Titel:
Freiheitsstrafe, Hauptverhandlung, Strafzumessung, Angeklagte, Untersuchungshaft, Italien, Lebensunterhalt, Tateinheit, Strafaussetzung, Fahrzeug, Handeltreiben, Sorgerecht, Einreise, Angeklagten, nicht geringe Menge, nicht geringer Menge, minder schwerer Fall
Schlagworte:
Freiheitsstrafe, Hauptverhandlung, Strafzumessung, Angeklagte, Untersuchungshaft, Italien, Lebensunterhalt, Tateinheit, Strafaussetzung, Fahrzeug, Handeltreiben, Sorgerecht, Einreise, Angeklagten, nicht geringe Menge, nicht geringer Menge, minder schwerer Fall
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 22.03.2023 – 1 StR 335/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50122
Tenor
I. Der Angeklagte H. Mo., geb. am …1966, ist schuldig des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
II. Der Angeklagte wird deswegen zur Freiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten verurteilt.
III. Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
IV. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.
V. Die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 67.500,00 € wird angeordnet.
VI. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen, soweit er verurteilt wurde.
Im Übrigen fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
Angewendete Vorschriften:
§§ 29 a Abs. 1 Nr. 2; 3 Abs. 1 Nr. 1; 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I zum BtMG; §§ 56 Abs. 1, 2 u 3; 73 a; 73 c; 73 d StGB
Entscheidungsgründe
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Mit Anklageschrift vom 21.10.2021, eingegangen beim Landgericht Traunstein am selben Tag, hat die Staatsanwaltschaft Traunstein gegen den Angeklagten M4. H. wegen unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, §§ 26 Abs. 1, 52, 53 StGB
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Anklage zum Landgericht Traunstein erhoben.
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Mit Eröffnungsbeschluss 16.12.2021 hat das Landgericht – 7. Strafkammer – Traunstein die Anklage zunächst nur hinsichtlich der unter Ziffer 1 angeklagten Tat zur Hauptverhandlung zugelassen und Termin zur Hauptverhandlung bestimmt; hinsichtlich der unter Ziffer 2 angeklagten Tat wurde das Verfahren mit selbem Beschluss abgetrennt, da insoweit die Auslieferung von den zuständigen niederländischen Behörden noch nicht bewilligt worden war. Das Verfahren hinsichtlich der abgetrennten Tat Ziffer 2 wurde zwischenzeitlich unter dem Aktenzeichen 7 KLs 120 Js 44147/21 geführt.
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Mit Beschluss vom 14.03.2022 wurde – nachdem die niederländischen Behörden die Ausweitung der Strafverfolgung nunmehr genehmigt hatten und im Einvernehmen mit allen Verfahrensbeteiligten – in der Hauptverhandlung das abgetrennte Verfahren 7 KLs 120 Js 44147/21 wieder zum Ausgangsverfahren verbunden, Eröffnungsbeschluss erlassen und auch in dieser Sache die Hauptverhandlung durchgeführt.
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Durch Urteil vom 30.03.2022 wurde der Angeklagte für schuldig im Sinne der Anklage hinsichtlich eines Falles des unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge befunden und deswegen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten unter Aussetzung zur Bewährung verurteilt (Ziffer 2). Im Übrigen wurde er freigesprochen (Ziffer 1).
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Eine Verständigung hat weder vor noch in der Hauptverhandlung stattgefunden (§§ 202 a, 212, 243 Abs. 4, 257 c 267 Abs. 3, 273 Abs. 1 a StPO).
B. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
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I. Der Angeklagte wurde am …1966 in Gh./Marokko geboren.
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Sein Vater war Landwirt, der Angeklagte half zunächst die elterliche Farm zu bewirtschaften und arbeitete ab ca. von 1985 bis 1993 bei einer us-amerikanischen Firma als Elektriker. 1993 heiratete der Angeklagte in Marokko und wanderte im selben Jahr mit seiner Frau in die Niederlande aus, wo bereits sein Bruder lebte. Seine Frau starb in den 1990er Jahren. Er lebt seit 2002 in einer Partnerschaft, aus der sein 16jähriger Sohn stammt. Die Lebensgefährtin ist ebenfalls Marokkanerin, sie wohnen nicht zusammen und teilen sich das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn. Seit 2002 besitzt er die niederländische Staatsbürgerschaft.
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Der Angeklagte arbeitete seit der Auswanderung in der Gastronomie und in Hotels in den Niederlanden bis er sich zwischen 2013 und 2015 mit einem Saalverleih/Eventagentur selbständig machte. Im Rahmen der selbständigen Tätigkeit vermietet er Räumlichkeiten für Hochzeiten und Veranstaltungen im marokkanischen und arabischen Kulturkreis. Im Jahr 2018 erzielte er einen Bruttogewinn in Höhe von 101.188 EUR, im Jahr 2019 in Höhe von 54.983 EUR. 2020 und 2021 konnte der Betrieb wegen der Corona-Pandemie nahezu keine Umsätze machen, er erhielt für die Monate Januar bis April 2021 jeweils 2000 EUR an staatlicher Unterstützung.
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Er lebt nach eigenen Angaben in bescheidenen Verhältnissen, bezahlt 500 EUR Miete und benötigt für den Lebensunterhalt für sich und seinen Sohn 2.500-3.000 EUR pro Monat (inkl. Miete und Auto). Er hat ca. 10.000-20.000 EUR Schulden in den Niederlanden und weitere 10.000-20.000 EUR Schulden für Verteidigungskosten.
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Der Angeklagte konsumierte nach eigenen Angaben als Jugendlicher Cannabisprodukte. Seit er in den Niederlanden ist, konsumiert er nur gelegentlich mit Freunden einen Joint, wenn er Stress hat. Er raucht Zigaretten, Alkohol trinkt er nicht.
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Der Angeklagte ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Der Auszug aus dem deutschen Bundeszentralregister vom 17.12.2021 sowie die italienische, spanische – jeweils vom 23.11.2021 – und die niederländische Strafliste vom 17.12.2021 enthalten für den Angeklagten keine Eintragung.
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Der Angeklagte wurde in dieser Sache in den Niederlanden aufgrund Europäischen Haftbefehls vom 14.12.2020 am 09.03.2021 festgenommen, nachdem er sich bei den niederländischen Behörden freiwillig gestellt hatte, und befand sich anschließend bis 17.03.2021 in Auslieferungshaft. Am 20.05.2021 wurde er neuerlich in Auslieferungshaft genommen; am 26.05.2021 erfolgte die Auslieferung nach Deutschland. Seit 26.05.2021 befand er sich bis zum Ende der Hauptverhandlung ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.11.2020 (Gz.: II Gs 2053/20) in der Justizvollzugsanstalt Traunstein.
I. Festgestellter Sachverhalt
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Am 08.03.2021 gegen 07.15 Uhr bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in der … in 1087J Amsterdam (NL) insgesamt 283,58 Gramm Haschisch wissentlich und willentlich auf.
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Die Wohnung befindet sich in einem Reihenhaus. Das Wohnzimmer und die Küche sowie ein abgetrennter Abstellraum sind im Erdgeschoss. Mit einer Treppe von der Küche aus gelangt man ins 1. Obergeschoss, in welchem sich zwei Schlafzimmer und ein Badezimmer befinden. Das Betäubungsmittel konnte bei der polizeilichen Durchsuchung am 08.03.2021 aufgefunden und sichergestellt werden; es befand sich teilweise im Wohnzimmer in einem doppelten Boden der Tischplatte eines Holztisches versteckt und teilweise in der Küche. Weiter wurden 28 Mobiltelefone und 117.500 EUR Bargeld aufgefunden und sichergestellt; das Bargeld befand sich ebenfalls im Versteck unter dem Tisch im Wohnzimmer. Im Abstellraum wurde eine Geldzählmaschine gefunden und sichergestellt.
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Der Angeklagte plante, durch einen späteren Verkauf des Betäubungsmittels Gewinn zu erzielen. Nachdem er das Betäubungsmittel in seine Wohnung verbracht hatte, entnahm er davon wenige Male kleine Mengen, um diese selbst zu konsumieren.
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Das Betäubungsmittel hatte hinsichtlich einer Teilmenge von 94,37 Gramm einen Wirkstoffgehalt von mindestens 20,5 Tetrahydrocannabinol (THC), von 14,2% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 96,41 Gramm und von 21,3% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 92,8 Gramm. Insgesamt betrug die Wirkstoffmenge des aufgefundenen Betäubungsmittels somit mindestens 52,6 Gramm Tetrahydrocannabinol (7,01-fache der nicht geringen Menge).
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Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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Bei Begehung der Tat war der Angeklagte weder in seiner Einsichts – noch in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt.
1. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse sowie Vorstrafen
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Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen maßgeblich auf dessen eigenen Angaben in der Hauptverhandlung, denen die Kammer gefolgt ist.
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Die Feststellungen zur Vorstrafenfreiheit ergeben sich aus den verlesenen Straflisten, die Haftdaten wurden aus der Akte festgestellt. Alle Daten wurden vom Angeklagten als richtig bestätigt.
2. Festgestellter Sachverhalt
a. Einlassung des Angeklagten
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Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung den Sachverhalt wie angeklagt eingeräumt. Das Geständnis erachtet die Kammer für glaubhaft. Eine gänzlich falsche oder auch übertriebene Selbstbezichtigung schließt die Kammer aus. Das Geständnis wurde durch die durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt.
b. Urkunden und Augenscheinsobjekte
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Das Geständnis des Angeklagten konnte durch die eingeführten Urkunden und Augenscheinsobjekte bestätigt werden.
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In der Wohnung des Angeklagten konnten ausweislich des verlesenen Sicherstellungsprotokolls vom 22.03.2021 (Bl. 218/258) drei Haschischblöcke sichergestellt werden. Die genauen Arten, Mengen und Wirkstoffgehalte der beschlagnahmten Substanzen hat die Kammer dem Wirkstoffgutachten des Bayerischen Landeskrimininalamts vom 29.09.2021 (Bl. 441/443) entnommen.
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Ausweislich dieses Wirkstoffgutachtens ist zunächst festzustellen, dass nach Trocknung des sichergestellten Betäubungsmittels ein Gesamtgewicht von 283,58 g gewogen wurde. Hinsichtlich des Wirkstoffgehaltes und damit der Qualität des Haschisch ergab sich insgesamt eine Wirkstoffmenge von 52,6 g THC.
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Die Kammer nahm zudem eine Skizze und die Lichtbilder der Wohnung des Angeklagten und des sichergestellten Haschisch in Augenschein und verschaffte sich so einen Eindruck von der Auffindesituation und den sichergestellten Haschisch-Paketen.
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Nähere Feststellungen zum den Umständen des Erwerbs der Betäubungsmittel konnten nicht getroffen werden.
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Für die Kammer ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen eines Eingangsmerkmals i.S.d. § 20 StGB oder gar darüber hinaus auf eine Beeinträchtigung der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit schließen ließen.
III. Rechtliche Würdigung
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Durch den zur Überzeugung der Kammer feststehenden und unter Ziffer C. dargestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht.
1. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts
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Zwar handelt es sich vorliegend um einen Auslandssachverhalt, weil der Angeklagte in den Niederlanden handelte und dort auch der Handel mit dem Haschisch stattfinden sollte. Deutsches Strafrecht ist gleichwohl als Ausfluss des Weltrechtsprinzips gem. § 6 Nr. 5 StGB (unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln) anwendbar. Der Begriff des „Vertriebs“ ist dabei mit dem des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht gleichzusetzen, sondern autonom auszulegen. Im Sinne von § 6 Nr. 5 StGB vertreibt Betäubungsmittel, wer allein oder durch seine Mitwirkung ihren in der Regel entgeltlichen Absatz an andere fördert (BGHSt 34, 1 [2] = NStZ 1986, 320; BGH NJW 2017, 1043). Gefordert ist eine Tätigkeit, die ein Betäubungsmittel entgeltlich in den Besitz eines anderen bringen soll. Von den zahlreichen Teilakten des Handeltreibens werden durch den Begriff des „Vertriebs“ damit nur solche erfasst, die unmittelbar auf Weitergabe gerichtet sind (BGH NStZ 2012, 335). In den beabsichtigten Tathandlungen des Angeklagten sind diese Voraussetzungen erfüllt.
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Das Verhalten des Angeklagten ist zudem unter den Begriff des Handeltreibens i.S.d. §§ 29 ff. BtMG zu subsumieren. Unerlaubtes Handeltreiben umfasst nach ständiger Rechtsprechung jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit, wobei eine nach außen erkennbare, auf die Veräußerung der Ware gerichtete Tätigkeit ebenso wenig erforderlich ist, wie eine tatsächliche Förderung des erstrebten Umsatzes. Ist die Absicht gewinnbringender Veräußerung festgestellt, so kommt es nicht darauf an, ob der Täter sie auch in die Tat umsetzt oder umsetzen kann. Da das Merkmal des Handeltreibens bereits mit den Erwerbsbemühungen erfüllt ist, ist nicht erheblich, ob der Täter die Betäubungsmittel tatsächlich später weiter veräußert, entsprechende Geschäfte anbahnt, oder sonst umsatzfördernde Maßnahmen vornimmt.
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Vorliegend hatte der Angeklagte die Betäubungsmittel in der Absicht erworben, sie anschließend gewinnbringend an Kunden der Saalvermietung zu veräußern. Seine später getroffenen Entscheidungen, von diesem Drogenvorrat jeweils eine kleine Menge mit Freunden selbst zu konsumieren, steht der Bewertung des Handeltreibens nicht entgegen.
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Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Cannabisprodukte beträgt 7,5 g THC (vgl. MüKoStGB/Oglakcioğlu, 4. Aufl. 2022, BtMG vor § 29 Rn. 181).
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Wie sich aus dem verlesenen Wirkstoffgutachten ergibt, hatte das bei dem Angeklagten sichergestellte Betäubungsmittel Mindestwirkstoffgehalte zwischen 14,2% und 21,3%; insgesamt errechnet sich eine Wirkstoffmenge von 52,6 g Tetrahydrocannabinol, mithin das 7,01-fache der „nicht geringen Menge“.
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Von der sichergestellten Menge war dabei kein Eigenkonsum in Abzug zu bringen, da der Angeklagte das Betäubungsmittel zum späteren Weiterverkauf erworben hat und somit hinsichtlich der erworbenen Gesamtmenge den Tatbestand des Handeltreibens erfüllt, auch wenn er später einen Teil zum Eigenverbrauch abzweigt (BGHR vom 19.09.2001, 3 StR 268/01).
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Ausgangspunkt der Strafzumessung ist der Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG.
2. Keine Strafrahmenverschiebung
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a) Die Kammer nahm einen minder schweren Fall im Sinne des § 29 a Abs. 2 BtMG nicht an.
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Bei der Prüfung dieser Frage nahm die Kammer zunächst eine Gesamtbetrachtung vor, bei der alle Umstände herangezogen und zu gewürdigt werden, die für die Bewertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Gesetzlich vertypte Milderungsgründe bleiben in dieser Prüfungsstufe noch außer Betracht.
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Insoweit war im Rahmen der zunächst vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zwar zu sehen, dass der Angeklagte geständig war, er trotz seines nicht mehr jungen Alters bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, das Betäubungsmittel als Folge der Kontrolle und Sicherstellung nicht in den Verkehr gelangt ist und es sich um eine „weiche“ Droge handelt; demgegenüber muss umgekehrt Berücksichtigung finden, dass es sich um das 7-fache der nicht geringen Menge handelt.
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Insgesamt weicht nach Überzeugung der Kammer in der Gesamtschau das Bild der dem Angeklagten zur Last liegenden Tat vom Regelfall nicht so weit nach unten ab, dass sie nicht mehr dem gesetzlichen Regelbild entspräche und daher der Regelstrafrahmen unangemessen erschiene.
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Etwas anderes ergibt sich nach Überzeugung der Kammer auch nicht nach Prüfung, ob gesetzlich vertypte Milderungsgründe vorliegen, und bei der Frage, ob unter Berücksichtigung solcher Gründe der Ausnahmestrafrahmen heranzuziehen wäre: Denn es liegen keine gesetzlich vertypten Milderungsgründe vor, insbesondere hat der Angeklagte die Tat bei vollständig erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit begangen und keinerlei Aufklärungshilfe (§ 31 BtMG) geleistet.
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Deshalb scheidet insgesamt die Annahme des Vorliegens eines es minder schweren Falles im Sinne des § 29 a Abs. 2 BtMG aus.
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b) Anhaltspunkte, die eine Strafrahmenverschiebung über § 49 Abs. 1 StGB rechtfertigen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
3. Strafzumessung im engeren Sinne (§ 46 StGB)
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Bei der Strafzumessung im engeren Sinne fanden zunächst sämtliche Gesichtspunkte Berücksichtigung, die schon in der Gesamtschau zur Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, abgewogen wurden. Ergänzend wurde zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich freiwillig bei den niederländischen Behörden gestellt hat und sich bereits seit zehn Monaten in Untersuchungshaft befindet. Eine Berücksichtigung der Untersuchungshaft konnte deshalb stattfinden, weil von einer erhöhten Haftempfindlichkeit auszugehen ist: Er befindet sich erstmals in Haft, ist von seiner Familie räumlich getrennt, hat zu ihm nahestehenden Personen keinen Kontakt; zudem ist die Haftsituation durch den Umstand erschwert, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig ist, d.h. sich im Gefängnis in einer sprachlichen Isolation befindet. Auch war die Haft durch die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Beschränkungen zusätzlich erschwert. All diese Aspekte rechtfertigen die Annahme, dass ihn die Untersuchungshaft über das gewöhnlich mit ihr einhergehende Maß besonders belastet.
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Weiter wurde die Menge des Betäubungsmittels berücksichtigt.
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Unerheblich ist, dass die Tat in den Niederlanden begangen wurde. Zwar ist in den Niederlanden der Umgang mit Marihuana bei kleinen Mengen, die zum Eigenkonsum bestimmt sind, oder bei Verkäufen kleinerer Mengen in genehmigten „Coffee-Shops“ straflos. Der unerlaubte Umgang mit größeren Mengen von Betäubungsmitteln steht aber auch unter Strafe und wird verfolgt. Auch die bewilligte Auslieferung zeigt, dass die niederländischen Behörden im vorliegenden Fall eine Strafverfolgung befürworten.
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Unter nochmaliger Berücksichtigung des der Tat zugrunde liegenden Strafrahmens sowie der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, aber auch der gesetzlichen Strafzwecke sowie der Vollstreckungsfolgen ist nach Überzeugung der Kammer eine
Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten
tat- und schuldangemessen sowie erforderlich, aber auch ausreichend, also verhältnismäßig.
4. Aussetzung zur Bewährung
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Die Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Angeklagten war eine hinreichend günstige Sozialprognose zu stellen, § 56 Abs. 1 StGB; darüber hinaus liegen besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Angeklagten i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB vor.
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Es sind hinreichende Anhaltspunkte vorhanden, die es erlauben, davon auszugehen, dass sich der Angeklagte bereits die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne deren Vollstreckung zur Warnung dienen lassen wird, um künftig nicht mehr straffällig zu werden, § 56 Abs. 1 StGB. Diese Anhaltspunkte müssen so beschaffen sein, dass nicht nur eine allgemeine Hoffnung besteht, der Angeklagte werde sich künftig straffrei verhalten, sondern es muss hierfür eine begründete Erwartung festzustellen sein. Eine solche Erwartung bedeutet zwar nicht, dass eine sichere Gewähr für künftiges straffreies Leben bestehen muss. Es reicht danach aus, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht wahrscheinlich ist, weil die Resozialisierung des Täters auch ohne Vollstreckung der Freiheitsstrafe aussichtsreich ist. Der Angeklagte hat die Tat eingeräumt und ist mit der hier abzuurteilenden Tat erstmals straffällig geworden. Der Angeklagte ist in den Niederlanden sozial gut eingebunden. Schließlich hat der Angeklagte bereits zehn Monate in Untersuchungshaft verbracht und damit einen nachhaltigen Hafteindruck erhalten. Damit lässt sich eine begründete Erwartung künftigen straffreien Lebens für den Angeklagten zureichend belegen.
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Bei einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten sind auch besondere Umstände zu erkennen, die trotz der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen, § 56 Abs. 2 StGB. Diese liegen in seinem abgegebenen Geständnis, dem straffreien Vorleben, dem angesichts des Alters des Angeklagten große Bedeutung zukommt, und der erfahrenen Untersuchungshaft.
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Auch nach § 56 Abs. 3 StGB ist die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht zwingend geboten. Zwar lässt der Umgang mit Betäubungsmitteln in so erheblicher Menge, insbesondere auch in Form des Handeltreibens, die Verhängung unbedingter Freiheitsstrafe naheliegend erscheinen. Jedoch ist auch der Allgemeinheit im Fall eines umfassenden Geständnisses bei beanstandungsfreiem Vorleben eines 56-jährigen Täters und guter sozialer Einbindung die Strafaussetzung zur Bewährung verständlich. Das Gebot der Verteidigung der Rechtsordnung steht der Strafaussetzung nicht entgegen.
5. Keine Anordnung von Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB
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Da bei dem Angeklagten, wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, mangels entsprechender Anhaltspunkte keine psychiatrische Diagnose im engeren Sinne zu stellen war, er die Tat vielmehr bei vollständig erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit begangen hat, liegen die forensisch-psychiatrischen Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nicht vor.
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Gleichfalls liegen die medizinischen Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB offensichtlich nicht vor, da beim Angeklagten keine süchtige Fehlhaltung zu objektivieren war, mithin kein „Hang im Übermaß“ mit bereits erheblicher Beeinträchtigung von Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit gegeben ist.
I. Zur Last gelegter Sachverhalt
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Des Weiteren lag dem Angeklagten folgender Sachverhalt zur Last:
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Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 26.06.2020 vereinbarte der Angeklagte in Gewinnerzielungsabsicht mit dem gesondert Verfolgten Abnehmer H. M. die Lieferung einer nicht geringen Menge Haschisch aus den Niederlanden nach Italien. Zu diesem Zweck fuhr der gesondert Verurteilte El A. mit einem von dem Angeklagten in den Niederlanden überlassenen Kurierfahrzeug Honda Civic am 26.06.2020 von den Niederlanden zu dem gesondert Verfolgten H. nach Foggia in Italien. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt am 27.06.2020 verbaute der gesondert Verfolgte H. sodann mit einer weiteren bislang nicht näher bestimmbaren Person namens A. an einem Bauernhof bei Foggia in Italien mithilfe eines Gabelstaplers insgesamt 70.000 Euro Bargeld hinter den Fahrzeugtank des Kurierfahrzeuges.
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Auftragsgemäß verbrachte der gesondert Verurteilte El A. das Fahrzeug in die Niederlande und überbrachte dort das Bargeld dem Angeklagten als Zahlung für die kommende Betäubungsmittellieferung. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 08.07.2020 beauftragte der Angeklagte sodann in Absprache mit dem gesondert Verfolgten H. den gesondert Verurteilten El A. in Amsterdam in den Niederlanden mit dem Transport einer nicht geringen Menge Haschisch zu dem gesondert Verfolgten H. nach Foggia in Italien. Nachdem dasselbe Kurierfahrzeug mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen TB-VJ-17 hierzu am 08.07.2020 in einer Lagerhalle in Aalsmeer in den Niederlanden durch den Angeklagten und mindestens einer weiteren bislang nicht näher bestimmbaren Person namens A. mit insgesamt 50 Haschischpackungen im Schmuggelversteck hinter dem Fahrzeugtank bestückt worden war, reiste der gesondert Verurteilte El A. auftragsgemäß zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt am 09.07.2020 vor 13:30 Uhr aus A. in den Niederlanden kommend über einen nicht näher bestimmbaren Grenzübergang in das Bundesgebiet ein und wurde am 09.07.2020 gegen 13:30 Uhr auf der BAB A8 Ost in Fahrtrichtung Salzburg, Parkplatz Eu. Filz, Gemeindegebiet Bad F. einer polizeilichen Kontrolle unterzogen.
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Dabei konnten insgesamt 189 Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von 18,28 Kilogramm aufgefunden und sichergestellt werden. Das Betäubungsmittel hatte einen Mindestwirkstoffgehalt von 17,3% Tetrahydrocannabinol (THC) hinsichtlich einer Teilmenge von 966 Gramm, von 31% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 2.236 Gramm, von 29,6% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 1.651 Gramm, von 32,4% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 194 Gramm, von 17,3% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 2.874 Gramm, von 28,7% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 2.721 Gramm, von 0,35% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 98,89 Gramm, von 29,9% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 1.943 Gramm, von 17,8% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 2.868 Gramm und von 27,4% THC hinsichtlich einer Teilmenge von 2.724 Gramm.
II. Festgestellter Sachverhalt
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Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im Mai oder Juni 2020, jedenfalls aber vor dem 26.06.2020, vereinbarte der in Foggia/Italien wohnhafte anderweitig Verfolgte Hamadani mit einem Verkäufer die Lieferung einer nicht geringen Menge Haschisch aus den Niederlanden nach Italien gegen Zahlung von 70.000 € auf dem Straßenweg durch Einsatz eines Kurierfahrers.
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Zu diesem Zweck kontaktierte der Verkäufer ca. zwei Wochen vor dem 26.06.2020 den gesondert Verurteilten El A. und traf sich einige Tage später mit ihm. Dabei fragte er den gesondert Verurteilten El A., ob dieser Geld abholen und ca. 20 kg Haschisch für ihn transportieren könne. Der gesondert Verurteilte El A. erklärte sich daraufhin bereit, Geld und Drogen zu transportieren.
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Deswegen fuhr der gesondert Verurteilte El A. mit einem von dem Verkäufer in den Niederlanden überlassenen Kurierfahrzeug Honda Civic, niederländisches Kennzeichen TB-VJ-17, am 26.06.2020 von A. nach Fo./Italien zu dem anderweitig Verfolgten Hamadani, um den Kaufpreis für das Betäubungsmittel abzuholen. Bei dieser Fahrt wurde er am 26.06.2020 um 15:55 Uhr an der Mautstelle Sterzing durch die italienische Finanzpolizei ohne weitere Beanstandung kontrolliert.
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Nachdem der gesondert Verurteilte El A. nach einer Übernachtung unterwegs am 27.06.2020 in Foggia angekommen war, fuhren der anderweitig Verfolgte H. und eine weitere, bisher nicht näher identifizierte Person mit dem gesondert Verurteilten El A. zu einem in der Nähe befindlichen Bauernhof. Dort verbauten der anderweitig Verfolgten H. und sein Begleiter 70.000 € Bargeld in einem Versteck hinter dem Treibstofftank des von dem gesondert Verurteilten El A. genutzten Fahrzeuges, wozu sie das Fahrzeug mit einer landwirtschaftlichen Maschine anhoben.
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Der gesondert Verurteilte El A. fuhr daraufhin mit dem Pkw samt dem versteckten Bargeld zurück in die Niederlande, wo er das Fahrzeug in einer Parkgarage im D2.weg in Amsterdam abstellte. Zusammen mit dem Verkäufer baute er dort das Bargeld mithilfe zweier Wagenheber aus dem Fahrzeug aus. Das Geld verblieb vollumfänglich bei dem Verkäufer.
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Für die Fahrt erhielt der gesondert Verurteilte El A. 500 EUR Kurierlohn und 1.000 EUR Spesen.
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Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 08.07.2020 veranlasste der Verkäufer aufgrund der von dem anderweitig Verfolgten H. getätigten Bestellung den gesondert Verurteilten El A. mit dem genannten Pkw Honda Civic erneut von den Niederlanden nach Italien zu fahren, um nunmehr das von dem anderweitig Verfolgten H. bestellte Haschisch zu liefern.
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Um das Haschisch unbemerkt nach Italien verbringen zu können, verbaute der Verkäufer zusammen mit einer Person namens O. L. am 08.07.2020 gegen Mittag in einer Lagerhalle in Aa./Niederlande insgesamt 50 Haschischpackungen mit einem Nettogesamtgewicht von 18,28 kg in demselben Schmuggelversteck hinter dem Fahrzeugtank des Honda Civic, in dem auch schon das Geld in die Niederlande transportiert worden war. Für den Betäubungsmitteltransport versprach der Verkäufer dem gesondert Verurteilten El A. ca. 2.000 EUR Kurierlohn, den er nach der Rückkehr in die Niederlande erhalten sollte. Außerdem übergab der Verkäufer sogleich erneut ca. 1.000 EUR für Unkosten/Spesen an den El A.
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In der Folge reiste der gesondert Verurteilte El A. mit dem PKW Honda Civic, niederländisches Kennzeichen TB-VJ-17, nebst dem verbauten Haschisch zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am 09.07.2000 vor 12:40 Uhr aus Amsterdam/Niederlande kommend, wo er gegen ca. 04:00 Uhr losgefahren war, über einen nicht näher bekannten Grenzübergang in das Bundesgebiet ein, wo er am 09.07.2020 gegen 13:30 Uhr auf der Bundesautobahn A8 in Fahrtrichtung Salzburg auf dem Parkplatz Eu. Filz im Gemeindegebiet von Bad F. einer polizeilichen Kontrolle unterzogen wurde. Dabei konnten insgesamt 189 Haschischplatten in 50 Paketen mit einem Gesamtgewicht von 18,28 kg aufgefunden und sichergestellt werden.
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Das von dem Verurteilten El A. transportierte Betäubungsmittel hatte einen Mindestwirkstoffgehalt von 17,3% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 966 g, von 31% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 2.236 g, von 29,6% hinsichtlich einer Teilmenge von 1.651 g, von 32,4% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 194 g, von 17,3% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 2.874 g, von 28,7% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 2.721 g, von 0,35% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 98,89 g, von 29,9% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 1.943 g, von 17,8% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 2.868 g und von 27,4% Tetrahydrocannabinol hinsichtlich einer Teilmenge von 2.724 g. Das entspricht einer Gesamtwirkstoffmenge von 4.527 g Tetrahydrocannabinol, entsprechend dem 603,6-fachen Wert der „nicht geringen Menge“.
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Nähere Feststellungen zur Person des Verkäufers konnten nicht getroffen werden.
Der Angeklagte war von diesem Vorwurf aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, ein Tatnachweis war unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nicht zu führen.
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Die Kammer konnte sich – nach eingehender Prüfung und Würdigung der Ergebnisse der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der den Angeklagten jeweils belastenden und entlastenden Indizien, sowie der jeweiligen Gesamtumstände – nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit von einer Tatbegehung durch den Angeklagten überzeugen.
70
Zwar ist die Kammer überzeugt, dass sich die Tat wie festgestellt tatsächlich zugetragen hat, und es liegt nach der durchgeführten Beweisaufnahme nahe, dass es sich bei dem Täter um den Angeklagten handelte. Die folgenden Erwägungen erweckten indes letztlich nicht überwindbare Zweifel an einer Täterschaft des Angeklagten.
71
Im Ergebnis handelte es sich vorliegend um eine „Aussage gegen Aussage“-Konstellation, sodass die Kammer – nachdem keine weiteren objektiven Beweismittel für die Täterschaft des Angeklagten vorliegen – eine sorgfältige Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben vorzunehmen hatte. Daran gemessen erwies sich die Aussage des Zeugen El A. als nicht hinreichend belastbar.
1. Einlassungsverhalten des Angeklagten
72
In der Hauptverhandlung äußerte sich der Angeklagte zu diesem Tatvorwurf nicht.
2. Zeuge El A. (Kurierfahrer)
73
Der Zeuge El A. schilderte in seiner Aussage das Tatgeschehen für die Kammer durchaus schlüssig und nachvollziehbar und auch bei vielfachen Nachfragen und dabei häufigen Themenwechseln konstant. Allerdings gab es in seiner Aussage zu an Tatbeteiligten Widersprüche und Unklarheiten, insbesondere zu den Beteiligten am Einbau des Betäubungsmittels in den Pkw und zum Verkäufer des gegenständlichen Pkw. Bei der Konfrontation mit diesen Widersprüchen in der Hauptverhandlung legte der Zeuge diese nicht offen oder bemühte sich um Aufklärung, sondern berief sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO.
74
Der Zeuge, der nach eigenen Angaben für den Transport des gegenständlichen Haschisch rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten durch das Landgericht Traunstein verurteilt worden ist und zwei Vorstrafen in Spanien wegen Drogenschmuggels aufweist, berichtete zunächst, dass er die Ware in den Niederlanden erhalten habe und dann nach Italien gefahren sei. Der Angeklagte habe ihn gefragt, ob er nach Italien fahren könne. Der Angeklagte habe in den Niederlanden einen Laden, mit dem er für Hochzeiten engagiert werde, er kenne ihn über andere Freunde aus einem Café seit einer Weile, etwas mehr als ein Jahr. Den Nachnamen kenne er nicht, aber er sei marokkanischer und niederländischer Staatsangehöriger und wohne in Amsterdam. Im Handy habe er den Kontakt unter „Mu. H. gespeichert, weil der Angeklagte aus dem marokkanischen Ort Gharbia stamme. Der Angeklagte habe gewusst, dass er, der Zeuge, Schulden hatte (ca. 24.000 EUR), weil er es ihm zuvor erzählt habe. Außerdem habe der Angeklagte gewusst, dass der Zeuge wegen Drogenschmuggels vorbestraft sei. Es habe zunächst ein erstes Gespräch per Telefon stattgefunden; dies sei ca. 2 Wochen vor Fahrtbeginn gewesen. Dann habe man sich auf der Straße in der Nähe der Wohnung des Zeugen zu einem Gespräch getroffen. Aufgrund der Gespräche sei dem Zeugen bewusst gewesen, dass er ca. 20 kg Haschisch transportieren sollte. Auch sei darüber gesprochen worden, dass man ein Auto mit einem Versteck für den Transport brauche.
75
Der Angeklagte habe dann ein entsprechendes Fahrzeug besorgen wollen und habe ihn angewiesen, es abzuholen. Der Angeklagte habe ihn angerufen, ihm gesagt, dass er zum Einkaufszentrum in Almere fahren und dort ein Auto abholen und anschließend auf sich zulassen solle. Der Angeklagte habe, obwohl es sich um ein sehr großes Einkaufszentrum handelt, keinen genauen Treffpunkt genannt, auch die Person des Fahrzeugverkäufers habe er nicht gekannt. Vielleicht habe er die Adresse auch vom unbekannten Verkäufer selbst geschickt bekommen und die Nachricht dann wieder gelöscht.
76
Er habe dann den Pkw in Almere ca. 30 bis 35 km von Amsterdam entfernt in der Nähe eines Einkaufszentrums abgeholt. Dabei habe er auch die Papiere für das Fahrzeug erhalten und der Verkäufer habe ihm das Versteck im Auto gezeigt. Der Verkäufer sei Marokkaner gewesen. Der Angeklagte habe ihm auch 1.500 EUR gegeben, welche er an den Verkäufer gezahlt hatte. Das Fahrzeug habe er auf sich ummelden sollen, weil das normal sei, wenn man damit ins Ausland fahre, und damit es keine Probleme im Falle einer Kontrolle gebe. Den Halternamen kenne er nicht, weil er sich die Fahrzeugpapiere nicht näher angeschaut hatte.
77
Der Einbau des Rauschgiftes habe so stattgefunden, dass der Zeuge von dem Angeklagten angerufen worden sei, man sich getroffen habe und der Zeuge dann dem Angeklagten hinterher gefahren sei. Er habe ihn zu einem Ort in Aalsmeer gelotst, bei dem es sich um eine große Halle/Garage gehandelt habe, in der viele kleine Boxen/Garagen gewesen seien. Er habe das Kurierauto, mit dem er auch zu dem Treffpunkt gefahren sei, in die große Garage gefahren, wo es anschließend mit den Drogen beladen worden sei.
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Die Betäubungsmittel seien vom Angeklagten, der in Begleitung eines weiteren ihm nicht bekannten Mannes namens A. war, mitgebracht worden. Die beiden Männer hätten ihr Auto vor der Halle stehen gelassen und die Betäubungsmittel in zwei Plastiktüten (Einkaufstüten) in die Halle gebracht. Nachdem das Versteck im Pkw relativ klein gewesen sei, seien die großen Pakete dann in der Box geteilt und anschließend in dem Pkw verbaut worden. Hierzu sei der Pkw mit einem Wagenheber angehoben worden. Es sei jedoch nicht die gesamte Betäubungsmittelmenge verbaut worden, weil nicht genug Platz in dem Versteck gewesen sei. Viel sei aber nicht übrig geblieben.
79
Nach dem Einbau der Drogen seien der Angeklagte und der andere Mann weggefahren und er sei zunächst nach Hause gefahren. Während er zunächst angab, dass das Fahrzeug mit den Drogen für ca. zwei bis drei Tage vor seiner Wohnung an der Straße gestanden sei, bevor er losgefahren sei, erklärte er später auf Vorhalt, dass es auch sein könne, dass er bereits am nächsten Tag losgefahren sei. Die Route Richtung Italien habe er ausdrücklich mit dem Angeklagten besprochen. Er habe über Österreich und nicht über die Schweiz fahren sollen wegen der Grenzkontrollen. Deshalb habe er die Navigationsfunktion seines Handys verwendet und dort Innsbruck eingegeben. Absprachegemäß hätte er nach der Ankunft in Foggia den Angeklagten anrufen sollen.
80
Für die Fahrt mit den Drogen nach Italien sollte der Zeuge 2.000 € nach der Rückkehr bekommen, außerdem sollten ihm die Reisekosten ersetzt werden, wofür er im Vorfeld Geld erhalten habe.
81
Auf Frage berichtete der Zeuge weiter, dass er vor der Festnahme schon einmal in Foggia gewesen sei. Er habe dort vom anderweitig Verfolgten H. Geld abgeholt, mit dem die Betäubungsmittel bezahlt werden sollten. Auch hierzu sei er von dem Angeklagten im Gespräch ganz zu Beginn beauftragt worden. Es sei von Anfang an um zwei Fahrten gegangen. Diese Fahrt habe er bei seiner ersten Beschuldigtenvernehmung zunächst nicht angegeben, weil er sich nicht habe zusätzlich belasten wollen. Für das Holen des Geldes sei dasselbe Fahrzeug verwendet worden. Bei der ersten Fahrt sei das Fahrzeug aber noch nicht auf ihn zugelassen gewesen. Gab er zunächst noch an, dass diese Fahrt ca. ein bis zwei Monate vor der Festnahme stattgefunden habe, erklärte er auf Vorhalt, dass die Fahrt am 26./27.06.2020 gewesen sei; bei der Hinfahrt sei er bei der Einreise nach Italien polizeilich kontrolliert worden.
82
Als er bei dieser ersten Fahrt in Foggia angekommen sei, habe er am Ortseingang den Angeklagten angerufen. Danach habe ihn die Person angerufen, die ihm das Geld übergeben sollte. Es seien zwei Personen mit einem weißen Fahrzeug – die Marke könne er nicht mehr sagen – gekommen und er sei diesen einige Kilometer hinterher gefahren zu einem landwirtschaftlichen Ort, wo die Geldübergabe stattgefunden habe. Dort sei ein Bauernhaus gewesen und drumherum Felder und flaches Land. Die Geldübergabe habe auf dem Platz vor dem Haus stattgefunden. Ein Mann sei mit dem Geld in einer Plastiktüte gekommen, dann sei das Auto mit einer landwirtschaftlichen Maschine hochgehoben und das Geld eingebaut worden. Erst danach habe er den Geldbetrag erfahren, erinnerlich seien es 70.000 € oder 80.000 € gewesen. Mit den beiden Männern habe er arabisch-marokkanisch gesprochen. Es habe sich um zwei Marokkaner gehandelt. Einer der Männer habe M. geheißen und sei Friseur gewesen. Mit diesem Namen habe er sich bei der Begrüßung vorgestellt.
83
Nach dem Einbau des Geldes sei er ohne Pause zurück in die Niederlande gefahren. In Amsterdam habe er dann den Angeklagten angerufen und ihm Bescheid gegeben, dass er zurück sei. Man habe sich dann getroffen und der Angeklagte habe ihn in eine Garage von einem Hochhaus gelotst, wo er und der Angeklagte zusammen das Geld aus dem Auto herausgeholt hätten. Dazu sei das Auto per Wagenheber angehoben worden. Der Angeklagte habe dann das Geld, das sich weiterhin in einer Plastiktüte befunden habe, mitgenommen. Er, der Zeuge, sei dann mit dem Kurierauto nach Hause gefahren. Auch für den Geldtransport habe er Kurierlohn und Spesen bekommen. Gab er zunächst an, dass es insgesamt ca. 2.000 bis 2.400 € gewesen sein könnten, erklärte er auf Nachfrage, dass es auch 1.700 € gesamt gewesen sein könnten.
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Auf Frage gab der Zeuge an, die Familie L. zu kennen, auch die Brüder M. und O. L.
3. Weitere Beweiserhebungen
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Der polizeiliche Sachbearbeiter KOK M. berichtete von den beiden zuvor erfolgten polizeilichen Vernehmungen des Zeugen El A. als Beschuldigter der Kurierfahrt am 28.07.2020 und am 24.09.2020. Danach waren die Angaben des Zeugen El A. hinsichtlich des Tatgeschehens konstant und entsprachen den Angaben, die er vor der Kammer machte bis auf die Angaben zu der weiteren am Einbau der Betäubungsmittel beteiligten Person. Hierzu äußerte er in seiner ersten polizeilichen Vernehmung, es handele sich um einen Freund des Angeklagten, den er namentlich nicht kenne. In seiner zweiten polizeilichen Vernehmung änderte er seine Angaben und gab an, der andere Mann heiße Ahmed, genau wie er selbst.
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Der Zeuge PHM W., Kontroll- und Aufgriffsbeamter, schilderte glaubhaft den Ablauf der verdachtsunabhängigen Kontrolle des Zeugen El A. und des von ihm geführten Pkw am 09.07.2020 auf der BAB A8, Gemeindebereich Bad Feilnbach, im Bereich des Parkplatzes Eulenauer Filz. Er und ein Kollege hätten das Fahrzeug, ein Honda Civic, durchsucht und im Innenraum nichts Auffälliges gefunden. PHM W. habe sich dann unter das Auto gelegt, wo ihm aufgefallen sei, dass die Tankbefestigungsschellen sehr sauber gewesen seien, was ihm bei einem Pkw wie dem gegenständlichen und dessen Alter untypisch vorgekommen sei. Während die Halteschellen für den gesamten Tank sehr sauber gewesen seien, seien die Schrauben der Halteschellen verrostet gewesen. Dies sei der Grund gewesen, dass das Fahrzeug auf die Dienststelle verbracht und dort mittels Hebebühne angehoben worden sei, um den Tank genauer zu sichten. Nach Demontage des kompletten Tanks sei ein nachträglich aufgeschnittenes Blech im Unterboden festgestellt worden; diese Manipulation im Unterboden sei nur durch Entnahme des kompletten Tanks ersichtlich gewesen. Beim Versteck handele es sich nicht um ein nachträglich eingebrachtes Versteck, sondern um einen bauartbedingten Hohlraum. In dem Versteck seien dann mehrere, in silbernem Paketklebeband eingewickelte Pakete festgestellt worden.
87
Die Kammer hat mit den Verfahrensbeteiligten und dem Zeugen PHM W. Lichtbilder des Schmugglerverstecks und der sichergestellten Haschischpakete in Augenschein genommen und sich so einen Eindruck von der Auffinde- und Kontrollsituation verschafft.
88
Weiter wurde der WhatsApp-Chat- und Anrufverlauf auf dem Mobiltelefon des Zeugen El A. auszugsweise verlesen. Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass lediglich ein einziger Kontakt mit dem Angeklagten am 08.07.2020, 14.13 Uhr, feststellbar ist, nämlich ein Telefonat, dessen Inhalt nicht festgestellt werden konnte. Soweit auf den Mobiltelefonen des Angeklagten kein Kontakt mit dem Zeugen feststellbar war, geht die Kammer davon aus, dass das aktuelle Mobiltelefon des Angeklagten, der bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 08.03.2021 nicht anwesend war und sich im Nachgang ohne Mobiltelefon selbst bei der Polizei stellte, nicht sichergestellt wurde.
89
Demgegenüber finden sich jedoch in der Handyauswertung des Mobiltelefons des Zeugen El A. Hinweise auf die Familie des Zeugen als auch auf eine Familie L. Von einem Absender „Broer Hucein“, welcher nach Ansicht der Kammer wohl Hoseyin El A., der Bruder des Zeugen, ist, gibt es eine Nachricht: „Ich habe ein Auto für dich“. Den Widerspruch zwischen dieser Nachricht und seiner Aussage betreffend die Beschaffung des Fahrzeugs klärte der Zeuge nicht mehr auf.
90
Weiter berichtete der polizeiliche Sachbearbeiter KOK Maier glaubhaft von den durchgeführten Ermittlungen zum Fahrzeug. Festgestellte Halterin war Z. K., die in den Niederlanden wohnt und mit Moh. L. verheiratet ist. Ausweislich der verlesenen Übersetzung ihrer von der Polizei in den Niederlanden durchgeführten Zeugenvernehmung gab sie zum Pkw an, er sei als Familienfahrzeug genutzt worden. Ihr Mann habe sich um das Fahrzeug und dessen etwaigen Verkauf gekümmert, sie wisse dazu nichts.
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Widersprüche in der Aussage des Zeugen El A. gibt es auch im Zusammenhang mit einer Nachricht von Omar L…, an den Zeugen am 08.07.2020, 23.48 Uhr, folgenden Inhalts: „Hallo Ahmed. Wie geht’s dir Bruder? Alles okay bei dir? Ahmed kannst du deinem Kumpel fragen bezüglich dem was wir heute gemacht haben, das er mir davon ein Bild bringt sowie dessen Preise. Es gibt Jungs in demselben Ort die wollen das. Verstehst du? Ob du zwischen uns noch einmal vermitteln könntest Bruder Hm. (Verniedlichung des Namens Ah., Anm. der Dolmetscherin). Schau für uns wie ihr Preis ist. Wenn ihr Preis gut ist soll er uns eine bringen die ich den Jungs zeigen kann und die ich auch sehen möchte. Schau nach Bruder Ahmed und sag mir Bescheid.“ Die Kammer schließt hieraus, dass O. L. am Einbau des Betäubungsmittels dabei war und der Zeuge diesen schützen wollte, da er ihn nicht benannte. Ebenso wird daraus deutlich, dass O. L. nicht der Auftraggeber der Fahrt war.
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Soweit hier nicht gesondert aufgeführte Beweise erhoben wurden, waren sie für die Entscheidung ohne jegliche Bedeutung.
4. Zusammenfassende Beweiswürdigung
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Da es keine weiteren – den Angeklagten für diese Tat belastenden – Beweismittel gab, konnte sich die Kammer im Ergebnis nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen.
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a) Hinsichtlich des Tathergangs selbst folgt die Kammer der Aussage des Zeugen El A., dessen Angaben insoweit konstant und widerspruchsfrei waren.
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Am Ende der sich über zwei Verhandlungstage erstreckenden andauernden intensiven Befragung des Zeugen durch Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zeigte sich für die Kammer, dass der Zeuge im Kerngeschehen stringent dieselben Angaben machte wie bei seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen 2020. Der Zeuge konnte die Ereignisse konstant wiedergeben, gleich zu welchem Thema er gefragt wurde; vielfaches „Springen“ zwischen Tatteilen bei der Befragung irritierte den Zeugen dabei nicht.
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Daran ändert auch zunächst der Befund, dass sich in Randbereichen seiner Angaben kleinere Widersprüche und Unschärfen ergeben haben, nichts. Die Vernehmung des Zeugen gestaltete sich langwierig, weil Fragen zu konkreten Punkten oftmals wiederholt werden mussten. Der Zeuge gab zunächst – auch weil er die Notwendigkeit seiner erneuten Vernehmung vor Gericht nicht verstand – nur eine recht kurze und ungenaue Zusammenfassung des Geschehens ab und es musste dann durch langwieriges Fragen der Sachverhalt genauer strukturiert und aufgeklärt werden. Auch hatte der Zeuge sichtlich Probleme, konkrete Daten (seien es Zeiträume oder Geldbeträge) genau zu erinnern oder richtig einzuordnen, sodass es z.B. bei der zeitlichen Abfolge von Geschehnissen oder Zeiträumen zwischen diesen Geschehnissen zunächst zu Unstimmigkeiten oder Widersprüchen kam, die aber letztlich durch konkrete Vorhalte aus den Akten geklärt werden konnten. Auch musste in Rechnung gestellt werden, dass die Geschehnisse schon rund 1,5 Jahre zurücklagen.
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Dass der Zeuge El A. seine erste Fahrt zur Geldabholung bei seiner ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung nicht erwähnte, macht ihn nicht unglaubwürdig, da er ein nachvollziehbares Motiv hatte, sich nicht selbst über die durch die Kontrolle entdeckte Schmuggelfahrt hinaus zu belasten (so begründete er es denn auch gegenüber der Kammer in seiner Zeugenbefragung). Aus Laiensicht ist die Erwartung, dass zwei Fahrten schlimmer wiegen als eine Fahrt, durchaus verständlich. Eine Beratung durch den Verteidiger und die Zusage einer Einstellung nach § 154 StPO für den Fall, dass es sich um eine weitere Drogenfahrt gehandelt haben sollte, erfolgten erst nach der ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Im Übrigen ist die Aussage des Zeugen insoweit wieder konstant, als er auch vor der Kammer die erste Fahrt nach Foggia zunächst gar nicht erwähnte, sondern erst auf ausdrückliche Frage davon berichtete, dann aber dazu im Wesentlichen die gleichen Angaben machte wie bei der zweiten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung.
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b) Hinsichtlich der Person des Auftraggebers des Zeugen El A. gewann die Kammer jedoch die Überzeugung, dass der Zeuge hier – ebenso wie hinsichtlich der Person des Fahrzeugverkäufers oder Fahrzeugüberlassers – Tatbeteiligte schützen möchte, und konnte sich deswegen nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugen, dass der Angeklagte tatsächlich der Auftraggeber war.
99
Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen hat die Kammer in Erwägung gezogen, dass der Zeuge El A. von der Milderungsmöglichkeit des § 31 BtMG profitiert hat, indem er Aussagen gegen den anderweitig Verfolgten H. und den hiesigen Angeklagten tätigte. Nur so ist die angesichts seiner Vorstrafen im europäischen Ausland relativ milde Freiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten für ihn selbst zu erklären. Es musste daher durch die Kammer in Erwägung gezogen werden, dass der El A. möglicherweise andere Personen zu Unrecht belastet, um sich selbst einen Strafrabatt „erkaufen“ zu können. Dies umso mehr, als er selbst angab, auch nach Rücksprache mit seinem Verteidiger auf eine milde Strafe gehofft zu haben.
100
Aus der eingeführten Handyauswertung ergaben sich für die Kammer deutliche Hinweise, dass entgegen der Aussage des Zeugen El A. zum Betäubungsmitteleinbau und zum Erhalt des Fahrzeugs Personen aus einer Familie L. in das Tatgeschehen involviert waren; offensichtlich wurde das Fahrzeug von Moh. L. überlassen und war O. L. am Einbau der Betäubungsmittel beteiligt, ohne jedoch selbst der Auftraggeber zu sein.
101
Nachdem die Kammer bei der Vernehmung des Zeugen mit widersprüchlichen Angaben zum Kauf des Autos, insbesondere zum Ort und der Person des Verkäufers, bedient wurde, welche der Zeuge nicht ausräumen konnte, und er anschließend keine Angaben mehr machte, sieht die Kammer hier Hinweise darauf, dass der Zeuge seinen Bruder und die Familie L. schützen wollte. Die Kammer hat auch Schwierigkeiten, der Darstellung des Zeugen El A. hinsichtlich des Autokaufs zu folgen, insbesondere wie ein Treffen mit einer unbekannten Person, ohne irgendwelche Details zu vereinbaren, auf einem großen Parkplatz stattfinden kann.
102
Auch den Widerspruch zur vorherigen Aussage, dass er den neben dem Angeklagten am Einbau beteiligten Mann, der Ahmed heißen solle, nicht kenne, räumte der Zeuge nicht aus.
103
Dass die festgestellte Halterin des Fahrzeugs, Zouhaira K., mit Moh. L. verheiratet ist, den der Zeuge El A. kennt, widerspricht ebenso der Darstellung des Zeugen El A. den Halter und Verkäufer des Pkw nicht gekannt zu haben.
104
Zudem ergaben sich auf eine Beteiligung des Angeklagten keine weiteren Hinweise, insbesondere gibt es abgesehen von einem Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen El A. am 08.07.2020 in den vorangegangenen Tagen und Wochen keine Kontakte, was sich die Kammer angesichts der Vorbereitung des Betäubungsmittelgeschäfts nicht zu erklären vermag, auch wenn die Kammer den zeitlichen Zusammenhang dieses einen Kontakts mit der gegenständlichen Fahrt nach Italien durchaus sieht.
105
Nachdem diese Widersprüche und Unwahrheiten sich derart nah am Kerngeschehen befinden und der Zeuge El A. diese nicht mehr ausräumte, konnte die Kammer sich im Ergebnis nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen, sondern hält es für möglich, dass der Zeuge El A. den tatsächlichen Verkäufer ebenso wie den am Betäubungsmitteleinbau beteiligten O. L., den der Zeuge El A. als „Ah.“ benannte, nicht belasten, andererseits sich den Vorteil der Kronzeugenregelung verschaffen wollte, und deswegen den Angeklagten zu Unrecht belastete. Allein der Umstand, dass der Angeklagte tatsächlich Umgang mit Betäubungsmitteln pflegte, genügt für einen Tatnachweis nicht.
106
Der in den Niederlanden wohnhafte Zeuge O. L. erschien trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht zum Termin am 30.03.2022. Weitere Ermittlungsansätze zur Aufklärung des Tatgeschehens sind nicht vorhanden.
107
I. Da der Angeklagte sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung der Betäubungsmittel und möglicher Tatmittel erklärt hatte, konnte diesbezüglich von einer förmlichen Einziehungsentscheidung abgesehen werden.
108
II. In Höhe von 67.500 EUR war die erweiterte Einziehung des Wertersatzes gem. §§ 73 a, 73 c, 73 d StGB anzuordnen.
109
1. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73 a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt. Deren Konkretisierung hinsichtlich einzelner bestimmter Taten oder hinsichtlich ihres allgemeinen Charakters ist nicht erforderlich, auch dürfen an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 – 4 StR 516/94; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 73 a Rn. 10). Entlastende Angaben des Angeklagten sind nicht schon deshalb als unwiderlegbar hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt (st. Rspr, KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 90). Allerdings reicht ein bloßer Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes für dessen Einziehung nicht aus. Begründen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, steht dies der Anordnung des erweiterten Verfalls der Gegenstände entgegen (BGH, Urteil vom 10. Januar 2018 – 5 StR 465/17 m.w.N.; Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 231/18, a.a.O.).
110
Für die richterliche Überzeugungsbildung können die Kriterien der – unmittelbar für das selbständige Einziehungsverfahren gemäß § 76 a Abs. 4 StGB geltenden – Vorschrift des § 437 StPO eine Orientierungshilfe geben, die nach dem Willen des Gesetzgebers bei jeder erweiterten Einziehung Berücksichtigung finden sollen (MüKo-StGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73 a Rn. 22). Umstände, die eine Anordnung rechtfertigen, können etwa in den persönlichen Verhältnissen des Täters und insbesondere in seinen Einkommensverhältnissen liegen (§ 437 Satz 1 und 2 Nr. 3 StPO).
111
2. An diesen Maßstäben gemessen, geht die Kammer davon aus, dass zumindest der überwiegende Teil des aufgefundenen Bargeldes aus deliktischer Quelle stammt. Nach den Angaben des Angeklagten zu seinen monatlichen Einnahmen und Ausgaben besteht nach Ansicht der Kammer eine hohe Diskrepanz zwischen den monatlichen Ansparmöglichkeiten und der sichergestellten Bargeldmenge. Von den angegebenen Einkünften musste zunächst der Familienunterhalt bestritten werden und somit bestand – insbesondere nachdem in den Jahren 2020/2021 keine Einkünfte erzielt werden konnten, sondern vielmehr auf Ersparnisse zurückgegriffen werden musste – kein Raum für die Bildung von Rücklagen.
112
Im Übrigen bestehen trotz des Teilfreispruchs weitere Anknüpfungstatsachen für seine Einbindung in den Betäubungsmittelhandel, insbesondere die in seiner Wohnung sichergestellten Gegenstände wie die große Menge an Betäubungsmitteln und die Geldzählmaschine. Es steht daher zur Überzeugung der Kammer die rechtswidrige Herkunft des sichergestellten Bargelds in Höhe von 67.500 EUR fest.
113
In Höhe von 50.000 EUR hat die Kammer im Wege der Schätzung gem. § 73 d StGB – unter massiver zu Gunsten Rechnung für den Angeklagten – unterstellt, dass in dieser Höhe tatsächlich Gelder aus dem Betrieb des Angeklagten oder Ersparnisse vorgelegen haben könnten und demnach in dieser Höhe keine deliktische Herkunft vorliegt.
114
Die Kammer hat zur Schätzung zunächst die Angaben des Angeklagten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu Grunde gelegt und angenommen, dass er jedenfalls aus den Jahren 2018 und 2019 die Einnahmen aus seinem Betrieb in bar daheim aufbewahrte.
115
Bei der Schätzung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den vom Angeklagten angegebenen Gewinnsummen um Bruttobeträge handelt, von denen er Steuern abzuführen hatte. Die Höhe der vom Angeklagten entrichteten Steuern konnte nicht festgestellt werden. Da in den Niederlanden der geringste Einkommensteuersatz bei gut 37% liegt, ist davon auszugehen, daß der Angeklagte im Jahr 2019 bei einem Bruttogewinn von 54.983 € mindestens 37% Steuern zu zahlen hatte und im Jahr 2018 bei einem Bruttogewinn von 101.188 € mindestens 40% Steuern, vermutlich deutlich mehr. Nachdem hier zuverlässigere Feststellungen nicht getroffen werden konnten, zog die Kammer für die gezahlten Steuern nur 20% ab, so daß sich ein Nettogewinn für die beiden Jahre von 124.000 € errechnet.
116
Bei monatlichen Ausgaben von mindestens 2.500 €, wie vom Angeklagten genannt, hätte er in der Zeit von 2018 bis März 2021 (dem Zeitpunkt der Durchsuchung mit Auffinden des Geldes) 95.000 € für seinen Lebensunterhalt verbraucht.
117
Unter Berücksichtigung der Sozialleistungen von monatlich 2.000 €, welche der Angeklagte ab Januar 2021 erhielt (demnach bis zur Durchsuchung 6.000 €), ergibt sich eine maximale verbleibende Bargeldmenge von 45.000 €, welche die Kammer, um den Unsicherheiten einer Schätzung Rechnung zu tragen, auf 50.000 € erhöhte und als Vermögen nicht deliktischer Herkunft ansetzte.
118
Die verbleibenden 67.500 € (117.500 € sichergestelltes Bargeld abzüglich 50.000 € erwirtschaftete Einnahmen) stammen ersichtlich nicht aus dem Betrieb des Angeklagten und können auch sonst mit legalen Quellen nicht erklärt werden.
119
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465, 466, 467 StPO.