Titel:
Bewilligung, Berufung, Revision, Wohnhaus, Staatsanwaltschaft, Darlegungslast, Herausgabe, Gutachten, Bildnis, Erbschein, Eigentumsvermutung, Erbengemeinschaft, Zivilverfahren, Diebstahl, von Amts wegen, Zulassung der Revision, Anspruch auf Bewilligung
Normenketten:
BGB § 1000 Abs.2, § 937 Abs. 1 u. 2
ZPO § 138 Abs. 3
Leitsätze:
1. Stellt sich im Prozess die Frage der Gutgläubigkeit des auf Herausgabe einer Sache verklagten Besitzers, der sich auf einen Eigentumserwerb durch Ersitzung beruft, so hat der Besitzer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu den näheren Umständen des Erwerbs seines Eigenbesitzes vorzutragen.
2. Mit unzureichend erläuterten wechselnden Angaben zu den näheren Umständen des Besitzerwerbs, die teilweise unzutreffend sind, genügt der Besitzer seiner sekundären Darlegungslast nicht.
3. Eine Beweiserhebung mit dem Ziel, den unzureichenden Sachvortrag gegebenenfalls durch das Beweisergebnis zu ergänzen, kommt nicht in Betracht.
4. Genügt der Besitzer seiner sekundären Darlegungslast nicht, hat dies die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge.
Schlagworte:
Bewilligung, Berufung, Revision, Wohnhaus, Staatsanwaltschaft, Darlegungslast, Herausgabe, Gutachten, Bildnis, Erbschein, Eigentumsvermutung, Erbengemeinschaft, Zivilverfahren, Diebstahl, von Amts wegen, Zulassung der Revision, Anspruch auf Bewilligung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49591
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 11.09.2015, Az. ..., abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, die Freigabe der bei dem Amtsgericht Ansbach – Hinterlegungsstelle – unter dem Az. ... hinterlegten Gemälde von H. P. „Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“ an den Kläger zu bewilligen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten mit Klage und Hilfswiderklage um die Bewilligung der Freigabe von zwei Gemälden, die seit dem 09.03.2010 bei dem Amtsgericht Ansbach unter dem Az. HL 11/2010 hinterlegt sind und bei denen es sich jeweils um Originalgemälde des 1966 verstorbenen Malers H. P. handeln soll. Das eine Bild soll das Original des Gemäldes „Bildnis M. V.“ von H. P. aus dem Jahr 1924/1925 sein. Vorstehende Bezeichnung des Originalgemäldes entspricht derjenigen in dem von Ch. L. und F. Bi. herausgegebenen Werkverzeichnis der Gemälde, Band I, S. 293, Nr. ... (Archiv-Nr. ...). Bildmotiv ist eine Frau im Sessel mit einem Buch. Das andere Bild soll das Original des Gemäldes „Sommerstrauß“ von H. P. aus dem Jahr 1939 sein. Vorgenannte Bezeichnung des Originalgemäldes entspricht derjenigen in dem von Ch. L. und F. Bi. herausgegebenen Werkverzeichnis der Gemälde, Band II, S. 58, Nr. ... (Archiv-Nr. ...) . Bildmotiv ist ein Blumenstrauß in einer blauen Vase.
2
Der Kläger und seine Schwester C. Bü. sind Enkel des Malers. Ihre Mutter Chr. Si., geb. P., ist eine Tochter des Malers. Bei der Frau im Sessel soll es sich um die Frau des Malers und die Großmutter des Klägers handeln. Der Kläger trägt vor, dass die hinterlegten Gemälde neben weiteren Bildern bei einem Einbruch in das Anwesen seiner Eltern im Jahr 1986 entwendet worden seien.
3
Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler und hat keine besonderen Kunstkenntnisse. Er trägt vor, die hinterlegten Gemälde von seinem 1993 verstorbenen Stiefvater erhalten zu haben.
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Das Landgericht Ansbach hatte mit Endurteil vom 11.09.2015 die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
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Betreffend den Sach- und Streitstand bis zum Berufungsurteil wird auf Punkt A der Gründe des Urteils des 12. Senats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 06.09.2017 samt der dortigen Bezugnahmen verwiesen (Bl. 201 ff. d. A.).
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Mit Urteil vom 19.07.2019, Az. V ZR 255/17 (im Folgenden Revisionsurteil), hat der Bundesgerichtshof auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
7
Das Berufungsgericht werde von Amts wegen nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Sachverständigengutachten zur Echtheit der hinterlegten Bilder einzuholen haben, d. h. zu der Behauptung des Klägers, dass es sich um die Originale der von dem Maler H. P. in den Jahren 1924 bzw. 1937 (gemeint ist wohl: 1939) gefertigten Bilder „Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“ handele, wenn ihm die von dem Kläger zum Beweis dieser Tatsachenbehauptung angeführten Urkunden aus der beigezogenen Akte des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht ausreichen sollten (Revisionsurteil, Rn. 18 f., 59).
8
Das Berufungsgericht überspanne die Anforderung an den Beweis des Abhandenkommens der hinterlegten Gemälde. Aufgrund der zahlreichen von dem Kläger angeführten Indizien und Belege aus der von dem Berufungsgericht beigezogenen Ermittlungsakte spreche vieles dafür, dass der Kläger den Diebstahl der Originalgemälde aus dem Wohnhaus seiner Eltern im Jahre 1966 bewiesen habe (Revisionsurteil, Rn. 28 ff., 62).
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Rechtsfehlerhaft sei die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe der ihn treffenden sekundären Darlegungslast für seinen guten Glauben bei dem Erwerb des Eigenbesitzes mit dem Vortrag genügt, er habe die beiden Gemälde mutmaßlich 1986 oder 1987 von seinem 1993 verstorbenen Stiefvater geschenkt bekommen, der dabei geäußert habe, die Bilder von einem Antiquitätenhändler oder -sammler in Dkb erworben zu haben, und der Kläger habe die Bösgläubigkeit des Beklagten nicht bewiesen. In diesem Zusammenhang verkenne das Berufungsgericht die Anforderungen, die nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast an den von dem Beklagten zu haltenden Vortrag zu dem Erwerbsvorgang und die Widerlegung dieser Behauptung durch den Kläger zu stellen seien. Es könnten bereits Zweifel daran bestehen, dass der Beklagte der ihn treffenden sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Umstände des Erwerbs der Gemälde genügt habe. Er habe wechselnde Angaben dazu gemacht, wie er in den Besitz der bei ihm sichergestellten Gemälde gekommen sei. In dem im Jahre 2009 gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe er zunächst behauptet, er habe diese vor 30 oder 35 Jahren von seinem Stiefvater geschenkt bekommen, es könne sich also nicht um die Gemälde handeln, die 1986 gestohlen worden seien. Später habe er angegeben, er habe die Bilder von seinem – 1993 verstorbenen – Stiefvater geerbt. Im Zivilverfahren habe er hingegen behauptet, die Bilder seien ihm zur Neueröffnung seines Geschäfts in den Jahren 1986/87 von seinem Stiefvater geschenkt worden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs zu dem Schluss gelangt wäre, dass schon die Angaben des Beklagten zu dem von ihm behaupteten Erwerb der Gemälde nicht ausreichen, um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen, was die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge habe (Revisionsurteil, Rn. 50 ff.).
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Der nach der Zurückverweisung zuständige 15. Senat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat von Amts wegen ein schriftliches Sachverständigengutachten und ein schriftliches Ergänzungsgutachten zu den Behauptungen des Klägers erholt, dass es sich bei den hinterlegten Gemälden um Originalgemälde des Künstlers H. P., geboren am ... 1880, gestorben am ... 1966, handelt, dass das hinterlegte Gemälde „Frau im Sessel“ dasjenige Originalgemälde ist, welches in dem Buch Ch. L. (Herausgeber)/F. Bi. (Bearbeiter), H. P. – Werkverzeichnis der Gemälde, Band: Die Gemälde I 1895-1934, auf Seite 293 mit der Archiv-Nr. ... aufgeführt wird, und dass das hinterlegte Gemälde „Blumenstrauß“ dasjenige Originalgemälde ist, welches in dem Buch Ch. L. (Herausgeber)/F. Bi. (Bearbeiter), H. P. – Werkverzeichnis der Gemälde, Band: Die Gemälde II 1935-1966, auf Seite 58 mit der Archiv-Nr. ... aufgeführt wird.
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Der 15. Senat hat am 21.01.2022 mündlich verhandelt. Er hat den Beklagten informatorisch angehört zum Erwerb der beiden streitgegenständlichen Gemälde und zu ihrer anschließenden Verwendung. Zudem wurden das schriftliche Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachen und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Ansbach, Az. 1114 Js 8347/09, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 30.11.2020 (Bl. 430 ff. d. A.), das Ergänzungsgutachten vom 13.10.2021 (Bl. 511 ff. d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 549 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hat beantragt,
das Urteil des Landgerichts Ansbach 2 O 891/14 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Freigabe der beim Amtsgericht Ansbach – Hinterlegungsstelle – unter dem Aktenzeichen HL 11/2010 hinterlegten Gemälde von H. P. „Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“ an den Kläger und Berufungskläger zu bewilligen Betreffend die bedingt erhobene Widerklage deren Abweisung.
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Der Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt.
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Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien nach Zurückverweisung wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.
15
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Ansbach vom 11.09.2015, Az. 2 O 891/14, hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bewilligung der Herausgabe der beiden hinterlegten Gemälde aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, weil er gemeinsam mit seiner Schwester in Erbengemeinschaft Eigentümer der Gemälde ist (dazu unter Punkt 1) und zur Geltendmachung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB ermächtigt ist (dazu unter Punkt 2).
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Damit die Hinterlegungsstelle an einen der Beteiligten herausgeben darf, bedarf es der Bewilligung durch die übrigen Beteiligten (vgl. die vorliegend noch anwendbaren § 12, 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayHintO). Der (wahre) Berechtigte kann die Abgabe dieser Erklärung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB von den übrigen Prätendenten verlangen, die ihre Rechtsposition auf seine Kosten erlangt haben. Ob der Anspruch besteht, richtet sich – weil die Hinterlegung zur Erfüllung einer gegen den Hinterlegenden gerichteten Forderung erfolgt (§ 372 Satz 2 BGB) – nicht nach dem Innenverhältnis zwischen den Prätendenten, sondern ausschließlich nach dem materiellen Rechtsverhältnis zwischen dem hinterlegenden Schuldner – hier der Staatsanwaltschaft – und dem Kläger. Ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch eines Beteiligten gegen die Staatsanwaltschaft kann sich nach Beendigung einer strafprozessualen Sicherstellung insbesondere aus § 985 BGB ergeben (vgl. Revisionsurteil, Rn. 8).
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1. Der Kläger kann sich bezüglich der beiden hinterlegten Ölgemälde auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 2 BGB berufen.
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Da die Mutter des Klägers zu ihren Lebzeiten – bis zu dem Einbruchsdiebstahl im Jahre 1986 – Besitzerin der hinterlegten Gemälde war, ist nach § 1006 Abs. 2 BGB zu vermuten, dass die Gemälde in ihrem Eigentum standen. Auf diese Vermutung kann sich auch der Kläger berufen, da er sein Recht insofern von der (früheren) Besitzerin ableitet, als er dieses durch Erbfolge von seiner Mutter erworben hat. Der Beklagte, der bis zu der Sicherstellung durch die Staatsanwaltschaft im Besitz der streitgegenständlichen Bilder war, kann sich seinerseits nicht auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, weil sie der Mutter des Klägers durch einen Einbruchsdiebstahl abhanden gekommen sind, § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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a) Zugunsten der Mutter des Klägers greift die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 2 BGB.
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aa) Der Besitz der Mutter des Klägers, einer Tochter des Malers, an den hinterlegten Gemälden zu ihren Lebzeiten kommt nach Aktenlage nur in Betracht, wenn es sich um echte Gemälde von H. P. handelt.
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Der Senat ist aufgrund der nachvollziehbar begründeten Ausführungen der Sachverständigen, die ihm auf Nachfrage vom Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen als geeignete Sachverständige für die Beurteilung der streitgegenständlichen Gemälde benannt worden ist (vgl. Bl. 407 d. A.), davon überzeugt, dass es sich bei den hinterlegten Bildern um Originalgemälde des Künstlers H. P., geboren am ...1880, gestorben am ...1966, handelt.
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(1) Zu dem hinterlegten Gemälde, das eine Frau im Sessel zeigt, hat die Sachverständige angegeben, dass es sich ohne jeden Zweifel um eine eigenhändige Arbeit von H. P. handele. Es sei rechts unten in dunkler Farbe mit „H. Purmann“ signiert. Die Signatur sei konkordant mit derjenigen Signatur, die auf Seite 359 in Band II des Werkverzeichnisses der Gemälde mit „1924/47“ versehen sei. Das Gemälde sei von den verwendeten Farben, dem charakteristischen Farbauftrag und der Kompositionsdichte zweifelsfrei authentisch.
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Es sei in Öl auf Leinwand gemalt. Auf der Rückseite befinde sich eine Ölstudie im Querformat einer südländischen Landschaft, die mit hoher Wahrscheinlichkeit früher entstanden sei. Da das Bild laut Werkverzeichnis der Gemälde in Sorrent entstanden sei, sei davon auszugehen, dass die Studie entweder eine Landschaft bei Sorrent wiedergebe (ein anderes Bild des Malers mit der Landschaft in Sorrent als Motiv finde sich im Werkverzeichnis der Aquarelle und Gouachen von H. P. unter der Nr. ...) oder eine Ansicht Roms zeige (andere Bildern des Malers, die Ansichten Roms zeigen, fänden sich im Werkverzeichnis der Aquarelle und Gouachen von H. P. unter den Nrn. ... und ...). Bei den anderen Bildern des Künstlers mit den Ansichten Roms finde sich die markante Kuppel wieder, die auf der Ölstudie auf der Gemälderückseite zu sehen sei.
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Auf dem Keilrahmen verso fänden sich zahlreiche handschriftliche Notizen und Angaben in Bleistift, dunklen und roten Farbstift (Zahlen und Wörter). Es sei vorstellbar, dass die Herausgeber des Werkverzeichnisses hierzu in den Archivunterlagen Aussagen finden können, was die Authentizität des Gemäldes zusätzlich belegen würde. Aber auch ohne diese sei das streitgegenständliche Gemälde ohne jeden Zweifel eine eigenhändige Arbeit von H. P..
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Einzelne Kompositionselemente des Gemäldes stimmten stark überein mit jenen der beiden, bereits ein Jahr früher entstandenen Gemälde „Bildnis der Tochter C.“ (Werkverzeichnis der Gemälde, Band I, S. 275, Nr. ... und Nr. ...), nämlich der Hintergrund, der Teppich und zwei Sessel.
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(2) Zu dem hinterlegten Gemälde, das einen Blumenstrauß zeigt, hat die Sachverständigen angegeben, dass auch dieses eine eigenhändige Arbeit des Künstlers H. P. sei. Es sei ebenfalls in Öl auf Leinwand gemalt. Es trage rechts in Farbe die Signatur „H. P.“. Die Signatur sei stimmig mit denjenigen Signaturen, die auf Seite 359 in Band II des Werkverzeichnisses der Gemälde mit „...“ bzw. „...“ versehen seien. Die verwendeten Farben, das Kolorit, die verdichtete Komposition und die typische künstlerische Handschrift ließen keinen Zweifel an der Eigenhändigkeit P.s. Auf der Rückseite finde sich auf dem Keilrahmen handschriftlich in schwarzen Versalien „H. P.“ sowie die Zahl „57“ in von Hand gezogenen, rechteckigen Rahmen. Auch hierzu seien möglicherweise nähere Angaben von den Autoren des Werkverzeichnisses bzw. anhand der Archivunterlagen denkbar. Die gitterartigen schwarzen Schraffuren im rechten vertikalen und linken unteren Hintergrund erinnerten an die im selben Jahr entstandenen und im Band II des Werkverzeichnisses aufgeführten Arbeiten „Stillleben mit Früchten und Krügen“, Nr. ..., und „Stillleben mit Trauben und Pfirsichen“, Nr. ....
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(3) Vor Erstellung des Ergänzungsgutachtens hat die Sachverständige angabegemäß den Bearbeiter des Werkverzeichnisses von H. P., Dr. F1. B., im P.-Archiv aufgesucht, um in sämtliche zum Stichtag verfügbaren, aktuellen Informationen, gerade auch etwaige unpublizierte, Einblick zu nehmen und damit die Provenienz- bzw. Eigentumsfrage eindeutig beantworten zu können. Ihre Ausführungen im Ergänzungsgutachten seien aufgrund dieses wissenschaftlichen Austausches untermauert worden. Auf entsprechende Fragen äußerte die Sachverständige im Ergänzungsgutachten, dass es sich ohne jeden Zweifel bei den beiden hinterlegten Gemälden um Originale des Künstlers H. P. handele und dass es von ihrer Seite zu keiner Zeit Zweifel an der Authentizität der beiden Gemälde „Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“, gegeben habe.
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bb) Die Mutter des Klägers war zu ihren Lebzeiten Besitzerin der hinterlegten Gemälde.
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Der Senat ist vom früheren Besitz der Mutter des Klägers überzeugt aufgrund der plausibel begründeten Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, dass die hinterlegten Gemälde identisch seien mit denjenigen im Werkverzeichnis genannten, bei den als Provenienzangabe Chr. Si.-P. stehe, und dass die Provenienzangabe den Besitz von Chr. Si.-P. belege. Nach der Sachverständigen spreche alles dafür, dass das hinterlegte Gemälde, das eine Frau im Sessel zeige, mit demjenigen Originalgemälde identisch sei, welches in dem Buch Ch. L. (Herausgeber)/F. Bi. (Bearbeiter), H. P. – Werkverzeichnis der Gemälde, Band: Die Gemälde I 1895-1934, auf Seite 293 als Nr. ... mit der Archiv-Nr. ... aufgeführt werde. Ebenso spreche alles dafür, dass das hinterlegte Gemälde, das einen Blumenstrauß zeige, mit demjenigen Originalgemälde identisch sei, welches in dem Buch Ch. L. (Herausgeber)/F. Bi. (Bearbeiter), H. P. – Werkverzeichnis der Gemälde, Band: Die Gemälde II 1935-1966, auf Seite 58 als Nr. ... mit der Archiv-Nr. ... aufgeführt werde. Die Provenienzangabe im Werkverzeichnis zu dem jeweiligen Gemälde belege, dass das Gemälde aus dem Besitz von Chr. Si.-P. stamme. Die verschiedenen vom Kläger vorgelegten Unterlagen würden zwar lediglich für die Existenz zweier Gemälde wie die streitgegenständlichen sprechen. Für einen eindeutigen Beleg seien die darin enthaltenen Ausführungen auch unter Berücksichtigung des umfangreichen Oeuvres des Künstlers zu knapp. Jedoch komme der Dokumentation des Archivs ihrer Meinung nach höchste Glaubwürdigkeit zu, weil das Archiv des Künstlers nahezu lückenlos in familiärem Besitz gewesen sei und als Grundlage für die wissenschaftliche Recherche und die Publikationen diente.
31
Im Einzelnen hat die Sachverständige hierzu Folgendes ausgeführt:
32
(1) Bei einem detailgenauen Abgleich des hinterlegten Gemäldes, das eine Frau im Sessel zeige, mit der Schwarz-Weiß-Abbildung im ersten Band des Werkverzeichnisses der Gemälde unter Nr. ... stimme jedes Detail und der Pinselduktus überein. Dass für dieses Bild im Werkverzeichnis kein Bildträger angegeben sei, lasse sich damit erklären, dass laut Werkverzeichnis das Bild nach den Angaben Dr. R1. P. 1986 gestohlen worden sein soll.
33
Auch hinsichtlich der Maßangaben (Anmerkung des Senats: 55 : 46 cm), der Signatur unten rechts und des Motivs seien das hinterlegte Gemälde und das Gemälde im Werkverzeichnis identisch.
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Die Provenienzangabe im Werkverzeichnis belege, dass das Gemälde aus dem Besitz von Chr. Si.-P. stamme.
35
Zu der vom Sachverständigen O. G. gefertigten maschinengeschriebene Aufstellung vom 11.03.1969 über Antiquitäten, Bilder und Kunstgegenstände im Hause St., H1.-Str. 42 (Anlage BK3), die auf Seite 2 unten „1 Temperabild P., Frau im Sessel“ nennt, gibt die Sachverständige an, dass sie den Usancen des Jahres 1969 entsprochen haben möge. Es habe damals kaum Literatur, Abbildung oder Werkverzeichnisse gegeben. Aus heutiger Sicht sei sie uneindeutig.
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Zu der von Chr. Si. gefertigten handschriftlichen Aufstellung von Antiquitäten und Kunstgegenständen im Haus H1.-Str. 42 vom 08.02.1985 (Anlage BK4), in der sowohl „1 Temperabild P., Frau im Sessel“ als auch „1 Oelbild P. (Frau im Sessel)“ aufgeführt sind, und zu dem Schreiben des Klägers vom 11.11.2009 an die Polizei (Anlage K15), in dem ebenfalls von einem „Temperabild Frau im Sessel“ die Rede ist, welches im Werkverzeichnis der Ölbilder nicht aufgeführt sei, äußert die Sachverständige, dass sie die wiederholte Nennung von Tempera irritiere. Sie könne sich aber vorstellen, dass im Sprachgebrauch viele Begriffe verwendet worden seien, die naturwissenschaftlich betrachtetet, nicht voneinander abgegrenzt worden seien. Bei dem hinterlegten Bild handele es sich um ein Gemälde auf Leinwand, das nach ihrer Einschätzung mit Ölfarbe gemalt sei.
37
Zu den vom Kläger als Anlage K15 vorgelegten Foto, das nach den Angaben des Klägers vor dem Diebstahl am 18.11.1986 entstanden sein soll, führt die Sachverständige aus, dass sie das auf dem Foto gezeigte Gemälde für identisch halte mit dem hinterlegten Gemälde und mit dem im Band I des Werkverzeichnisses unter Nr. ... aufgeführten Gemälde.
38
Zu dem Schreiben der Landespolizeidirektion St. an das Landeskriminalamt BW vom 15.12.1986 (Anlage K4), in dem betreffend das Gemälde mit dem Porträt einer sitzenden Frau von einem Ölgemälde auf Leinwand die Rede ist, als Entstehungsjahr „vermutl. 1928“ genannt wird und als Maße ca. 40 x 45 cm angegeben werden, führt die Sachverständige aus, dass es sich bei dem hinterlegten Gemälde eindeutig um ein Ölgemälde handele.
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P. habe, wie bei vielen Künstlern üblich, Aquarelle und Gouachen in der freien Natur gefertigt. Diese habe nicht zuletzt auch konservatorische Gründe, da Öl langsamer trockne, besonders bei wärmeren Temperaturen. Für die Verwendung von Ölfarbe bei dem Gemälde spreche, dass auf dem Bild ein Interieur gezeigt werde, das der Künstler mutmaßlich nicht in der Natur gemalt habe.
40
Hinsichtlich des Entstehungsjahres sei das Gemälde stilistisch in eine Folge weiblicher Portraits einzuordnen, die von Nr. ... bis Nr. .... im ersten Band des Werkverzeichnisses der Gemälde reichen. Das Gemälde unter Nr. ... sei ein dem streitgegenständlichen Bild sehr verwandtes. Allerdings habe es abweichende Maße und sei detailreicher. Der Künstler habe folglich mindestens zwei Versionen des Bildnisses M. V. angefertigt.
41
Auf entsprechende Fragen äußerte die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten, dass es sich bei dem hinterlegten Gemälde „Frau im Sessel“ und bei dem auf Seite 293 im ersten Band des Werkverzeichnisses mit der Archiv-Nr. ... aufgeführten Gemälde nach ihrer Meinung um dasselbe Gemälde handele. Nach ihrer Beurteilung gebe es keinen Interpretationsspielraum, dass es sich nicht um dasselbe Werk handeln soll. In zahlreichen Vergleichen habe sie sich wiederholt mit der Komposition auseinandergesetzt und komme zu keinem anderen Ergebnis.
42
Der Austausch mit dem H. P.-Archiv habe ihr Urteil untermauert.
43
(2) Der Abgleich des hinterlegten Gemäldes, das einen Blumenstrauß zeige, mit der Schwarz-Weiß-Abbildung im zweiten Band des Werkverzeichnisses der Gemälde unter Nr. ... lasse auf eine eindeutige Identität beider Arbeiten schließen. Die gesamte Anordnung und Umsetzung des Blumenbouquets, besonders auch der individuellen, sehr charakteristischen Vase, der Schraffuren, der Signatur und der für P. charakteristischen Handschrift bestätigten, dass es sich bei dem hinterlegten Gemälde um das im Werkverzeichnis unter Nr. ... aufgeführte handele.
44
Die von der Sachverständigen gemessenen Bildmaße seien identisch mit den im Werkverzeichnis angegebenen (Anmerkung des Senats: 70 : 60 cm).
45
Die Provenienzangabe im Werkverzeichnis belege, dass das Gemälde aus dem Besitz von Chr. Si.-P. stamme.
46
Zu dem Schreiben der Landespolizeidirektion St. an das Landeskriminalamt BW vom 15.12.1986 (Anlage K4), in dem betreffend das Gemälde mit dem Blumenstrauß von einem Ölgemälde auf Leinwand die Rede ist, als Entstehungsjahr „vermutl. 1920“ genannt wird und als Maße ca. 60 x 70 cm angegeben werden, führt die Sachverständige aus, dass das hinterlegte Gemälde oberflächlich betrachtet ebenfalls in Ölfarbe gemalt sei. Für die Verwendung von Ölfarbe bei dem Gemälde spreche, dass auf dem Bild ein Interieur gezeigt werde, das der Künstler mutmaßlich nicht in der Natur gemalt habe.
47
1939 habe der Künstler eine Reihe von Stillleben – Blumen und Obst/Früchte – gemalt, die im zweiten Band des Werkverzeichnisses unter den Nrn. ... bis ... aufgeführt seien.
48
Auf entsprechende Fragen äußerte die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten, dass alles dafür spreche, dass es sich bei dem hinterlegten Gemälde „Blumenstrauß“ und bei dem auf Seite 58 im zweiten Band des Werkverzeichnisses mit der Archiv-Nr. ... aufgeführten Gemälde um dasselbe Gemälde handele. Sie selbst habe insoweit niemals einen Zweifel gehabt. Nach Rücksprache mit dem P.-Archiv, Herrn Dr. B., sei sie in ihrem Urteil bestätigt worden.
49
(3) Ferner gab die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten an, dass sich auf der jeweiligen Gemälderückseite keine Vermerke zu Einlieferungen zwecks Versteigerung, zu Leihgaben zwecks Ausstellung oder zu dem Besitz fänden, da die Gemälde ihre private Provenienz nicht verlassen hätten.
50
Die Sachverständige hat angabegemäß die von ihr gefertigten Fotos von den hinterlegen Gemälden in Schwarz-Weiß reproduziert und wiederholt jenen des Werkverzeichnisses gegenübergestellt. Es handele sich ihrer Auffassung nach um dasselbe Gemälde.
51
cc) Der Mutter des Klägers sind zu ihren Lebzeiten aufgrund eines Diebstahls die hinterlegten Gemälde abhanden gekommen.
52
Der Senat ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei dem Kläger und seiner Mutter um die Familie des Malers handelt, der die Originalgemälde angefertigt hat, aufgrund der vom Kläger als Beweis angeführten Schriftstücke aus der Ermittlungsakte und aufgrund der Standortangaben im Werkverzeichnis zu der Überzeugung gelangt, dass die hinterlegten Gemälde der Mutter des Klägers aufgrund eines Diebstahls aus ihrem Wohnhaus im Jahr 1986 abhandengekommen sind.
53
Wie bereits ausgeführt, ist der Senat aufgrund der Darlegungen der Sachverständigen davon überzeugt, dass es sich bei den hinterlegten Gemälden um die im Werkverzeichnis der Gemälde unter Nr. ... und unter Nr. ... genannten Gemälde handelt. Im Werkverzeichnis ist für das jeweilige Bild aufgeführt, dass der „Standort unbekannt“ sei und dass das Bild „nach RP 1986 gestohlen“ worden sei. Ausweislich des den beiden Bänden des Werkverzeichnisses jeweils vorangestellten Abkürzungsverzeichnis bedeutet RP dabei R. P.. R. P. ist der Sohn des Malers. Auch der als Zeuge im Ermittlungsverfahren vernommene Dr. F1. B. äußerte bei seiner Vernehmung, die beiden sichergestellten Gemälde seien im Werkverzeichnis als gestohlen angegeben. Der Zeuge Dr. B. hat überdies im Ermittlungsverfahren eine handschriftliche Notiz aus dem P.-Archiv zur Verfügung gestellt, die nach seinen Angaben von R. P. stammen soll. In dieser heißt es, dass bei Chr. Si.-P. in St. in November 1986 gestohlen worden seien:
„P.
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M. P. im Sessel A. 336“
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„P.
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Stilleben mit blauer Vase (A 1232?)“
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54
Zwar stimmt hinsichtlich des Gemäldes, das einen Sommerstrauß zeigt, die von R. P. angegebene Archiv-Nr. nicht mit der laut Werkverzeichnis für dieses Bild überein. Dort wird die Archiv-Nr. mit ... angegeben. Auch ist die Umschreibung des Stilllebens mit blauer Vase nicht sehr individuell.
55
Es sprechen jedoch noch folgende weitere Indizien in ihrer Zusammenschau für einen Diebstahl der hinterlegten Bilder aus dem Elternhaus des Klägers im Jahr 1986.
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Zu nennen ist das Schreiben der Landespolizeidirektion St. an das Landeskriminalamt BW vom 15.12.1986, in welchem der Tathergang beschrieben und u.a. zwei Gemälde unter näherer Beschreibung als entwendet aufgeführt werden. Zu den diesbezüglichen Übereinstimmungen bzw. Abweichungen der hinterlegten Gemälde wird auf vorstehende Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen verwiesen.
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Des Weiteren zu nennen sind die Veröffentlichung im Bundeskriminalblatt unter Nr. .../S. 2 sowie die in der Kunstdatenbank des Bayerischen Landeskriminalamts zu einem Diebstahl vom 18.11.1986 erfassten Daten. In dem Bundeskriminalblatt ist die Rede von einen Einbruch in eine Villa in St. am 18.11.1986, in der u. a. zwei von H. P. signierte Ölgemälde entwendet worden sein sollen. Nach den sowohl im Bundeskriminalblatt als auch in der Kunstdatenbank wiedergegeben Fotos von den betroffenen Gemälden entsprechen die Bildmotive der als gestohlen aufgeführten Gemälde den Motiven der hinterlegten Gemälde. Hinsichtlich des Gemäldes, das einen Blumenstrauß zeigt, stimmen auch die Maßangaben laut Bundeskriminalblatt bzw. Kunstdatenbank mit denen des hinterlegten Gemäldes überein. Anzuführen ist außerdem das Protokoll der polizeilichen Vernehmung der Zeugin H2., einer Nichte der Mutter des Klägers, in der die Zeugin angibt, die beiden sichergestellten Bilder hätten sich im Privatbesitz ihrer Tante befunden und seien bei einem Einbruch im Jahr 1986 entwendet worden.
58
Hinzu kommt, dass die Mutter des Klägers in ihrem letzten Willen vom 10.10.1988 im Rahmen der Auflistung ihres Vermögens eine Anzahl von Werken ihres Vaters H. P. erwähnt, die zum großen Teil „nach mehreren Einbrüchen in das Einfamilienhaus ausgelagert wurden“.
59
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Diebstahl fingiert sein könnte oder dass die Geschädigten gegenüber der Polizei im Jahre 1986 falsche Angaben zu den entwendeten Gegenständen gemacht haben könnten. Soweit der 12. Senat darauf abstellt, dass ein Straftäter nicht ermittelt werden konnte, spricht dies angesichts der allgemein bekannten Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen nicht gegen die Annahme, dass ein Einbruch stattgefunden hat. Und dass der Diebstahl der Versicherung nicht gemeldet wurde, könnte überhaupt nur relevant sein, wenn eine solche für die entwendeten Bilder bestanden haben sollte, was nicht festgestellt Ist (vgl. Revisionsurteil, Rn. 31).
60
b) Infolge zweier Erbfälle sind der Kläger und seine Schwester Rechtsnachfolger der früheren Besitzerin der hinterlegten Gemälde geworden und können sich daher ihrerseits auf die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB berufen.
61
Der Kläger behauptet, nach dem Tod seiner Mutter Chr. Si., geb. P., am ...1993 seien er und seine Schwester C. Bü., geb. S. , sowie sein Vater Prof. Dr. jur. F2. S. deren Miterben zu je 1/3 geworden. Nach dem Tod seines Vaters seien er sowie seine Schwester C. Bü., geb. S., dessen Miterben zu je ½ geworden. Diese Erbfolge wird durch folgende vom Klägern vorgelegte Schriftstücke nachgewiesen:
- Auszug aus dem Familienbuch des Klägers, das ihn als Sohn von C. S. ausweist (Anlage BK10)
- Handschriftlicher letzter Wille von Chr. Si. und Prof. Dr. F2. S., der keine Bestimmungen des überlebenden Ehegatten enthält (Anlage K15, BK5, BK6)
- Erbschein betreffend den Erbfall Chr. Si. vom 10.11.1993, der den Kläger, seine Schwester und seinen Vater als Erben zu je einem Drittel des Nachlasses ausweist (Anlage K15, BK8)
- Auszug aus der Nachlassakte betreffend den Erbfall Prof. Dr. F2. S. vom 21.03.1996, u. a. ein Antrag der Schwester des Klägers auf Erteilung eines Erbscheins, der sie selbst und Kläger je zur Hälfte des Nachlasses als Erben ausweist (Anlage K15, BK9)
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Da – wie unter vorstehendem Punkt a) dargelegt – Chr. Si., geb. P., Eigentümerin der beiden hinterlegten Gemälde gewesen war, ist das Eigentum an diesen im Wege der mehrfachen Universalsukzession auf den Kläger und seine Schwester C. Bü. in Erbengemeinschaft übergegangen.
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2. Der Beklagte hat die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 2 BGB nicht durch den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) widerlegt. Der Eigentumserwerb des Beklagten durch Ersitzung gemäß § 937 BGB scheitert vorliegend daran, dass der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich seines guten Glaubens bei Besitzerwerb nicht hinreichend nachgekommen ist.
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Bei Bösgläubigkeit ist die Ersitzung nach § 937 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Nicht in gutem Glauben ist der Eigenbesitzer, der bei Besitzerwerb das Fehlen der eigenen Rechtsstellung als Eigentümer oder Eigentumserwerber kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
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Zwar trägt die Beweislast für die Voraussetzungen des § 937 Abs. 2 BGB der Kläger. Aber den Beklagten trifft eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich seines guten Glaubens beim Erwerb des Eigenbesitzes, da er sich gegenüber der früheren Besitzerin, der die Sache abhandengekommen ist, auf den Eigentumserwerb durch Ersitzung beruft (Revisionsurteil, Rn. 49). Wenn wie hier die Angaben des Beklagten zu dem von ihm behaupteten Erwerb der Gemälde nicht ausreichen, um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen, hat dies die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge (Revisionsurteil, Rn. 59).
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Der Beklagte hat der ihn treffenden sekundären Darlegungslast mit seinen Angaben zu den Umständen des Erwerbs der hinterlegten Gemälde nicht genügt. Er hat wechselnde Angaben hierzu gemacht, ohne dass ausreichend nachvollziehbar ist, warum es zu den unterschiedlichen Darstellungen gekommen ist.
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aa) Der Beklagte hat wechselnde Angaben dazu gemacht, wie er an den Besitz der bei ihm sichergestellten Gemälde gekommen ist. Die Unterschiede betreffen den Zeitpunkt der Besitzerlangung vom Stiefvater, den Rechtsgrund der Besitzerlangung vom Stiefvater und die vom Stiefvater erhaltenen Informationen zur Herkunft der Bilder.
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(1) In dem im Jahre 2009 gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren behauptete der Beklagte in seiner Beschuldigtenvernehmung am 01.10.2009 zunächst, er habe die Gemälde vor 30 oder 35 Jahren von seinem Stiefvater geschenkt bekommen, es könne sich also nicht um die Gemälde handeln, die 1986 gestohlen worden seien. Der Stiefvater habe ihm damals gesagt, dass er die Bilder von einem Antiquitätenhändler in Dkb gekauft habe. Ob es ein Händler war oder Antiquitätensammler, wisse er auch nicht genau. Den Namen des Bilderverkäufers habe ihm sein verstorbenen Stiefvater nicht gesagt. Er könne sich zumindest nicht mehr daran erinnern.
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(2) Nur wenige Tage später in einem Schreiben an einen Landtagsabgeordneten vom 05.10.2009 gab der Beklagte an, er habe die Bilder vor ca. 30 Jahren von seinem Stiefvater geerbt. Er habe ihnen aber wenig Aufmerksamkeit gewidmet, da er mit seinem Stiefvater ein etwas zwiespältiges Verhältnis gehabt habe.
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(3) Im Zivilverfahren trug der Beklagte hingegen vor, die Bilder seien ihm zur Neueröffnung seines Geschäfts in den Jahren 1986/87 von seinem Stiefvater geschenkt worden.
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(4) Im Schriftsatz vom 19.01.2022 behauptet der Beklagte, dass sein Stiefvater ihm die Gemälde zwischen 1986 und 1993 geschenkt habe und dass der Stiefvater diese vorher selbst von einem Händler erhalten habe.
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(5) Als der 15. Senat den Beklagten am 21.01.2022 und damit nur zwei Tage später zum Erwerb der hinterlegten Gemälde anhörte, äußerte er sich wie folgt:
„Wenn er gefragt werde, ob er noch definitiv sagen könne, wie er in den Besitz der beiden Bilder gekommen sei, könne er Folgendes angeben: Sein Stiefvater habe ihm die beiden Bilder als Eröffnungsgeschenk geschenkt, als die Zentrale seines Geschäfts von der Innenstadt in G. in die W. Straße 89 verlegt worden sei. Die Eröffnung der Firma sei 1987 gewesen. Er habe damals zu dem Hausmeister gesagt, er soll die Bilder irgendwo aufhängen. Die Bilder hätten meist in den Geschäftsräumen im Erdgeschoss gehangen, teilweise aber auch in Büroräumen im ersten Stock.“
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Sein Stiefvater sei zum Teil an der Firma beteiligt gewesen. Die Firma sei eine KG. Der Stiefvater habe die Bilder der Firma geschenkt und habe sich dann später darüber gefreut, dass die Bilder in der Firma aufgehängt worden seien.
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An den Geschenkvorgang habe er noch folgende Erinnerung: Sein Stiefvater sei am späten Abend kurz vor Geschäftsschluss bei ihm in der Firma gewesen und habe gesagt: „Ich habe was im Auto für dich“. Ein Lehrling oder Mitarbeiter der Firma sei dann rausgegangen und habe das Geschenk herein geholt. Es seien dann die beiden Bilder gewesen, die aufeinander gelegen hätten und in Packpapier verpackt gewesen wären. Sein Stiefvater habe dann gesagt: „Die hängst auf, wo es passt“. Die Frage, wo der Stiefvater die Bilder her gehabt habe, habe nicht im Raum gestanden. Er habe ja seinen Stiefvater nicht fragen können, wo er das Geschenk her habe.
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Auf Frage der Klägervertreterin, weshalb der Beklagte teilweise behauptet habe, er habe die Bilder von seinem Stiefvater geerbt, antwortete der Beklagte, dass er die Bilder halt von seinem Stiefvater bekommen habe, er sehe da keinen großen Unterschied zwischen geerbt und geschenkt.
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bb) Die bisherigen Angaben des Beklagten zu den Umständen seines Besitzerwerbs an den hinterlegten Gemälden sind teilweise nachweislich unzutreffend, teilweise unterscheiden sie sich in zentralen Punkten, ohne dass hinreichend nachvollziehbar ist, wie es zu den unterschiedlichen Darstellungen gekommen ist. Nach Auffassung des Senats kommt dabei den Äußerungen des Beklagten eine umso stärkere Bedeutung zu, je früher sie erfolgt sind. Denn je früher die Äußerungen erfolgt sind, umso weniger bestand Gelegenheit dazu, die eigenen Angaben an den Erkenntnisstand betreffend die Bilder im Ermittlungs- bzw. Zivilverfahren anzupassen.
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Die Angaben des Beklagten zum Zeitpunkt der Besitzerlangung im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 01.10.2009 und in dem Schreiben an den Landtagsabgeordneten vom 05.10.2009 sind hinsichtlich des Zeitpunkts der Besitzerlangung unzutreffend. Die vormals im Besitz des Beklagten befindlichen hinterlegten Gemälde sind der Mutter des Klägers nach der Überzeugung des Senats erst im Jahr 1986 durch einen Diebstahl abhandengekommen. Ungeachtet dessen kann die 2009 behauptete Erbschaft vor ca. 30 Jahren schon deshalb nicht stimmen, weil der Stiefvater erst 1993 verstorben ist.
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Die Angaben des Beklagten zum Rechtsgrund der Besitzerlangung in der Beschuldigtenvernehmung am 01.10.2009 und in dem Schreiben vom 05.10.2009 unterscheiden sich, obwohl nur wenige Tage dazwischen liegen. Wie es zu diesem Unterschied gekommen ist, vermochte der Beklagte bei seiner informatorischen Anhörung durch den Senat auf Nachfrage der Klägerin nicht wirklich zu erklären.
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Es ist zudem für den Senat nicht nachvollziehbar, wieso der Beklagte das Jahr der Besitzerlangung bzw, den Rechtsgrund der Besitzerlangung weder bei seiner Beschuldigtenvernehmung noch in seinem Schreiben an den Landtagsabgeordneten zutreffend angeben konnte, obwohl er später behauptete, die Gemälde anlässlich der Geschäftseröffnung in der W. Straße 89 in Gunzenhausen bekommen zu haben. Diesen Vortrag im Zivilverfahren als zutreffend unterstellt, würde es sich doch bei der Eröffnung eines neuen Geschäfts um ein recht bedeutsames Ereignis im Leben eines Geschäftsmannes handelt, an das man sich normalerweise – ggf. nach kurzer geistiger Anstrengung – auch noch nach längerer Zeit erinnern kann. Noch weniger verständlich sind die unzutreffenden Angaben zum Zeitpunkt und zum Rechtsgrund der Besitzerlangung, wenn man die detaillierten Angaben des Beklagten zum behaupteten Ablauf der Schenkung durch den Stiefvater bei seiner informatorischen Anhörung durch den Senat berücksichtigt. Es drängt sich vor diesem Hintergrund die Frage auf, wieso der Beklagte nunmehr so viele Einzelheiten zu dem Geschenk in dem Auto und zu dem Packpapier nennen kann, obwohl er im Jahr 2009 und damit mehr als zwölf Jahre vorher noch nicht einmal das Jahr des Besitzerwerbs zutreffend angeben konnte. Hinsichtlich der Einlassung bei der Beschuldigtenvernehmung, die am Durchsuchungstag erfolgte, mag dies vielleicht mit der besonderen Situation an diesem Tag zu erklären sein. Diese Erklärung verfängt jedoch nicht bei dem Schreiben des Beschuldigten an den Landtagsabgeordneten nur wenige Tage später.
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Schließlich traten bei der informatorische Anhörung des Beklagten durch den Senat weitere Widersprüche zu seinen bisherigen Angaben im Ermittlungs- bzw. Zivilverfahren zu Tage. Nunmehr will der Beklagte vom Stiefvater keine Informationen zur Herkunft der Bilder erhalten haben, während er am 01.10.2009 angab, der Stiefvater habe ihm gesagt, er habe sie bei einem Händler oder Sammler gekauft, und noch am 19.01.2022 vorträgt, der Stiefvater habe die Bilder von einem Händler erhalten. Neu ist außerdem der Vortrag, der Stiefvater habe die Bilder der Firma, einer KG, geschenkt. Letzteres irritiert auch deshalb, weil der Beklagte bislang im Zivilverfahren ausführlich darlegte, wie das Geschenk des Stiefvaters an ihn und das nach seinen Angaben schwierige Verhältnis zwischen ihnen zusammenpassen, z. B. im Schriftsatz vom 19.01.2022.
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cc) Der Vernehmung der von dem Beklagten zu den Umständen seines Besitzerwerbs angebotener Zeugen bedarf es nicht. Wenn der Sachvortrag unbeachtlich ist, kommt es auf den Beweisantritt nicht mehr an. Es ist auch nicht etwa die Beweisaufnahme mit dem Ziel durchzuführen, den unzureichenden Vortrag gegebenenfalls durch das Beweisergebnis zu ergänzen (BGH, Urteil vom 10.03.1986, Az. II ZR 107/85, NJW 1986, 3193 ff. [3194]).
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Die vom Beklagten benannte und vom Landgericht Ansbach bereits am 28.07.2015 vernommene Zeugin M. H3., die Ehefrau des Beklagten, machte keine die Umstände des Besitzerwerbs des Beklagten weiter erhellende Angaben. Sie gab vielmehr an, nicht mehr zu wissen, ob die Bilder ihrem Mann damals zu seiner Geschäftseröffnung von seinem Stiefvater geschenkt worden seien.
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dd) Die im Protokoll enthaltenen Angaben des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung des Beklagten bedürfen nicht des Zusatzes „vorgelesen und genehmigt“. Denn eine Protokollierung ist insoweit nicht vorgeschrieben.
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3. Wie bereits der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil unter Rn. 33 dargelegt hat, ist der Kläger befugt, den Herausgabeanspruch gegenüber der Staatsanwaltschaft und damit auch den gegen den Beklagten gerichteten Anspruch auf Bewilligung der Herausgabe gerichtlich geltend zu machen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Erbengemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Schwester noch besteht oder bereits auseinandergesetzt ist. Sollte die Erbengemeinschaft noch bestehen, wäre der Kläger nach § 2039 Satz 1 BGB berechtigt, den Herausgabeanspruch geltend zu machen. Zwar könnte er auf der Grundlage dieser Vorschrift nicht unmittelbar Leistung an sich, sondern nur die Herausgabe der Gemälde an die Erbengemeinschaft verlangen. Diese Einschränkung betrifft indes nicht das Recht, den Anspruch der Erbengemeinschaft im eigenen Namen im Prozess durchzusetzen, sondern lediglich die Frage der materiell-rechtlichen Einziehungsbefugnis des Klägers. Diese steht dem Kläger zu, weil seine Schwester ihm mit der als Anlage K1 vorgelegten Vereinbarung vom 14./16. August 2010 alle ihr „bezüglich dieser beiden Gemälde zustehenden zivilrechtlichen Ansprüche“ abgetreten hat. Ungeachtet der Frage, ob diese Abtretung eine gemeinschaftliche Verfügung über die Nachlassgegenstände nach § 2040 Abs. 1 BGB darstellt oder lediglich eine Einziehungsermächtigung, folgt aus ihr jedenfalls die materiell-rechtliche Befugnis des Klägers, die Herausgabe der Gemälde an sich zu verlangen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711, § 709 S. 2 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht der Senat von gefestigter höchstrichterlicher oder obergerichtlicher Rechtsprechung ab.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, Abs. 2, § 48, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, §§ 3, 6 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung wurde pro Bild ein Wert von 50.000,00 € veranschlagt. Dabei wurde die seitens Dr. F1. B. im Ermittlungsverfahren erfolgte Schätzung des bei einer Versteigerung zu erzielenden Erlöses von bis zu 100.000,00 € pro Bild (Anlage K13, S. 4) ebenso berücksichtigt wie die aus der Anlage BK17 ersichtlichen Verkaufserlöse für andere P.-Gemälde bei Ketterer Kunst, die regelmäßig über 30.000,00 € liegen, aber 100.000,00 € eher selten überschreiten.