Titel:
Unerheblichkeit des Einwand des Insolvenzbeschlags
Normenkette:
ZPO § 750, § 775, § 882c
Leitsatz:
Der Einwand, dass gegenüber dem Neugläubiger ein Vollstreckungsverbot iSd § 89 Abs. 1 InsO gilt und daher keine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft besteht, ist unbeachtlich. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eintragungsanordnung, Vermögensauskunft, Nichtabgabe, Neugläubiger, Vollstreckungsverbot
Rechtsmittelinstanz:
LG München II, Beschluss vom 12.07.2023 – 6 T 4574/22
Fundstellen:
ZInsO 2024, 1701
LSK 2022, 49489
BeckRS 2022, 49489
Tenor
1. Der Widerspruch der Schuldnerin vom gegen die Eintragungsanordnung vom 27.10.2022 des Gerichtsvollziehers am Amtsgericht Ebersberg, Aktenzeichen: ... wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung wird mit Rechtskraft wirksam.
Gründe
1
Der Gerichtsvollzieher ordnete die Eintragung der Schuldnerin gemäß S 882c Abs. 1 Ziffer 1 ZPO wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft in das zentrale Schuldnerverzeichnis an.
2
Der Widerspruch der Schuldnerin gegen die Eintragungsanordnung ist nicht begründet, da die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gemäß S. 750 ZPO (Titel, Klausel, Zustellung) vorliegen und der Eintragungsgrund „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ gegeben ist. Darüber hinaus vermag das Vollstreckungsgericht keine nachvollziehbaren vollstreckungsrechtlich relevanten Einwendungen erkennen. Die Zwangsvollstreckung ist lediglich einzustellen oder zu beschränken unter den Voraussetzungen des S. 775 ZPO. Die dortige Aufzählung ist abschließend. Eine entsprechende gerichtliche Entscheidung oder ein Zahlungsnachweis wurde nicht vorgelegt.
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Dem vorgebrachten Einwand, dass gegenüber dem Neugläubiger ein Vollstreckungsverbot i.S.d. S. 89 Abs. 1 InsO gilt und daher keine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft besteht, kann nicht gefolgt werden.
4
In der zitierten Fundstelle des Widerspruchsführers wird zwar einerseits ausgeführt, dass auch Neugläubiger von dem Vollstreckungsverbot umfasst sind, allerdings auch die Ausnahme gemacht wird, dass die Zwangsvollstreckung in das insolvenzfreie, pfändbare Vermögen zulässig ist (MK-lnsO/Breuer S. 89 Rz. 26, AG Göttingen, Beschluss vom 02.10.2007 – 71 IN 227/09 m.w.N).
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Ob die Hindernisse des Insolvenzbeschlages vorliegen, kann jedenfalls in der ex ante durch den Gerichtsvollzieher bzw. dem Vollstreckungsgericht nicht festgestellt werden. Neugläubiger dürfen nicht rechtlos gestellt werden. Sie können einen entsprechenden Nachweis nicht führen. Einen solchen Nachweis zu führen, obliegt daher dem Insolvenzverwalter bzw. dem Schuldner, die einen solchen Nachweis in zumutbarer Weise führen können und gegen die Vollstreckungsmaßnahme Erinnerung gem. S. 766 ZPO einlegen können.
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Da der Sinn und Zweck der Auskunftspflicht des Schuldners über sein Vermögen ist, dass der Gläubiger dadurch Kenntnis von Vermögensstücke erlangen kann, die (möglicherweise) seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (Seibel/Zöller, 34. Auflage, 5802 b Rnd. 1 m.w.N) muss dem Neugläubiger die Möglichkeit bleiben, über möglicherweise vorhandene Vermögenswerte, die nicht im Insolvenzbeschlag sind, Auskunft zu erlangen.
7
Einer allgemeinen Behauptung, dass ein insolvenzfreies, pfändbares Vermögen, aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens nicht vorhanden sein kann, kann nicht gefolgt werden, da durchaus Möglichkeiten bestehen, wie ein Schuldner im laufenden Insolvenzverfahren, an Vermögen gelangen kann, dass der Zwangsvollstreckung durch Neugläubiger unterworfen ist (Freigabe durch den Insolvenzverwalter / privilegierte Vollstreckung gem. S. 89 Abs. 2 Satz 2 InsO i.V.m. SS 850d, 850f Abs. 2 ZPO).
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Auch der Einwand, dass gem. S. 51 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GVGA durch den Gerichtsvollzieher nicht vollstreckt werden darf, kann nicht gefolgt werden, da diese Vorschrift grds. das Betreiben der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher für Neugläubiger für zulässig erachtet nur eben nicht in das Vermögen, dass im Insolvenzbeschlag ist.
9
Da die Vermögensauskunft selbst noch keine Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners darstellt, sondern eben der Vorbereitung einer möglicherweise stattfindenden Zwangsvollstreckung dient (s.o), verbleibt die Pflicht der Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft gegenüber Neugläubiger.