Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 01.07.2022 – 3 U 2928/22
Titel:

Zurückweisung der Berufung

Normenketten:
BGB § 464 Abs. 1 S. 1
ZPO § 286
Leitsatz:
Die Klagepartei ist für sämtliche Umstände, welche die Voraussetzungen des Vorkaufsrechtes betrifft, darlegungs- und beweispflichtig, dies gilt somit auch für den Zugang der Ausübungserklärung. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zugang, Vorkaufsrecht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 05.05.2022 – 31 O 15297/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 13.09.2022 – 3 U 2928/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.2023 – V ZR 203/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49764

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.05.2022, Az. 31 O 15297/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.08.2022.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Ausübung eines Vorkaufsrechts für das Anwesen W.-H.-W., … M.
2
Der Kläger ist Erbbauberechtigter und Vorkaufsberechtigter an dem oben genannten Grundstück (vgl. Anlage K1), welches im Grundbuch eingetragen war (Anlage K2). Das Vorkaufsrecht besteht für jeden Verkaufsfall zugunsten des jeweils Erbbauberechtigten und war befristet bis zum 30.11.2021. Das Grundstück stand vormals im Eigentum einer Eigentümergemeinschaft, durch welche ein Teilungsversteigerungsverfahren an diesem Grundstück durchgeführt wurde (AG München, Az.: 1510 K 135/19).
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In dieser Teilungsversteigerung gaben die Beklagten am 28.07.2021 das Meistgebot von 300.000,00 € ab.
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Mit Schreiben vom 29.07.2021 wandte sich der Kläger an die Beklagten und schlug eine Abtretung des Zuschlags für das Grundstück vor. Zugleich wurde eine Ausübung des Vorkaufsrechts angekündigt. Die Beklagten gingen auf dieses Angebot nicht ein. Am 03.08.2021 erhielten die Beklagten den Zuschlag für das Meistgebot (Anlagen K4, K5).
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Mit Schreiben vom 19.08.2021 (Anlage K6) übte der Kläger sein Vorkaufsrecht gegenüber den Beklagten (Anlage K6) aus. Diese widersprachen dem Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 19.08.2021.
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Mit erhobener Klage vom 17.11.2021 begehrt der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Erklärung der Auflassung sowie die Eintragung des Eigentumsübergangs.
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Der Kläger trägt vor, dass er das Vorkaufsrecht auch gegenüber den vormaligen Eigentümern ausgeübt habe (vgl. Anlage K8, K 15).
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Die Beklagten tragen vor, dass das Vorkaufsrecht gegenüber dem Verpflichteten zu erklären sei, also gegenüber sämtlichen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft. Der Zugang der seitens des Klägers angeführten Schreiben bei den Voreigentümern wurde durch diese als Streitverkündete bestritten.
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Das Landgericht München I wies mit oben genannten Endurteil die Klage ab und führte aus, dass das Vorkaufsrecht gegenüber den Verpflichteten, also den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft auszuüben war. Ein Zugang gegenüber sämtlichen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft sei nicht nachgewiesen. Dieses Endurteil wurde dem Kläger am 05.05.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 16.05.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, liegt der Kläger gegen dieses Endurteil Berufung ein, welche mit Schriftsatz vom 27 6. 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet wurde. Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Ziel weiter.
II.
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Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Das Urteil des Landgerichts München I vom 05.05.2022 begegnet aus Sicht des Senats keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich dabei nach § 529 ZPO, demnach sind die vom Gericht der I. Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die Klageabweisung werden keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen im Sinne des § 529 ZPO vorgetragen. Zur Überzeugung des Senats hat das Erstgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Zu den Angriffen der Berufung im Einzelnen:
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1. Der Senat kann, genauso wie das Erstgericht, für seine Entscheidung offen lassen, ob das Vorkaufsrecht auch den Fall der Teilungsversteigerung erfasst (vgl. Kasperczak, NotBZ 2019, 325). Jedenfalls muss die Ausübung des Vorkaufsrechtes gegenüber den Verpflichteten, hier also den Miteigentümern erfolgen, § 464 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine abweichende Meinung für den Fall der Teilungsversteigerung, welche eine Ausübung auch gegenüber dem Erwerber, hier den Beklagten zulässt, ist dem Senat nicht bekannt, die Berufung nennt auch keine Fundstellen abweichender Ansichten (vgl. insgesamt Staudinger/Schermaier, BGB, § 464 Rn. 1; BeckOGK/Daum, BGB, § 464 Rn. 7; MüKoBGB/Westermann, BGB, § 464 Rn. 2). Bestätigt wird dies für den Fall des dinglichen Vorkaufsrechts auch durch die Vorschrift des § 1099 Abs. 2 BGB, welche dem Verpflichteten eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Käufer des Grundstücks auferlegt. Diese macht jedoch nur dann Sinn, wenn die Ausübung gegenüber den Verpflichteten und nicht gegenüber dem Käufer zu erklären ist. Eine Abweichung vom Gesetzeswortlaut für den Zweck der Teilungsversteigerung vertritt der Senat nicht. Entgegen der Ausführungen der Berufungsbegründung ist der Vorkaufsberechtigte durch die dingliche Sicherung des § 1098 Abs. 2 BGB ausreichend geschützt, der von der Berufungsbegründungen angeführte Grund, dass nur der Ersteher das Eigentum an der Immobilie dem Vorkaufsberechtigten verschaffen kann, ist in jeder Konstellation eines schuldrechtlichen Vorkaufsrechtes der Fall, eine Besonderheit besteht daher bei der Teilungsversteigerung nicht. Auch ist der Vorkaufsberechtigte ausreichend geschützt, da die Verpflichteten im hier vorliegenden Fall aus dem Grundbuch ersichtlich sind, er somit weiß, wem gegenüber er die Erklärung abzugeben hat. Damit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung, dass der Kläger die Erklärung der Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber den Verpflichteten, hier also den Miteigentümern, abzugeben hat.
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2. Das Bestreiten des Zugangs der Ausübungserklärung gegenüber den Verpflichteten erfolgte ordnungsgemäß. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand des angegriffenen Urteils die Ausübung gegenüber den Verpflichteten als streitigen Sachvortrag des Klägers schildert (UA S. 2), der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO an dies gebunden ist, da ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung durch den Kläger nicht erfolgte. Darüber hinaus konnten die Beklagten den Zugang der Erklärung wirksam bestreiten, dies erfolgte im Schriftsatz vom 22.02.2022, Seite 2 (Bl. 20 d.A.). Die Beklagten konnten über den Zugang einer Ausübungserklärung bei den Verpflichteten keine Kenntnis haben, ein bestreiten mit Nichtwissen war daher zulässig. Dass die vormaligen Eigentümer selbst den Zugang nicht bestritten haben, ist unerheblich, da den Beklagten ein solches möglich ist.
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3. Die Beweislast für den Zugang der Erklärung bei den Verpflichteten liegt bei der Klagepartei. Die Klagepartei ist für sämtliche Umstände, welche die Voraussetzungen des Vorkaufsrechtes betrifft, darlegungs- und beweispflichtig, dies gilt somit auch für den Zugang der Ausübungserklärung. Diesen Beweis hat die Klagepartei nicht geführt. Der Kläger trug erstinstanzlich vor, dass gegenüber sämtlichen Verpflichteten ein Schreiben (vgl. Anlage K 15) gefertigt wurde und dieses versandt. Zum Beweis benannte der Kläger zwei Zeugen, die bei der Kuvertierung und Einlieferung der Schreiben anwesend waren. Weiteren wurden mit Anlage K8 Ablichtung der Einlieferungsbelege vorgelegt. Das Landgericht hat in seinen Endurteil zurecht angenommen, dass damit der Zugang der Schreiben nicht bewiesen ist. Der Kläger hat erstinstanzlich nur Beweis dafür angeboten, dass das Schreiben mit dem entsprechenden Inhalt kuvertiert wurde und diese Schreiben sodann bei der Post eingeliefert wurde. Ein Beweis dafür, dass die Schreiben auch bei dem Adressaten eingegangen sind, liegt nicht vor und wurde nicht einmal vorgetragen.
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4. In 2. Instanz legt der Kläger mit der Berufungsbegründung nunmehr erstmalig Statusberichte von Sendungen vor, aus denen sich ergeben soll, dass diese zugestellt worden sein sollen (Anlage K 19). Unabhängig von der Frage, ob dieser Vortrag verspätet im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist, kann aus diesen ein Zugang der Ausübungserklärung nicht angenommen werden. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist gegenüber jedem Verpflichteten, hier also gegenüber jedem Miteigentümer zu erklären. Ausweislich Anlage K2, Grundbuchauszug, bestand die Miteigentümergemeinschaft aus 14 Mitgliedern, es ist also erforderlich, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber all diesen 14 Verpflichteten erfolgte. Die vorgelegten Statusberichte geben jedoch nur den Zugang gegenüber 11 Verpflichteten wieder, so fehlt ein Zustellungsnachweis gegenüber T. W., A. M. und H. G. Damit ist ein Nachweis der Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber allen Verpflichteten nicht erfolgt. Der Umstand, dass sich mehrere Miteigentümer an den Kläger gewandt haben, ist kein Nachweis dafür, dass die Ausübung des Vorkaufsrechtes bei allen Verpflichteten eingegangen ist. Der Kläger selbst trägt ein Schreiben der oben genannten drei Verpflichteten an ihn, aus welchen sich ergeben könnte, dass dieser das Ausübungsschreiben erhalten haben, nicht vor.
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5. Bereits jetzt weist der Senat darauf hin, dass die Vorlage der Statusmeldungen (Anlage K 19) wohl verspätet im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist. Entgegen der Ansicht der Berufung hätte es eines Hinweises des Landgerichtes nicht bedurft. Die Beklagten wiesen bereits mit der Klageerwiderung (Bl. 20 d.A.) darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Ausübung des Vorkaufsrechtes bei dem Kläger liege. Dieser Hinweis auf die Rechtslage wurde von dem Kläger auch zur Kenntnis genommen und aufgegriffen, da mit Schriftsatz vom 17.03.2022 (Bl. 31 f. d.A.) zur Ausübung des Vorkaufsrechts auch gegenüber den Verpflichteten vorgetragen wurde. Insbesondere nahm der Kläger dabei zur Versendung der Schreiben Stellung, eines nochmaligen Hinweises durch das Landgericht bedurfte es daher nicht.
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6. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die vormaligen Eigentümer eine Erbengemeinschaft bilden und innerhalb der Erbengemeinschaft eine Vertretung gemäß § 2038 BGB möglich ist. Dies folgt zum einen daraus, dass es sich jedenfalls bei der Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht um eine notwendige Maßnahme im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB handelt, darüber hinaus und entscheidend waren vormalige Eigentümer des Grundstückes nicht die Erbengemeinschaft, sondern eine Miteigentümergemeinschaft. Auf eine Vertretung innerhalb dieser beruft sich der Kläger jedoch nicht, eine solche ist auch nicht ersichtlich. Es ist zwischen der Erbengemeinschaft und der Miteigentümergemeinschaft zu trennen, eine behauptete Vertretung innerhalb der Erbengemeinschaft wirkt nicht zugleich für die Miteigentümergemeinschaft.
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7. Auch der Umstand, dass die Beklagten über das Bestehen und die Ausübung des Vorkaufsrechts informiert waren, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Gesetz geht in § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB gerade davon aus, dass der Käufer als Dritter informiert wird, ohne dass die Kenntnis etwas an der Ausübung des Vorkaufsrechts ändert.
III.
19
Der Klagepartei wird auferlegt, binnen der oben gesetzten Frist zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen. Die Rechtsmittelrücknahme wird ausdrücklich angeregt, auf die in diesem Fall eintretende Gebührenermäßigung von 4,0 auf 2,0 wird ausdrücklich hingewiesen.