Inhalt

OLG München, Beschluss v. 07.09.2022 – 35 U 1625/22
Titel:

Kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Dieselfall aufgrund ungültiger Übereinstimmungsbescheinigung

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung dazu führt, dass keine gültige Übereinstimmungsbescheinigung vorliegt und der Fahrzeughersteller dies verschuldete, kann sich aufgrund des Schutzzwecks der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus § 823 Abs. 2 BGB zwar ein Anspruch gegen den Inhaber der EG-Typgenehmigung auf Beifügung einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung (in Form der Beseitigung der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung), nicht aber auf (Rück-)Abwicklung eines Kaufvertrags mit einem Dritten ergeben. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung, Schutzzweck
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Urteil vom 11.02.2022 – 34 O 2550/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 17.07.2023 – VIa ZR 1405/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50219

Tenor

1. Der Antrag der Klagepartei auf Aussetzung des Rechtsstreits wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.02.2022, Aktenzeichen 34 O 2550/21 Die, wird zurückgewiesen.
3. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 2 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.687,11 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagte aufgrund des Erwerbs eines Pkw geltend, den er bei der A. AG als Neuwagen am 12.11.2016 erworben hat und der mit einem von der Beklagten entwickelten Motor des Typs EA 288, Schadstoffklasse Euro 6 und mit einem SCR Katalysator, versehen ist. Ein verpflichtende Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes liegt nicht vor.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.02.2022 Bezug genommen.
3
Im Berufungsverfahren wird beantragt,
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11. Februar 2022,34 O 2550/21 Die wird aufgehoben und der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Ingolstadt zurückverwiesen.
4
Hilfsweise für den Fall, dass eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt, wird beantragt,
1.
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.02.2022 wird aufgehoben und wie folgt abgeändert.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten Partei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Audi Q3 2.0 CDI, FIN …49 durch die Beklagtenpartei resultieren.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.530,64 freizustellen.
5
Zudem beantragt die Klagepartei aufgrund teilweiser Schadensbezifferung:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 35.380 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% -Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2021 zu bezahlen. Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Audi Q3 2.0 CDI, FIN …49 und abzüglich einer durch richterliches Ermessen festzusetzenden Entschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
II.
7
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.02.2022, Aktenzeichen 34 O 2550/21 Die, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
III.
8
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
IV.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
10
A. Soweit die Klagepartei in der Berufungsbegründung mitteilt, sie beantrage „zusätzlich zum erstinstanzlichen Feststellungsantrag“ auch die Verurteilung zu einer Zahlung infolge teilweiser Schadensbezifferung (S. 2 BB), stellt dies keine Klageänderung oder Klageerweiterung in der Berufungsinstanz dar, da der Zahlungsantrag, wie sich aus dem angefochtenen Urteil (Seite 4) ergibt, schon erstinstanzlich als Hauptantrag mit der Ziff. 1 gestellt wurde.
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B. Die Ausführungen in der Erwiderung vom 15.08.2022, wonach eine Entscheidung „nach § 522 ZPO unzulässig“ sein soll, sind unzutreffend.
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Soweit hierzu eine Entscheidung des OLG Naumburg vom 09.04.2021 referiert wird, ist der Senat bereits im Hinweisbeschluss (Seite 3 unter Ziffer B. 2) hierauf eingegangen.
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Ebenso wenig ist der Hinweisbeschluss des OLG Düsseldorf vom 16.09.2021, der die Frage einer Darlegungslast betreffend Abschalteinrichtungen thematisiert, hier einschlägig noch hindert er an einer Entscheidung im Beschlusswege. Denn im Gegensatz zur dortigen Entscheidung, bei der die Beklagte vorgetragen hatte, eine Fahrkurve(nerkennung) sei im Rahmen einer Serviceaktion entfernt worden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. September 2021 – 20 U 14/21 –, juris Rn. 20), hat die Beklagte hier von Beginn an bestritten, dass überhaupt jemals eine Fahrkurve im klägerischen Fahrzeug hinterlegt gewesen sei. (Klageerwiderung Seite 6 = Blatt 148 d. A.).
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C. Die Ausführungen zu den Inhalten der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes liegen neben der Sache. Es geht nicht darum, ob aufgrund Mitteilungen des Kraftfahrtbundesamtes das Gegenteil der vom Kläger zu beweisenden Tatsachen feststeht, nämlich dass keine Abschalteinrichtung vorhanden ist, sondern es ist Sache der Klagepartei, für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung im klägerischen Pkw konkrete, greifbare Anhaltspunkte vorzubringen, die hierfür sprechen, so dass der Sachvortrag nicht lediglich als ins Blaue hinein vorgetragen anzusehen ist.
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D. Die weiteren Ausführungen zum NEFZ und zur Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung sind auch deshalb für eine Haftung aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung irrelevant, da angesichts der Aufklärung des KBA durch die Beklagte vor dem Erwerb des klägerischen Pkw selbst für den Fall eines – hier nicht gegebenen – sittenwidrigen Handelns auf Seiten der Beklagten jedenfalls im maßgeblichen Erwerbszeitpunktes eine relevante Verhaltensänderung gegeben hat, die den Sittenwidrigkeitsvorwurf entfallen ließe.
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E. Zur Frage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags und zum Feststellungsinteresse – zumal nach „teilweiser Bezifferung“ des großen Schadenersatzes im Wege der Rückabwicklung des Kaufvertrages – verhält sich die Erwiderung nicht. Mangels konkreten Vortrags zu etwaigen über die Rückabwicklung des Kaufs hinaus möglichen Schadenspositionen ist der Feststellungsantrag daher als unzulässig anzusehen, wie bereits das Landgericht zutreffend entschieden hat. Ergänzend wird auf II. B. 4 (= S.4) des Hinweisbeschlusses des Senats Bezug genommen.
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F. Die Ausführungen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C-100/21 vom 02.06.2022 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung und deshalb auch nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits entsprechend § 148 Abs. 1 ZPO, weshalb der Antrag der Klagepartei zurückzuweisen war. Eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf beim Bundesgerichtshof anhängige Revisionsverfahren, in dem der BGH über die gleiche Rechtsfrage entscheiden wird, selbst wenn beim entscheidenden Gericht eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle anhängig ist, kommt ohnehin nicht in Betracht (Thomas/Putzo, ZPO, 41. A. § 148 RN 3).
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1. Zunächst ist festzuhalten, dass bereits keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen vorgetragen sind, die einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV oder Verordnungen der EU aufgrund Schutzgesetzverletzung begründen könnten.
a) Thermofenster
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Die Klagepartei hat bereits erstinstanzlich ausgeführt, dass „Hauptansatzpunkt“ der Klage nicht das Thermofenster sei., dieses nehme „viel zu viel Raum“ in Verhandlungen und Urteilen ein, und gehe „damit am eigentlichen Thema“ vorbei (Schrifts. v. 08.12.2021 S. 2 = Bl. 228).
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Dem Vortrag der Beklagten unter Bezugnahme auf die Zeugenaussage des Mitarbeiters der Beklagten K. vor dem Landgericht Landshut zu einem Temperaturbereich von -24 °C bis +70 °C, in dem das Thermofenster aktiv sei, ist die Klagepartei nicht näher entgegengetreten. Auch wenn aufgrund einer gegenteiligen Behauptung der Klagepartei zur Bedatung (17 bis 30 Grad) ihre Behauptung nicht unstreitig ist, fehlen jedoch greifbare Anhaltspunkte dafür, dass eine derart enge Bedatung überhaupt vorliegt. Insoweit fehlt es schon an greifbaren Anhaltspunkten für eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt EuGH Urt. i.d. Rechtssache C-145/20 v. 14.07.2022), da bei der beklagtenseits behaupteten Bedatung die Abgasreinigung den überwiegenden Teil des Jahres uneingeschränkt funktionieren würde. Ob die Klagepartei angesichts ihrer oben zitierten Ausführungen zum „Hauptansatzpunkt“ überhaupt an etwaigen Beweisangeboten bezüglich eines Thermofensters mit der von ihr behaupteten Bedatung festhalten wollte, auch wenn sie in der Berufungsbegründung erneut zum Thermofenster vorgetragen hat, kann dahinstehen.
b) Fahrkurve(nerkennung)
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Auch für das bestrittene Vorhandensein der Fahrkurve(nerkennung) im klägerischen Pkw, sofern diese eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen sollte, bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte. Dass in Parallelverfahren ggf. in Einzelfällen das Vorhandensein einer Fahrkurve(nerkennung) unstreitig war kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall für den klägerischen Pkw hat die Beklagte dies klar und unter (Gegen) Beweisantritt bestritten. Im Übrigen sind die diesbezüglichen Auskünfte des Kraftfahrtbundesamtes eindeutig, wonach auch bei Deaktivierung der Fahrkurve in Fahrzeugen, die tatsächlich mit einer solchen versehen waren, keine Auswirkungen auf das Emissionsverhalten auf dem Prüfstand im NEFZ feststellbar gewesen seien, und zwar auch nicht bei Pkw der Schadstoffklasse Euro6 mit SCR-Katalysator.
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c) Erst recht bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte für sämtliche sonstigen behaupteten Abschalteinrichtungen (vgl. Hinweisbeschluss unter C. 1, 2, 6).
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2. Im Übrigen würde der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufs durch Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Pkw sich nicht auf eine Verletzung etwaiger Schutzgesetze stützen lassen. Dabei kann es dahinstehen, ob die Einschätzung des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof, dass die RL 2007/46 dahin auszulegen sei, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichte, vorzusehen, dass ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist (Schlussanträge vom 2. Juni 2022 – C-100/21 Rn. 65), der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht, dass es sich bei den Normen der EG-FGV nicht um solche Schutznormen handelt, aus deren Verletzung der Kläger einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags herleiten könnte (BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 72 ff.; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 10 ff und zuletzt vom 31. Mai 2022 – VI ZR 804/20, juris Rn. 13 m.w.N.). Selbst wenn man die Ausführungen des Generalanwalts so deuten wollte, dass die europarechtlichen Regelungen es erforderten, die § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht vor (siehe sogleich lit. aa) und bb) bzw. kann der Kläger von der Beklagten nicht die (Rück-)Abwicklung des mit dem Händler geschlossenen Kaufvertrags verlangen (siehe lit. cc). aa) Es fehlt bereits an einem objektiven Verstoß gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.
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(1) § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV schreibt vor, dass Fahrzeuge nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der RL 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.
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Die Übereinstimmungsbescheinigung ist nach der der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge zugrundeliegenden RL 2007/46/EG ein vom Hersteller ausgestelltes Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht (Art. 3 Nr. 36 der RL 2007/46/EG). Gemäß Art. 3 Nr. 3 der RL 2007/46/EG beschreibt die Typgenehmigung das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen entspricht.
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(2) Die Beklagte hat die § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht verletzt, da das Fahrzeug des Klägers mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist.
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Die der Übereinstimmungsbescheinigung zugrundeliegende Typgenehmigung stellt einen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG dar (OLG Brandenburg, Beschluss vom 14. Juni 2021 – 11 U 173/20, juris Rn. 36; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. September 2020 – 16a U 55/19, juris Rn. 54; OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 – 7 U 367/18, juris Rn. 38; Schröder, DVBl 2017, 1193, 1194). Diesem kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sog. Tatbestandswirkung zu, die – solange der Verwaltungsakt nicht durch die zuständige Behörde oder ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist – zur Folge hat, dass die Zulässigkeit des beanstandeten Verhaltens einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen ist (BGH, Urteile vom 14. Juni 2007 – I ZR 125/04, juris Rn. 14, vom 30. April 2015 – I ZR 13/14, juris Rn. 31; vom 16. März 2021 – VI ZR 773/20, juris Rn. 12; vom 4. August 2020 – II ZR 174/19, juris Rn. 35; vom 12. Januar 2007 – V ZR 268/05, juris Rn. 11; vom 4. Februar 2004 -XII ZR 301/01, juris Rn. 13; siehe auch: BeckOK VwVfG/Schemmer, 49. Ed., § 43 VwVfG Rn. 28; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. September 2020 – 16a U 55/19, juris Rn. 54; OLG Brandenburg, Beschluss vom 14. Juni 2021 – 11 U 173/20, juris Rn. 50; OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 – 7 U 367/18, juris Rn. 38; ausdrücklich zum EA 288: OLG Oldenburg, Urteile vom 30. Juli 2021 – 6 U 92/21, juris; vom 17. August 2021 – 6 U 23/21, juris; OLG Celle, Urteil vom 9. Dezember 2020 – 7 U 1738/19, juris).
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Der Senat hat daher den verfügenden Teil des Verwaltungsakts – seinen Ausspruch, dass der Typ des klägerischen Fahrzeugs den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen entspricht – ohne inhaltliche Prüfung der Richtigkeit der darin getroffenen Regelung seiner Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, Urteile vom 4. August 2020 – II ZR 174/19, juris Rn. 36; vom 12. Januar 2007 – V ZR 268/05, juris Rn. 11; vom 16. März 2021 – VI ZR 773/20, juris Rn. 12). Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte bei der Beantragung der Typgenehmigung erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, da die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen wäre, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 26).
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Die Einordnung bestimmter Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung durch den Europäischen Gerichtshof rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn selbst wenn das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sein sollte, wofür es am Vortrag greifbarer Anhaltspunkte fehlt, führte dies nicht (automatisch) zur Unwirksamkeit der Typgenehmigung, sondern allenfalls zu deren Rechtswidrigkeit. Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG ist in der Abschalteinrichtung nicht zu erblicken, da ein Verstoß gegen EU-Recht allein keinen schwerwiegenden Fehler im Sinne dieser Vorschrift darstellt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – I ZR 125/04, juris Rn. 23; Huck/Müller/Müller, VwVfG, 3. Aufl., § 44 Rn. 10). Dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts wird durch § 25 EG-FGV hinreichend Rechnung getragen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – I ZR 125/04, juris Rn. 23).
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Da auch objektive Anhaltspunkte für eine absichtliche Täuschung des KBA fehlen (zur insoweit fehlenden Bindungswirkung der behördlichen Genehmigung vgl.: OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 – 7 U 367/18, juris Rn. 39; OLG Brandenburg, Beschluss vom 14. Juni 2021 – 11 U 173/20, juris Rn. 37; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. September 2020 – 16a U 55/19, juris Rn. 68) – die Beklagte hat gegenüber dem KBA im Rahmen der Gesamttypgenehmigung die Temperaturabhängigkeit der Abgasreinigung ausreichend offengelegt (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 26) –, ist die Typgenehmigung nicht erschlichen worden und daher auch nicht aus diesem Grund unwirksam.
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Bei der Übereinstimmungsbescheinigung selbst handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern eine (Wissens-)Erklärung des Herstellers (Schröder, DVBl 2017, 1193, 1196). Aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 der RL 2007/46/EG ergibt sich, dass sich die Erklärung insbesondere darauf bezieht, dass das konkrete Fahrzeug in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde. Daraus folgt für die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung, dass sie nicht anders beurteilt werden kann als die Wirksamkeit der Typgenehmigung. Die Übereinstimmungsbescheinigung partizipiert also insoweit an der Tatbestandswirkung der Typgenehmigung, als dass sie – soweit die übrigen Voraussetzungen des Art. 18 der RL 2007/46/EG gegeben sind (vgl. insoweit Schröder, DVBl 1193, 1197) – von den Zivilgerichten soweit und solange als gültig zu betrachten ist, soweit und solange die ihr zugrunde liegende Typgenehmigung wirksam ist.
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bb) Es fehlt überdies an dem gemäß § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB (i.V.m. § 37 Abs. 1 EG-FGV) erforderlichen Verschulden der Beklagten.
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(1) Eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB setzt schuldhaftes Handeln voraus, wobei sich das Verschulden nach h. M. nur auf die Verletzung des Schutzgesetzes und nicht auch auf die Verletzung des betroffenen Rechtsguts beziehen muss (Staudinger/Hager, BGB (2021), § 823 G, Rn. 34). Mit Blick auf den für eine Haftung der Beklagten erforderlichen Verschuldensgrad wäre im Fall der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV fahrlässiges Handeln ausreichend (Staudinger/Hager, BGB (2021), § 823 G, Rn. 37). Eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB scheidet allerdings aus, wenn feststeht, dass die für den Vollzug des Schutzgesetzes zuständige Behörde die ex post als irrtümlich erkannte Rechtsauffassung des Schädigers bestätigt hätte, selbst wenn dieser eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt haben sollte (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 823 Rn. 610; Staudinger/Hager, BGB (2021), § 823 G, Rn. 38; BeckOK BGB/Förster, 62. Ed., § 823 Rn. 285; BGH, Urteil vom 27. Juni 2017 – VI ZR 424/16, juris Rn. 15 ff.).
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(2) Dies zugrunde gelegt ist ein Verschulden der Beklagten zu verneinen. Wie sich aus den dem Verfahren C-134/20 des Europäischen Gerichtshofs zugrundeliegenden Feststellungen ergibt, genehmigte das KBA das Software-Update, das auf Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 aufgespielt wurde. Dieses Update enthielt ein Thermofenster, das einen schadstoffarmen Modus nur dann gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1.000 Höhenmetern erfolgt (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-134/20 Rn. 19 u. 24 f.). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass das KBA, das – insoweit entgegen dem EuGH – bis heute von der generellen Zulässigkeit der Thermofenster ausgeht, ein ebenso bedatetes auch beim EA 288 genehmigt hätte.
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Dieser Schluss wird durch die zahlreichen in „Parallelverfahren“ erteilten amtlichen Auskünften des KBA bestätigt. In diesen hat es erklärt, dass es – u. A. im Rahmen der „Untersuchungskommission Volkswagen“, des Software-Updates Nationales Forum Diesel sowie spezifischer Feldüberwachungstätigkeiten – sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit EA 288-Motoren durchgeführt (u. A. Softwareanalysen und Messungen) und dabei auch mit Blick auf das Thermofenster keine Unzulässigkeit festgestellt habe. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Thermofenster mag diese Bewertung des KBA inhaltlich falsch sein. Die Auskünfte belegen jedoch, dass das KBA die temperaturabhängige Steuerung der Abgasreinigung (Thermofenster) – auch in der ursprünglichen Bedatung – im Gesamttypgenehmigungsverfahren nicht beanstandet, sondern die Typgenehmigung erteilt hätte (vgl. auch die den EA 288 betreffenden Feststellungen des Oberlandesgerichts Saarbrücken, Urteil vom 15. Dezember 2021 – 2 U 68/21, juris Rn. 36).
36
In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart hat das KBA für Fahrzeuge des Volkswagenkonzerns mit dem Motor V6-TDI Euro 5 Generation 2 allgemeingültig mitgeteilt, dass die Verwendung von Thermofenstern dem KBA prinzipiell bekannt war. Auf ausdrückliche Frage des dortigen Senats hat es erklärt, dass ihm der exakte Wirkbereich zum Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung zwar nicht bekannt gewesen war, es die Genehmigung jedoch auch bei Angabe der konkreten Parameter erteilt hätte (Auskunft des KBA vom 11. September 2020 im Verfahren 16a U 194/19 des Oberlandesgerichts Stuttgart). Gleichlautende Auskünfte sind dem Senat u. A. auch aus den hiesigen Verfahren 35 U 9412/21 und 35 U 7269/21 bekannt. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass der KbA auch hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugtyps eine Typgenehmigung erteilt hätte, wenn die Beklagte die Bedatung der Motorsteuerung offengelegt hätte.
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cc) Schließlich könnte der Kläger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, § 249 BGB allenfalls einen Anspruch auf Beseitigung des Thermofensters oder Veränderung desselben auf ein zulässiges Maß geltend machen und nicht – wie von ihm beantragt – auf (Rück-)Abwicklung des Kaufvertrags.
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(1) Eine Schadensersatzpflicht nach § 249 BGB besteht nur, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt (Grüneberg, BGB, 81. Aufl., Vorb. v § 249 Rn. 29). Verfahrensrechtlich ist für die Schadensbemessung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17, juris Rn. 25 m.w.N.; Grüneberg, BGB, 81. Aufl., Vorb. v § 249 Rn. 127).
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(2) Daran gemessen kann der Kläger von der Beklagten nicht die (Rück-)Zahlung des an einen Dritten bezahlten Kaufpreises verlangen. Wie oben ausgeführt, sollen die § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV sicherstellen, dass Fahrzeuge nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Selbst wenn man also davon ausgehen sollte, dass das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung dazu führt, dass keine gültige Übereinstimmungsbescheinigung vorliegt und die Beklagte dies verschuldete, kann sich aufgrund des Schutzzwecks der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus § 823 Abs. 2 BGB zwar ein Anspruch gegen den Inhaber der EG-Typgenehmigung auf Beifügung einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung (in Form der Beseitigung der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung), nicht aber auf (Rück-)Abwicklung eines Kaufvertrags mit einem Dritten ergeben.
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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem sich aus § 826 BGB ergebenden Schadensersatzanspruch von Käufern eines Fahrzeugs mit einem Motor EA 189 gegen den Hersteller auf (Rück-)Abwicklung des Kaufvertrags steht hierzu nicht in Widerspruch. Denn soweit der Bundesgerichtshof den Schaden in diesen Fällen in dem Abschluss eines Kaufvertrags über ein bemakeltes Fahrzeug gesehen hat (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 44), hat er dies ausdrücklich auf § 826 BGB beschränkt, indem er ausgeführt hat, dass sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können muss und eine solche daher einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden darstellen kann (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 47). § 826 BGB bewirke insoweit einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen (BGH, aaO).
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Dies ist bei den § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und den ihnen zugrundeliegenden Regelungen der EU-RL 2007/46 indes nicht der Fall (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 72 ff; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 10 ff.). Wie der Bundesgerichtshof unter dem Gesichtspunkt der Schutzgesetzqualität dieser Normen ausgeführt hat, liegt das Interesse des Klägers, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht in deren Aufgabenbereich (BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 76; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 11).
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Aus den Schlussanträgen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof im Verfahren C-100/21 ergibt sich nichts anderes. Zwar ist der Generalanwalt der Auffassung, dass die RL 2007/46/EG dahin auszulegen sei, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichte, vorzusehen, dass ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist; die konkrete Ausgestaltung dieses Ersatzanspruchs sei allerdings Sache der Mitgliedsstaaten (Schlussanträge vom 2. Juni 2022 – C-100/21 Rn. 65). Die Auffassung des Senats, dass sich aus einer – zu Gunsten des Klägers unterstellten – schuldhaften Verletzung der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, wobei – ebenfalls zu Gunsten des Klägers – weiter unterstellt wird, diese Normen seien Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB, allenfalls ein Anspruch auf Beseitigung des Thermofensters oder Veränderung desselben auf ein zulässiges Maß ergibt, steht daher im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und nicht in Widerspruch zur Auffassung des Generalanwalts. Denn auch hierdurch werden die Interessen eines Erwerbers geschützt, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist (vgl. Schlussanträge vom 2. Juni 2022 C-100/21 Rn. 50).
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dd) Das gefundene Ergebnis erfüllt die Voraussetzungen des europarechtlichen Effektivitätsgrundsatzes (siehe dazu Schlussanträge vom 2. Juni 2022 – C-100/21 Rn. 55 u. 65).
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Dass § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB etwaige Ersatzansprüche von einem Verschulden abhängig macht, verstößt nicht gegen europarechtliche Grundgedanken. Denn auch der Generalanwalt geht davon aus, dass die RL 2007/46/EG die Mitgliedstaaten zur Verfügungstellung von Ersatzansprüchen des Erwerbers gegen den Hersteller nur insoweit verpflichtet, als der Hersteller ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug schuldhaft in Verkehr gebracht hat (Schlussanträge vom 2. Juni 2022 – C-100/21 Rn. 54).
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Der vom Senat als möglich erachtete Anspruch auf Beseitigung der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung ist eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion im Sinne des Art. 46 der Richtline 2007/46/EG gegen den Hersteller. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Generalanwalt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 46 der RL 2007/46/EG herleitet, die besagt, dass die Mitgliedstaaten die Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen die in Anhang IV Teil I aufgeführten Rechtsakte anzuwenden sind, und alle für ihre Durchführung erforderlichen Maßnahmen mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen ergreifen. Der Richtliniengeber hat den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der Art der Sanktionen freie Hand gegeben. Daraus folgt, dass wenn ein Mitgliedstaat mehrere Sanktionen ergriffen hat, bei der Beurteilung der Effektivität der Maßnahmen das rechtliche Gesamtgefüge maßgeblich ist und der Blick nicht auf Ansprüche einzelner Käufer gegen den Hersteller verengt werden darf.
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Die in der Bundesrepublik Deutschland zur Erfüllung der Verpflichtung gemäß Art. 46 der RL 2007/46/EG zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten sind ausreichend effektiv. Abgesehen davon, dass § 37 Abs. 1 EG-FGV vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 FG-FGV mit einem Bußgeld belegt, sehen die §§ 29a, 30 OWiG die Möglichkeiten vor, Geldbußen gegen juristische Personen zu verhängen und Taterträge einzuziehen. Die deutschen Gerichte haben im Zusammenhang mit dem sog. „Dieselskandal“ von diesen Vorschriften Gebrauch gemacht und gegen die Beklagte eine Geldbuße und eine Einziehung in Höhe von einer Milliarde Euro und gegen eine Tochterfirma der Beklagten solche in Höhe von 800 Millionen Euro angeordnet. Über diese strafrechtlichen Vorschriften hinaus sieht das deutsche Gewährleistungsrecht bei der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen – sogar z. T. verschuldensunabhängige – kaufvertragliche Ansprüche gegen den Fahrzeugverkäufer vor (vgl. zum Motor EA189: BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20; zum Motor OM651: BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19). Vor dem Hintergrund der in § 445a BGB geregelten Rückgriffmöglichkeit des Verkäufers stellt dies auch mit Blick auf die Fahrzeughersteller, einen – von dem Generalanwalt geforderten, in seiner Stellungnahme jedoch unberücksichtigt gebliebenen Anreiz dar, die Unionsvorschriften penibel einzuhalten, um eine Haftung zu vermeiden (vgl. Schlussanträge vom 2. Juni 2022 – C-100/21 Rn. 58).
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G. Vortrag zu Grund und Höhe der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten fehlt. Eine (nur) vorgerichtliche Beauftragung oder aber ein vorgerichtlicher Auftrag sind nicht dargelegt, ebenso wenig, welcher Gegenstandswert der vorgerichtlichen Tätigkeit zugrunde zu legen sein sollte, nachdem mit der Klageschrift vorgebracht wurde, der Kläger könne sich nicht entscheiden, welchen Schaden er geltend machen möchte, weshalb zunächst lediglich eine Feststellungsklage erhoben werde. Zudem fehlt auch sonst eine Gebührenberechnung für vorgerichtliche Tätigkeit.
V.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.