Titel:
Weitere Ausfertigung, Rechtsbeschwerde, Erteilung der Ausfertigung, Erteilung von Ausfertigungen, Beschwerdeführer, Widerruflichkeit der Vollmacht, General- und Vorsorgevollmacht, Beurkundungsgesetz, Notarielle, Notarvertreter, Elektronisches Dokument, Geschäftsunfähigkeit, Sachverständigengutachten, Betreuungsgericht, Elektronischer Rechtsverkehr, Vollmachtgeber, Rechtsanwaltes, Vormundschaftsgerichtliche, Geschäftsunfähiger, Amtlich bestellter Vertreter
Schlagworte:
Beschwerdeverfahren, General- und Vorsorgevollmacht, Widerruf
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.05.2023 – V ZB 22/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49445
Tenor
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin … vom 09.06.2021 gegen die Entscheidung des Notars … vom 02.06.2021 wird zurückgewiesen.
II. Eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Mit Datum vom 02.09.2004 hat der Ehemann der Beschwerdeführerin … dieser vor dem Notar … als amtlich bestellten Vertreter von Notar … eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht, UR-Nr. …, erteilt Anlage A3).
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Unter Ziffer IV. dieser Urkunde ist u.a. geregelt: „Von dieser Urkunde erhalten: der Vollmachtgeber eine einfache Abschrift und der Bevollmächtigte sofort eine Ausfertigung und auf Verlangen weitere Ausfertigung, wenn er glaubhaft versichert, dass seine Ausfertigung abhandengekommen ist und die Vollmacht nicht widerrufen wurde“.
3
Notar … ist der Notariatsnachfolger von Notar …
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim, Vormundschaftsgericht, vom 26.10.2004 wurde Rechtsanwalt … für Herrn … als Betreuer bestellt; die Betreuung wurde u.a. hinsichtlich der Aufgabenkreise Vermögenssorge und rechtliche Angelegenheiten angeordnet (Anlage A1).
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Mit Schreiben vom 22.03.2007 widerrief der Betreuer … die General- und Vorsorgevollmacht und forderte die Beschwerdeführerin auf, die ihr erteilte Ausfertigung der Vollmacht zu übergeben; ausweislich des Schreibens des Rechtsanwalts … vom 29.03.2007 an das Amtsgericht Rosenheim hat die Beschwerdeführerin die Ausfertigung an ihn herausgegeben Anlage A7, A8).
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Die Beschwerdeführerin forderte mit Schreiben vom 29.03.2021 das Amtsgericht Rosenheim, Betreuungsgericht, auf, die Ausfertigung der Urkunde an sie herauszugeben; mit Schreiben des Amtsgerichts Rosenheim vom 27.04.2021 wurde mitgeteilt, dass sich die Originalurkunde bzw. Ausfertigung der General- und Vorsorgevollmacht vom 02.09.2004 nicht in der Gerichtsakte befindet (Anlage A9).
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Mit Schreiben vom 14.05.2021 beantragte die Beschwerdeführerin bei Notar … die Erteilung einer weiteren Ausfertigung zur Urkunde Nr. … mit der Begründung, ihr liege die Ausfertigung nicht mehr vor, was auch eidesstattlich versichert wurde, und der rein tatsächlich erfolgte Widerruf durch RA … sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt und daher ohne Rechtswirkung (Anlage A4).
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Dies wurde von Notar … mit Schreiben vom 02.06.2021, bezeichnet als Zwischenbescheid, mit der Begründung, ihm sei es als Notar nicht gestattet in der Art eines Richters über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Widerrufs zu entscheiden, abgelehnt.
9
Mit Schriftsatz vom 09.06.2021, eingegangen am 15.06.21, wurde hiergegen seitens der Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die Entscheidungsbefugnis über den Antrag liege allein beim ausstellenden Notar als Amtsnachfolger. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Ausfertigung nach der Urkunde seien gegeben; so habe sie auch eidesstattlich versichert – im Original vorgelegt – nicht mehr im Besitz einer Ausfertigung zu sein.
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Der Notar erhielt hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme und führte hierzu aus, zur Frage, ob ein wirksamer Widerruf durch Rechtsanwalt … erklärt worden sei, bedürfe es einer richterähnlichen Entscheidung, zu der er als Notar nicht berufen sei. Außerdem bestünden Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der erteilten Vollmacht vom 02.09.2004. Rechtsanwalt … habe mit Schreiben vom 22.03.2007 dem Amtsvorgänger Notar … mitgeteilt, dass im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren ein Gutachten am 18.10.2004 erholt wurde, welches von vollständiger Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers zur Zeit der Exploration ausgehe; in diesem Gutachten werde auch ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass Herr … aller Wahrscheinlichkeit nach auch zum Zeitpunkt der Erstellung diverser Vollmachten geschäftsunfähig war. Damit stehe – so der Notar – auch die Wirksamkeit der Vollmacht vom Beginn an infrage, was nach § 14 BNotO von ihm zu berücksichtigen sei. Daher bestehe nach wie vor keine Möglichkeit dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer weiteren Ausfertigung der Urkunde stattzugeben.
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Nachdem sich die Beschwerdeführerin direkt mit Schreiben vom 01.07.2021 an den Notar … wandte und hierbei u.a. ausführte, das Betreuungsgericht habe sich mit der Vorsorgevollmacht vom 02.09.2004 nie befasst, vielmehr habe Rechtsanwalt … ohne Kenntnis der Rechtslage, ohne Legitimation und ohne Rechtsgrundlage agiert, wird seitens des Notars mit Schriftsatz vom 05.07.2021 ausgeführt, dass auch diese Umstände mit notariellen Erkenntnismitteln nicht aufgeklärt noch überprüft werden könnten.
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In rechtlicher Hinsicht weist Notar … mit Schriftsatz vom 09.08.2021 ergänzend darauf hin, die seitens der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung des BGH vom 28.07.2015, XII ZB 674/14, sei nicht mit der vorliegenden Rechtslage identisch, da Rechtsanwalt … vorliegend auch der Aufgabenkreis „rechtliche Angelegenheiten“ erteilt worden sei.
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Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin … erweist sich als nicht begründet.
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Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung einer weiteren Ausfertigung der Urkunde beantragt; gegen die Verweigerung der Erteilung steht ihr nach § 54 Abs. 1 Beurkundungsgesetz die Beschwerde zu.
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Seitens des Notars … wurde jedoch zu Recht die Erteilung einer weiteren Ausfertigung der General- und Vorsorgevollmacht verweigert.
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Nach § 51 Abs. 2 Beurkundungsgesetz kann – in Erweiterung zu dessen Abs. 1 – in der Urkunde geregelt werden, dass auch weiteren über den in Abs. 1 genannten Personen hinaus Ausfertigungen zu erteilen sind. Dies ist vorliegend aufgrund der Regelung in Ziffer IV der Urkunde der Fall. Dort ist u.a. geregelt: „Von dieser Urkunde erhalten: der Vollmachtgeber eine einfache Abschrift und der Bevollmächtigte sofort eine Ausfertigung und auf Verlangen weitere Ausfertigung, wenn er glaubhaft versichert, dass seine Ausfertigung abhandengekommen ist und die Vollmacht nicht widerrufen wurde“.
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Dementsprechend konnte grundsätzlich die Beschwerdeführerin aufgrund der Regelung in der Urkunde eine weitere Ausfertigung verlangen; allerdings nur, wenn sie glaubhaft versichert, dass ihre Ausfertigung abhandengekommen ist und die Vollmacht nicht widerrufen wurde.
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Der Nachweis der ersten Voraussetzung ist der Beschwerdeführerin zwar gelungen; aufgrund des vorliegenden Sachverhalts sowie der vorliegenden Unterlagen steht fest, dass die Beschwerdeführerin die ihr erteilte Ausfertigung an den (damaligen) Betreuer ihres Mannes Rechtsanwalt … ausgehändigt hat. Eine Weitergabe der Urkunde an das Amtsgericht Rosenheim, Betreuungsgericht, durch diesen ist nicht erfolgt. Dementsprechend hat dieses der Beschwerdeführerin auch bestätigt, dem Amtsgericht liege die Ausfertigung nicht vor.
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Auch hat die Beschwerdeführerin an Eides statt versichert, nicht mehr im Besitz der Ausfertigung zu sein. Unter Berücksichtigung der weiteren vorliegenden Unterlagen ist der Beschwerdeführerin mithin die Glaubhaftmachung gelungen.
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Weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Ausfertigung ist nach der Regelung in der Urkunde jedoch auch, dass die Vollmacht nicht widerrufen wurde.
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Dies ist jedoch nicht der Fall. So trägt die Beschwerdeführerin selbst vor – was auch den Tatsachen entspricht, wie an dem Schreiben des Rechtsanwaltes … vom 22.03.2007 ersichtlich ist – dass durch diesen der Widerruf der Vollmacht erklärt wurde. Zuvor wurde durch das Amtsgericht Rosenheim, Betreuungsgericht mit Beschluss vom 25.10.2004 bezüglich des Ehemannes der Beschwerdeführerin eine Betreuung angeordnet und Rechtsanwalt … als Betreuer bestellt.
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Damit liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Ausfertigung aufgrund des erfolgten Widerrufs nicht vor.
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Der Prüfungsmaßstab des Notars ist hierbei formalisiert, mithin grundsätzlich darauf beschränkt, ob die entsprechenden Voraussetzungen für die Erteilung einer (weiteren) Ausfertigung – ggf. nachzuweisen durch entsprechende öffentliche Urkunden – vorliegen. Hierbei ist es dem Notar verwehrt, wie von ihm zutreffend dargelegt, eine materiellrechtliche Überprüfung des Widerrufs – gleich einem Gerichtsverfahren – durchzuführen.
24
Der Einwand der Beschwerdeführerin, der Widerruf sei mangels entsprechend ausreichender Bestellung hinsichtlich der angeordneten Aufgabenkreise durch das Betreuungsgericht nicht wirksam, stellt einen materiellrechtlichen Einwand dar, der im rein formalisierten Verfahren grundsätzlich keine Berücksichtigung finden kann.
25
Rein tatsächlich ist mithin ein Widerruf der Vollmacht erfolgt, weswegen eine der erforderlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Ausfertigung nicht gegeben ist.
26
Ein Fall eines zweifelsfrei, d.h. mithin ohne jegliche rechtliche Überprüfung, vorliegenden unwirksamen Widerrufs einer erkennbar rechtlich nicht autorisierten Person, der gegebenenfalls durch den Notar Berücksichtigung finden könnte, liegt nicht vor.
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Zutreffend wird seitens des Notars ebenfalls eingewandt, dass er unter Berücksichtigung der ihm gesetzlich aufgegebenen Amtspflichten nach § 14 Bundesnotarordnung vielmehr die Erteilung von Ausfertigungen verweigern müsse, wenn ihm nach der Beurkundung Ablehnungsgründe erkennbar werden, aufgrund derer er die Beurkundung nach § 4 Beurkundungsgesetz hätte ablehnen müssen (so auch Hagemann im Beckschen Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, RN 557).
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Insofern verweist der Notar in seiner Stellungnahme vom 09.08.2021 zutreffend darauf, dass ein ausreichender Grund zur Verweigerung der Urkundstätigkeit bereits dann vorliegt, wenn der Notar schwerwiegende Bedenken rechtlicher oder tatsächlicher Art gegen die Vornahme der Urkundstätigkeit hegt und diese weder durch Aufklärung des Sachverhalts noch durch Belehrung der Beteiligten ausgeräumt werden können.
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Von der Beschwerdeführerin inhaltlich was die Ausführungen im Sachverständigengutachten anbelangt auch nicht in Abrede gestellt, wurde seitens des (damaligen) Betreuers Rechtsanwalt … in einem Schreiben an Notar … vom 22.03.2007 mitgeteilt, dass sich aus dem im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren erholten Gutachten vom 18.10.2004 ergeben habe, dass zum Zeitpunkt der Exploration eine vollständige Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers bestand und davon auszugehen sei, dass dieser aller Wahrscheinlichkeit nach auch zum Zeitpunkt der Erstellung diverser Vollmachten geschäftsunfähig war.
30
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 9.9.2021, wonach diverse Rechtsanwälte ihren Ehemann für geschäftsfähig hielten als auch der beurkundende Notarvertreter … sind insofern nicht weiterführend, da diesen Personen die fachliche medizinische Kompetenz im Gegensatz zu einem psychiatrischen Sachverständigen, der vorliegend unstreitig ein entsprechendes Gutachten erstellt hat, fehlt.
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Wäre dem Notarvertreter zum Zeitpunkt der beantragten Beurkundung demgegenüber das Sachverständigengutachten zur Verfügung gestanden, hätte dies zur Folge gehabt, entweder eine Beurkundung abzulehnen oder eine entsprechende ausdrückliche Aufklärung mit Dokumentierung in der Urkunde zur Folge gehabt.
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Damit wurde – unwidersprochen – ein Sachverhalt vorgebracht, nämlich eine bestehende Geschäftsunfähigkeit, die mit Gutachten vom 18.10.2004, damit nur gute 6 Wochen nach der vorliegenden Beurkundung, durch den Sachverständigen festgestellt wurde, die einer Beurkundung durch den damaligen Notar entgegengestanden hätte.
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Zutreffend wird seitens des Notars … darauf hingewiesen, dass normalerweise der Notar vor Durchführung der Beurkundung den Sachverhalt versuchen muss aufzuklären oder zumindest eine entsprechende Belehrung der Beteiligten durchführen und hierbei gegebenenfalls darauf hinweisen muss, sollten hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit Bedenken bestehen, dass einer dennoch erfolgenden Beurkundung Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen könnten.
34
Die Kammer folgt insofern der Einschätzung des Notars, dass, wenn wie vorliegend diesen Bedenken nicht bzw. nicht mehr Rechnung getragen werden kann, weil diese erst im späteren Verlauf, nämlich nach Beurkundung bekannt werden, vom Notar zumindest bei der Frage der Erteilung einer Ausfertigung durch diesen Berücksichtigung finden können müssen.
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Auch unter diesem Blickwinkel wurde seitens des Notars zu Recht die Erteilung einer Ausfertigung abgelehnt.
36
Dementsprechend musste die Beschwerde zurückgewiesen werden.
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Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung war nach § 81 FamFG nicht anzuordnen, da ein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG nicht vorliegt.
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Die Rechtsbeschwerde wurde im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung, inwieweit im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer Ausfertigung nach § 51 Beurkundungsgesetz dem Notar – im Hinblick auf eine gegebenenfalls offensichtliche Rechtslage, hier aufgrund einer bestehenden Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.07.2015, XII ZB 674/14). – doch ein – wenn auch sehr eingeschränktes – Prüfungsrecht zur Frage der Wirksamkeit eines Widerrufs der Vollmacht zusteht, insbesondere ob insofern auch erst nachträglich bekannt gewordene Umstände, die einer Beurkundung von vorneherein entgegengestanden hätten, im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der Ausfertigung Berücksichtigung finden können, zugelassen.