Titel:
Beweis des Zugangs der Erklärung zur Ausübung des Vorkaufsrechts
Normenketten:
BGB § 888 Abs. 1, § 1098 Abs. 1
ZPO § 286
Leitsätze:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch gem. § 888 Abs. 1 BGB auf Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer im Grundbuch von den Beklagten, da er sein Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Absenden der Erklärung mittels Einwurf-Einschreiben genügt zum Beweis des Zugangs nicht. (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einwurf-Einschreiben, Zugang, Vorkaufsrecht
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 01.07.2022 – 3 U 2928/22
OLG München, Beschluss vom 13.09.2022 – 3 U 2928/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.2023 – V ZR 203/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49500
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger, welcher Erbbauberechtigter und Vorkaufsberechtigter an dem im Antrag genannten Grundstück ist, macht einen Anspruch auf Mitwirkung der Beklagten, welche das Grundstück im Rahmen einer Teilungsversteigerung ersteigert haben, geltend.
2
Unter der laufenden Nr. 2 in Abt. 2 des Grundbuchs wurde ein Erbbaurecht, befristet bis zum 30.11.2021 für den Kläger eingetragen (Anlagen K 1, K 2). Nach der laufenden Nr. 4 in Abt. 2 des Grundbuchs besteht ein Vorkaufsrecht für Verkaufsfälle zugunsten des jeweiligen Berechtigten des Erbbaurechts (Anlage K 2).
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Zum Zwecke der Auseinandersetzung der Eigentümergemeinschaft (vgl. Anlagen K 2, K 4, K 5) leitete ein Miteigentümer ein Teilungsversteigerungsverfahren vor dem zuständigen Amtsgericht München – Abteilung für Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen – ein (AG München, Az. 1510 K 135/19).
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Am 28.07.2021 fand vor dem Amtsgericht München der Termin zur Teilungsversteigerung statt. Hierbei ersteigerten die Beklagten das mit dem Erbbaurecht des Klägers belastete Grundstück zu einem Meistgebot von 300. 000,00 Euro.
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Das Amtsgericht bestimmte nach dem Versteigerungstermin einen weiteren Termin, an welchem der Zuschlag für das Erbbaurechtsgrundstück des Klägers und auch sämtlicher weiterer versteigerten Objekte erfolgen sollte.
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Vor diesem Termin, welcher am 03.08.2021 stattfand, wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 29.07.2021 an die Beklagten und schlug diesen vor, dass sie doch den Zuschlag für das Flurstück 1260/3 abtreten sollten. Gleichzeitig wurde die Geltendmachung des Vorkaufsrechts angekündigt. Die Beklagten verweigerten jedoch eine Abtretung.
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Die Beklagten erhielten an diesem Termin für das Meistgebot den Zuschlag bezüglich des Grundstücks Flur Nr. 1260/3 (Anlagen K 4, K 5).
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Nachdem eine Abtretung durch die Beklagten nicht erfolgt war und der Zuschlagsbeschluss erteilt worden war, übte der Kläger sein dinglich gesichertes Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 19.08.2021 aus (Anlage K 6), und zwar gegenüber den Beklagten und nach seiner Behauptung auch an die im Grundbuch eingetragenen Eigentümern (vgl. Anlage K 8; Anlagenkonvolut K 15).
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Mit Schreiben der Beklagten vom 29. 08.2021 widersprachen die Beklagten dem ausgeübten Vorkaufsrecht (Anlage K 9).
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Der Kläger beantragt daher:
Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, der Auflassung des G. W. Weg 4, 8... M., Flurstück Nr. ... der Gemarkung P., derzeit vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts München von Perlach, Blatt 46103, zuzustimmen sowie die Eintragung des Eigentumsübergangs auf den Kläger zu bewilligen, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 300. 000,00.
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Die Beklagten beantragen
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Hierzu tragen sie insbesondere vor, dass gem. § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 464 Abs. 1 BGB die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Verpflichteten zu erklären ist. Der Zugang der seitens des Klägers angeführten Schreiben bei den Streitverkündeten (vgl. Streitverkündung Bekl-Schriftsatz vom 09.03.2022) und auch die Versendung der Schreiben wird bestritten.
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Die Beklagten weisen außerdem darauf hin, dass sie mit Schreiben vom 12.11.2021, vom Klägervertreter vorgelegt als Anlage K 14, dem Kläger den Inhalt im Sinne des § 1098 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 469 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB mitgeteilt haben und deshalb gem. § 1098 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 469 Abs. 2 S. 1 BGB die Ausschlussfrist für die Ausübung des Vorkaufsrechts bei vorliegendem Grundstück zum 15.01.2022 abgelaufen sei.
14
Außerdem wird darauf hingewiesen, dass das Vorkaufsrecht entsprechend Erbbaurechtsvertrag, URNr. ... des Notars Dr. H. R. vom 14.12.1961, dort auf S. 4 III., zum 30.11.2021, mit Ende des Erbbaurechts, erloschen ist (Anlage K 1).
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gem. § 888 Abs. 1 BGB auf Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer im Grundbuch von den Beklagten. Denn er hat sein Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt.
18
Ob das Vorkaufsrecht aufgrund der Teilungsversteigerung gem. §§ 471, 1098 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist oder nicht, kann dahingestellt bleiben, da dies auf das Ergebnis keinen Einfluss hat.
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Nach der Rechtsprechung des BGH und der h.M. gilt dies nicht für die Zwangsversteigerung und führt nicht zur Aufhebung einer Gemeinschaft (§§ 180 ff. ZVG) (vgl. BeckOK BGB/Faust, 61. Ed. 1.11.2021, BGB § 471 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 21.1.2016 – V ZB 43/15), während die Beklagten anderer Ansicht sind (vgl. auch Staudinger/Schermaier (2013) BGB § 471 Rn. 6) .
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Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 464 Abs. 1 BGB jedoch gegenüber dem Verpflichteten zu erklären.
21
Als Verpflichteter sind im vorliegenden Fall die (früheren), im Grundbuch des Amtsgerichts München eingetragenen (Mit-)Eigentümer des Grundstücks anzusehen (vgl. §§ 1094, 1097 BGB).
22
Dass die Schreiben, in welchen der Kläger diesen gegenüber die Ausübung der Vorkaufsrechts erklärt haben will, auch zugegangen sind, hat er indes nicht bewiesen.
23
Einen unmittelbaren Beweis hat der Kläger nicht angeboten, sondern nur für das Absenden der behaupteten Schreiben mittels Einwurf-Einschreiben. Dies ist zum Beweis jedoch nicht ausreichend (§ 286 ZPO).
24
Nach der Rechtsprechung des BGH sowie der herrschenden Meinung kommt dem EinwurfEinschreiben nur dann ein Anscheinsbeweis zu, wenn und soweit die beweisbelastete Partei sowohl den Einlieferungsbeleg als auch die Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorlegt (vgl. BGH vom 27.9.2016 – II ZR 299/15 – „Nicht zu folgen ist allerdings einer verbreiteten Ansicht, nach der die Gesellschaft den Beweis des Zugangs der Zahlungsaufforderung bereits durch den Nachweis der Absendung durch Vorlage des Einlieferungsscheins führen kann“; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.9.2020 – 3 Sa 38/19; MüKoBGB/Einsele, 9. Aufl. 2021, BGB § 130 Rn. 46; Gomille beck-online.GROSSKOMMENTAR GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann Hrsg: Hager Stand: 01.04.2020 § 130 Rn. 130). Letzteres ist jedoch nicht vorgetragen.
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Die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber den anderen früheren Miteigentümers kann auch nicht mehr nachgeholt werden, da gem. § 1098 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 469 Abs. 2 S. 1 BGB die Ausschlussfrist für die Ausübung zum 15.01.2022 abgelaufen ist. Auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten wird ergänzend Bezug genommen. Etwas anderes gilt etwa auch nicht für den Erwerb mittels einer Teilungsversteigerung, da nach der Rechtsprechung des BGH (aaO.) ein solcher Erwerb einem freihändigen Kauf gleich steht.
26
Außerdem ist das Vorkaufsrecht entsprechend dem streitgegenständlichen Erbbaurechtsvertrag (URNr. ... des Notars Dr. H. R. vom 14.12.1961, dort auf S. 4 III) mit Ende des Erbbaurechts zum 30.11.2021 erloschen.
vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO