Titel:
Leistungen, Vergabeverfahren, Versicherungsschutz, Bewerber, Bieter, Gemeinde, Vorhaben, Vergabeunterlagen, Mitgliedstaat, Frist, Leistungsphase, Vergabekammer, Angebotsabgabe, Versicherungsschein, Kosten des Verfahrens, Art und Weise, zweckentsprechende Rechtsverfolgung
Normenketten:
GWB § 127 Abs. 1
VgV § 60
VgV § 76 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bietet ein Architekturbüro eine nach den Vergabeunterlagen zu erbringende Leistungsphase mit einem Honoraranteil von 0% an, lässt sich allein daraus noch nicht schließen, dass sein Angebot die Erbringung der jeweiligen Leistungsphase nicht enthält, da auch ein Verständnis des Angebots dahingehend möglich ist, dass die Leistungsphase unentgeltlich erbracht werden soll.
2. Erklärt das Architekturbüro allerdings im Rahmen der Preisaufklärung nach § 60 VgV die geforderte Leistungsphase gar nicht erbringen zu wollen, ist das Angebot wegen Änderung nach Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV bzw. als nicht zugelassenes Nebenangebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 6 VgV zwingend auszuschließen.
3. Auch ein Architekturbüro das die Vorplanung für die streitgegenständliche Planungsleistung für einen anderen Auftraggeber erbracht hat, kann als vorbefasstes Unternehmen i.S.d. § 7 Abs. 1 VgV anzusehen sein.
4. Bei einer Preisbewertungsmethode wie einer Interpolation, bei der die Bewertung in Abhängigkeit zu anderen Angeboten erfolgt, dürfen zwingend auszuschließende Angebote keinesfalls in der Berechnung verbleiben, weil sie die Reihenfolge der wertbaren Angebote verändern können.
5. Die Wahl einer Bewertungsmethode des Preises, bei der bereits relativ kleine Preisabstände zu großen Unterschieden in der Punktbewertung führen können (0 Punkte für ein Angebot das 25% oder mehr über dem niedrigsten Angebot liegt), kann jedenfalls im Falle eines preislichen „Ausreißers nach unten“ mit dem Gebot des Leistungswettbewerbs nach § 76 Abs. 1 Satz 1 VgV unvereinbar sein, da in diesem Fall der Wettbewerb nicht mehr anhand der Leistungsbewertung, sondern im Wesentlichen über den Preis entschieden wird.
Schlagworte:
Leistungen, Vergabeverfahren, Versicherungsschutz, Bewerber, Bieter, Gemeinde, Vorhaben, Vergabeunterlagen, Mitgliedstaat, Frist, Leistungsphase, Vergabekammer, Angebotsabgabe, Versicherungsschein, Kosten des Verfahrens, Art und Weise, zweckentsprechende Rechtsverfolgung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49640
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragsgegnerin hat die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.
2. Die Antragsgegnerinträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen derAntragstellerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Die Antragsgegnerin ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom21.02.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 25.02.2022 unter Nr. 2022/S …, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über die Objektplanung Gebäude und Innenräume sowie Freianlagenplanung des Neubaus einer Kindertagesstätte im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus.
2
Nach Abschnitt II.2.4 der Bekanntmachung war das Vorhaben wie folgt beschrieben:
„Die Gemeinde I… beabsichtigt den Neubau einer 6-gruppigen Kindertagesstätte – bestehend aus Krippe und Kindergarten – auf dem Grundstück des bestehenden Kindergartens St. T… […] Nach derzeitiger Kostenschätzung belaufen sich die Gesamtkosten (KG 300-700) auf … EUR (brutto). Für den Neubau der Kindertagesstätte ist eine Teilfläche auf dem Grundstück Flurnummer 142/4 vorgesehen, die der Gemeinde voraussichtlich auf Grundlage eines Erbbaurechtsvertrages zu Verfügung stehen wird. Das Grundstück Flurnummer 142/4 steht im Eigentum der Katholischen Kirchenstiftung I… Bauherr ist die Gemeinde I… Vergeben werden im Wege der stufenweisen Beauftragung die Grundleistungen der Leistungsphasen 2 – 9 für die Objektplanung Gebäude und Innenräume gemäß § 34 Abs. 3 HOAI 2021, Teil 3 Abschnitt 1, sowie die besondere Leistung der Mitwirkung bei der Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln (inklusive Verwendungsnachweis) als auch die Überwachung der Mängelbeseitigung innerhalb der Verjährungsfrist.
Stufe 1: Lph. 2 (gekürzt auf 5% Pkt.), 3 und 4 (Nachdem die Grundlagenermittlung sowie Teile der Vorplanung bereits vorliegen und mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt werden, wird die Lph. 2 nur anteilig mit 5% Pkt. in Auftrag gegeben.)
3
In Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der Zuschlagskriterien auf die Beschaffungsunterlagen verwiesen. Unter II.2.9) der Bekanntmachung hieß es zur Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden:
„Geplante Anzahl der Bewerber: 3
Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern: […]
1.1) Gesamtumsatz (netto) […] Gewichtung: 5%
1.2) spezifischer Umsatz (netto) […] Gewichtung: 10%
1.3) Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung: Berufshaftpflichtversicherung im Auftragsfall mit folgenden Deckungssummen […] Personenschäden: min. 2,0 Mio. EUR; sonstige Schäden: min. 1,5 Mio. EUR; Die Maximierung der Ersatzleistung pro Versicherungsjahr beträgt mindestens das Zweifache der Deckungssumme. […]
2.1.) Personalbedarf/Bürokapazität (Gewichtung 10%)
2.2.) Referenzen (Gewichtung 75%)
4
Nach Abschnitt II.2.10) der Bekanntmachung waren Varianten/Alternativangebote nicht zulässig. Unter den zusätzlichen Angaben in Abschnitt II.2.14) war Folgendes geregelt:
„In der oben genannten Vertragslaufzeit ist auch die Lph. 9 enthalten. Vorgesehener Termin für die Fertigstellung des Bauvorhabens ist Ende 2023 (Lph. 8). Die Grundlagenermittlung und Vorplanung (anteilig) wird den Bewerbern im vorhandenen Umfang mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt.“
5
Abschnitt III.1.2) der Bekanntmachung enthielt in Bezug auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit unter anderem folgende Festlegung:
„[…]- Berufshaftpflichtversicherung des Auftragnehmers / der ARGE bei einem, in einem Mitgliedsstaat der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassenen Versicherungsunternehmens oder Kreditversicherers, mit einer Deckungssumme von mind. 2 Mio. EUR für Personenschäden und von mind. 1,5 Mio. EUR für sonstige Schäden. Sie/Er hat zu gewährleisten, dass zur Deckung eines Schadens aus dem Vertrag Versicherungsschutz in Höhe der genannten Deckungssummen besteht. In jedem Fall muss die Maximierung der Ersatzleistung pro Versicherungsjahr mindestens das Zweifache der Deckungssumme betragen. Die Deckung muss über die gesamte Vertragslaufzeit uneingeschränkt erhalten bleiben. Bei einer ARGE muss der Versicherungsschutz auf die ARGE ausgestellt sein. Alternativ kann eine gleichlautende Versicherungsbestätigung ALLER ARGE-Mitglieder vorliegen (Mindestsummen sind von jedem ARGE-Mitglied vorzuweisen), wenn in der jeweiligen Bescheinigung der Passus enthalten ist, dass auch die Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften sowie das in diesem Zusammenhang bestehende Risiko aus der gesamtschuldnerischen Haftung und dem Insolvenzrisiko eines ARGE-Partners mitversichert ist. Eigenerklärungen diesbezüglich sind vorläufig ausreichend. Bei Erteilung des Auftrags muss der gültige Versicherungsschein nachgereicht werden.“
6
Als Verfahrensart war unter Abschnitt IV.1.1) der Bekanntmachung das Verhandlungsverfahren angegeben und unter IV.1.5) der Bekanntmachung behielt sich der Auftraggeber das Recht vor, den Auftrag auf der Grundlage der ursprünglichen Angebote zu vergeben, ohne Verhandlungen durchzuführen.
7
Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem ein Dokument mit dem Titel „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“. In diesem war unter Ziffer 1) „Teilnahmeantrag“ folgender Text enthalten:
„Hiermit bewerbe(n) ich/wir mich/uns um die Teilnahme am Wettbewerb zur Aufforderung zur Verhandlung der oben bezeichneten Leistung. Die mit dem Teilnahmeantrag vorzulegenden Unterlagen sind als Anlagen beigefügt. Ich/Wir erkläre(n), dass mir/uns zugegangene Änderungen der Unterlagen zum Teilnahmewettbewerb Gegenstand meines/unseres Angebotes sind.
Ich bin mir bewusst, dass eine wissentlich falsche Erklärung den Ausschluss von diesem und von weiteren Verhandlungsverfahren zur Folge haben kann.
Ich / Wir erkläre(n) die Richtigkeit und Vollständigkeit aller meiner/unserer Angaben. Im Fall der Auswahl werde(n) ich/wir verbindlich am Verhandlungsverfahren teilnehmen. Es liegen keine Mehrfachbewerbungen vor.“
8
Darunter waren in einem Kasten die blau hinterlegten Felder „Ort/Datum“ und „Unterschrift Aussteller (bei ARGE federführendes Büro)“ auszufüllen.
9
Unter Ziffer 3.3 „Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung“ waren Angaben zur Versicherungssumme für Personenschäden, sonstige Schäden und Maximierung zu machen. Darunter konnten folgende Angaben mit jeweils ja oder nein gemacht werden:
„Ich/Wir habe(n) eine Berufshaftpflichtversicherung mit vorstehenden Deckungssummen und Maximierung bei einem Mitgliedstaat der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum zugelassenen Versicherungsunternehmen.
Ich/Wir versichern, im Auftragsfall eine Berufshaftpflichtversicherung entsprechend den Forderungen in der Bekanntmachung nachzuweisen. Die Deckung wird über die gesamte Vertragslaufzeit uneingeschränkt erhalten.
Ich/Wir werde/n auf Verlangen der Vergabestelle innerhalb der gesetzten Frist (Mindestlänge der Frist: 3 Arbeitstage) den erforderlichen Nachweis der Berufshaftpflichtversicherung Deckung oder eine Erklärung des Versicherungsunternehmens, mit der diese den Abschluss der geforderten Haftpflichtleistungen und Deckungsnachweise im Auftragsfall zusichert, vorlegen“
10
Unter Ziffer 10 „Nichtvorliegen von Ausschlussgründen“ befand sich eine weitere Zeile mit „Ort/Datum“ und „Aussteller bzw. Unterschrift“.
11
Bestandteil der Vergabeunterlagen war weiterhin ein Dokument mit dem Titel „Anschreiben mit Aufgabenbeschreibung“. Hier war der Versicherungsnachweis mit den bereits in der Bekanntmachung enthalten Anforderungen zur Versicherungssumme, für Personenschäden und sonstige Schäden sowie zur Maximierung unter Ziffer 6 „Formelle Anforderungen“ aufgeführt, während die sonstigen Anforderungen an die Eignung unter Ziffer 7 benannt wurden. Zu den Eignungsanforderungen waren ihre Gewichtung, detaillierte Regelungen zur Bewertung der einzelnen Anforderungen bei der Bieterauswahl sowie die Voraussetzungen für die Höchstpunktzahl angegeben.
12
Unter Ziffer 8 waren als Zuschlagskriterien angegeben das Kriterium „Leistungskriterien (Fragenkatalog)“ mit einer Gewichtung von 75 und einer maximalen Punktzahl von 375 und das Kriterium „Honorar“ mit einer Gewichtung von 25 und einer maximalen Punktzahl von 125.
13
Die Gewichtungen der Kriterien in der Gesamtbewertung waren wie folgt angegeben:
„Auftragsbezogenes Organisationskonzept 5
Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter 10
Auftragsbezogenes Konzept zum Ablauf der Planungsphase 30
Auftragsbezogenes Konzept zum Ablauf der Baudurchführungsphase 30
14
Die Leistungskriterien sollten mit einer Punkteskala von 0 bis 5 Punkten bewertet werden.
15
Zur Bewertung des Honorars war Folgendes geregelt:
„Das Honorar wird rechnerisch durch lineare Interpolation vom niedrigsten Angebot ausgehend bewertet. Das Honorar zwischen zwei Punkten wird linear interpoliert und auf zwei Kommastellen gerundet.
Punkte
|
Erläuterung
|
5
|
Niedrigstes Angebot
|
4
|
5,00% oder mehr über dem niedrigsten Angebot
|
3
|
10,00% oder mehr über dem niedrigsten Angebot
|
2
|
15,00% oder mehr über dem niedrigsten Angebot
|
1
|
20,00% oder mehr über dem niedrigsten Angebot
|
0
|
25,00% oder mehr über dem niedrigsten Angebot
|
16
Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene reichten innerhalb der auf den 24.03.2022 festgesetzten Teilnahmefrist einen Teilnahmeantrag ein.
17
Der Teilnahmeantrag der Beigeladenen war in keiner der dafür vorgesehen Zeilen in Ziffer 1 und in Ziffer 10 unterzeichnet. Beide Felder waren leer. Unter Ziffer 3.3 „Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung“ gab die Beigeladene eine Versicherungssumme für sonstige Schäden an, die deutlich unter den in der Bekanntmachung genannten mind. 1,5 Mio. EUR für sonstige Schäden lag. Weiterhin gab sie eine dreifache Maximierung an und erklärte, eine Berufshaftpflichtversicherung mit vorstehenden Deckungssummen und Maximierung bei einem Mitgliedstaat der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum zugelassenen Versicherungsunternehmen zu haben. Weiterhin versicherte sie, im Auftragsfall eine Berufshaftpflichtversicherung entsprechend den Forderungen in der Bekanntmachung nachzuweisen. Ihrem Teilnahmeantrag lag eine Versicherungsbestätigung bei, in dem ein europäisches Versicherungsunternehmen bestätigte, der Beigeladenen die in der Bekanntmachung genannten Deckungssummen zur Verfügung stellen zu wollen, allerdings einfach maximiert.
18
Mit Informationsschreiben vom 13.04.2022 setzte die Antragsgegnerin die Beigeladene über den Ausschluss ihres Teilnahmeantrags aus formalen Gründen gem. § 57 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1 VgV in Kenntnis. Die Anforderungen an die Textform gemäß § 53 Abs. 1 VgV i.V.m. § 126b BGB seien nicht gewahrt wegen fehlender Angabe der Person des Erklärenden. Insbesondere fehle es unter Ziffer 1 des Teilnahmeantrags an einer auslegungsfähigen Erklärung in Bezug auf die Absicht zur Teilnahme am vorliegenden Verfahren. Ein Nachfordern sei in Bezug auf die Einhaltung der Formvorschriften nicht möglich.
19
Mit Schreiben vom 19.04.2022 rügte die Beigeladene diese Entscheidung und wies insbesondere darauf hin, dass Stufe 4 des Abgabe-Assistenten der Vergabeplattform die Signierung der zu übermittelnden Daten mit Namensangabe beinhalte. Aus diesem Grund sie die Textform gem. § 126b BGB sei gewahrt.
20
Am 26.04.2022 half die Antragsgegnerin der Rüge der Beigeladenen ab und nahm ihren Teilnahmeantrag wieder in die Bewertung auf. Gleichzeitig forderte sie die Beigeladene auf, die Erklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen (gemäß Ziff. 10. des Bewerbungsbogens) umgehend nachzureichen. Dem kam die Beigeladene fristgerecht nach. Mit Schreiben vom 29.04.2022 forderte die Antragsgegnerin drei Bewerber, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene zur Abgabe eines Erstangebots auf.
21
Am 10.05.2022 sagte der dritte aufgeforderte Bieter seine Teilnahme am Verhandlungsverfahren ab, worauf die Antragsgegnerin am 11.05.2022 einen weiteren Bewerber als „Nachrücker“ zur Abgabe eines Erstangebots aufforderte.
22
Zum Ende der Angebotsfrist am 07.06.2022, 12:00 Uhr, lagen drei Angebote vor, darunter diejenigen der Antragstellerin und der Beigeladenen. Das Angebot der Beigeladenen war mit deutlichem Preisabstand das preisgünstigste der eingereichten Angebote.
23
Mit Aufklärungsschreiben vom 04.07.2022 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zur Erläuterung ihrer kalkulatorischen Erwägungen zum angebotenen Preis für die Leistungsphasen 2 und 9 in beiden Leistungsbildern in Höhe von jeweils 0% und zum angebotenen Nachlass auf die Gesamtvergütung auf.
24
Die Beigeladene erklärte hierauf am 07.07.2022, dass sie bereits mit Planungsleistungen der Leistungsphasen 1 und 2 für das Vorhaben von der Diözese R… beauftragt worden sei. Die gegenständlichen Leistungen seien erbracht und dem Bauherrn in Papierform zur Verfügung gestellt worden. Der angebotene Preis für Leistungsphase 9 rechtfertige sich daraus, dass die Objektbetreuung auch von Bauherrenseite übernommen werden könne, was bei kommunalen Bauherren gängige Praxis sei. Das Objekt werde mit Abnahme der Gewerke, Überwachung der Mängelbeseitigung und Beginn der Gewährleistung übergeben. Bei Bedarf könne ein Architekt für die Leistungsphase 9 zugezogen werden. Hinsichtlich des angebotenen Nachlasses erläuterte die Beigeladene, dass die Honorare nach der HOAI seit dem 01.01.2021 frei verhandelbar seien und sich der Nachlass aus optimierten Arbeitsabläufen und einer Zeitersparnis aus näher genannten Einzelaspekten ergebe.
25
Am 15.07.2022 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin nach § 134 GWB, dass sie beabsichtige, den Zuschlag am 06.07.2022 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Sie teilte der Antragstellerin die Bewertung des Fragenkatalogs mit und dass bei der Beantwortung mehrere Defizite festgestellt worden seien. Der Angebotspreis der Antragstellerin sei gegenüber dem Angebot des Bestbieters deutlich erhöht. Gemäß § 17 Abs. 11 VgV werde der Auftrag auf Grundlage der Erstangebote vergeben.
26
Mit Schreiben vom 20.07.2022 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig. Sie führte u.a. aus, dass Verstöße gegen das vergaberechtliche Gleichbehandlungsprinzip vorlägen. Die Planungsergebnisse der Leistungsphasen 1 und 2, die nicht bzw. nur anteilig Gegenstand des ausgeschriebenen Auftrags seien, hätten in das streitgegenständliche Vergabeverfahren eingeführt werden müssen. Die Antragstellerin habe Grund zur Annahme, dass diese Vorleistungen von der Beigeladenen erbracht worden seien. Vor diesem Hintergrund hätte die Gemeinde im Vergabeverfahren sicherstellen müssen, dass andere Wettbewerber, die sich neben der Beigeladenen am Vergabeverfahren beteiligen, zumindest die Chance haben, bei der Angebotsabgabe auf den gleichen Informations- und Wissensstand zurückgreifen zu können. Dazu hätten sämtliche Informationen und Arbeitsergebnisse des vorbefassten Bieters gegenüber den anderen Wettbewerbern aktiv offengelegt werden müssen. Die vorgegebene rechnerische Bewertung des Honorarangebotes führe zu einer vergaberechtswidrigen Ungleichbehandlung. Die gewählte Methode zur Bewertung des Honorars würde Bieter, die nicht das günstigste Honorarangebote abgegeben haben, in unangemessener und unverhältnismäßiger Art und Weise benachteiligen. Eine Aufklärung des Unterkostenangebots der Beigeladenen nach § 60 VgV sei entweder nicht erfolgt oder die Beigeladene habe kalkulatorische Vorteile aus ihrer Vorbefasstheit. Die nichtpreislichen Zuschlagskriterien und das Benotungssystem seien zu unbestimmt, so dass die Bieter nicht in der Lage wären zu erahnen, welche genaue Erwartungshaltung die Antragsgegnerin damit verbindet. Aus diesem Grund seien die unterschiedlichen konzeptionellen Darstellungen der Bieter nicht vergleichbar. Auch sei die Bewertung des Angebots der Antragstellerin in den nichtpreislichen Kriterien nicht nachvollziehbar. Der Auftraggeber habe Bietergespräche geführt, obwohl die Wertung auf Basis der Erstangebote erfolgt sei, und die Nichtausweisung des Honorars für besondere Leistungen verstoße gegen das Transparenzprinzip.
27
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.07.2022 half die Antragsgegnerin den Rügen nicht ab. Leistungen der Leistungsphasen 1 und 2, soweit sie nicht Gegenstand hiesigen Verfahrens sind, seien zuvor durch die Beigeladene erbracht worden; sämtliche der Antragsgegnerin vorliegenden Planungsergebnisse seien im Rahmen des Verfahrens veröffentlicht worden; darüberhinausgehende besondere Kenntnisse bestünden nicht. Die Beigeladene sei auch nicht an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens beteiligt gewesen. Die Rügen bzgl. der Zuschlagskriterien, der zugrundeliegenden Bewertungsgrundlagen und der Gewichtung seien präkludiert. Ungeachtet dessen bewege sich die Ausgestaltung innerhalb des Ermessensspielraums der Antragsgegnerin und entspräche den Anforderungen der vergaberechtlichen Rechtsprechung. Eine Aufklärung der Preise im Sinne des § 60 VgV sei im Vorfeld der Zuschlagsentscheidung erfolgt und habe zur Überzeugung der Vergabestelle eine Auskömmlichkeit des Angebotspreises der Beigeladenen ergeben. Die Gründe für Wertung des Angebots seien umfassend dokumentiert und der Antragstellerin überlassen worden. Sie seien und ohne Weiteres nachvollziehbar. Bietergespräche seien nicht geführt worden. Ausweislich der Antwort auf die entsprechende Bieterfrage sei das Honorar für die abgefragten besonderen Leistungen im Rahmen der Zusammenstellung des Honorars in die dortige Ziff. 1 – Summe der Grundleistungen Leistungsbild Gebäude und Innenräume – mit einzurechnen gewesen.
28
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 25.07.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
29
Die Antragstellerin beantragt
1. Es wird ein Nachprüfungsverfahren gem. § 160 Abs. 1 GWB wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften bei dem Verfahren der Antragsgegnerin zur Vergabe des Auftrags mit der Auftragsbekanntmachungsnr. 2022/S … eingeleitet.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Verfahren unter Beseitigung der Vergabeverstöße zurückzuversetzen und es bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nach der Rechtsauffassung der Vergabekammer weiterzuführen.
3. Der Antragstellerin wird Akteneinsicht gewährt.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
5. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten der Antragstellerin auferlegt.
30
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Es liege ein Verstoß gegen das vergaberechtliche Gleichbehandlungsprinzip vor. Die Grundleistungen der HOAI-Leistungsphasen 1 und 2 seien nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen und auch nicht in das Vergabeverfahren eingeführt worden, obwohl sie der Antragsgegnerin vorliegen müssten. Diese Leistungen seien nach Auskunft der Antragsgegnerin von der Beigeladenen erbracht worden, wodurch diese besondere Kenntnisse über die Maßnahme gehabt hätte. Die Antragsgegnerin hätte daher sicherstellen müssen, dass andere Bewerber zumindest die Möglichkeit gehabt hätten, auf den gleichen Informations- und Wissensstand zurückzugreifen. Eine Pflicht zur Offenlegung habe insbesondere hinsichtlich der Vorentwurfsplanung bestanden, die der Antragstellerin aber vorenthalten worden sei. Zu beanstanden sei zudem, dass die rechnerische Bewertung des Honorarangebots zu einer Ungleichbehandlung führe, indem Bieter, die nicht das günstigste Angebot abgegeben hätten, durch die Abstufungen bei den Punktestufen und die rechnerisch nicht durchgängige Interpolation bei der Angebotswertung unangemessen und unverhältnismäßig benachteiligt würden. In diesem Zusammenhang sei auch die Höhe der Gewichtung des Honorarangebots mit 25% als zu niedrig zu beanstanden, da dadurch nicht gewährleistet werden könne, dass das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalte.
31
Die Antragsgegnerin habe auch gegen das Transparenzprinzip verstoßen. Da das Angebot der Beigeladenen mindestens 35% unter dem Angebot der Antragstellerin gelegen habe, hätte die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen gem. § 60 Abs. 1 VgV aufklären müssen. Dies habe die Antragsgegnerin entweder nicht hinreichend getan oder die Beigeladene habe aus ihrer vorbefassten Projektantentätigkeit besondere Informationen gehabt, durch die sie ihr Angebot anders kalkulieren konnte und durfte.
32
Die gewählten Zuschlagskriterien seien nicht zulässig, da sie viel zu wenig konkret formuliert worden seien, ohne dass die Bieter in der Lage wären zu erahnen, welche genaue Erwartungshaltung die Antragsgegnerin damit verbinde. Aus diesem Grund seien die unterschiedlichen konzeptionellen Darstellungen der Bieter nicht einmal im Ansatz vergleichbar. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass die Beigeladene aufgrund der dargestellten Vorbefassung mit dem konkreten Projekt oder dem Auftraggeber über besondere Kenntnisse und Informationen verfüge und diese – im Gegensatz zur Antragstellerin – bei den konzeptionellen Zuschlagskriterien habe einfließen lassen können, um im Wettbewerb eine bessere Bewertung zu erhalten. Dasselbe gelte für das Benotungssystem für die konzeptionellen Zuschlagskriterien (Punkte 0 bis 5), weil für den Bieter überhaupt nicht erkennbar sei, welche Defizite die Antragsgegnerin in welchem konkreten Umfang mit entsprechenden Abschlägen bei der Benotung bewerten würde. Die Benotung / Bepunktung sei für den Bieter nicht ansatzweise vorhersehbar und liege folglich in der willkürlichen Abschätzung des Auftraggebers und / oder seiner Berater.
33
Des Weiteren sei die bekannt gemachte Begründung zur Wertung der konzeptionellen Zuschlagskriterien nicht hinreichend konkret, so dass die Antragstellerin nicht erkennen könne, weshalb das Angebot mit Abschlägen bewertet wurde. Das widerspreche aber dem vergaberechtlichen Transparenzgebot, weil die Antragstellerin als Bieterin in die Lage versetzt werden müsse, genau nachvollziehen zu können, aus welchen konkreten Gründen die Darstellung gegenüber den konzeptionellen Überlegungen der Wettbewerber abgefallen sei und warum das Angebot im Hinblick auf jedes einzelne Unterkriterium mit Abschlägen bewertet wurde. Das lasse sich aus der übermittelten Begründung nicht ansatzweise erkennen. Hinzu komme, dass die Angebotsauswertung – wie schon die Auswertung der Teilnahmeanträge – ausweislich des Informationsschreibens nach § 134 GWB vom 15.07.2022 von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ausgeführt worden sei. Diese Vorgehensweise widerspreche den Vorgaben der vergaberechtlichen Rechtsprechung, nach der die in den einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens zu treffenden Entscheidungen vom Auftraggeber selbst getroffen werden müssen und nicht auf Dritte ausgelagert werden dürften, insbesondere wenn es – wie hier – um fachliche Fragen und Lösungen gehe, für deren Bewertung der Auftraggeber die erforderliche Expertise besitze.
34
Einen weiteren Verstoß gegen das Transparenzprinzip stelle die Nichtausweisung des Honorars für die besonderen Leistungen dar.
35
Mit Schriftsatz vom 11.08.2022 trug die Antragstellerin ergänzend zum Nachprüfungsantrag vor, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin am 02.08.2022 an einer nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung der Antragsgegnerin teilgenommen habe, um dort ein anderes Projekt vorzustellen. Im Anschluss daran habe die Antragstellerin im Gespräch mit Mitgliedern des Gemeinderats erfahren, dass die Beigeladene im Gemeinderat bereits eine Planung für die streitgegenständliche Kindertagesstätte vorgestellt habe einschließlich eines zeitlichen Ablaufplans. Dies deute nach Auffassung der Antragstellerin darauf hin, dass die Antragsgegnerin über weitere Planungsunterlagen verfüge, die weder in das Vergabeverfahren eingeführt noch den anderen Bietern zur Verfügung gestellt worden seien. Es werde daher in Frage gestellt, dass der Auftraggeber der bisher erbrachten Planungsleistungen das Bischöfliche Ordinariat R… oder die Katholische Kirchenstiftung I… gewesen sei. Dessen ungeachtet hätte die Antragsgegnerin entweder sicherstellen müssen, dass die im Gemeinderat vorgestellten Planunterlagen in das streitgegenständliche Vergabeverfahren eingebracht würden oder die Beigeladene aufgrund ihrer vorbefassten Projektantenstellung nicht am Vergabeverfahren hätte beteiligt werden dürfen. Die Einführung der Unterlagen sei schließlich auch deswegen zwingend erforderlich gewesen, um den zukünftigen Auftragnehmer vertraglich zu verpflichten, seinen vertraglich geschuldeten Leistungen die bisher erarbeiteten Planungsergebnisse zugrunde zu legen.
36
Mit Schriftsatz vom 18.08.2022 beantragte die Antragsgegnerin:
1. Der Nachprüfungsantrag vom 25.07.2022 wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin werden der Antragstellerin auferlegt.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.
37
Soweit die Antragstellerin mit Schreiben vom 20.07.2022 die rechnerische Bewertung des Honorarangebotes gerügt habe und darin eine vergaberechtswidrige Ungleichbehandlung sehen wolle, sei die Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB als verspätet zurückzuweisen. Es liege insoweit eine Rügepräklusion vor, so dass hierüber keine Entscheidung zu ergehen habe. Die Antragstellerin habe die angebliche Ungleichbehandlung aufgrund der rechnerischen Bewertung des Honorarangebotes erstmalig nach Angebotsabgabe mit Schreiben vom 20.07.2022 gerügt, obwohl die Zuschlagskriterien und die zugrundeliegenden Bewertungsgrundlagen bereits mit Bekanntmachung vom 21.02.2022 transparent veröffentlicht worden seien. Die Details zu Wertung und Zuschlag würden sich ferner aus den Vergabeunterlagen ergeben, so dass der geltend gemachte Verstoß bereits bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist hätte gerügt werden müssen, jedenfalls jedoch bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe. Beide Fristen seien zum Zeitpunkt der erstmaligen Rüge mit Schreiben vom 20.07.2022 längst verstrichen gewesen. Die Antragstellerin hätte bei sachgemäßer Auseinandersetzung mit den Vergabeunterlagen die für sie nach ihrer Auffassung nachteilige rechnerische Bewertung des Honorarangebotes erkennen und rechtlich einschätzen können. Gleiches gelte, soweit die Höhe der Gewichtung des Honorarangebotes mit 25% bemängelt werde.
38
Auch der behauptete Verstoß zu den Zuschlagskriterien, welche nach Auffassung der Antragstellerin „wenig konkret formuliert“ seien, so dass die Bieter nicht in der Lage wären zu erahnen, welche genaue Erwartungshaltung die Antragsgegnerin damit verbinde, sei präkludiert. Wenn nämlich die Antragstellerin gar nicht gewusst habe, worauf es der Antragsgegnerin im Rahmen der aufschlagsbezogenen Leistungskriterien angekommen sei, so wäre es ihr auch nicht möglich gewesen, ein entsprechendes Konzept anhand der vorgegebenen Unterkriterien zu erstellen. Die Zuschlagskriterien wären dann nach dem Vortrag der Antragstellerin erkennbar intransparent und liefen auf eine willkürliche Zuschlagserteilung hinaus. Eine entsprechende Schlussfolgerung sei der Antragstellerin bereits aufgrund der Vergabeunterlagen objektiv möglich gewesen und hätte daher einer frühzeitigen Rüge, längstens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe bedurft. Die Antragstellerin habe gleichwohl ein Konzept erstellt und fristgerecht vorgelegt, ohne die angebliche Vergaberechtswidrigkeit zuvor gerügt zu haben. Ebenso präkludiert sei der Einwand in Bezug auf das Benotungssystem für die konzeptionellen Zuschlagskriterien mit Bepunktung von 0 bis 5.
39
Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen unbegründet. Aus den Vergabeunterlagen ergebe sich, dass die Leistungsphase 2 als „teilweise erbracht“ ausgewiesen worden sei. Vor diesem Hintergrund seien im Honorarblatt die Objektplanungsleistungen für die Leistungsphase 2 mit „ca. 5 von 7%-Punkten“ angegeben worden. Aus den veröffentlichten Vergabeunterlagen sei auch transparent zu entnehmen, dass die Leistungen der Leistungsphase 1 sowie 2, soweit diese anteilig erbracht worden seien, zuvor durch die Beigeladene ausgeführt worden waren. Die entsprechenden Planungsunterlagen seien – soweit sie der Antragsgegnerin vorliegen – vollumfänglich mit Auftragsbekanntmachung veröffentlicht worden. Diese seien Gegenstand des Anlagenkonvolutes mit dem Dateinamen „06_Sonstige_Unterlagen.zip“. Bei diesen Unterlagen handle es sich um sämtliche Planungsunterlagen, die der Antragsgegnerin zum Auftragsgegenstand vorliegen. Weitergehende Unterlagen stünden der Antragsgegnerin zum Auftragsgegenstand nicht zur Verfügung. Somit sei der Einwand der Antragstellerin, es seien nicht sämtliche Planungsergebnisse in das Vergabeverfahren eingeführt worden, unzutreffend. Ein etwaiger Wissensvorsprung der Beigeladenen sei von der Antragsgegnerin – soweit möglich – vollumfänglich ausgeglichen worden. Die Tätigkeit der Beigeladenen sei mutmaßlich im Auftrag des Bistums R… erfolgt. Konkrete Kenntnisse zum Auftragsverhältnis und auch zum Auftragsumfang bestünden bei der Antragsgegnerin nicht. Es sei auch nicht bekannt, ob und wenn ja in welchem Umfang die Beigeladene für ihre Leistungen vergütet worden sei.
40
Die Antragsgegnerin habe sich keineswegs bereits auf eine bestimmte (Vor) Planung festgelegt. Dies hätte sie schon gar nicht gekonnt, da ihr diese Vorplanung nicht zur Verfügung gestanden habe. Das Verfahren sei insoweit offen gestaltet und auch in den veröffentlichen Vertragsunterlagen seien hierzu keinerlei Vorgaben enthalten im Hinblick auf die Fortführung erbrachter Planungsleistungen. Die Leistungsphase 2 sei auftragsgegenständlich; eine Vorplanung solle folglich gerade noch erbracht werden. Die Leistungsphase 2 sei nur mit ca. 2 von 7%-Punkten als erbracht berücksichtigt worden. Ein diskriminierendes Vorgehen sei der Antragsgegnerin daher nicht vorzuwerfen. Der Informations- und Wissenstand sei für alle Bieter gleichermaßen hergestellt worden.
41
Eine Ungleichbehandlung ergebe sich auch nicht aus der rechnerischen Bewertung des Honorarangebotes. Die Bewertung des preislichen Zuschlagskriteriums sei ausweislich der Vergabeunterlagen anhand einer Bepunktung erfolgt, wobei das niedrigste Angebot 5 Punkte erhält und die darunter liegenden Angebote jeweils in 5%-Schritten in der Bewertung abfallen. 0 Punkte erhielten Angebote, die 25% oder mehr über dem niedrigsten Angebot liegen. Das Honorar zwischen 2 Punkten werde durch lineare Interpolation auf 2 Kommastellen gerundet bewertet. Somit sei eine durchgängige Interpolation vorgesehen, welche nicht zu beanstanden sei. Nach der Rechtsprechung des BGH könne die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode vergaberechtlich nur beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erwiese. Solche besonderen Umstände trage die Antragstellerin nicht vor. Sie hätten gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB im Übrigen auch längstens bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden müssen.
42
Eine Aufklärung des Angebotes der Beigeladenen sei erfolgt. Die Beigeladene sei mit Schreiben vom 04.07.2022 unter Fristsetzung bis zum 08.07.2022 zur Aufklärung zu den einzelnen Kalkulationsgrundlagen sowie zu den geschäftlichen und kalkulatorischen Erwägungen des gewährten Nachlasses auf die Gesamt-Netto-Vergütung aufgefordert worden. Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 07.07.2022 und somit fristgerecht über die Vergabeplattform eine schriftliche Stellungnahme eingereicht, welche nach erfolgter Prüfung die kalkulatorischen Erwägungen, insbesondere zu dem gewährten Nachlass auf die Gesamt-Netto-Vergütung nachvollziehbar und zur Überzeugung der Antragsgegnerin erläutert habe. Auf dieser Grundlage bestünden aus Sicht der Antragsgegnerin keine Bedenken im Hinblick auf die Auskömmlichkeit und Wirtschaftlichkeit des Angebotspreises. Ebenso wenig bestünden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bieters sowie einer ordnungs- und vertragsgemäßen Auftragserfüllung. Die entsprechenden Erwägungen seien im Vergabevermerk umfassend dokumentiert.
43
Die Antragsgegnerin habe zum Zuschlagskriterium „Fragenkatalog mit Leistungskriterien“ die betreffenden Leistungskriterien mit jeweiligen Unterkriterien und dazugehöriger Bewertung transparent bekannt gemacht. Bei den jeweiligen auftragsbezogenen Kriterien seien Unterkriterien gebildet worden, aus denen sich mit hinreichender Konkretheit ableiten lasse, worauf es der Antragsgegnerin bei dem jeweiligen auftragsbezogenen Kriterium ankomme. Die insoweit aus Sicht der Antragsgegnerin bestehende Schwerpunktsetzung lasse sich aus dem ebenfalls transparent veröffentlichten Bewertungsmaßstab, welcher sich auch auf die jeweiligen Unterkriterien untergliedere, entnehmen. Somit sei auch die Schwerpunktsetzung transparent und nachvollziehbar.
44
Aus der vorgelegten Dokumentation der Entscheidung über die Bepunktung seien die Gründe für die jeweils vergebene Punktzahl im Detail ersichtlich und auch objektiv nachvollziehbar. Es sei transparent dokumentiert, aufgrund welcher Erwägungen die Antragsgegnerin das jeweilige Konzept mit den entsprechenden Wertungspunkten bewertet habe. Insbesondere seien auch die ausgemachten Defizite zu den jeweiligen Konzepten im Detail genannt, so dass auch erkennbar und nachvollziehbar sei, inwieweit diese in die Bewertung und das sich daraus ergebende Punkteschema eingeflossen seien. Aus der Dokumentation des Wertungsprozesses ergebe sich, dass die Konzepte der drei zugelassenen Bieter in der Bewertung sehr konsistent ausgefallen seien und im Bereich der Leistungskriterien nur sehr geringe Punktunterschiede zwischen 5 bis max. 15 Wertungspunkten bestünden. Somit seien die Konzepte der drei Bieter durchgängig gut bewertet worden und seien inhaltlich auch sehr gut vergleichbar. Den Ausschlag bei der Bewertung habe das Zuschlagskriterium Preis ergeben, welches aufgrund der Gewichtung mit 25% sodann zu dem Punkteabstand zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin geführt habe.
45
Es treffe zu, dass in dem veröffentlichen Dokument „Honorarblatt“ bei der Zusammenstellung der Honorare eine Zeile für die Zusammenstellung des Honorars für besondere Leistungen vergessen worden sei und somit gefehlt habe. Die Antragstellerin habe die Antragsgegnerin mit Bieterfrage vom 31.05.2022 darauf hingewiesen und angefragt, wo diese Angaben aufgeführt werden sollten. Am 01.06.2022 sei die Bieterfrage dahingehend beantwortet worden, dass das Honorar für die abgefragten Besonderen Leistungen im Rahmen der Zusammenstellung des Honorars in die dortige Zeile 1 – Summe der Grundleistungen Leistungsbild Gebäude und Innenräume – mit einzurechnen sei. Sämtliche Bieter, inkl. der Antragstellerin, hätten sodann dementsprechend verfahren. Das Versehen sei somit transparent und diskriminierungsfrei beseitigt worden, so dass sich ein etwaiger Verstoß jedenfalls nicht nachteilig für die Bieter ausgewirkt haben könne.
46
Mit Beschluss vom 25.08.2022 wurde die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin zum Verfahren beigeladen.
47
Mit Beschluss vom 27.10.2022 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Antragstellerin entsprechende Akteneinsicht gewährt.
48
Mit Schriftsatz vom 04.11.2022 äußerte sich die Antragstellerin zur gewährten Akteneinsicht. Die Antragsgegnerin habe die Beigeladene vergaberechtswidrig zur zweiten Verfahrensstufe zugelassen. Der Teilnahmeantrag der Beigeladenen sei gem. § 57 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 VgV wegen Nichteinhaltung der Textform auszuschließen. Dies ergebe sich aus der nunmehr vorgelegten Vergabeakte. Dort sei von dem zwischenzeitlichen Ausschluss des Teilnahmeantrags der Beigeladenen wegen Nichteinhaltung der Textform die Rede und davon, dass dieser nach Prüfung und Rücksprache mit der Vergabestelle doch zugelassen worden war.
49
Nach Kenntnis der Antragstellerin sei neben der Beigeladenen und der Antragstellerin ein weiterer Bieter an der Angebotsphase beteiligt worden, wobei dieser Bieter erst nachträglich, während der schon laufenden Angebotsphase als Ersatz für einen Bieter nachgeladen worden sei, der nach Zulassung zur Angebotsphase seinen Rückzug aus dem Verfahren erklärt habe. Dieser Umstand sei dem Geschäftsführer der Antragstellerin auf Nachfrage von Seiten der Antragsgegnerin zur Kenntnis gebracht worden, als sich die Antragstellerin nach dem Grund für die Verlängerung der Abgabefrist für die Erstangebote bis zum 07.06.2022 gemäß Nachricht vom 30.05.2022 erkundigt hatte. Die Nachladung des weiteren Bieters sei vergaberechtswidrig erfolgt. Die Antragsgegnerin sei nicht berechtigt, nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs, bei dem der Kreis der Bieter, die zur Angebotsphase zugelassen werden, abschließend und endgültig festgelegt wird, weitere Unternehmen zulassen. Durch die Nachladung habe die Antragsgegnerin gegen ihre eigene Vorgabe, höchstens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern verstoßen und das Transparenzgebot verletzt.
50
Die Antragsgegnerin habe das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Preise nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Die in der Vergabedokumentation abgebildete Begründung der Antragsgegnerin sei nicht tragfähig. Die dokumentierten Gründe für den „erheblichen Preisnachlass“ – optimierte Arbeitsabläufe auf Basis einschlägiger Erfahrungen und des Einsatzes „technischer Infrastruktur“ sowie Ortsnähe – könnten auch von der Antragstellerin wie auch ohne Weiteres von einer Reihe anderer Büros geltend gemacht werden. Die Antragstellerin verfüge ebenfalls über einschlägiges Know-How und die entsprechende Ortsnähe. Der gewährte Preisnachlass lasse sich mit den vorgetragenen Gründen nicht erklären.
51
Ausweislich der Vergabedokumentation habe die Antragsgegnerin bei der Wertung des Konzepts der Antragstellerin zum Ablauf der Planungsphase bei den Unterkriterien 2 bis 4 Punkteabschläge vorgenommen. Auch beim Konzept zum Ablauf der Baudurchführungsphase sei bei dem Unterkriterium 4 ein Abschlag vorgenommen worden. Diese Abschläge seien zu Unrecht erfolgt. Die diesbezüglichen Wertungsentscheidungen seien nicht plausibel begründet und unzureichend dokumentiert. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Darstellungen der Antragstellerin sei nicht erfolgt.
52
Darüber hinaus vertiefte die Antragstellerin ihre Ausführungen zur Unzulässigkeit der Honorarbewertungsmethode und rügt eine mangelhafte Dokumentation in Bezug auf die schon erbrachten Leistungen.
53
Mit Schriftsatz vom 16.11.2022 vertiefte die Antragsgegnerin ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend führte sie aus, dass es zutreffe, dass die Beigeladene zunächst aus formalen Gründen von der Wertung ausgeschlossen worden sei, da ihr Teilnahmeantrag vom 16.03.2022 keine Namensunterschrift enthalten habe. Gegen den Ausschluss habe sie sich mit Schreiben vom 14.04.2022 gewandt, wobei umfassend und zur Überzeugung der Vergabestelle die Identität der Person des Erklärenden im Sinne des § 126 b BGB dargelegt worden sei. Somit bestünden keine Zweifel, dass die mit Abgabe des Teilnahmeantrags über die Plattform DTVP abgegebene Erklärung der Beigeladenen im Sinne des § 126 b BGB rechtlich verbindlich gewesen sei und den Formvorgaben entsprochen habe. Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin habe sich in einem Telefonat mit dem Service- und Support-Center der Vergabeplattform DTVP über die technischen Hintergründe des Abgabeassistenten der Vergabeplattform informiert. Danach sei es im Rahmen des Bewerberverfahrens bzw. der Nutzung des Bietertools erforderlich, eine Eingabe vorzunehmen im Hinblick auf die Angaben nach § 126 b BGB zur Person des Erklärenden bzw. des Ausstellers, sofern eine Angebotsabgabe in Textform zu erfolgen hat. Diese Angabe müsse aktiv im Bietertool zum jeweiligen Vergabeverfahren eingetragen werden und sei zwingende Voraussetzung, um überhaupt Dokumente über das Bietertool in dem jeweiligen Verfahren hochzuladen und eine Abgabe derselben vornehmen zu können. Die Angabe zur Person des Erklärenden finde sich sodann im Dokument „Zusammenfassung der Abgabe“ wieder, welches der Vergabestelle im Zeitpunkt der Öffnung der Teilnahmeanträge von der Vergabeplattform zugänglich gemacht werde.
54
Es sei richtig, dass eine Nachladung eines Bieters erfolgt sei, nachdem ein zunächst zur zweiten Verfahrensstufe zugelassener Bieter mitgeteilt habe, aus Kapazitätsgründen am weiteren Verfahren nicht teilnehmen zu können. Daraufhin sei die Angebotsfrist in angemessener Weise verlängert worden, um dem nachgerückten Bieter die gleiche Bearbeitungszeit für die Angebotserstellung zu gewähren. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot sei insoweit nicht ersichtlich. Der vorgegebene Teilnehmerkreis für die Angebotsphase von höchstens drei Unternehmen werde hierdurch nicht überschritten. Ansonsten wäre die Wettbewerbssituation eingeschränkt worden.
55
Am 22.11.2022 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag.
56
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2022 sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
57
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
58
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
59
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert. Die Tatsache, dass das Honorarangebot der Beigeladenen unterhalb des Schwellenwerts geblieben war, ändert daran nichts, da die Beigeladene ihre Leistungen mit einem massiven Abschlag auf ihren eigentlich über dem Schwellenwert liegenden Nettoangebotspreis angeboten hat und zudem die Leistungsphase 9 nicht erbringen wollte. Dies und die weiteren Angebote zeigen, dass die Antragsgegnerin den Auftragswert zutreffend oberhalb des Schwellenwerts geschätzt hatte.
60
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
61
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.
62
1.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
63
Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die Zulassung der Beigeladenen zum Wettbewerb, obwohl deren Teilnahmeantrag nicht die Textform nach § 126b BGB eingehalten habe, den mangelnden Ausgleich der Vorbefassung der Beigeladenen, die unzureichende Preisaufklärung in Bezug auf das Angebot der Beigeladenen, das Bewertungssystem und die nach ihrer Auffassung zu unbestimmten Zuschlagskriterien geltend gemacht.
64
1.2 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht überwiegend auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 3GWB entgegen.
65
Eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3GWB ist im vorliegenden Verfahren lediglich in Bezug auf die nach Auffassung der Antragstellerin zu wenig konkret formulierten nichtpreislichen Zuschlagskriterien anzunehmen.
66
Erkennbar im Sinne von § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn sich die zugrundeliegenden Tatsachen aus den Vergabeunterlagen ergeben (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11.07.2018, VII-Verg 24/18; vom 12.10.2011, VII-Verg 46/11 und vom 09.04.2014, VII-Verg 36/13) und sie ein durchschnittlich fachkundiger, die übliche Sorgfalt anwendender Bieter als Vergaberechtsverstoß erkennen konnte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.03.2017, VII-Verg 39/16). Die Erkennbarkeit bezieht sich dabei sowohl auf die den Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umstände als auch auf die Vergaberechtswidrigkeit als solche (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.04.2014, VII-Verg 36/13). Die Präklusionsbestimmungen sind gemäß ihrem Wortlaut streng auszulegen und anzuwenden, um den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz nicht einzuschränken (EuGH, Beschluss vom 19.06.2003, C 249/01; BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004, 2 BvR 2248/03; OLG Düsseldorf vom 21.10.2015, VII-Verg 28/14; Jaeger, NZBau 2009, 558, 560). Eine Rügepräklusion kommt aus diesem Grund nur bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem durchschnittlich erfahrenen Bieter auch ohne dahingehende Überprüfung der Auftragsbekanntmachung bzw. der Vergabeunterlagen auffallen müssen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 01.06.2016, VII-Verg 6/16). Maßgeblich ist, ob der Bieter, wenn man den Maßstab eines durchschnittlich fachkundigen Bieters anlegt, den Verstoß hätte erkennen müssen bzw. ob der Verstoß sich aufdrängte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.05.2019 Verg 47/18; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, 5. Aufl. 2016, § 160 GWB, Rn. 274).
67
Für ein durchschnittlich fachkundiges Architekturbüro, das wie die Antragstellerin regelmäßig an Vergabeverfahren teilnimmt, war ohne Weiteres erkennbar, dass die Zuschlagskriterien „Auftragsbezogenes Organisationskonzept“, „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“, „Auftragsbezogenes Konzept zum Ablauf der Planungsphase“ und „Auftragsbezogenes Konzept zum Ablauf der Baudurchführungsphase“ auch unter Berücksichtigung der Angaben in der Vergabeunterlagen in Verbindung mit der gewählten Bewertungsmethode einen weiten Entscheidungsspielraum der Antragsgegnerin nach sich ziehen würde. Dass der Wertungsspielraum des Auftraggebers nicht grenzenlos sein darf, ergibt sich aus § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin wäre daher nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3GWB gehalten gewesen, die entsprechende Rüge spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe vorzubringen.
68
Anders ist dies hinsichtlich der Rüge der vergaberechtswidrigen Ausgestaltung des preislichen Zuschlagskriteriums aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung preislich nachrangiger Angebote zu bewerten. Zwar konnte ein durchschnittliches Architekturbüro aus der bekanntgemachten Bewertungsformel unschwer erkennen, dass bereits für ein Angebot, das 25% oder mehr über dem niedrigsten Angebot lag eine Bewertung von 0 Punkten vorgesehen war und die Bewertungsformel damit – gerade bei einem preislichen „Ausreißer nach unten“ – sehr preissensitiv war und dadurch eher der Preis und nicht wie in § 76 Abs. 1 Satz 1 VgV normiert die Leistung für die Bieterreihenfolge maßgeblich sein würde. Es würde jedoch die Anforderungen an die Rechtskenntnisse eines durchschnittlichen Unternehmens überspannen, wenn man fordern wollte, dass es ein solches Vorgehen als Vergabeverstoß erkennen müsste. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode vergaberechtlich nur beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist. Ob ein solcher Einzelfall vorliegt, kann regelmäßig vorab ohne Kenntnis der konkreten Angebotskonstellation von Bietern nicht beurteilt werden. Aus diesem Grund kann hinsichtlich der Frage, wie Preise zulässigerweise im Rahmen von Gewichtungen und Wertungsformeln in Punkte umgerechnet werden dürfen, eine Erkennbarkeit im Sinn des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GWB für den durchschnittlichen Bieter regelmäßig nicht angenommen werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2015 – Verg 35/14, a.A. OLG Naumburg, Beschluss vom 01.03.2021 – 7 Verg 1/21).
69
Keine Rügepräklusion § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3GWB kommt wegen der Vorbefassung der Beigeladenen in Betracht. Zwar ging aus einigen der Unterlagen zu den bereits für die Diözese R… erbrachten Planungsleistungen, die die Antragsgegnerin den Bieter zur Verfügung gestellt hatte, hervor, dass die Beigeladene diese bearbeitet hatte. Allerdings konnte hieraus nicht mit hinreichender Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass die Beigeladene auch am Vergabeverfahren teilnehmen würde, so dass die Frage, ob eine etwaige Vorbefassung der Beigeladenen ausreichend ausgeglichen war, bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht aus den Vergabeunterlagen erkennbar war. Eine vorsorgliche Rüge auf Verdacht hierzu musste die Antragstellerin nicht erheben.
70
Eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB kommt nicht in Betracht, da die Antragstellerin ihre Rügen bzgl. der Vorbefassung der Beigeladenen, der unzureichenden Preisaufklärung von deren Angebot und hinsichtlich der Bewertung ihres Angebots in den nichtpreislichen Zuschlagskriterien bereits am 20.07.2022 erhoben hat und damit innerhalb der Frist von 10 Kalendertagen, nachdem sie von den Vorgängen durch die Mitteilung nach § 134 GWB am 15.07.2022 Kenntnis erhalten hatte.
71
Von den weiteren entscheidungserheblichen Themen im vorliegenden Verfahren wie der formgerechten Einreichung des Teilnahmeantrags der Beigeladenen, der Erfüllung der Eignungsanforderungen durch diese und der Frage, ob die Beigeladene die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt, konnte die Antragstellerin vor Einreichung des Nachprüfungsantrags keine Kenntnis haben, so dass diesbezüglich keine Rügeobliegenheit bestand.
72
2. Der Nachprüfungsantrag istauch begründet.
73
Das Angebot der Beigeladenen ist zwingend nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen durch Nichterbringung des geforderten Leistungsumfangs als auch als nicht zugelassenes Nebenangebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 6 VgV von der Wertung auszuschließen.
74
Auf sämtliche weiteren strittig erörterten Fragen kommt darüber hinaus nicht mehr maßgeblich an.
75
2.1 Der zwingende Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 bzw. 6 VgV ergibt sich daraus, dass diese im Zuge der Preisaufklärung mit Schreiben vom 07.07.2022 erklärt hat, dass ihr Angebot die in der Leistungsbeschreibung verbindlich geforderte Leistungsphase 9 nicht enthält. Stattdessen sollten die entsprechenden Leistungen „wie bei kommunalen Auftraggebern üblich“ von der Antragsgegnerin erbracht werden.
76
Die Erbringung der Leistungsphase 9 (Objektbetreuung) war sowohl in der Bekanntmachung (Ziffer II.2.4) als auch an mehreren Stellen in den Vergabeunterlagen (z.B. Ziffer 3.5 des Dokuments „Vergabeunterlagen zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb“) gefordert und mit 2% des Honorars im Honorarblatt als Grundleistung anzubieten. Kein redlich handelnder Bieter konnte einen Zweifel daran haben, dass die Leistungsphase 9 mit anzubieten war; auch die Beigeladene war sich dessen offenbar bewusst. Nebenangebote waren nach Abschnitt II.2.10 der Bekanntmachung und Ziffer 4 „Hinweise zum Verfahren“ des Dokuments „Vergabeunterlagen zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb“ nicht zulässig.
77
Die Einhaltung der Anforderungen der Vergabeunterlagen im Rahmen der Erstangebote war auch verbindlich vorgegeben. Dies ergibt sich aus Ziffer 4 des Dokuments „Vergabeunterlagen zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb“, wo unter Hinweis auf den Vorbehalt, den Zuschlag auf Basis der Erstangebote zu erteilen, explizit vorgegeben wird, dass die Erstangebote deswegen zuschlagsfähig sein müssen. Aufgrund der Absicht der Antragsgegnerin, gem. § 17 Abs. 11 VgV den Zuschlag auf eines der Erstangebote zu erteilen, war diese Vorgabe auch rechtlich geboten.
78
Die Beigeladene hat in ihrem Angebot sowohl die Leistungsphase 2 (Vorplanung) als auch die Leistungsphase 9 (Objektbetreuung) jeweils mit einem Honoraranteil von 0% angeboten. Daraus ließ sich nicht schließen, dass das Angebot der Beigeladenen die Erbringung der Leistungsphase 9 nicht enthalten würde. Gleichermaßen möglich war ein Verständnis des Angebots dahingehend, dass die Leistungsphase 9 unentgeltlich erbracht werden sollte. Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nachträglich abgegebene Erläuterungen des Bieters darüber, wie er sein Angebot im Zeitpunkt seiner Abgabe verstanden wissen wollte und welchen Inhalt er ihm beimaß, auch in vergaberechtlicher Hinsicht bei der Auslegung des Angebots nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.03.2007 – Verg 53/06; OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 – Verg 1/08). Auf das Preisaufklärungsverlangen der Antragsgegnerin vom 04.07.2022 hat die Beigeladene mit Schreiben vom 07.07.2022 erklärt, dass sich ihr angebotener, ungewöhnlich niedrig erscheinender Preis unter anderem daraus ergebe, dass die Objektbetreuung auch von der Bauherrenseite übernommen werden könne, was bei kommunalen Bauherren oft gängige Praxis sei. Das Objekt werde mit Abnahme der Gewerke, Überwachung der Mängelbeseitigung und Beginn der Gewährleistung übergeben. Aufgrund dieser Erklärung kann das Angebot der Beigeladenen nur so verstanden werden, dass sie die Leistungsphase 9 keineswegs unentgeltlich, sondern gar nicht erbringt. Die Aufgaben solle stattdessen die Antragsgegnerin übernehmen.
79
Damit steht fest, dass die Beigeladene die Anforderungen des Auftraggebers in ihrem Angebot inhaltlich verändert hat, also der von ihr angebotene Leistungsumfang nicht dem vom Auftraggeber mit der Leistungsbeschreibung geforderten Leistungsumfang entspricht. In einem solchen Fall liegt eine Änderung nach Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV und gleichzeitig ein nicht zugelassenes Nebenangebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 6 VgV vor. Damit ist das Angebot der Beigeladenen zwingend auszuschließen.
80
Die Antragstellerin ist durch den Nichtausschluss des Angebots der Beigeladenen auch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da sie nach einem Ausschluss nicht mehr drittplatziert wäre, wie nach der bisherigen Wertung der Zuschlagskriterien durch die Antragsgegnerin, sondern – zumindest bei unveränderter Wertung der nichtpreislichen Zuschlagskriterien – auf den ersten Rang rücken würde. Dies liegt daran, dass bei einer Preisbewertungsmethode wie der hier gewählten Interpolation, bei der die Bewertung in Abhängigkeit zu anderen Angeboten erfolgt, zwingend auszuschließende Angebote keinesfalls in der Berechnung verbleiben dürfen, weil sie die Bieterreihenfolge verändern können. Im vorliegenden Fall hatte das sehr günstige Angebot der Beigeladenen zur Folge, dass die Angebote der Antragstellerin und des dritten Bieters im Preiskriterium keine Punkte erhielten. Scheidet das Angebot der Beigeladenen aus, ist das Angebot der Antragstellerin das preisgünstigste verbleibende Angebot und erhält im Preiskriterium volle Punktzahl, während das Angebot des dritten Bieters aufgrund des erheblichen Preisabstands in diesem Kriterium deutlich abgewertet wird. Dadurch würde das Angebot der Antragstellerin in der Wertung am Angebot des dritten Bieters vorbeiziehen.
81
2.2 Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob bereits der Teilnahmeantrag der Beigeladenen aufgrund Nichteinhaltung der Textform nach § 126b BGB nach 57 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1 VgV wegen der fehlender Unterschriften unter Ziffer 1 und 10 des Bewerbungsbogens zwingend auszuschließen gewesen wäre.
82
Die Textform im Sinne von § 126b BGB verlangt, dass eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem Dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Eine der Voraussetzungen für eine formgemäße Erklärung in Textform ist damit, dass die Person des Erklärenden genannt wird. Hierfür ist es ausreichend, dass der Name des Bieters angegeben wurde. In der Kommentarliteratur wird zwar diskutiert, ob es sich bei der Angabe der Person des Erklärenden um die natürliche Person handeln muss, welche die Erklärung abgibt oder ob es ausreicht, dass die Person des Vertretenen genannt wird (z.B. Einsele in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 126b Rn. 7 m.w.N.). In seinem Urteil vom 07.07.2010 (Az.: VIII ZR 321/09) hat der BGH jedoch klargestellt, dass bei der Angabe der Person des Erklärenden bei einer Erklärung in Textform lediglich erforderlich ist, dass der Empfänger weiß, von wem das Schreiben stammt. Dafür sei es aber ausreichend, wenn bei einer in Textform abgegebenen Erklärung einer juristischen Person der Name der juristischen Person angegeben wird. Die erleichterten Formvorschriften des § 126b BGB dienten gerade dem Zweck, den Rechtsverkehr in den Fällen zu vereinfachen, in denen eine Erklärung zwar aus Informations- oder Dokumentationszwecken einer textlichen Niederlegung bedürfe, aber die Einhaltung der strengeren Schriftform wegen des Erfordernisses der eigenhändigen Unterschrift unangemessen verkehrserschwerend wäre.
83
Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 19.02.2020 – 15 Verg 1/20) hat darüber hinaus hervorgehoben, dass Voraussetzung für die Einhaltung der Schriftform ist, dass die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird. Hierdurch soll – insoweit ähnlich wie die Unterschrift bei der Schriftform – das Ende der Erklärung kenntlich gemacht und damit das Stadium des Entwurfs von dem der rechtlichen Bindung abgegrenzt werden. Die Kenntlichmachung des Abschlusses der Erklärung kann auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch die Nennung des Namens am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, aber auch durch eine Datierung oder eine Grußformel (Einsele, in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 126 b Rn. 8; BeckOGK/ Primaczenko/Frohn, 15.11.2018, BGB, § 126 b Rn. 23, 24). Der Formzwang soll Klarheit über den Inhalt und die Verbindlichkeit gewährleisten.
84
Die Beigeladene hat ihren Teilnahmeantrag vom 16.03.2022 im Dokument „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“ an den dafür vorgesehenen Feldern unter Ziffer 1 „Teilnahmeantrag“ und Ziffer 10 „Nichtvorliegen von Ausschlussgründen“ nicht unterzeichnet. Die jeweiligen Felder, die in Ziffer 1 mit „Unterschrift Aussteller“ und in Unterschrift 10 mit „Aussteller bzw. Unterschrift“ betitelt sind, waren im Teilnahmeantrag leer. An anderen Stellen im Dokument „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“ war allerdings das Büro Architekten B. + S… genannt, unter Ziffer 3 Bewerberdaten Bewerber auch Herr F… S… als Vertreter des Bewerbers / Kontaktperson. Zudem ergab sich die Person des Herrn F… S… als für das Angebot Verantwortlicher eindeutig aus dem vom eVergabesystem bei der Abgabe des Teilnahmeantrags generierten Dokument „Details zum Teilnahmeantrag“, in dem von einer Signatur (in Textform) des Herrn F… S… die Rede ist.
85
Nach einer Auslegung am objektiven Empfängerhorizont der Gesamtheit der von der Beigeladenen im Rahmen des Teilnahmeantrags vorgelegten Unterlagen hat die Vergabekammer keinerlei Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit des Teilnahmeantrags der Beigeladenen. Die Beigeladene hat mit ihrem Teilnahmeantrag umfangreiche Referenzen eingereicht und diesem auch die Nachweise über die fachliche Qualifikation der Inhaber/Projektleiter beigefügt. Die Beigeladene hat den Bewerbungsbogen einschließlich der weiteren Dokumente über den Abgabeassistenten der Vergabeplattform hochgeladen, anschließend mittels Namensangabe „signiert“ und abgesendet. Es ist bei objektiver Betrachtung fernliegend, dass ein Bewerber diesen Aufwand betreiben würde, wenn er sich nicht am Teilnahmewettbewerb verbindlich beteiligen wollte. Insbesondere wäre anzunehmen, dass in einem solchen Fall der Bewerber anstatt seiner Namensangabe im Rahmen des „Signierens“ des Teilnahmeantrags einen Vorläufigkeitsvermerk o. ä. angebracht hätte.
86
Die Vergabekammer weist jedoch darauf hin, dass die Erklärungen in Ziffer 1 des Dokuments „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“ teilweise den Erklärungen des Angebotsformblatts der Vergabehandbücher entsprechend und das OLG Karlsruhe (a.a.O.) gerade im Falle der Nichtunterzeichnung dieses Formblatts eine Heranziehung des Inhalts weiterer Dokumente zur Begründung der Textform abgelehnt hat. Ob im vorliegenden Fall ebenso zu entscheiden wäre, kann wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit offen bleiben.
87
2.3 Ebenfalls keiner abschließenden Entscheidung bedarf es, ob der Teilnahmeantrag der Beigeladenen nach § 57 Abs. 3, Abs. 1 VgV wegen fehlender Eignung auszuschließen gewesen wäre.
88
Dies wäre dann der Fall, wenn die Vorgaben der Antragsgegnerin in Abschnitt III.1.2) der Bekanntmachung bzw. in Ziffer 3.3 des Dokuments „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“ (Deckungssumme für Personenschäden 2.000.000 €, für sonstige Schäden 1.500.000 €, Maximierung der Ersatzleistung pro Versicherungsjahr mindestens das Zweifache der Deckungssumme) als Mindestanforderungen an die Eignung anzusehen wären und die Beigeladene diese nicht eingehalten hätte.
89
Maßgeblich gegen eine Einstufung als Mindestanforderung spricht, dass dieselben Vorgaben zur Berufshaftpflichtversicherung auch unter Abschnitt II.2.9) der Bekanntmachung als objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern genannt werden. Derartige Auswahlkriterien sind regelmäßig keine Mindestvorgaben an die Eignung. Als Auswahlkriterium hat auch die Antragsgegnerin die Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung angesehen. Die Benennung an dieser Stelle ist allerdings irreführend, denn das scheinbare Auswahlkriterium ist mit keiner Gewichtung hinterlegt und spielt für die Bewerberauswahl überhaupt keine Rolle, da die addierte Gewichtung der übrigen Auswahlkriterien bereits 100% beträgt. Aus der Irrelevanz für die Bewerberauswahl kann aber nicht mit ausreichender Klarheit geschlossen werden, dass es sich um Mindestvorgaben an die Eignung handeln würde, auch wenn dies sicherlich eine sinnvollere Gestaltung der Vergabeunterlagen gewesen wäre.
90
Vor diesem Hintergrund spielt es letztlich keine Rolle, dass die Angaben der Beigeladenen in Ziffer 3.3 des Dokuments „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“ in mehrfacher Hinsicht unklar und zweifelhaft sind. Die Beigeladene hat im Dokument „Teilnahmeantrag / Bewerbungsbogen“ eine Versicherungssumme für sonstige Schäden angegeben, die deutlich unter den in der Bekanntmachung genannten mind. 1,5 Mio. EUR für sonstige Schäden lag, sowie eine dreifache Maximierung. Sie hat sowohl bejaht, eine Berufshaftpflichtversicherung mit vorstehenden Deckungssummen und Maximierung zu haben, als auch versichert, im Auftragsfall eine Berufshaftpflichtversicherung entsprechend den Forderungen in der Bekanntmachung nachzuweisen. Gleichzeitig hat sie ihrem Teilnahmeantrag eine Versicherungsbestätigung für den Auftragsfall beigefügt, die zwar die in der Bekanntmachung genannten Versicherungssummen, nicht aber die geforderte Zweifachmaximierung aufweist, sondern lediglich eine einfache Maximierung. Aufgrund der Irrelevanz dieser Angaben für die Eignungsprüfung bestand trotz der Widersprüchlichkeit und Unklarheit dieser Angaben keine Aufklärungspflicht für die Antragsgegnerin und der Teilnahmeantrag konnte aus diesem Grund auch nicht ausgeschlossen werden.
91
2.4 Da das Angebot der Beigeladenen zwingend auszuschließen ist, ist auch die Frage, ob die Antragsgegnerin die Wettbewerbsvorteile der Beigeladenen aus der Vorbeauftragung für die Leistungsphase 1 und Teile der Leistungsphase 2 durch die Diözese R… ausgleichen musste und ob sie einer derartigen Verpflichtung ausreichend nachgekommen ist, nicht abschließend zu entscheiden.
92
Die Beigeladene ist allerdings nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern als vorbefasstes Unternehmen i.S.d. § 7 Abs. 1 VgV anzusehen, auch wenn sie den Auftraggeber nicht bei der Vorbereitung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens unterstützt hat. Das Merkmal der Beteiligung auf andere Art und Weise hat Auffangcharakter und ist weiter gefasst. Es umfasst jede sonstige Tätigkeit im Vorfeld eines Vergabeverfahrens, etwa eine Machbarkeitsstudie, einen Vorentwurf oder eine Aufgabenbeschreibung. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Projektanten ist nicht erforderlich (KG, Beschluss vom 27.01.2015 – Verg 9/14; OLG Bremen, Beschluss vom 09.10.2012 – Verg 1/12). Ausreichend ist ein tatsächliches Tätigwerden des Projektanten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.10.2005 – VII-Verg 67/05). Als vorbefasst angesehen wurde beispielsweise ein Bieter, der bei der Vergabe von Bauüberwachungsleistungen die Entwurfsplanung ausgeführt hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2013 – Verg 7/13; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2007 – Verg W 13/06). Unerheblich ist auch, ob der Auftraggeber die Tätigkeit des Projektanten veranlasst hat und ihm der Sachverhalt, der zu einem Wettbewerbsvorsprung geführt hat, bekannt war (VK Nordbayern, Beschluss vom 09.08.2007 – 21.VK-3194-32/07; Völlink in Ziekow/Völlink Vergaberecht § 6 VgV Rn. 5).
93
Die Tatsache, dass die Vorbefassung der Beigeladenen aus der Beauftragung mit der Leistungsphase 1 und Teilen der Leistungsphase 2 des ausgeschriebenen Projekts durch die Diözese R… herrührt, befreit die Antragsgegnerin nicht von der Ausgleichpflicht der Wettbewerbsvorteile der Beigeladenen (VK Nordbayern, Beschluss vom 09.08.2007 – 21.VK-3194-32/07). Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht einfach darauf zurückziehen, dass sie den Bietern alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, die ihr selbst vorlagen. Aus ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung wurde nämlich deutlich, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Erstellung der Vergabeunterlagen offenbar keine sichere Kenntnis über den Umfang der von der Beigeladenen für die Diözese erbrachten Planungsleistungen hatte. Auf dieser Basis konnte die Antragsgegnerin nicht über die zu ergreifenden Ausgleichsmaßnahmen entscheiden. Da sie mit einer Beteiligung der Beigeladenen am Vergabeverfahren rechnen musste, hätte sie sich bei der Beigeladenen über deren genauen Leistungsumfang erkundigen und dann über etwaige Maßnahmen entscheiden müssen. Die Anforderungen an die Ausgleichsmaßnahmen sind im vorliegenden Fall auch deshalb erhöht, weil die Antragsgegnerin ein Bewertungssystem verwendet hat, bei dem erhebliche Preisunterschiede mit hoher Wahrscheinlichkeit die Bieterreihenfolge beeinflussen. Ein vorbefasster Bieter kann aber – wie die Beigeladene deutlich gezeigt hat – im vorliegenden Fall mit erheblichen Preisnachlässen anbieten und den Wettbewerb – entgegen der Zielvorstellung des § 76 Abs. 1 Satz 1 VgV – im Wesentlichen über den Preis entscheiden, wenn seine Wettbewerbsvorteile nicht ausgeglichen werden.
94
2.5 Nach Ausschluss des Angebots der Beigeladenen besteht kein Anlass dazu, das Vergabeverfahren wegen des verwendeten Bewertungssystems der Honorarangebote in den Stand vor Aufforderung zur Abgabe der Erstangebote zurückzuversetzen.
95
Es ist nicht ersichtlich, dass sich das von der Antragsgegnerin gewählte Bewertungssystem im konkreten Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17), da kein ungewöhnlich niedrig erscheinendes Angebot mehr in der Wertung ist, das dazu führen würde, dass die weiteren Angebote mit 0 Punkten beim Honorar bewertet werden müssen. Ob dies unter Einschluss des Angebots der Beigeladenen ebenso zu bewerten wäre, braucht nicht entschieden zu werden.
96
Die Vergabekammer Südbayern weist jedoch darauf hin, dass die Wahl einer derart preissensitiven Bewertungsmethode für Honorarangebote in einem Spannungsverhältnis mit dem Gebot des Leistungswettbewerbs gem. § 76 Abs. 1 Satz 1 VgV steht, da jedenfalls im Falle eines preislichen „Ausreißers nach unten“ wie hier beim Angebot der Beigeladenen der Wettbewerb nicht mehr anhand der Leistungsbewertung, sondern im Wesentlichen über den Preis entschieden wird.
97
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegenddie Antragsgegnerin.
98
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
99
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Für das Verfahren wird eine Gebühr von…,00 EUR festgesetzt.
100
Die Antragsgegnerinist als Gemeinde von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit. Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
101
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da Bieterunternehmen, die – anders als öffentliche Auftraggeber – nicht für die Einhaltung des Vergaberechts verantwortlich sind und hierfür auch kein qualifiziertes Personal vorhalten müssen, aufgrund der komplexen Rechtsmaterie im Nachprüfungsverfahren regelmäßig anwaltliche Vertretung benötigen. Dies gilt zweifellos auch für die Antragstellerin als mittelständisches Architekturbüro.
102
Auch wenn die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über ihre Aufwendungen entscheiden. Gem. § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die Beigeladene hat sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt; sie trägt ihre Aufwendungen selbst.