Inhalt

LG München I, Endurteil v. 16.09.2022 – 16 HK O 6131/21
Titel:

Kein Deckungsschutz aus Betriebsschließungsversicherung in der Corona-Pandemie bei Begrenzung des Versicherungsschutzes auf Katalog namentlich benannter Krankheiten

Normenketten:
VVG § 1a
IfSG § 6, § 7
Leitsätze:
1. Nehmen die Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung zum Deckungsumfang unter Verweis auf die § 6 und § 7 IfSG auf einen Katalog von namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger Bezug, besteht bei einer Betriebsschließung in der Corona Pandemie kein Versicherungsschutz, wenn COVID-19/SARS-CoV-2 in dem Katalog nicht aufgeführt ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 1a VVG enthält keine Bestimmung zum Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens des Versicherers (Anschluss an BGH BeckRS 2022, 533). (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 1a VVG verpflichtet den Versicherer nicht darüber zu informieren, dass andere Versicherungen weitergehenden Schutz bieten. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, Deckungsschutz, Corona, SARS-CoV-2, COVID-19, abschließende Aufzählung, Informationspflicht
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 21.03.2023 – 25 U 6198/22
OLG München, Beschluss vom 03.05.2023 – 25 U 6198/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49768

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 247.290,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte aus einer Betriebsschließungsversicherung geltend.
2
Die Klagepartei ist Betreiberin des Betriebes … Zu dem Betrieb gehören ca. 230 Innengastronomiesitzplätze, ca. 2500 Außengastronomiesitzplätze sowie ca. 40-90 Mitarbeiter.
3
Die Parteien sind bereits seit vor 2020 über eine Betriebsschließungsversicherung miteinander verbunden. Der Versicherungsvertrag wurde durch einen Versicherungsmakler vermittelt und betreut. Das Versicherungsvertragsverhältnis beruhte in der Zeit nach dem 16.03.2020 und vor Juni 2020 auf dem Versicherungsschein vom 10.03.2020, K1.
4
Dem Versicherungsvertrag lagen die „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließungsversicherung) – BS 2008“ (nachfolgend AVB) zugrunde.
5
In den AVB ist unter anderem geregelt:
„…
§ 23 Gegenstand der Versicherung
Ist der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe § 25) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) betroffen, ersetzt der Versicherer den dadurch entstehenden Schaden.
§ 25 Versicherte Gefahren und Schäden
1. Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten
Der Versicherer leistet bis zu den… Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Nr. 4 schließt;
4. Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten:
- Botulismus;
b) Krankheitserreger
Adenoviren ….
5. Nicht versicherte Gefahren und Schäden
c)
cc) bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf
…“
6
Hinsichtlich der Einzelheiten der Versicherungsbedingungen wird auf die Anlage K2 Bezug genommen.
7
Vorgerichtlich forderte die Klägerin mit Meldungen vom 19.03.2020 und später Versicherungsleistung bei der Beklagten an. Die Beklagte lehnte mit Ablehnungsschreiben vom 09.04.2020 eine Versicherungsleistung gemäß den Vertragsvorgaben mit dem Hinweis ab, dass es nicht um ein versichertes Risiko gehe. Die Beklagte bot jedoch an, einen Teilbetrag von 15 % (37.100 €) auszubezahlen, wenn die Klagepartei auf darüberhinausgehende Rechtsansprüche unterschriftlich verzichtet.
8
Anlässlich der Vertragsänderung im Jahr 2020 informierte die Beklagte die Klägerin nicht über die in den Jahren 2013, 2017 und Februar 2020 erfolgten Änderungen des in den §§ 6 und 7 IfSG enthaltenen Katalogs von Krankheiten bzw. Krankheitserregern und leistete insofern weder Beratung noch bot sie eine Vertragsänderung an oder äußerte sich sonst zum Vertragsinhalt.
9
Die Klägerin behauptet, der Betrieb sei in der Zeit ab 21.03.2020 bis 17.05.2020 komplett geschlossen gewesen. Die Wiedereröffnung des Terrassengeschäfts sei am 18.05.2020 erfolgt, die Bewirtung im Geschäftsraum ab dem 30.05.2020. Somit habe an mindestens 30 einander folgenden Kalendertagen, die reguläre Betriebstage gewesen seien, eine Bewirtung auf dem Betriebsgrundstück aus rechtlichen Gründen nicht stattfinden können.
10
Die rechtlich möglich gebliebene Vorbereitung von Speisen und Getränken zur Mitgabe habe im Zeitraum 18.03.2020 bis 17.05.2020 einen Speisenumsatz in Höhe von 17.991,10 € brutto erbracht.
11
Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Coronavirus sei im versicherten Risiko mitenthalten. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich daher aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit dem Versicherungsschein und den AVB. Insbesondere meint die Klägerin in Bezug auf die AVB, nur der Staat könne regeln, was meldepflichtig sei. Überdies habe die Beklagte mit den AVB falsch informiert, da die AVB in § 25 Nr. 4 pauschal vom IfSG sprächen, nicht jedoch vom IfSG in der Fassung vom 20.07.2000, aus welcher Fassung die AVB abgeschrieben worden seien.
12
Die Klägerin meint, es ergebe sich eine Schadensersatzpflicht aus § 1 a VVG, §§ 280 I 1, 249 ff BGB. Aus § 1a VVG ergebe sich Anforderung an den Versicherer, anlässlich einer geänderten Rechtslage den Kunden zu beraten und ein Angebot betreffend einer Vertragsänderung zur ausdrücklichen wörtlichen Einbeziehung von auf staatlicher Ebene schon einbezogener Erreger in den Vertrag zu unterbreiten oder sich sonst zu äußern.
13
Eine bestmögliche Interessenwahrung im Sinn des § 1 a VVG zugunsten des Versicherungsnehmers sei aus Sicht der Klägerin nur dann gewahrt, wenn bestmöglich informiert werde.
14
Klägerin meint auch, dass wer wie die Beklagte 2020 das Vertragsverhältnis durch Vertragserklärungen ändere, die seit dem 23.02.2018 bestehenden Pflichten aus § 1 a VVG zu erfüllen habe.
15
Die Klägerin meint zudem, die Beklagte habe gemäß § 1 a VVG bei Informationen im bestmöglichen Interesse des Kunden handeln müssen. Normativ abverlangt werde eine nicht etwa noch verständliche Information, sondern Information mit der Qualität bestmöglicher Interessenwahrung.
16
Die Klägerin beantragt
1.
Die Beklagte wird verurteilt, Euro 247.290,00 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klagepartei zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, der Klägerin Eur 1.613,95 zu erstatten (vorgerichtliches nicht anrechenbares Honorar als gerichtskostenneutrale Kosten i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, netto ohne USt.) zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
17
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
18
Im Übrigen wird zur Ergänzung auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
I. Die Klage ist zulässig.
21
Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts folgt aus § 215 Abs. 1 VVG. Die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG.
22
II. Die Klage ist jedoch vollumfänglich unbegründet.
II.1 Zum Klageantrag zu 1)
23
II.1.1 Ein Anspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. den AVB und dem Versicherungsschein auf Entschädigung aufgrund der coronabedingten Betriebsschließung besteht nicht.
24
II.1.1.1. Das OLG München hat insofern zutreffend in seinem Urteil vom 17.12.2021, Az. 25 U 3064/21, Anlage B 1, betreffend gleichlautender AGB ausgeführt:
„1. Nach §§ 23, 25 der vorliegenden Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließungsversicherung) (BS 2008) (Anlage K2) (im Folgenden BS 2008) besteht kein Versicherungsschutz für Betriebsschließungen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheitserregers SARS-CoV-2 (fortan auch: Corona). § 25 Nr. 4 BS 2008 ist als abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger auszulegen und wirksam. Corona ist in dieser abschließenden Aufzählung nicht enthalten.
a) §§ 23, 25 BS 2008 sind so zu verstehen, dass Versicherungsschutz nur besteht, wenn der Betrieb geschlossen wird zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten, die in § 25 Nr. 4 lit. a, und von Krankheitserregern, die in § 25 Nr. 4 lit. b BS 2008 aufgezählt sind. Krankheiten und Erreger, die in diesen Listen nicht enthalten sind, wären auch dann nicht in den Versicherungsschutz einbezogen, wenn sie in den §§ 6 und 7 IfSG genannt wären.
aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Werden Versicherungsverträge typischerweise mit und für einen bestimmten Personenkreis geschlossen, so sind die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises maßgebend (BGH, Urteil vom 25. Mai 2011 – IV ZR 117/09, r+s 2011, 295 Rn. 22). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 10. April 2019-IV ZR 59/18, NJW 2019, 2172 Rn. 17 m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen sind §§ 23, 25 BS 2008 im Sinne einer abschließenden Aufzählung auszulegen.
(1) §§ 23 bis 31 BS 2008 stehen unter der Überschrift „Betriebsschließungsversicherung“. § 23 ist überschrieben mit „Gegenstand der Versicherung“, § 25 mit „Versicherte Gefahren und Schäden“. Nach § 23 Abs. 1 ersetzt der Versicherer den Schaden, der dadurch entsteht, dass „der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe § 25) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) betroffen“ ist. Nach § 25 Nr. 1 BS 2008, überschrieben mit „Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten“, leistet der Versicherer Entschädigung, „wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4) … den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Nr. 4 schließt“. In § 25 Nr. 4 heißt es unter der Überschrift „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“: „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: …“, gefolgt von einerlistenförmigen Aufzählung von Krankheiten unter lit. a, die COVID-19 nicht enthält, und einer solchen von Krankheitserregern unter lit. b, die SARS-CoV-2 nicht enthält.
(2) Der für den Versicherungsnehmer erkennbare Sinnzusammenhang, Wortlaut und Zweck der Bedingungen verlangen eine Auslegung dieser Klausel als abschließende Aufzählung.
(a) Bei der Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in § 25 Nr. 4 lit. a und b BS 2008 handelt es sich erkennbar um eine Beschreibung des versicherten Risikos, nicht um einen Risikoausschluss. Das ergibt sich insbesondere aus der Stellung im Bedingungswerk sowie den Überschriften und dem Zusammenhang der betroffenen Regelungen.
Die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger findet sich zwar nicht zu Beginn des gesamten Bedingungswerks, jedoch zu Beginn des deutlich überschriebenen und im Inhaltsverzeichnis gekennzeichneten Abschnitts „§§ 23 bis 31 Betriebsschließungsversicherung“. § 23 Abs. 1 BS 2008 enthält zwar nicht selbst die listenförmigen Aufzählungen, verweist aber ausdrücklich auf § 25, der wiederum auf die Listen sowohl durch die Verwendung des in § 25 Nr. 4 definierten Begriffs der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger verweist als auch – zusätzlich – durch die ausdrücklichen Verweise „siehe Nr. 4“ und „nach Nr. 4“. Dies dient erkennbar nur der sprachlichen Entlastung der Regelung von einer umfangreichen Aufzählung.
Die Überschriften „Gegenstand der Versicherung“ (§ 23 BS 2008) sowie „Versicherte Gefahren und Schäden“ (§ 25) weisen darauf hin, dass in diesen Regelungen – einschließlich der Verweise zunächst auf § 25 und dort in Nr. 1 weiter auf Nr. 4 – zunächst das versicherte Risiko primär bestimmt wird. Als Ausnahme davon ist § 25 Nr. 5 mit der eindeutigen Überschrift „Nicht versicherte Gefahren und Schäden“ versehen. Diese Regelung enthält auch einen Ausschluss für Krankheiten und Krankheitserreger, nämlich Prionenerkrankungen oder den Verdacht hierauf (§ 25 Nr. 5 lit. c.cc). Das Vorhandensein einer Ausschlussregelung unter einem eigenen Gliederungspunkt zeigt ebenfalls, dass § 25 Nr. 1 und 4 als primäre Risikobeschreibung zu sehen ist, die durch Ausschlüsse in § 25 Nr. 5 eingeschränkt wird.
(b) Aus dem Wortlaut des § 25 BS 2008 einschließlich der verwendeten Bezugnahmen erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass nur die in der Regelung eigens genannten, nicht aber noch weitere oder alle bzw. zukünftig neu auftretende Infektionskrankheiten versichert sind.
(aa) Versicherungsschutz besteht nach § 25 Nr. 1 BS 2008 „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“. Welche Krankheiten und Erreger dies sein können, kann nicht unmittelbar § 6 IfSG („Meldepflichtige Krankheiten“) oder § 7 IfSG („Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern“) entnommen werden, weil § 25 Nr. 4 BS 2008 eine eigene Definition versicherter meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger „im Sinne dieser Bedingungen“ vornimmt, worauf § 25 Nr. 1 und Nr. 1 lit. a BS 2008 zudem ausdrücklich verweisen. Schon wegen dieser eigenständigen Definition kann ein Versicherungsnehmer nicht erwarten, die Bedeutung des hier verwendeten Begriffs der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger decke sich vollständig mit dem infektionsschutzrechtlichen Begriff.
Die Definition in § 25 Nr. 4 BS 2008 erwähnt zwar die §§ 6 und 7 IfSG. Dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen ist aber bei natürlicher, unbefangener Betrachtung zu entnehmen, dass maßgeblich „die folgenden“ Krankheiten sein sollen, nämlich diejenigen, die nach einem Doppelpunkt unmittelbar folgend im Anschluss an den fraglichen Satz in den Versicherungsbedingungen abgedruckt sind. Ein durchschnittlicher Leser kann als „die folgenden … Krankheiten und Krankheitserreger“ ohne Anstrengung diejenigen ausmachen, die dem Einleitungssatz im Abdruck unmittelbar nachfolgen.
(bb) Dagegen gibt der Wortlaut der Versicherungsbedingungen keinen Hinweis darauf, dass statt der – bei natürlicher Betrachtung – naheliegenden abgedruckten Listen die Aufzählungen in den §§ 6 und 7 IfSG maßgeblich sein sollten.
In diesem Zusammenhang bedeutet die Formulierung „die folgenden“ in der Beschreibung des versicherten Risikos zugleich, dass auch nur die folgenden Krankheiten und Erreger dem Versicherungsschutz unterfallen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird eine möglichst eindeutige, abschließende und nicht nur beispielhafte Beschreibung des versicherten Risikos erwarten. Zudem würde der durchschnittliche Leser zur Einleitung einer bloß beispielhaften, nicht abschließenden Aufzählung mit einem Wort wie „insbesondere“ oder „beispielhaft“ rechnen, das hier aber fehlt.
Aus der Verwendung des Wortes „namentlich“ ergibt sich nichts anderes. Dieses wird hier nicht in der Bedeutung von „insbesondere“ verwendet und kann auch nicht so verstanden werden (vgl. auch OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, juris Rn. 33 ff). Zwar kann dem Wort diese Bedeutung zukommen, beispielsweise in Formulierungen wie „der Weg ist kaum passierbar, namentlich nach Regen“ oder „überall, namentlich aber im Gebirge“. Doch ergibt sich hier aus dem Kontext der Verwendung („folgenden … namentlich genannten Krankheiten“), dass „namentlich“ im Sinne von „beim Namen genannt“ zu verstehen ist. Auch die Wortstellung entspricht nicht der Einleitung einer beispielhaften Aufzählung, sondern müsste bei einer solchen lauten: sind namentlich die folgenden …“
25
Der Einschub in der Formulierung „die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten …“ nimmt der Wendung „die folgenden“ nicht die Bedeutung, sich auf die nach dem Doppelpunkt folgenden Listen zu beziehen. Aus der Erwähnung des Infektionsschutzgesetzes in der Klausel kann nicht der Schluss gezogen werden, dass damit alle in diesem Gesetz aufgenommenen oder auch später hinzukommenden Krankheiten und Krankheitserreger versichert seien. Wenn der Versicherer hier eine Liste der versicherten Krankheiten und Erreger in eine Klausel seiner Versicherungsbedingungen aufnimmt, macht dies deutlich, dass damit nicht nur über den Inhalt des Infektionsschutzgesetzes informiert werden oder Versicherungsschutz angepriesen werden soll. Vielmehr werden im Sinne einer rechtlich verbindlichen Regelung die Krankheiten aufgezählt, für die Versicherungsschutz versprochen wird.
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Gegen ein Verständnis, wonach die im Bedingungswerk abgedruckten Listen lediglich der schnelleren Information des Versicherungsnehmers dienen würden, während maßgeblich die Aufzählungen in den §§ 6 und 7 IfSG seien, spricht schließlich die Überlegung, dass die Versicherungsbedingungen auf dem Stand, den sie bei Abschluss des Versicherungsvertrags hatten, naturgemäß nicht alle nachfolgenden Gesetzesänderungen einbeziehen und wiedergeben können. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann schon aus diesem Grund nicht erwarten, dass es statt der abgedruckten Listen auf den Gesetzestext ankäme.
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(cc) Der in erster Linie maßgebliche Bedingungswortlaut macht einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer vielmehr klar, dass der Versicherer lediglich das Risiko bestimmter Krankheiten oder Krankheitserreger übernehmen will. Verhielte es sich anders, hätte die Beklagte es bei der Regelung in § 25 Nr. 1 BS 2008 belassen können. Die ergänzende Bezugnahme auf Nr. 4 wäre demgegenüber sinnlos gewesen. Eine um Beachtung des Sinnzusammenhangs bemühte Auslegung muss deshalb zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei der Aufzählung in § 25 Nr. 4 BS 2008 um eine abschließende Darstellung der versicherten Risiken handelt (vgl. OLG Stuttgart, Vers 2021, 580, 581; OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, juris Rn. 31).
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Aus dem Wortlaut der Bedingungen ergibt sich, dass der Versicherer unter der Voraussetzung leistet, dass eine der spezifiziert aufgeführten meldepflichtigen Krankheiten oder Erreger vorliegt. Damit kommt es nicht darauf an, ob für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar ist, dass der Katalog der aufgezählten Erkrankungen und Erreger nicht mit den in §§ 6, 7 IfSG genannten übereinstimmt, denn der Versicherungsnehmer kann beim Durchlesen der Bedingungen feststellen, dass nur der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende, aktuelle Stand abgesichert ist und damit für ein Auftreten anderer Erkrankungen für ihn Deckungslücken entstehen können (vgl. OLG Dresden, VersR 2021, 961, 965).
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(c) Erkennbarer Zweck der Leistungsbeschreibung ist es, den Leistungsumfang zu bestimmen. Insbesondere soll dem Versicherer eine Kalkulation ermöglicht werden. Der Versicherungsnehmer soll informiert entscheiden können, ob die Versicherung die ihm drohenden Risiken abdeckt und abgeschlossen werden soll.
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Ausgehend von diesem Zweck ist eine Erwartung des Versicherungsnehmers nicht begründbar, der Versicherer werde Versicherungsschutz für alle Infektionskrankheiten ohne Unterschied gewähren und ohne die Möglichkeit, die Gefahrträchtigkeit einer Krankheit abschätzen zu können (vgl. OLG Hamm, r+s 2020, 506; OLG Stuttgart, r+s 2021, 139 Rn. 18 ff mwN, 31). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt anhand der Klausel die Krankheiten und Erreger, für die Schutz besteht. Er muss davon ausgehen, dass er nur insoweit geschützt – und dass die Prämie entsprechend kalkuliert – ist, weil andernfalls keine Aufzählung erforderlich wäre und weil kein Zusatz wie „insbesondere“ angebracht ist.
31
(d) Aus dem Umstand, dass bestimmte Krankheiten oder Erreger vom Versicherungsschutz ausdrücklich ausgeschlossen sind (vgl. § 25 Nr. 5 lit. c.cc BS 2008), kann nicht geschlossen werden, dass die vorherige Aufzählung der versicherten Krankheiten und Erreger nicht abschließend gewesen sei. Der Ausschluss hat erkennbar nur den Erklärungswert, dass der Versicherer in bestimmten Fällen keinesfalls Versicherungsschutz gewähren will, unabhängig davon, was nach der primären Risikobeschreibung versichert wäre.
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b) Die Regelung in §§ 23, 25 Nr. 1, Nr. 4 BS 2008 ist wirksam.
33
aa) Bei diesen Vorschriften handelt es sich – wie bereits ausgeführt – um die Leistungsbeschreibung, weil dort der Gegenstand der Versicherung definiert und somit der Umfang des Versicherungsschutzes festgelegt wird. Damit ist für diese Klauseln nur eine Transparenzkontrolle vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2017 – IV ZR 91/16, NJW 2017, 2346 Rn. 15; Römer/Langheid/Römer, WG, 4. Aufl., vor § 1 Rn. 45).
34
bb) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach Satz 2 der Vorschrift auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
35
So liegt der Fall hier nicht.
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(1) Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (BGH, Urteil vom 4. April 2018 – IV ZR 104/17, NJW 2018, 1544 Rn. 8 mwN). Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (BGH, Urteil vom 20. November 2019 – IV ZR 159/18, r+s 2020, 45 Rn. 7).
37
Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – III ZR 157/10, VersR 2012, 323 Rn. 27). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 13. September 2017 – IV ZR 302/16, r+s 2017, 586 Rn. 15; vom 4. April 2018, a.a.O.).
38
(2) Gemessen daran ist der Leistungsumfang in §§ 23, 25 Nr. 1, Nr. 4 BS 2008 ausreichend transparent geregelt (vgl. auch OLG Stuttgart, r+s 2021, 139 Rn. 41 ff). In diesem Zusammenhang haben die Gesichtspunkte, die bereits bei der Auslegung der Klauseln angesprochen wurden, erneut Bedeutung.
39
Aus den Bedingungen ergibt sich an keiner Stelle, dass die Beklagte grundsätzlich für alle Krankheiten und Krankheitserreger leistet und erst hiernach eine Beschränkung dieses Grundsatzes durch die konkrete Auflistung von Krankheiten und Erregern erfolgt. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der Bedingungen, dass die Versicherung unter der Voraussetzung leistet, dass eine der spezifiziert aufgeführten meldepflichtigen Krankheiten oder Erreger vorliegen (vgl. OLG Dresden, VersR 2021, 961, 965).
40
Der Wortlaut der Klauseln ist nicht unklar oder mehrdeutig. Versichert sind nicht sämtliche Betriebsschließungen nach dem Infektionsschutzgesetz, sondern nur die in der erkennbar abschließenden Aufzählung genannten. Einen umfassenden Versicherungsschutz kann der Versicherungsnehmer dem Wortlaut nicht entnehmen, was sich aus der Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger sowie der Formulierung ergibt, die nicht den Eindruck erweckt, alle im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten und Erreger seien versichert. Das Wort „namentlich“ wird in § 25 Nr. 4 BS 2008 nicht im Sinne von „insbesondere“ verwendet. Es meint an dieser Stelle auch keine Meldepflicht unter namentlicher Nennung der betroffenen Person (vgl. etwa § 9 gegenüber § 10 IfSG), sondern beim Namen genannte Krankheiten und Krankheitserreger, die versichert sein sollen und die der Versicherungsnehmer in der ausführlichen Aufzählung in den Versicherungsbedingungen vorfindet. Dass diese Aufzählung umfangreich ist, liegt in der Natur der Sache.
41
Mit der Regelungstechnik der abschließenden Aufzählung wird dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Der Versicherer ist nach Treu und Glauben nicht gehalten, dem Versicherungsnehmer wirtschaftliche Nachteile und Belastungen noch besser erkennbar zu machen. Wird der Versicherungsumfang in dieser Weise durch eine Aufzählung der versicherten Krankheiten und Erreger bestimmt, muss dem Versicherungsnehmer einleuchten, dass der Versicherer, der sein Risiko begrenzen muss, auf die Weise kalkuliert, dass er ganz bestimmte Krankheiten und Erreger versichert, weil er keinen Einfluss darauf hat, welche weiteren Krankheiten und Erreger der Gesetzgeber in das Infektionsschutzgesetz aufnehmen wird. Dies widerspricht nicht der Forderung, der Versicherungsnehmer müsse die Möglichkeit haben, Lücken im Versicherungsschutz zu erkennen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung der Regelungen nach deren Formulierung von vornherein nicht davon ausgehen, alle Erkrankungen und Erreger, die künftig in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden, seien versichert.
42
Eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel über die Ausschlüsse (§ 25 Nr. 5 BS 2008) würde nicht zur Intransparenz der Risikobeschreibung (§§ 23, 25 Nr. 1, Nr. 4) führen, weil es sich hier um getrennt zu betrachtende Klauseln handelt, die unabhängig voneinander Bestand haben können. Die Regelungen weisen zwar einen Zusammenhang auf, sind aber trennbar und jeweils für sich betrachtet gesondert zu bewerten; eine mögliche Unwirksamkeit der Ausschlussregelungen führt nicht dazu, dass die Regelung zum grundsätzlichen Umfang des Versicherungsschutzes intransparent würde. Wie bereits ausgeführt handelt es sich bei dem in §§ 23, 25 Nr. 1, Nr. 4 dargestellten Leistungsumfang nicht um eine verkappte Ausschlussregelung, sondern um die ausreichend bestimmbare Festlegung der grundsätzlichen Leistungspflicht des Versicherers.
43
cc) Soweit eine Inhaltskontrolle der Bestimmungen in Betracht käme, wären diese auch nicht wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (vgl. OLG Dresden, VersR 2021, 961, 965; OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, juris Rn. 47 ff).
44
c) Da in der wirksam vereinbarten, abschließenden Aufzählung, die den Umfang des Versicherungsschutzes bestimmt, Corona nicht enthalten ist, besteht hierfür kein Versicherungsschutz.
45
d) Die Auffassung des Senats (vgl. auch OLG München, Beschlüsse vom 12. Mai 2021 und 20. Juli 2021 – 25 U 5794/20, zVb) deckt sich mit der Auffassung der meisten anderen Oberlandesgerichte zu ähnlich formulierten Versicherungsbedingungen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Juli 2020 – 20 W 21/20, r+s 2020, 506; vom 21. April 2021 – 20 U 17/21, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Februar 2021 – 7 U 335/20, VersR 2021, 580; vom 18. Februar 2021 – 7 U 351/20, r+s 2021, 139; OLG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 19. April 2021 – 9 U 44/21, BeckRS 2021, 12308; OLG Schleswig, Urteil vom 10. Mai 2021 – 16 U 25/21, COVuR 2021, 349; OLG Oldenburg, Urteil vom 27. Mai 2021 – 1 U 261/20, BeckRS 2021, 13478; OLG Frankfurt, Beschluss vom 31. Mai 2021 – 3 U 34/21, BeckRS 2021, 15369; OLG Dresden, Urteil vom 8. Juni 2021 – 4 U 61/21, VersR 2021, 961; OLG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2021 – 9 U 30/21, juris; OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, juris; OLG Naumburg, Urteil vom 1. Juli 2021 – 4 U 164/20, BeckRS 2021, 18994; OLG Koblenz, Urteil vom 28. Juli 2021 – 10 U 259/21, juris). Eine andere Auffassung vertritt das Oberlandesgericht Karlsruhe im Urteil vom 30. Juni 2021 (12 U 4/21, r+s 2021, 438).
Diesen Ausführungen des OLG München schließt sich das erkennende Gericht an und macht sie sich zu eigen.
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II.1.1.2 Ergänzend ist noch auszuführen:
47
II.1.1.2.1 Soweit die Klägerin im Hinblick auf § 25 Nr. 1 und Nr. 4 der AVB argumentiert, nur der Staat könne regeln, was meldepflichtig sei, ist dem grundsätzlich zuzustimmen.
48
In den hier maßgeblichen AVB wird jedoch in § 25 Nr. 1 erster Satz hinsichtlich der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger durch die Ergänzung „(siehe Nr. 4)“ explizit auf § 25 Nr. 4 AVB verwiesen, welcher für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer durch die Formulierung „im Sinne dieser Bedingungen“ erkennbar eine eigene Definition der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger enthält.
49
II.1.1.2.2 Soweit die Klagepartei überdies argumentiert, die streitgegenständlichen AVB würden Krankheiten und Krankheitserreger nennen, die nicht mehr im aktuellen IfSG aufgeführt seien (z.B. Cryptosporidium parvum), so dass es sich hierbei, womit der Versicherungsnehmer nicht rechne, um ein partiell sinnloses Versicherungsprodukt handele, ist der Klagepartei zwar zuzustimmen, dass der Katalog in § 25 Nr. 4 AVB Krankheiten und Krankheitserreger nennt, die nicht mehr im IfSG namentlich aufgeführt sind.
50
Es handelt sich hierdurch jedoch nicht um ein partiell sinnloses Versicherungsprodukt, da bei Auftreten dieser nun nicht mehr im IfSG namentlich genannten Krankheiten und Erreger aufgrund der Generalklausel des § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG weiterhin eine Betriebsuntersagung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes möglich wäre und dann aufgrund der Formulierung der AVB auch Versicherungsschutz bestünde.
51
II.1.1.2.3 Die Vorschrift des § 1 a VVG betrifft die Vertriebstätigkeit des Versicherers einschließlich des Mitwirkens bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen sowie die Bewerbung von Versicherungen. Die Regelung enthält jedoch keine Bestimmungen zum Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens des Versicherers (vgl. Urteil des BGH vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21) und ist daher für die Frage eines Entschädigungsanspruchs des Klägers aus dem Versicherungsvertrag ohne Bedeutung.
52
II.1.1.2.4 Soweit die Klagepartei die Ansicht vertritt, die AVB seien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 2020 in mehrfacher Hinsicht falsch gewesen, da falsch über einen angeblichen Gesetzesinhalt berichtet worden sei und die AVB nur vom IfSG sprechen würden und nicht den Gesetzesstand erwähnen würden, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil im Jahr 2020 zwar gewisse Änderungen am Versicherungsvertrag eintraten, jedoch auch für den Versicherungsnehmer erkennbar gerade keine Änderung der zugrundeliegenden AVB erfolgte. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer musste daher davon ausgehen, dass etwaige Änderungen am IfSG – etwa durch die Aufnahme oder Streichung von Krankheiten und Erregern – nicht zu einer Änderung seines Versicherungsumfangs führen.
53
II.1.1.2.5 Auch aus dem Vortrag der Klagepartei zu etwaigen Verstößen der Beklagten gegen § 4 VVG-InfoV folgt keine Intransparenz des Versicherungsvertrages im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
54
Zwar gehört das Informationsblatt zu Versicherungsprodukten grundsätzlich zu den Vertragsunterlagen (vgl. BeckOK VVG VVG-InfoV § 4 Rn. 31), weshalb dort enthaltene fehlerhafte oder missverständliche Informationen zur Intransparenz im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB führen können.
55
Dies scheidet hier jedoch bereits deshalb aus, weil die Beklagte der Klägerin kein Informationsblatt vorlegte.
56
Dahingestellt bleiben kann daher, ob die Regelung des § 4 VVG-Info trotz seiner Beschränkung auf Verbraucher in Absatz 1 auf die Klägerin anwendbar ist.
57
II.1.2 Der begehrte Anspruch gemäß Klageantrag zu 1) ergibt sich auch nicht aus § 1 a VVG.
58
Hiernach können Verstöße gegen die Pflichten aus § 1 a VVG Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers begründen (vgl. etwa Urteil des BGH vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21).
59
Solche Verstöße sind hier jedoch nicht erkennbar.
60
Gemäß § 1 a VVG muss der Versicherer gegenüber Versicherungsnehmern bei seiner Vertriebstätigkeit stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln.
61
II.1.2.1 Soweit die Klägerin Verstöße gegen die Pflichten des § 1 a VVG insofern für gegeben hält, als dass sie die Ansicht vertritt, die Beklagte habe bei Informationen nicht im bestmöglichen Interesse der Klägerin gehandelt und insofern geltend gemacht, dass der Versicherungsvertrag und die AVB eindeutiger hätten formuliert werden können und müssen, übersieht die Klägerin, dass § 1 a VVG nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Bestimmungen zum Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens des Versicherers enthält (vgl. Urteil des BGH vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21). Mithin kann sich aus der Formulierung des Versicherungsvertrages einschließlich der AVB keine Pflichtverletzung des § 1 a VVG ergeben.
62
II.1.2.2 Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass § 1 a VVG auch eine bestmögliche Interessenwahrung zugunsten des Versicherungsnehmers insbesondere im Rahmen des Vertragsschlusses fordere und insofern geltend macht, dass sie im Rahmen der Vertragsänderung zum 01.01.2020 nicht hinreichend über den Versicherungsumfang aufgeklärt worden sei, überzeugt auch dies nicht.
63
II.1.2.2.1 Zum einen ist hier zu berücksichtigen, dass der Versicherungsumfang – konkret die versicherten Krankheiten und Erreger – durch die Vertragsänderungen zum 01.01.2020 keine Änderung erfuhr, so dass schon deshalb eine gesonderte Aufklärungspflicht, gegen die verstoßen worden sein könnte, hier zu verneinen ist.
64
II.1.2.2.2 Zum anderen ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht auch deshalb nicht zu erkennen, weil der Vertrag insbesondere im Hinblick auf den Versicherungsumfang transparent ist (s.oben).
65
Eine Informationspflicht dahingehend, dass etwa andere Versicherungen weitergehenden Schutz bieten, besteht demgegenüber nicht. Zwar besteht die Pflicht, im besten Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln. Der Versicherer ist aber berechtigterweise beim Vertrieb von Eigeninteressen gesteuert. Die Pflichten des Versicherers gemäß § 1 a VVG sind daher auf seine Produktpalette zu beschränken. Der Versicherer muss auch unter Geltung des § 1a VVG seine Kunden nicht auf die Konkurrenz verweisen (vgl. Prölss/Martin, § 1 a Rn. 4 VVG, BeckOK § 1 a Rn. 2 VVG),
66
II.1.2.3 Soweit die Klägerin meint, aus § 1a VVG ergebe sich die Anforderung an den Versicherer, anlässlich einer geänderten Rechtslage den Kunden zu beraten und ein Angebot betreffend einer Vertragsänderung zur ausdrücklichen wörtlichen Einbeziehung von auf staatlicher Ebene schon einbezogener Erreger in den Vertrag zu unterbreiten oder sich sonst zu äußern, wird diese Rechtsansicht von der Kammer nicht geteilt.
67
§ 1 a VVG enthält keine Pflicht des Versicherers, Verträge mit gewissem Inhalt abzuschließen. § 1 a VVG kann auch nicht die Pflicht des Versicherers entnommen werden, jeden Kunden anlässlich einer geänderten Rechtslage erneut zu beraten. Eine solch weitgehende Pflicht wird, soweit es die Kammer übersieht, denn auch von der Kommentarliteratur nicht angenommen.
68
II.1.2.4 Soweit die Klägerin weiter ausführt, dass sie, hätte sie vom Defizit gewusst, nämlich dass nicht alle im IfSG genannten Krankheiten abgedeckt sind, sich darum bemüht hätte, ein Produkt zu suchen und zu finden und auch eines hätte finden können, bei dem Gleichlauf zwischen AVB und IfSG vorliegt, ist dem entgegenzuhalten, dass die streitgegenständlichen AVB den Versicherungsumfang klar und eindeutig regeln. Insbesondere kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer die AVB nicht so verstehen, dass sämtliche Krankheitserreger und Krankheiten im Sinne des IfSG vom Versicherungsschutz umfasst sind. Mithin war die Klägerin darüber informiert, dass kein Gleichlauf besteht zwischen staatlicher Meldepflicht und Versicherungsschutz.
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II.1.3 Mangels Hauptsacheanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen.
II.2 Zum Klageantrag zu 2)
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Mangels Hauptsacheanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Freistellung/Erstattung hinsichtlich vorgerichtlichen Anwaltshonorars einschließlich Zinsen.
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III. Auf Anträge gem §§ 432, 428, 142 ZPO war nicht einzugehen, da für die Entscheidung ohne Bedeutung.
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IV. Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO
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V. Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung.