Inhalt

LG Memmingen, Beschluss v. 18.08.2022 – 12 S 896/22
Titel:

Beiordnung eines Notanwalts, Ablehnungsgesuch, Streitwertfestsetzung, Elektronisches Dokument, Rechtsschutzbedürfnis, Kosten des Berufungsverfahrens, Elektronischer Rechtsverkehr, Berufungsfrist, Schriftsätze, Vorläufige Festsetzung, Wert des Beschwerdegegenstandes, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Berufungsschrift, Postzustellungsurkunde, Europäische Rechtsanwälte, Ausfertigung und Abschriften, Justizangestellte, Unzulässigkeit der Berufung, Qualifizierte elektronische Signatur

Schlagworte:
Ablehnungsgesuch, Berufung, Rechtsanwalt
Vorinstanz:
AG Neu-Ulm, Urteil vom 24.11.2020 – 7 C 29/20
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 04.07.2023 – IX ZB 5/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.08.2023 – IX ZB 5/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50189

Tenor

1. Der Antrag des Klägers vom 17.06.2022 auf Beiordnung eines Notanwalts zur Einlegung der Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers vom 17.06.2022 gegen das Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 24.11.2020, Aktenzeichen 7 C 29/20, wird verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.
5. Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 22.07.2022 gegen Präsidenten des Landgerichts B. wird als unzulässig verworfen.
6. Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 22.07.2022 gegen Justizangestellte K. wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 24.11.2020 Bezug genommen.
1. Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts
2
Der Antrag des Klägers vom 17.06.2022 auf Beiordnung eines Notanwalts war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung bereits aus formalen Gründen (Wert des Beschwerdegegenstandes zu gering, Nichteinhaltung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist, dazu jeweils sogleich) aussichtslos erscheint, da die Erfolglosigkeit offenbar ist und ein günstiges Ergebnis auch bei Beratung durch einen Anwalt nicht erzielt werden kann (vgl. Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 78b Rn. 6).
2. Unzulässigkeit der Berufung
3
Der Schriftsatz des Klägers vom 17.06.2022 ist über den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts hinaus als Berufung auszulegen, da der Kläger hilfsweise die Feststellung beantragt, dass das Amtsgericht Neu-Ulm kein Urteil erlassen habe. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er das Urteil vom 24.11.2020 aus der Welt schaffen möchte. Dieses Vorbringen stellt eine Berufung dar.
4
Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht sechshundert Euro (§ 511 Abs. 2 ZPO). Der Streitwert wurde in dem angegriffenen Urteil (Bl. 123/126 d. A.) auf 500,00 € festgesetzt. Das Gericht des ersten Rechtszuges hat die Berufung im Urteil nicht zugelassen (§ 511 Abs. 2 ZPO). Die Berufungsschrift ist nicht von einem beim hiesigen Gericht postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet (§ 78 ZPO, Teile 1 und 5 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland). Die Berufung wurde zudem nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO eingelegt. Das Urteil wurde dem Kläger ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde (zu Bl. 126 d. A.) am 27.11.2020 zugestellt. Die Frist endete demnach am 28.12.2020. Die Berufungsschrift vom 17.06.2022 (Bl. 287/292 d. A.) ging am 30.06.2022 bei dem Landgericht Memmingen ein. Zudem wäre die Berufung gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO innerhalb von zwei Monaten seit Zustellung des Urteils, mithin bis 27.01.2021, zu begründen gewesen. Auch dies ist nicht erfolgt. Ebenso wenig wurde der oben genannte Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts innerhalb der Berufungsfrist gestellt.
5
Soweit der Berufungsführer in dem Schriftsatz vom 17.06.2022 vorträgt, dass er das Urteil mit Schriftsatz vom 11.12.2020 (Bl. 149/153 d. A.) angegriffen habe, enthält der Schriftsatz vom 11.12.2020 keine Rechtsmitteleinlegung, sondern lediglich formale Rügen gegen die Ordnungsmäßigkeit des Urteils. Hinzu kommt, dass dieser Schriftsatz ebenfalls nicht von einem bei dem hiesigen Gericht postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet wurde.
6
An dieser Auffassung ändert sich durch die Gegenerklärung des Klägers vom 22.07.2022 nichts. Die bei der Akte befindlichen Entscheidungen und Verfügungen tragen sämtlich eigenhändige Originalunterschriften der jeweils erkennenden Richterinnen und Richter. Die an den Kläger hinausgegebenen Ausfertigungen und Abschriften sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Der Kläger wurde mit Verfügung vom 07.07.2022 auf die Rechtsauffassung der Kammer hingewiesen und hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit der Kläger auf die Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts Neu-Ulm aus dem Beschuss vom 21.01.2020 (Bl. 7/9 d. A.) abhebt, handelte es sich ausdrücklich um eine vorläufige Festsetzung. Maßgeblich für die Beschwer ist die endgültige Streitwertfestsetzung aus dem angegriffenen Endurteil. Die Zustellung des angegriffenen Endurteils erfolgte – wie bereits ausgeführt – ordnungsgemäß, sodass die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist wie oben angegeben abgelaufen sind.
3. Ablehnungsgesuch gegen Präsidenten des Landgerichts B.
7
Das Ablehnungsgesuch gegen Präsidenten des Landgerichts B. ist bereits unzulässig, da das vorliegende Verfahren mit diesem Beschluss, der wegen Abwesenheit des Präsidenten durch den geschäftsplanmäßigen Vertreter des abgelehnten Richters erlassen wird, abgeschlossen ist und der abgelehnte Richter keine Entscheidungen in dieser Sache mehr zu treffen hat (vgl. Vossler, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 42. Edition Stand 01.09.2021, § 44 Rn. 9). Daher besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für ein Ablehnungsgesuch.
4. Ablehnungsgesuch gegen Justizangestellte K.
8
Das Ablehnungsgesuch gegen Justizangestellte K. (§ 49 ZPO) ist ebenfalls mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da ein weiteres Tätigwerden nicht zu erwarten ist. Dieser Beschluss wird aufgrund des Urlaubs der Justizangestellten durch die heute zuständige Urkundsbeamtin ausgefertigt und das Berufungsverfahren ist – wie soeben ausgeführt – mit diesem Beschluss beendet, sodass ein weiteres Tätigwerden nicht zu erwarten ist. Darüber hinaus wäre das Gesuch auch unbegründet, da der Sachvortrag keine Tatsachen enthält, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Justizangestellten wecken könnten. Zum einen wurden entgegen der Auffassung des Klägers keine nicht ordnungsgemäßen Dokumente hinausgegeben und zum anderen würden etwaige Fehler ohnehin nicht ohne Weiteres den Rückschluss einer Voreingenommenheit tragen. Schließlich führt der Kläger selbst aus, dass die Urkundsbeamtin auf Weisung des Präsidenten gehandelt habe.
5. Anfragen und Anträge an die Verwaltung
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Soweit der Kläger Ausführungen zu den an die Verwaltung gerichteten Anträgen tätigt, wird der Schriftsatz vom 22.07.2022 der Verwaltung zur Beantwortung in eigener Zuständigkeit zugeleitet.
6. Nebenentscheidungen
10
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.