Titel:
Räumungsschutz wegen emotionaler Bindung an ein Tier
Normenketten:
ZPO § 765a
TSchG § 1 S. 1
Leitsatz:
Das Interesse des Schuldners daran, dass ein Tier von einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht betroffen wird, ist lediglich bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Zwangsvollstreckung aus besonderen Umständen eine sittenwidrige Härte darstellt, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn einem älteren und alleinstehenden Schuldner durch die Vollstreckung ein Tier genommen werden soll, zu dem er eine besondere emotionale Bindung hat. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zwangsvollstreckung, Räumungsschutz, emotionale Bindung, Tier, Tierschutz
Rechtsmittelinstanzen:
AG Garmisch-Partenkirchen, Beschluss vom 12.01.2022 – M 2/22
LG München II, Beschluss vom 14.01.2022 – 12 T 134/22
OLG München, Beschluss vom 14.12.2022 – 36 W 766/22
OLG München, Beschluss vom 27.12.2022 – 36 W 766/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2023 – I ZB 39/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 20.07.2023 – I ZB 39/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2023 – I ZB 38/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 20.07.2023 – I ZB 38/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50001
1. Der Antrag der Schuldnerin … vom 03.01.2022, gerichtet auf die Gewährung von Räumungsschutz nach § 765a ZPO betreffend die durch den Gerichtsvollzieher … zu 3 DR II 931/21 für den 19.01.2022 angekündigte Räumung, wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
1
Der gestellte Antrag ist unbegründet. Die Antragstellerin trägt vor, dass sich auf dem von der Räumung betroffenen Grundstück in Stallungen Kühe befinden. In der Kürze der Zeit, ließe sich für die Tiere keine Unterbringungsmöglichkeit finden. Hierzu ist wie folgt auszuführen:
2
Betrifft die Vollstreckungsmaßnahme ein Tier, hat das Vollstreckungsgericht gem § 765 a I 3 bei der Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen. Diese Vorschrift betrifft nur die Interessen des Tieres; die Vollstreckung muss sich an § 1 Satz 1 TSchG orientieren. Das Interesse des Schuldners daran, dass das Tier von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht betroffen wird, ist lediglich bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Zwangsvollstreckung aus besonderen Umständen eine sittenwidrige Härte darstellt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn älteren und alleinstehenden Schuldnern durch die Vollstreckung ein Tier genommen werden soll, zu dem sie eine besondere emotionale Bindung haben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Unabhängig davon hat der Gläubiger mitgeteilt, dass die Tiere abgeholt, dem Tierwohl entsprechend untergebracht und versorgt werden. Dem Tierschutz ist somit Genüge getan.