Inhalt

AG Regensburg, Endbeschluss v. 15.11.2022 – 209 F 748/22
Titel:

Ausbildung zur Holzbildhauerin und Architekturstudium stehen im sachlichen Zusammenhang

Normenketten:
BGB § 1601, § 1610 Abs. 2
BAföG § 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Es liegt keine unnötige Verlängerung des Unterhaltszeitraums vor, wenn die Tochter nach der Ausbildung zur Holzbildhauerin noch ein Architekturstudium absolviert, da ein fachlicher Zusammenhang besteht und deshalb insgesamt eine Erstausbildung iSd § 1610 Abs. 2 BGB gegeben ist. (Rn. 20 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die unterhaltsberechtigte Person ist gegenüber der unterhaltspflichtigen Person nicht verpflichtet, den Vorteil aufzugeben, der ihr aus der Absolvierung einer Ausbildung vor dem Studium entsteht, damit der Unterhaltszeitraum verkürzt wird. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindesunterhalt, Abitur-Lehre-Studium-Fall, einheitliche Ausbildung, fachlicher Zusammenhang, praktische Ausbildung, Einkommensverhältnisse
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.06.2023 – 10 UF 1043/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49585

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller 3.332,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2021 zu bezahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Antragsgegner ist der Vater des Kindes …, geboren ….
2
Diese besuchte bis Juli 2015 das Gymnasium und schloss es mit dem Abitur ab. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr absolvierte die Tochter eine Ausbildung zur Holzbildhauerin, die sie im Juli 2019 mit der Note „sehr gut“ abschloss. Seit Oktober 2019 studiert sie an der Hochschule Architektur.
3
Mit Bescheid vom 17.04.2020 wurden der Tochter des Antragsgegners BAföG-Leistungen als Vorauszahlungen ab 01.10.2019 in Höhe von 277,69 EUR monatlich bewilligt. Diese Beträge wurden bis 30.09.2020 ausbezahlt.
4
Der Antragsgegner ist Angestellter bei der Bundeswehr und erzielte im Jahr 2019 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.558 €. Er wohnt mietfrei in einer in seinem Eigentum stehenden Immobilie mit einer Wohnfläche von 154 qm, Baujahr 1973.
5
Die Mutter der Tochter erzielte im Jahr 2019 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.131 €. Sie fährt täglich 18 km einfach zur Arbeitsstelle. Für den Erwerb von Wohnungseigentum zahlt sie monatlich Darlehensraten in Höhe von 702 € an die Bausparkasse Schwäbisch Hall und in Höhe von 183 € an die KfW-Bank. Sie bewohnt eine eigene Immobilie in … von 110 qm Wohnfläche, Baujahr 2014.
6
Der Antragsteller trägt vor, dass die Tochter des Antragsgegners nach Absolvierung des Abiturs von Anfang an geplant habe, zunächst eine handwerkliche Ausbildung zu machen und dann zu studieren. Der Antragsgegner schulde seiner Tochter auch Unterhaltsleistungen für das Architekturstudium, da zwischen dem Studium der Architektur und der vorausgegangenen praktischen Ausbildung zur Holzbildhauerin ein enger sachlicher Zusammenhang bestehe. Die Ausbildung stelle eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium der Architektur dar, da das erlernte Wissen, insbesondere in den Bereichen der Baugeschichte, der Kunstgeschichte, des Modellbaus, der Gestaltung, der Ästhetik, der Materialkunde, der Baustoffe, der Holzkenntnisse und der Kalligraphie auch für das Studium nutzbar gemacht werden könnten. Die Ausbildung zur Holzbildhauerin habe sich für die Tochter des Antragsgegners als äußerst gute Grundlage für das anschließende Studium erwiesen. Sie habe sich die von ihr erbrachten Leistungen im Rahmen der Ausbildung zur Holzbildhauerin sogar im Rahmen des Studiums anrechnen lassen können und sei hierdurch von der Verpflichtung zur Absolvierung des Grundpraktikums befreit worden. Maßgeblich für die Frage, ob ein enger Zusammenhang gegeben ist, sei, ob die in der Ausbildung erlangten allgemeinen Erkenntnisse der Tochter des Antragsgegners Vorteile in dem anschließenden Studium verschaffen würden. Beide Berufe überschneiden sich hinsichtlich der Themen Gestaltung, Skizzen/Pläne und Handwerk. Auch das Studium der Architektur enthalte zu einem großen Teil ästhetische und künstlerische Gestaltungsinhalte.
7
Die Mutter der Tochter habe den von ihr geschuldeten Anteil an Unterhalt in Höhe von 204,- EUR monatlich an die Tochter bezahlt. Auf die Frage, ob der Kindsmutter ein Wohnwert für die selbst bewohnt Immobilie zustehe, komme es nicht an, da dieser durch die hohen Darlehensbelastungen von monatlich 884 € ohnehin nivelliert sowie überstiegen würde.
8
Der Antragsteller beantragt:
Der Antragsgegner wird verurteilt, an den Antragsteller 3.332,28 EUR zuzüglich 6 % Zinsen hieraus seit dem 01.04.2021 zu zahlen.
9
Der Antragsgegner beantragt
Antragsabweisung.
10
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass zwischen der Ausbildung zur Holzbildhauerin und dem Architekturstudium kein fachlicher Zusammenhang bestehe. Der Ausbildungsberuf der Holzbildhauerin unterliege dem Kunsthandwerk und nicht der Berufssparte Bauwesen, Architektur, Vermessung. Holzbildhauer seien Handwerker und Künstler, welche dreidimensionale Bildwerke aus Holz herstellten und damit mit der Ausbildung die Grundlagen für den Besuch beruflich weiterbildender Schulen, wie Kunstakademien, erlangten, während Architekten den Gesamtentwurf für Neu- und Erweiterungsbauten und die Modernisierung, Sanierung oder Instandhaltung von Gebäuden und Bauwerken zeichnerisch darstellten und die zu erwartenden Baukosten abschätzten. Insgesamt handle es sich bei der Ausbildung zur Holzbildhauerin um ein künstlerisches Handwerk, wohingegen die Architektin plane, überwache und steuere.
11
Dass die Tochter des Antragsgegners von der Verpflichtung zur Absolvierung des Grundpraktikums befreit werden habe können, könne nicht nachvollzogen werden, nachdem in den Richtlinien zur Anrechnung von Zeiten auf das Grundpraktikum und das praktische Studiensemester vom 11.12.2012 der Hochschule die fachrichtungsbezogenen Ausbildungsberufe ausgeführt seien, wobei beim Studiengang Architektur die Holzbildhauerei nicht aufgeführt sei.
12
Außerdem habe das Kind seine Obliegenheit verletzt, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen. Die Tochter habe dem Antragsgegner bei der Verabschiedung von der Berufsfachschule gesagt, dass für sie von Anfang an klar gewesen sei, dass sie diesen Beruf nicht ausüben wolle. Sie hätte deshalb die Ausbildung abbrechen müssen, sobald ihr diese Entscheidung bewusst gewesen wäre, um den Unterhaltszeitraum nicht unnötig zu verlängern.
13
Im Übrigen sei der Antragsgegner nicht in voller Höhe leistungsfähig. Dem Antragsgegner könne kein Wohnwert zugerechnet werden. Denn an dem Anwesen, welches ihm mit notariellem Übergabevertrag vom … von seinen Eltern überlassen worden sei, sei den Eltern ein Wohnrecht am gesamten übergebenen Anwesen eingeräumt worden. Im Übrigen seien beim Antragsgegner Fahrtkosten in Höhe von 608 EUR in Abzug zu bringen, da dieser täglich einfach 59 Kilometer zu seiner Arbeitsstätte zurücklege. Außerdem leiste der Antragsgegner seiner weiteren Tochter im Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 246 EUR.
14
Die Mutter des Kindes sei nicht leistungsunfähig. Der Mutter sei ein Wohnvorteil in Höhe von mindestens 1.100 € zuzurechnen. Abzugsfähig seien vom Finanzierungsdarlehen des Eigenheims nur die Zinsen. Der in der monatlichen Darlehensrate enthaltene Tilgungsanteil sei nur bis zur Höhe des Wohnwertes abzugsfähig.
15
Der Antragsteller ist der Meinung, dass der Antragsgegner in der beantragten Höhe leistungsfähig sei. Dem Antragsgegner sei ein Wohnvorteil zuzurechnen. Dieser sei mit einem Schätzwert von 1.500 € anzusetzen. Auch das angeblich den Eltern eingeräumte Wohnrecht an der Immobile des Antragstellers ändere daran nichts, da der Antragsgegner mietfrei in eigener Wohnung wohne und unabhängig von einem etwaigen Wohnrecht von dem mit dem mietfreien Wohnen verbundenen Gebrauchsvorteil profitiere. Außerdem würden ausweislich des Übergabevertrages vom Wohnrecht nur die Räumlichkeiten im Erdgeschoss erfasst. Die Berechtigung, sich im ganzen Anwesen frei zu bewegen, erweitere das Nutzungsrecht nicht. Die Tochter des Antragsgegners habe nicht ihre Obliegenheit verletzt, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen. Die Ausbildungsabschnitte seien jeweils im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Die Tochter des Antragsgegners habe mit dem Gedanken des späteren Studiums zwar von Anfang an gespielt, sich ihren Entschluss hierzu jedoch erst während der Ausbildung gefasst, was sie beiden Elternteilen kommuniziert habe. Bestritten wird, dass der Antragsgegner die von ihm angegebene Fahrtstrecke zur Arbeit tatsächlich zurückgelegt habe, insbesondere während des Ausbruchs der Corona-Pandemie.
16
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligtenvertretern gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
17
Das Gericht hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2022 wir verwiesen.
B.
18
Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Zahlung von 3.332,28 € an rückständigem Kindesunterhalt für die Zeit vom 01.10.2019 bis zum 30.09.2022 gegen den Antragsgegner gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB, § 37 Abs. 1 BAföG zu.
19
I. Die Tochter des Antragsgegners hat einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt gemäß §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB in Höhe von monatlich 547 € für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum 30.09.2020 gegen den Antragsteller.
20
1. Der Tochter des Antragsgegners steht dem Grunde nach ein Antrag auf Zahlung von Unterhalt gegen den Antragsteller zu.
21
Bei dem von der Tochter des Antragsgegners absolvierten Studium handelt es sich um einen Teil der Erstausbildung im Sinne des § 1610 Abs. 2 BGB. Es liegt ein sogenannter Abitur-Lehre-Studium-Fall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor. Der Bundesgerichtshof geht in diesen Fällen von einer einheitlichen Ausbildung aus, wenn die einzelnen Abschnitte in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (BGH, FamRZ 2006, 1100, 1102).
22
Der enge sachliche Zusammenhang erfordert, dass praktische Ausbildung und Studium derselben Berufssparte angehören oder jedenfalls so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung für das Studium darstellt (BGH FamRZ 1989, 853; Wendl/Dose: Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 2 Rn. 100). Der Studienentschluss muss nicht von vornherein, sondern kann erst nach Beendigung der Lehre gefasst werden. Es entspricht gerade der Eigenart dieses Ausbildungsweges, dass die praktische Ausbildung vielfach aufgenommen wird, ohne dass sich der Auszubildende endgültig schlüssig wird, ob er nach deren Abschluss ein Studium anschließen soll (BGH FamRZ 1989, 853).
23
Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob die Tochter bereits zu Beginn der Lehre beabsichtigte, anschließend ein Studium der Architektur aufzunehmen. Es kommt ausschließlich darauf an, ob zwischen der Ausbildung zur Holzbildhauerin und dem Architekturstudium ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht.
24
Der erforderliche zeitliche Zusammenhang ist gegeben. Abitur, freiwilliges soziales Jahr, Ausbildung und Studienbeginn schließen jeweils nahtlos aneinander an.
25
Der erforderliche sachliche Zusammenhang ist ebenfalls gegeben. Auch wenn eine Lehre der Holzbildhauerei eher künstlerisch geprägt ist, werden darin Kenntnisse insbesondere zur Materialbeschaffenheit, zur Materialverarbeitung, zur Ästhetik sowie generell zu dem Bereich Kunstgeschichte und Modellbau vermittelt. Das Gericht schließt sich insoweit der Einschätzung des Antragstellers an. Die Tochter des Antragstellers hat mit ihrer Ausbildung zur Holzbildhauerin Vorkenntnisse erworben, die sie in ihrem späteren Studium anwenden kann. Das Gericht sieht es insoweit als entscheidend an, dass dies von der Universität selbst so gesehen wurde, indem die Ausbildung zur Holzbildhauerin dazu führte, dass die Tochter des Antragsgegners von der Verpflichtung zur Absolvierung des Grundpraktikums freigestellt wurde. Unerheblich ist dabei, dass Holzbildhauer im Leitfaden für das Grundpraktikum der Hochschule nicht angeführt wurde. Entscheidend ist, dass diese im konkreten Fall anerkannt wurde. Das bedeutet, dass von der zuständigen Hochschule selbst die Ausbildung zur Holzbildhauerin als sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf ein Architekturstudium gesehen wird. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreichend um den engen sachlichen Zusammenhang zu bejahen.
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2. Die Tochter des Antragsgegners hat nicht die Obliegenheit verletzt, ihr Studium zügig und strigent durchzuführen. Sie hat nicht die Obliegenheit getroffen, die Ausbildung zur Holzbildhauerin vorzeitig zu beenden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei der Ausbildung zur Holzbildhauerin und dem Architekturstudium um eine einheitliche Ausbildung handelt. Die Tochter ist gegenüber ihrem Vater nicht verpflichtet, den Vorteil aufzugeben, der ihr aus der Absolvierung der Ausbildung vor dem Studium entsteht, damit der Unterhaltszeitraum verkürzt wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich bei späteren Bewerbungen eine abgebrochene Ausbildung negativ im Lebenslauf darstellt, während sich eine zuvor absolvierte Ausbildung in einem Beruf, der eine gewisse Nähe anschließenden Studium aufweist, positiv auswirkt.
27
3. Der Antragsgegner ist in voller Höhe leistungsfähig.
28
Sein monatliches Nettoeinkommen beläuft sich für den verfahrensrelevanten Zeitraum unstreitig auf 2.558 €.
29
a. Unerheblich, ist, ob davon die vom Antragsgegner behaupteten Fahrtkosten in Höhe von 608 € in Abzug zu bringen sind. Der Antragsgegner hat mit Schreiben seines Arbeitgebers vom 18.08.2022 nachgewiesen, dass sich seine Arbeitsstätte in … befindet. Der Antragsgegner hat jedoch nicht nachgewiesen, dass er im Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum 30.09.2020 täglich zur Arbeit gefahren ist, also auch während der Coronapandemie. Darauf kommt es jedoch nicht an. Auch bei Berücksichtigung von berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von 609 € bleibt der Antragsgegner leistungsfähig.
30
b. Dem bereinigten Nettoeinkommen des Antragsgegners ist ein Wohnvorteil in Höhe von 1.000 € zuzurechnen.
31
Der Antragsgegner hat mit Vorlage des Übergabevertrags vom … zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass an dem von ihm bewohnten Anwesen ein Wohnrecht besteht. Dieses führt allerdings nicht dazu, dass beim Antragsgegner deshalb kein Wohnvorteil anzusetzen ist. Denn das ausschließliche Wohnrecht der Eltern des Antragsgegners besteht nur am Schlafzimmer im Erdgeschoss. Im Übrigen wurde ihnen nur ein Mitbenutzungsrecht eingeräumt. Das führt dazu, dass dem Antragsgegner der Wohnvorteil am gesamten Anwesen mit Ausnahme des Schlafzimmers im Erdgeschoss erhalten bleibt. Der Antragsgegner erspart sich Aufwendungen in Form Mietzahlungen unabhängig vom Wohnrecht der Eltern, so dass es gerechtfertigt ist, in der Höhe der ersparten Mietaufwendungen einen Wohnvorteil anzusetzen.
32
Der objektive Wohnwert des Anwesens ist mit mindestens 1.000 € zu bemessen. Dabei hat das Gericht die Lage des Anwesens in …, das Alter des Hauses, die Wohnfläche, das alleinige Nutzungsrecht der Eltern am Schlafzimmer im Erdgeschoss sowie die Tatsache, dass es sich um ein landwirtschaftliches Anwesen handelt, wie sich aus dem Übergabevertrag ergibt, das jedenfalls über eine große Grundfläche verfügt, berücksichtigt. Ein Wohnwert von 1.000 € erscheint dem Gericht daher mindestens angemessen.
33
c. Das Einkommen des Antragsgegners ist um monatliche Unterhaltszahlungen an die Tochter in Höhe von 246 € zu bereinigen. Der Antragsgegner hat durch Vorlage von Kontoauszügen bewiesen, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 246 € an seine weitere Tochter erbracht hat.
34
4. Der Haftungsanteil beider Elternteile richtet sich nach den beiderseitigen Einkommensverhältnissen.
35
Da die Tochter einen eigenen Hausstand hat, beträgt ihr konkreter Bedarf gemäß Nr. 13.1.2. der Süddeutschen Leitlinien 860 €. Beide Elternteile haften dafür gemäß § 1606 Abs. 3 BGB anteilig entsprechend ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
36
Auf die Mutter entfällt ein zu leistender Anteil am Kindesunterhalt in Höhe von 315 €.
37
Die Mutter erzielte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unstreitig ein monatliches Einkommen in Höhe von 2.131 €.
38
Davon sind berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von 198 € in Abzug zu bringen. Dies errechnet sich wie folgt: 18 km × 2 × 0,30 × 220 Arbeitstage = 198 €. Da die Fahrtkosten in den Jahren 2019/2020 angefallen sind, ist die Erhöhung der Erhöhung der Kilometerpauschale in § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG zum 01.01.2021 (vgl. Grüneberg, § 1361 BGB Rn. 48) unerheblich. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ist die Kilometerpauschale von 0,30 € anzusetzen.
39
Bei der Mutter ist ein Wohnvorteil anzusetzen. Legt man den vom Antragsgegner genannten Wohnvorteil in Höhe von 1.100 € zugrunde, der unter Berücksichtigung der Lage in …, der Wohnfläche von 110 qm und dem Baujahr nicht unangemessen erscheint, sind die monatlichen Darlehensraten in Höhe von 884 € vollständig in Abzug zu bringen, da ein Wohnvorteil nur insoweit angesetzt werden kann, als Aufwendungen für erspart werden.
40
5. Aufgrund der beiderseitigen Barunterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind ergibt sich damit folgende Unterhaltsberechnung:
Daten und Beteiligte

Berechnungsstichtag

Name der Variante I: NüRNBERG_2022_01. VUO

gültig im Bezirk des OLG Nürnberg, erster Gültigkeitstag 01.01.2022, wie vom Verlag ausgeliefert

25.08.2022

Namen der nur Unterhaltspflichtigen

Namen des Kindes/der Kinder

…, geb. …, 25 Jahre alt

Zuordnungen
Kindesunterhalt
… ist ein Kind von … und von ….
Bedarf und Leistungsfähigkeit

Unterhaltspflichtig

… Name der Variante II: WEST_2022_01.VUZ

gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West), erster Gültigkeitstag 01.01.2022

Nettoeinkommen von …

2.558,00 Euro

berufsbedingte Aufwendg.

608,00 Euro

berufsbedingte Aufwendg.

-608,00 Euro

bleibt

1.950,00 Euro

Naturaleinkommen (Wohnwert)

1.000,00 Euro

insgesamt

2.950,00 Euro

Schulden, Belastungen

KindesU …

246,00 Euro

Schulden, Belastungen

-246,00 Euro

unterhaltsrechtliches Einkommen

2.704,00 Euro

… Name der Variante II: WEST_2022_01.VUZ

gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West), erster Gültigkeitstag 01.01.2022

Nettoeinkommen von …

2.131, 00 Euro

berufsbedingte Aufwendg.

198,00 Euro

berufsbedingte Aufwendg.

-198,00 Euro

bleibt

1.933,00 Euro

Naturaleinkommen (Wohnwert)

1.100,00 Euro

insgesamt

3.033,00 Euro

Schulden, Belastungen

884,00 Euro

Schulden, Belastungen

-884,00 Euro

unterhaltsrechtliches Einkommen

2.149,00 Euro

Kinder

…, 25 Jahre

konkreter Bedarf

860,00 Euro

Berechnung des Kindesunterhalts

Unterhaltspflichten von …

gegenüber …

fiktiv bei alleiniger Unterhaltspflicht

860,00 Euro

Restbedarf des Kindes nach beiderseitigem Einkommen

860,00 Euro

Unterhaltspflichten von …

gegenüber …

fiktiv bei alleiniger Unterhaltspflicht

860,00 Euro

Restbedarf des Kindes nach beiderseitigem Einkommen

860,00 Euro

Aufteilung gemeinsamer Unterhaltspflichten

… Bedarf des Kindes

… und … haften gemeinsam für den Unterhalt von …

860,00 Euro

Verfügbare Elterneinkommen

verfügbar bei …:

Einkommen

2.704,00 Euro

abzüglich Selbstbehalt

-1.400,00 Euro

1.304,00 Euro

verfügbar bei …:

Einkommen

2.149,00 Euro

abzüglich Selbstbehalt

-1.400,00 Euro

749,00 Euro

Haftungsanteile

Haftungsanteil von …:

860 * 1304 / (1304+749)

546,24 Euro

bleibt: 2.704 – 546,24 =

2.157,76 Euro

Haftungsanteil von …:

860 * 749 / (1304 + 749)

313,76 Euro

bleibt: 2.149 – 313,76 =

1.835,24 Euro

Prüfung auf Leistungsfähigkeit

… bleibt

2.157,76 Euro

Das Resteinkommen unterschreitet nicht den angemessenen Selbstbehalt von

1.400,00 Euro

… bleibt

1.835,24 Euro

Das Resteinkommen unterschreitet nicht den angemessenen Selbstbehalt von

1.400,00 Euro

Verteilungsergebnis

2.158,00 Euro

1.836,00 Euro

861,00 Euro

insgesamt

4.855,00 Euro

Zahlungspflichten

… zahlt an

547,00 Euro

… zahlt an

314,00 Euro

41
II. Der Anspruch der Tochter auf Kindesunterhalt gegen den Antragsgegner ist für die Vergangenheit ist in Höhe von 277,69 € monatlich gemäß § 37 Abs. 1 BAföG kraft Gesetzes auf den Antragsteller übergegangen.
42
Der Unterhaltsanspruch geht gemäß § 37 BAföG nur insoweit auf den Antragsteller über, soweit der Tochter des Antragsgegners BAföG-Leistungen bewilligt wurden und soweit auf ihren Bedarf das Einkommen und Vermögen des Vaters nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz anzurechnen ist. Für die Tochter wurden BAföG-Leistungen in Höhe von 306 € festgesetzt, wie sich aus dem Bescheid des Studentenwerks vom 03.03.2021 ergibt. Davon wurden 277,69 € als Vorausleistung für vom Vater nicht bezahlten Unterhalt ausbezahlt. Das dem Vater nach den Vorschriften des BAföG anzurechnende Einkommen wurde mit 307,16 € bestimmt. Die Vorausleistung für den Vater wurde mit 277,69 € festgelegt, da vom angerechneten Einkommen des Vaters in Höhe von 307,16 € überobligatorische Unterhaltsleistungen der Mutter in Höhe von 29,47 € in Abzug gebracht wurde. Folglich muss sich die Mutter nicht an der Rückzahlung der Vorausleistungen in Höhe von 277,69 € monatlich an den Antragsteller beteiligen, da diese ausschließlich den Antragsgegner betreffen. In Höhe von 277,69 € ist nur ein Übergang der Unterhaltsforderung der Tochter gegen den Antragsgegner erfolgt. Die Einkommensverhältnisse der Mutter sind nur insoweit relevant, als sie sich wegen der beiderseitigen Barunterhaltspflicht auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Tochter auswirken.
43
III. Die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Zinsen ergibt sich aus § 37 Abs. 6 BAföG.
44
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten zu berücksichtigen.