Titel:
Zurückweisung der Berufung wegen verspäteten Beweisangeboten
Normenkette:
ZPO § 139, § 529, § 531 Abs. 2
Leitsatz:
Eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Erstgericht liegt nicht vor, sodass eine Zulassung der nunmehrigen Beweisangebote nicht in Betracht kommt, da sie verspätet sind. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hinweispflicht, Verspätung, Beweisangebot
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 01.07.2022 – 3 U 2928/22
LG München I, Endurteil vom 05.05.2022 – 31 O 15297/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.2023 – V ZR 203/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49499
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.05.2022, Aktenzeichen 31 O 15297/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 300.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Ausübung eines Vorkaufsrechts für das Anwesen W.-H.-W., … M.
2
Der Kläger ist Erbbauberechtigter und Vorkaufsberechtigter an dem oben genannten Grundstück (vgl. Anlage K1), welches im Grundbuch eingetragen war (Anlage K2). Das Vorkaufsrecht besteht für jeden Verkaufsfall zugunsten des jeweils Erbbauberechtigten und war befristet bis zum 30.11.2021. Das Grundstück stand vormals im Eigentum einer Eigentümergemeinschaft, durch welche ein Teilungsversteigerungsverfahren an diesem Grundstück durchgeführt wurde (AG München, Az.: 1510 K 135/19).
3
In dieser Teilungsversteigerung gaben die Beklagten am 28.07.2021 das Meistgebot von 300.000,00 € ab.
4
Mit Schreiben vom 29.07.2021 wandte sich der Kläger an die Beklagten und schlug eine Abtretung des Zuschlags für das Grundstück vor. Zugleich wurde eine Ausübung des Vorkaufsrechts angekündigt. Die Beklagten gingen auf dieses Angebot nicht ein. Am 03.08.2021 erhielten die Beklagten den Zuschlag für das Meistgebot (Anlagen K4, K5).
5
Mit Schreiben vom 19.08.2021 (Anlage K6) übte der Kläger sein Vorkaufsrecht gegenüber den Beklagten (Anlage K6) aus. Diese widersprachen dem Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 19.08.2021.
6
Mit erhobener Klage vom 17.11.2021 begehrt der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Erklärung der Auflassung sowie die Eintragung des Eigentumsübergangs.
7
Der Kläger trägt vor, dass er das Vorkaufsrecht auch gegenüber den vormaligen Eigentümern ausgeübt habe (vgl. Anlage K8, K 15).
8
Die Beklagten tragen vor, dass das Vorkaufsrecht gegenüber dem Verpflichteten zu erklären sei, also gegenüber sämtlichen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft. Der Zugang der seitens des Klägers angeführten Schreiben bei den Voreigentümern wurde durch diese als Streitverkündete bestritten.
9
Das Landgericht München I wies mit oben genannten Endurteil die Klage ab und führte aus, dass das Vorkaufsrecht gegenüber den Verpflichteten, also den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft auszuüben war. Ein Zugang gegenüber sämtlichen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft sei nicht nachgewiesen. Dieses Endurteil wurde dem Kläger am 05.05.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 16.05.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, legt der Kläger gegen dieses Endurteil Berufung ein, welche mit Schriftsatz vom 27 6. 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet wurde.
10
Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Ziel weiter und beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.05.2022, AZ: 31 O 15297/21, ist aufzuheben.
2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, der Auflassung des Grundstücks W.-H.-W. 4, … M., Flurstück Nr. …60/3 der Gemarkung P., derzeit vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts M. von P., Blatt …03, zuzustimmen sowie die Eintragung des Eigentumsübergangs auf den Kläger zu bewilligen, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 300.000, – €.
11
Die Beklagten beantragen,
Die Berufung zurückzuweisen
12
Mit Beschluss vom 01.07.2022 wies der Senat darauf hin, dass er beabsichtige, die Berufung der Klagepartei gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und setzte der Klagepartei eine Frist zur Stellungnahme. Dieser Beschluss wurde der Klagepartei am 12.07.2022 zugestellt. Diese nahm mit Schriftsatz vom 08.09.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Stellung.
13
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
14
Das Urteil des Landgerichts München I vom 05.05.2022 begegnet aus Sicht des Senats keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich dabei nach § 529 ZPO, demnach sind die vom Gericht der I. Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die Klageabweisung werden keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen im Sinne des § 529 ZPO vorgetragen. Zur Überzeugung des Senats hat das Erstgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Zu den Ausführungen in der Gegenerklärung im Einzelnen:
15
1. Mit der Gegenerklärung werden nunmehr erstmals die vollständigen Zustellnachweise betreffend die bisherigen Alteigentümer, denen gegenüber das Vorkaufsrecht auszuüben ist, vorgelegt. Zugleich werden diese auch als Zeugen angeboten. Dieser nunmehrige Vortrag ist jedoch, worauf der Senat bereits in seinem Beschluss hingewiesen hat, verspätet und war daher zurückzuweisen, § 531 Abs. 2 ZPO. Der Senat ist an den Vortrag 1. Instanz gebunden, § 529 ZPO. Die nunmehrigen Beweisangebote, im einzelnen die Zustellnachweise in Form von Urkunden sowie die Einvernahme der Empfänger als Zeugen, sind zurückzuweisen, da der zugrunde liegende Vortrag, nämlich der Zugang der Ausübung des den bisherigen Eigentümern durch die Beklagten bestritten wurde (vgl.UA S. 2).
16
2. Eine Zulassung dieser Beweisangebote aufgrund eines unterlassenen Hinweises des Landgerichts München I, sowie von der Gegenerklärung geltend gemacht, kommt nicht in Betracht. Der Vortrag, dass das erstinstanzliche Gericht in der mündlichen Verhandlung den Anschein erweckt habe, dass der bisherige Vortrag des Klägers ausreichend sei, findet sich so im Protokoll nicht wieder. Zudem muss es dem anwaltlichen Vertreter des Klägers auch bekannt sein, dass streitiger Vortrag hinsichtlich des Zugangs von Schreiben durch denjenigen, welcher sich auf den Zugang beruft, zu beweisen ist. Der Senat hat hier bereits Zweifel, ob es eines solchen Hinweises überhaupt bedarf (vgl. Zöller/Greger, § 139 Rn. 16). Zwar normiert § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO, dass das Gericht darauf hinzuwirken hat, das Beweismittel zu bezeichnen sind. Eine Aussage, dahingehend, dass die Partei auf die Benennung von Beweismitteln hinzuweisen ist, lässt sich daraus nicht ableiten. Auch eine Verkennung der Beweislast lässt sich aus dem Vortrag der Klagepartei nicht ableiten, so dass auf die von der Gegenerklärung zitierten Entscheidungen BGH NJW 1989, 2756; NJW-RR 1993, 569 nicht abzustellen ist. Letztendlich kann dies jedoch vorliegend offenbleiben, da ein ausreichend deutlicher Hinweis der beklagten Partei vorliegt, welchen die Klagepartei auch erkannt hat. Ein gerichtlicher Hinweis ist entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH NJW-RR 2008, 581; BGHZ 170, 67 = NJW 2007, 759 = NZV 2007, 137 = WM 2007, 984 Rdnr. 19; BGH, NJW 1988, 696; NJW 1980, 223). Die Beklagten wiesen bereits mit der Klageerwiderung vom 20.02.2022 (vgl. Bl. 20 d.A.) darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Ausübung des Vorkaufsrechtes bei dem Kläger liege. Dieser Hinweis auf die Rechtslage wurde von dem Kläger auch zur Kenntnis genommen und aufgegriffen, da mit Schriftsatz vom 17.03.2022 (Bl. 31 f. d.A.) zur Ausübung des Vorkaufsrechts auch gegenüber den Verpflichteten vorgetragen wurde. Insbesondere ergibt sich aus diesem Vortrag der Klagepartei, dass diese die Möglichkeit, dass das Vorkaufsrecht gegenüber den Streithelfern auszuüben ist, durchaus erkannt und entsprechend vorgetragen hat, dass eine derartige Ausübung erfolgte. Der Kläger nahm daher zur Versendung der Schreiben Stellung und bot entsprechenden, wenn auch nicht ausreichenden, Beweis an; eines nochmaligen Hinweises durch das Landgericht bedurfte es daher nicht. Entsprechend ergibt sich eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Erstgericht nicht, womit eine Zulassung der nunmehrigen Beweisangebote nicht in Betracht kommt.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
18
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
19
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.