rückkehrer rechtswidrig und willkürlich verhafte, foltere oder in sonstiger Weise misshandle und (zumindest vorübergehend) verschwinden lasse, weil wegen der Flucht aus Syrien oder des Landes, in dem sie Schutz gefunden hätten, generell eine Zugehörigkeit zur Opposition unterstellt werde, stützt sich diese Annahme auf die Ermittlung der Schicksale von 66 Personen, die im Zeitraum von Mitte 2017 bis Frühjahr 2021 nach Syrien zurückgekehrt sein sollen, wobei die Recherche von Juli 2020 bis Juni 2021 erfolgte (vgl. Amnesty International, „You´re going to your death“ - Violations against Syrian refugees returning to Syria, 9/2021, S. 5 f., 9, 15, 20). Die sich auf eine so geringe Zahl von Rückkehren beziehenden Erkenntnisse können zumindest vor dem Hintergrund, dass auch nach Angaben von Amnesty International im Zeitraum von 2016 bis Mai 2021 jedenfalls mehr als 280.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt sind (vgl. Amnesty International, „You´re going to your death“ - Violations against syrian refugees returning to Syria, 9/2021, S. 11), nicht als repräsentativ angesehen werden und sind allein deshalb ungeeignet, die Annahme der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung jedes Rückkehrers nur wegen seiner (illegalen) Ausreise, seines Asylantrags und seines Aufenthalts in Deutschland zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, als die im Amnesty-Bericht erwähnten 24 Fälle, in denen Rückkehrern allein wegen ihrer Flucht eine Unterstützung der Opposition unterstellt worden sein soll, und die 15 Fälle, in denen Rückkehren wegen des Ortes, an den sie geflüchtet seien, vorgeworfen worden sein soll, Terroristen zu sein, nicht näher und damit nicht nachvollziehbar geschildert werden. Hinzukommt, dass - wie in anderen Erkenntnisquellen (vgl. The Danish Immigration Service, Syria. Security clearance and status settlement for returnees, 12/2020, S. 5) - von sog. wanted lists als Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung von Rückkehrern die Rede ist (vgl. Amnesty International, „You´re going to your death“ - Violations against syrian refugees returning to Syria, 9/2021, S. 15 f., 17, 28, 31) und gleichzeitig nicht ersichtlich ist, dass alle ins Ausland bzw. alle nach Deutschland Geflüchteten automatisch auf solchen Listen geführt werden.
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2.3 Der Klägerin droht auch unter dem Gesichtspunkt der - von ihr nicht behaupteten, aber vom Verwaltungsgericht festgestellten - Sippenhaft keine politische Verfolgung.
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Zur Überzeugung des Senats ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass männliche Rückkehrer im militärdienstpflichtigen Alter (Militärdienstpflichtige, Reservisten) allein deshalb in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle bzw. regimefeindliche Gesinnung eine Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte zu befürchten haben, weil sie sich durch Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben. Zur Darlegung der insoweit maßgebenden Erwägungen wird auf die Rechtsprechung des Senats Bezug genommen (vgl. insbesondere BayVGH, U.v. 23.6.2021 - 21 B 19.33586 - juris Rn. 40 ff.). Muss ein syrischer Mann im militärdienstpflichtigen Alter allein wegen seiner Militärdienstentziehung nicht beachtlich wahrscheinlich mit einer politischen Verfolgung rechnen, hat die Klägerin eine solche erst Recht nicht deshalb zu befürchten, weil sich gegebenenfalls ihr Vater und/oder ihr Onkel dem Militärdienst entzogen hat bzw. haben. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass die vom Dänischen Einwanderungsdienst befragten Auskunftspersonen überwiegend bekundeten, es hätte für die Familien keine Folgen, wenn sich ein Familienmitglied dem Militärdienst entzogen habe (The Danish Immigration Service, Syria: Military Service, May 2020, S. 36; The Danish Immigration Service, Syria. Security clearance and status settlement for returnees, 12/2020, S. 11). Dies entspricht auch der bisherigen Einschätzung des Senats (vgl. BayVGH, U.v. 12.4.2019 - 21 B 32459 - juris Rn. 76 ff.; U.v. 21.9.2020 - 21 B 19.32725 - juris Rn. 67). Vor diesem Hintergrund kann eine eventuelle Militärdienstentziehung des Vaters und/oder Onkels der Klägerin auch nicht als zusätzlicher signifikanter gefahrerhöhender Umstand angesehen werden (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2016 - 21 B 16.30338 - juris Rn. 70, 83; U.v. 20.6.2018 - 21 B 17.31605 - juris Rn. 35, 39; U.v. 9.5.2019 - 20 B 19.30643 - juris Rn. 44, 48), der im konkreten Einzelfall dazu führte, dass die Klägerin wegen ihrer (illegalen) Ausreise, ihres Asylantrags und des Aufenthalts in Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als Oppositionelle betrachtet würde und deshalb eine Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG zu befürchten hätte.
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2.4 Die Klägerin muss eine Verfolgung auch nicht etwa deshalb befürchten, weil sie - so die Annahme des Verwaltungsgerichts - als alleinstehende junge Frau ohne Schutz des Familienverbandes nach Syrien zurückkehren würde.
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2.4.1 Das Verwaltungsgericht geht zu Unrecht davon aus, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch deshalb, weil sie als alleinstehendes Mädchen ohne Schutz des Familienverbandes „einer besonderen sozialen Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG“ angehöre, die im syrischen Bürgerkrieg von systematischer Vergewaltigung und Versklavung bedroht sei.
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Die Klägerin ist schon nicht der Gruppe der „alleinstehenden Frauen und Mädchen ohne Schutz des Familienverbandes“ zuzurechnen, weil nach ihrem Anhörungsvorbringen ein Teil ihrer Familie in Syrien lebt.
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Unabhängig davon handelt es sich bei der vom Verwaltungsgericht benannten Gruppe nicht um eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne der Regelung des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG, die wortgleich Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Spiegelstrich 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umsetzt. Danach gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der RL 2011/95/EU müssen die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein. Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der RL 2011/95/EU ist in Verbindung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend eindeutig zu entnehmen, dass eine bestimmte soziale Gruppe in diesem Sinne nicht vorliegt, wenn die betroffene Gruppe nicht in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat bzw. nicht von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. BVerwG, B.v. 17.9.2018 - 1 B 45.18 - juris Rn. 9).
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Die Gruppe der alleinstehenden Frauen ist offenkundig weder durch angeborene Merkmale noch durch einen gemeinsamen unveränderbaren Hintergrund gekennzeichnet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Mitglieder dieser Gruppe Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die für ihre Identität oder ihr Gewissen unverzichtbar sind bzw. ist.
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Überdies lässt sich weder dem angefochtenen Urteil noch den beigezogenen Erkenntnismitteln entnehmen, dass die Gruppe der alleinstehenden Frauen und Mädchen eine deutlich abgegrenzte Identität besitzt bzw. von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Dagegen spricht bereits, dass nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, ob es sich bei der jeweiligen Person um eine Frau handelt, die alleinstehend ist und nicht den Schutz eines Familienverbandes genießt. Insoweit ist auch die (nicht belegte) Feststellung des Verwaltungsgerichts unbehelflich, die genannte Gruppe sei von systematischer Vergewaltigung und Versklavung bedroht. Eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG wird nicht allein dadurch begründet, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von etwa als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2018 - 1 B 45.18 - juris Rn. 10).
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2.4.2 Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats auch keine an das Geschlecht (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG) anknüpfende Verfolgung zu befürchten. Zwar sind nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln Frauen und Mädchen in Syrien im Vergleich zu Männern und Jungen (deutlich) häufiger von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 4.12.2020, S. 22; Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 13.11.2018, S. 18; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Lage alleinstehender Frauen in Damaskus, 12.2.2020; Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse, Syrien: Geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt, 19.4.2018, S. 3). Allerdings reicht die Feststellung einer überproportionalen Betroffenheit von Frauen und Mädchen von geschlechtsspezifischer Gewalt in Syrien - zumal mit dem zusätzlichen Hinweis, dass diese weltweit bestehe (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Lage alleinstehender Frauen in Damaskus, 12.2.2020) - für die Annahme einer allein an das Geschlecht anknüpfenden Verfolgung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG nicht. Nichts anderes gilt, soweit geschildert wird, dass Vergewaltigungen von und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen bei Hausdurchsuchungen, an Kontrollposten, bei der Rückkehrerbefragung sowie in Haft stattfänden (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Lage von Kindern allgemein, die Rolle von Kindern im Bürgerkrieg, die Situation von Mädchen, Kinderarbeit, Bildung, Kinder ohne Familienanschluss, unbegleitete zurückkehrende Kinder, Waisenhäuser, 27.4.2021; Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 4.12.2020, S. 22; Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 13.11.2018, S. 18 f.; Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse, Syrien: Geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt, 19.4.2018, S. 3, 5). Denn diese Übergriffe können nach den vorliegenden Erkenntnismitteln auch durch den Vorwurf einer eigenen oppositionellen Betätigung bzw. Gesinnung der betroffenen Frau oder einen entsprechenden Vorwurf gegenüber ihrem Ehemann oder Verwandten bedingt sein (vgl. Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse, Syrien: Geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt, 19.4.2018, S. 5; Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation, Syrien, 18.12.2020, S. 67). In diesem Fall knüpft die im Raum stehende Verfolgungshandlung gerade nicht, wie von § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG geboten, (allein) an das Geschlecht an. Dementsprechend geht der UNHCR davon aus, dass Frauen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Unterstützung von oder Verbindung zu einer Kriegspartei, ihrer eigenen politischen Meinungen oder Aktivitäten, familiären Verbindungen, religiösen oder ethnischen Identität oder ihres Wohn- oder Heimatortes gezielt Opfer von Übergriffen in Form von willkürlichen Festnahmen, Isolationshaft, Entführungen, Folter und sexueller Gewalt sowie Hinrichtungen würden (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Aktualisierte Fassung, November 2017, S. 65 f.), und leitet u.a. daraus ab, dass Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt hätten oder gefährdet seien, Opfer sexueller Gewalt zu werden, und Frauen und Mädchen ohne familiäre Unterstützung je nach den Umständen des Einzelfalls wahrscheinlich internationalen Schutz benötigten (UNHCR, Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 25.2.2019). Solche auf den konkreten Einzelfall bezogenen Umstände, die auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung hindeuten könnten, hat die Klägerin weder gegenüber dem Bundesamt noch im Berufungsverfahren geäußert.
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2.5 Schließlich ist es zur Überzeugung des Senats auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die syrischen Sicherheitskräfte die Klägerin im Falle einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien im Hinblick darauf menschenrechtswidrig behandeln werden, dass sie aus Hama stammt. Die Klägerin hat auch in Bezug auf ihren Herkunftsort keine Umstände vorgetragen, die sich in ihrem konkreten Fall als risikoerhöhend darstellen. Nach Auswertung der Erkenntnislage besteht für einen Rückkehrer allein wegen der Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet in der Regel keine Rückkehrgefährdung (vgl. Urteile des Senats vom 23.6.2021 - 21 B 19.33586 - juris Rn. 82 ff.; 21.9.2020 - 21 B 19.32725 - juris Rn. 68 ff.; ebenso VGH BW, U.v. 27.3.2019 - A 4 S 335.19; BayVGH, B.v. 30.6.2020 - 20 B 19.31187; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17; OVG Bremen, U.v. 20.2.2019 - 2 LB 122.18; OVG Hamburg, U.v. 29.5.2019 - 1 Bf 284/17.A; HessVGH, U.v. 23.8.2021 - 8 A 1992/18.A; OVG MV, U.v. 26.5.2021 - 4 L 238.13; NdsOVG, U.v. 22.4.2021 - 2 LB 147.18; OVG NW, U.v. 13.3.2020 - 14 A 2778/17.A; OVG RhPf, B.v. 6.2.2018 - 1 A 10849/17.OVG; OVG Saarl, U.v. 25.7.2018 - 1 A 621.17; SächsOVG, U.v. 6.2.2019 - 5 A 1066/17.A; OVG SH, U.v. 3.1.2020 - 5 LB 34.19 - alle juris).
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Zwar erwähnt der UNHCR Berichte, die darauf hindeuten würden, dass die syrische Regierung im Allgemeinen solche Zivilpersonen als der bewaffneten Opposition zugehörig betrachte, die in Gebieten wohnen oder aus Gebieten stammen würden, in denen es zu Protesten der Bevölkerung gekommen sei und/oder in denen die bewaffnete Opposition in Erscheinung trete oder (zumindest zeitweise) die Kontrolle übernommen habe (vgl. UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR´s Country Guidance on Syria, 7.5.2020, S. 12). Allerdings wird das lediglich unter Verweis auf die 5. aktualisierte Fassung der „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“ belegt. Diesen wie auch den aktuellen „Erwägungen“ kann jedoch nicht entnommen werden, dass allein die Herkunft aus einem (vermeintlichen) Oppositionsgebiet eine Rückkehrgefährdung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit begründet, denn darin kommt der UNHCR letztlich zu dem Ergebnis, er sei der Auffassung, dass Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen, die als regierungsfeindlich angesehen würden, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe wahrscheinlich internationalen Schutz benötigten (vgl. UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, November 2017, S. 43; UNHCR, International Protection Considerations 2021, S. 115). Das bestätigt, dass es keinen Generalverdacht gegen alle Rückkehrer aus entsprechenden Regionen gibt.
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Im Einklang damit kann Auskünften des Auswärtigen Amts entnommen werden, dass eine Verfolgungsgefahr für Rückkehrer aus (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebieten letztlich nur bei Vorliegen zusätzlicher Umstände anzunehmen ist und es deshalb vom Einzelfall abhängig ist, ob Personen, die aus solchen Gebieten kommen, bei ihrer Einreise nach Syrien festgenommen werden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 12.2.2019 und Auskunft an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 17.10.2017).
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Die Auskunft von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 13. September 2018 (S. 2), wonach (allein) wegen der Herkunft aus einem vormals durch die Opposition besetzten Gebiet die Gefahr bestehe, dass die betreffende Person bei der Einreise aufgrund ihrer Herkunft festgenommen oder misshandelt werden könnte, veranlasst keine andere Bewertung. Amnesty International verweist insoweit lediglich auf die Herkunftslandinformationen des UNHCR vom November 2017, die eine solche Einschätzung - wie dargelegt - nicht tragen (so bereits OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 48). Soweit Amnesty International im September 2021 davon berichtet, dass Rückkehrer aus unterschiedlichen Gründen verhaftet würden, u.a. weil sie (vermeintlich) aus einem Gebiet stammten, das unter der Kontrolle der Opposition gestanden habe (vgl. Amnesty International, „You´re going to your death“ - Violations against syrian refugees returning to Syria, 9/2021, S. 27, 30 f., 36), sind diese Aussagen - wie dargelegt - nicht als repräsentativ anzusehen und daher ungeeignet, die Annahme der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung von Rückkehrers allein wegen der (vermeintlichen) Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet zu rechtfertigen. Im Übrigen wird die Einschätzung des Senats, wonach allein die Herkunft aus einem (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebiet in der Regel nicht beachtlich wahrscheinlich dazu führt, dass die syrischen staatlichen Stellen dem Betroffenen eine oppositionelle Gesinnung zusprechen und ihn deshalb verfolgen, auch durch die Erkenntnisse des Dänischen Einwanderungsdienstes(DIS)/Dänischen Flüchtlingsrats (DRC) bestätigt (Danish Refugee Council/The Danish Immigration Service, Syria - Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, Februar 2019, S. 15 f.).
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Im Ergebnis besteht zur Überzeugung des Senats eine Verfolgungsgefahr für Rückkehrer aus bestimmten Gebieten nicht bereits allgemein, sondern nur bei Vorliegen zusätzlicher Umstände, die den Rückkehrer in irgendeiner Weise in „Oppositionsnähe“ bringen. Solche zusätzlichen Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § § 708 ff. ZPO.
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5. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.