Titel:
Gebühren für das auf die Mitteilung von Erben gerichtete Auskunftsersuchen des Katholischen Kirchensteueramts beim Nachlassgericht
Normenketten:
KV-JVKostG Nr. 1401
BayLJKostG Art. 1 Abs. 1
JVKostG § 1, § 2, § 4 Abs. 1, § 22
AO § 115 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Entscheidung des Auskunftsersuchens des Katholischen Kirchensteueramtes handelt es sich um eine Justizverwaltungsangelegenheit, so dass das JVKostG Anwendung findet (Rn. 7 – 8). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der vom Nachlassgericht dem Katholischen Kirchensteueramt erteilten Auskunft über die Erben handelt es sich nicht um kostenfreie Amtshilfe nach § 111 Abs. 1 AO (Rn. 9 – 10). (redaktioneller Leitsatz)
3. Für das Katholische Kirchensteueramt besteht keine Kostenfreiheit nach § 2 JVKostG (Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)
4. Für Auskünfte darüber, ob ein Nachlassvorgang vorhanden ist, ist eine Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG zu erheben; dies gilt auch für Negativauskünfte (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunft, Justizverwaltungsangelegenheit, Katholisches Kirchensteueramt, Nachlassverfahren, Kostenfreiheit, Amtshilfe, Erinnerung, Gebühr, Finanzverwaltung
Rechtsmittelinstanzen:
LG Schweinfurt, Beschluss vom 15.05.2023 – 42 T 157/22
OLG Bamberg, Beschluss vom 31.07.2023 – 2 W 27/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50082
Tenor
1. Die Erinnerung vom 07.04.2022 gegen den Kostenansatz vom 25.03.2022 (RE-Nr. ...) wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.
Gründe
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Am 16.03.2022 ging mit elektronischem Eingang (sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Behördenpostfach; im Folgenden eRV) ein Auskunftsersuchen des K K W vom selben Tage ein. Das Auskunftsersuchen hat auszugsweise den für diese Kostensache relevanten Inhalt:
„(…) um ein hier bestehendes Steuerkonto abschließend bearbeiten zu können, teilen Sie uns bitte mit, von wem der Erblasser beerbt wurde. (…) Unser Auskunftsersuchen stützt sich auf Art. 18 Abs. 1 KiStG in Verb. mit § 111 Abgabenordnung. (…)“
2
Mit Schreiben vom 25.03.2022 ist die Erbfolge mitgeteilt worden. Mit Kostenansatz vom 25.03.2022 (Re-Nr. ...) wurde für die erfolgte schriftliche Auskunft eine Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG in Höhe von 15,00 EUR durch die Kostenbeamtin, Frau J. F., zu Soll gestellt.
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Hiergegen wendet sich die Kostenschuldnerin mit per eRV eingelegter Erinnerung vom 07.04.2022 (Blatt 33 d.A.). Zur Begründung wird ausgeführt, dass Kostenansätze für Auskunftsersuchen in der Vergangenheit ausschließlich in den Fällen erhoben wurden, in denen eine „Negativauskunft“ in einer Nachlassangelegenheit erteilt wurde, also in Verfahren mit Aktenzeichen „TA“. Dem Kostenansatz liegt jedoch keine Negativauskunft zugrunde. Mit weiterem elektronischen Eingang vom 09.05.2022 teilte die Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin mit, dass am Rechtsbehelf der Erinnerung festgehalten wird und die vom Nachlassgericht mitgeteilte Argumentation nicht überzeuge (vgl. Blatt 36 d.A.). Auf die weitere Begründung wird insoweit ebenfalls zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen.
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Mit Vermerk vom 12.05.2022 half die Kostenbeamtin unter Aufrechterhaltung der Rechtsauffassung des Gerichts der Erinnerung nicht ab und legte die Akten dem zuständigen Rechtspfleger zur Entscheidung über die eingelegte Erinnerung vor. Mit Stellungnahme vom 13.07.2022 beantragte der Vertreter der Staatskasse, Herr B. bei dem Landgericht Schweinfurt, unter Aufrechterhaltung der Rechtsauffassung des Gerichts die eingelegte Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
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Die zulässige – insbesondere formgerecht – eingelegte Erinnerung der Kostenschuldnerin war als unbegründet zurückzuweisen, da die Sollstellung der Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG in Höhe von 15,00 EUR mit Kostenansatz vom 24.03.2022 zu Recht ergangen ist (Art. 1 Abs. 1 BayLJKostG, §§ 22 Abs. 1 JVKostG, 66 Abs. 2 bis 8 GKG). Hierzu wird im Einzelnen wie folgt ausgeführt:
A) Anwendung des Justizverwaltungskostengesetzes des Bundes (JVKostG)
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Bei dem anzuwendenen JVKostG handelt es sich nach dessen § 1 um ein Gesetz zur Regelung der Kosten in Justizverwaltungsangelegenheiten der Justizbehörden des Bundes. Es findet daher grundsätzlich keine Anwendung auf Justizverwaltungsangelegenheiten der Länder. Diese haben hierzu jedoch eigene Landesgesetze erlassen, so für Bayern das Bayerische Landesjustizkostengesetz (LJKostG). Art. 1 Abs. 1 Satz 1 LJKostG verweist für die Kostenerhebung in Justizverwaltungsangelegenheiten der Länder auf das JVKostG. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 15/2198, 17/460) das Justizverwaltungsgesetz als solches in seiner Gesamtheit für anwendbar erklären, so dass auch das nach § 4 Abs. 1 JVKostG zu beachtende Kostenverzeichnis anzuwenden ist.
B) Justizverwaltungsangelegenheit
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Kosten nach dem JVKostG entstehen nur, soweit es sich bei der Beantwortung des Auskunftsersuchens des Katholischen Kirchensteueramtes um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt. Ist die Anfrage jedoch als Akteneinsichtsgesuch einer Behörde zu sehen, so hat die Auskunft kostenfrei zu ergehen. Dass es sich beim Kirchensteueramt um eine (Finanz-)behörde handelt, wird weder vom Nachlassgericht noch vom Erinnerungsführer bestritten. In Bayern werden anders als in den übrigen Bundesländern die Kirchensteuern nicht von den Finanzämtern, sondern von eigenen Diözesankirchensteuerämtern nach dem Bayerischen Kirchensteuergesetz in Verbindung mit der Abgabenordnung festgesetzt. Das Kirchensteueramt als solches ist jedoch regelmäßig nicht Beteiligte am Nachlassverfahren. Eine Beteiligtenstellung ergibt sich hierbei zuvorderst aus den Verfahrensvorschriften, hier also nach den §§ 7, 345 FamFG. Diese sehen eine Beteiligung der Kirchensteuerämter bei Nachlassverfahren nicht vor (im Übrigen sind nur in wenigen Fällen bestimmte Behörden an gerichtlichen Verfahren ohne Weiteres zu beteiligen, vgl. z.B. das Jugendamt in Kindschaftssachen nach § 162 Abs. 1 FamFG). Das Katholische Kirchensteueramt ist damit eine am Verfahren nicht beteiligte Behörde.
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Für am Verfahren nicht beteiligte Behörden hat unlängst das Bayerische Oberstes Landesgericht in mehreren Entscheidungen geklärt, dass diese nicht als „Personen“ im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG zu qualifizieren sind (vgl. Beschluss vom 06.08.2020 – 1 VA 33/20, BeckRS 2020, 18859; Beschluss vom 12.02.2020 – 1 VA 133/19, BeckRS 2020, 1178; Beschluss vom 24.10.2019 – 1 VA 107/19, BeckRS 2019, 27354). Ein Fall der (kostenfreien) Akteneinsicht nach § 13 FamFG scheidet daher aus. Die Entscheidung über das Auskunftsersuchen ist damit keine rechtsprechende Tätigkeit, sondern ein Akt der Justizverwaltung.
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Handelt es sich bei der Anfrage des Katholischen Kirchensteueramtes um Amtshilfe, so wäre diese nach § 115 Abs. 1 S. 1 AO kostenfrei zu erteilen. Das Landgericht Aschaffenburg hat in seiner Entscheidung vom 29.06.2020, Az. 41 T 12/20, – nicht veröffentlicht – in einem ähnlich gelagerten Fall, in welchem auch die Erinnerungsführerin beteiligt war, hierzu ausgeführt:
„2. Entgegen der Auffassung des Kath. Kirchensteueramtes handelt es sich bei der begehrten und erteilten Auskunft nicht um eine kostenfreie Amtshilfe i.S.d. § 111 Abs. 1 AO. Vielmehr kommt § 111 Abs. 2 AO zur Anwendung. Die Erbenermittlung ist eine originäre Aufgabe des Nachlassgerichts. Der Beschwerdegegner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe keine Ermittlung der Erben, sondern nur die Auskunft über das Ergebnis der dem Nachlassgericht obliegenden Erbenermittlung begehrt. Das positive oder negative Ergebnis der dem Nachlassgericht obliegenden Erbenermittlung steht im untrennbaren Zusammenhang mit der vorgeschalteten Erbenermittlung und gehört damit zwingend zu diesem Vorgang. Die Erfüllung des Auskunftsanspruchs setzt grundsätzlich eine vorangegangene Erbenermittlung oder deren Unterlassung aus bestimmten Gründen, voraus. (Hervorhebungen durch das LG Aschaffenburg)“
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Eine (kostenfreie) Amtshilfe liegt damit nicht vor.
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Auch kommt eine Kostenfreiheit nach § 2 JVKostG nicht in Betracht. Nach § 2 Abs. 1 JVKostG sind der Bund und die Länder sowie die nach den Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Gebühren befreit (Kostenfreiheit). Dieses Privileg steht dem Katholischen Kirchensteueramt wegen der besonderen Situation in Bayern nicht zu. Das Katholische Kirchensteueramt ist, wie auch das Evangelische Kirchensteueramt, keine staatliche, sondern eine kirchliche Behörde (§ 17 KiStG), welche vom Staatshaushalt unabhängig ist. Bei den ähnlich gelagerten Fällen, wonach das jeweilige Wohnsitzfinanzamt um Mitteilung der Erben bittet, um ein steuerliches Verfahren durchführen zu können, ergeht die Auskunft kostenfrei, da die Finanzämter als Landesbehörden (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG) unmittelbar in Vertretung des Freistaats Bayern handeln und nur deshalb in den Genuss der Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 JVKostG gelangen.
D) Anwendung der Gebühr Nr. 1401 KV-JVKostG
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Wie bereits ausgeführt wurde, findet über die Verweisung in Art. 1 LJKostG das JVKostG in seiner Gesamtheit Anwendung. Nach § 4 Abs. 1 JVKostG iVm dem Kostenverzeichnis könnte für das Auskunftsersuchen des Katholischen Kirchensteueramtes eine Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG angefallen sein. Der Wortlaut des Gebührentatbestandes lautet:
Nr. 1401 Bescheinigungen und schriftliche Auskünfte aus Akten und Büchern
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Die Gebühr wird auch für eine Bescheinigung erhoben, aus der sich ergibt, dass entsprechende Akten nicht geführt werden oder ein entsprechendes Verfahren nicht anhängig ist.
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Hieraus folgt, dass unabhängig davon, ob ein Nachlassvorgang vorhanden ist – mithin also ein Nachlassverfahren, für das allgemein das Aktenzeichen „VI“ vergeben wird, durchgeführt wurde –, für die entsprechende Auskunft eine Gebühr in Höhe von 15,00 EUR zu erheben ist. Nach dem Wortlaut des Gebührentatbestandes sind im Hauptanwendungsfall die hier gegenständlichen sog. „Positivauskünfte“ umfasst. Daneben wurde in der Anmerkung infolge eines weiteren Gesetzgebungsverfahrens ergänzt, dass auch für den Fall, dass entsprechende Akten nicht geführt werden oder ein entsprechendes Verfahren nicht anhängig ist, eine Gebühr entstehen soll. Mit der Anmerkung wollte der Gesetzgeber des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 ausdrücklich den Fall erfassen, in denen ein Nachlassgläubiger die Mitteilung vom Nachlassgericht begehrt, ob nach dem Ableben einer bestimmten Person ein Nachlassverfahren anhängig ist. Der Bundesrat merkte im Rahmen seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf an, in dem die Anmerkung ursprünglich noch nicht enthalten war (BT-Drs. 17/11471, S. 309): „In Artikel 2 ist in die Anlage (Kostenverzeichnis) Nummer 1401 folgende Anmerkung anzufügen: „Die Gebühr wird auch für die Erteilung von Negativbescheinigungen erhoben.“
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Die bestehende Regelung soll zur Klarstellung um einen neuen Kostentatbestand für die Erteilung von Negativzeugnissen ergänzt werden. In allen Ländern sind vermehrt Anfragen auf Erstellung von Negativattesten zu verzeichnen, durch welche bescheinigt werden soll, dass kein aktuelles Insolvenzverfahren gegen eine bestimmte Person anhängig ist. Eine vergleichbare Konstellation besteht bei Auskünften in Nachlasssachen nach § 13 FamFG. Hierbei sind insbesondere Auskünfte relevant, die vor allem von Banken und von sonstigen Dritten in einem Erbfall angefordert werden. Im Rahmen solcher Auskünfte werden dabei regelmäßig neben der Frage, ob ein Nachlassvorgang oder eine letztwillige Verfügung vorliegt, auch die Anschriften möglicher Erben erfragt. Ob für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung eine Gebühr zu erheben ist, ist umstritten. Der Streit wird durch die vorgeschlagene Klarstellung beseitigt.“
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Begründet wird dies letztlich auch durch den mit diesen „Negativauskünften“ verbundenem Mehraufwand, den das Gericht durch die gestellte Anfrage hat.
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Der Charakter der Anfrage selbst bestimmt, ob sie als Akteneinsichtgesuch nach § 13 FamFG oder als reines Auskunftsbegehren zu sehen ist. Das OLG Hamburg führt hierzu weiter aus:
„Denn auch dann, wenn eine Nachlassakte vorhanden ist und das Nachlassgericht auf die entsprechende Anfrage hin die Auskunft erteilt, fällt die Gebühr an, auch wenn dies in der nachlassgerichtlichen Praxis möglicherweise anders gehandhabt wird. Bei einer Akteneinsicht weiß das Gericht nicht, welche Information mit der beantragten Einsicht erlangt werden soll. Bei Auskunftsbegehren hingegen ist klar definiert, um welche Information es sich handelt. (OLG Hamburg, Beschluss vom 01.10.2018, BeckRS 2018, 43201 Rn. 20)“
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Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass für das Auskunftsbegehren des Katholischen Kirchensteueramtes vom 28.02.2022 der Anwendungsbereich der Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG im Hinblick auf die erfolgte Positivauskunft unmittelbar eröffnet ist und die Kostenbeamtin zu Recht Kosten in Höhe von 15,00 EUR zu Soll gestellt hat. Der Auffassung des Gerichts hat sich der Vertreter der Staatskasse in seiner Stellungnahme vom 13.07.2022 vollumfassend angeschlossen.
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Nach Art. 1 Abs. 1 BayLJKostG i.V.m. § 22 Abs. 1 JVKostG, § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG kann das Gericht die Beschwerde zulassen, wenn die zur Entscheidung stehende Frage grundsätzliche Bedeutung hat.
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Es ist dem Gericht bislang nicht bekannt, dass über den hier vorliegenden Fall – positive Auskünfte aus einem anhängigen Nachlassverfahren (VI) sind gleichfalls gebührenpflichtig – ein bayerisches Obergericht, sei es Landgericht oder Oberlandesgericht, bereits entschieden hätte (für den Fall eines TA-Verfahrens siehe OLG Bamberg Beschluss vom 09.01.2018, 8 W 107/17 -nicht veröffentlicht-). Die Situation in Bayern ist wegen der im Vergleich zu den übrigen Bundesländern weiterhin bestehenden Amtsermittlungspflicht nach Art. 37 BayAGGVG eine besondere. Die grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage ist daher geboten. Die Anfragen des Katholischen Kirchensteueramtes treten in einer Vielzahl von hier anhängigen Verfahren auf. Daneben sind hierunter auch die Anfragen des Evangelischen Kirchensteueramtes oder Anfragen sonstiger, am Verfahren nicht beteiligter Behörden, die nicht unmittelbar über § 2 Abs. 1 JVKostG oder anderen spezialgesetzlichen Regelungen (z.B. § 64 Abs. 2 SGB X) kostenbefreit sind, zu nennen. Allein für das Amtsgericht Bad Kissingen wird hier pro Jahr von einer mittleren vierstelligen Zahl ausgegangen werden können. Erhebt man in all diesen Fällen konsequent eine Gebühr nach Nr. 1401 KV-JVKostG, so sind nicht unerhebliche Mehreinnahmen für den bayerischen Justizfiskus zu erwarten.
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Die Beschwerde war daher zuzulassen.