Titel:
Bestimmtheitsanforderungen an eine Abstinenz- und Kontrollweisung iRd Führungsaufsicht
Normenkette:
StGB § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10, Abs. 3
Leitsätze:
1. Eine Abstinenzweisung neben einer damit verbundene Kontrollweisung ist im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB wegen Unzumutbarkeit rechtswidrig, wenn von vornherein feststeht, dass der Proband die Abstinenzweisung krankheitsbedingt nicht einhalten kann. Dies ist nicht der Fall, wenn es dem Verurteilten bei entsprechender Willensanstrengung möglich ist, gänzlich betäubungsmittelabstinent zu leben. (Rn. 8 – 15)
2. Für die Rechtmäßigkeit einer Kontrollweisung im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB ist es neben Art der Kontrollen und ihrer zulässigen Mindest- und Höchstzahl innerhalb eines bestimmten Zeitraums erforderlich, aber auch ausreichend, die die Kontrolle durchführende Stelle in allgemeiner Form zu umschreiben (Anschluss an und Fortführung von BayObLG, Urt. v. 30.09.2022 – 201 StRR 58/22 bei juris = BeckRS 2022, 28619). (Rn. 20 – 25)
Eine Rechtsmittelbeschränkung auf einzelne Anordnungen im Rahmen eines Beschlusses, der die Führungsaufsicht näher ausgestaltet, ist möglich, soweit diese gegenüber den sonstigen Anordnungen derart selbstständig sind, dass sie eine gesonderte Prüfung und Beurteilung erlauben. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsmittel, Rechtsmittelbeschränkung Beschwerde, Beschwerdebeschränkung, Führungsaufsicht, Proband, Alkohol, Betäubungsmittel, Suchtmittel, THC, THC-Konsum, Krankheit, krankheitsbedingt, Abstinenz, alkoholabstinent, betäubungsmittelabstinent, Entzug, Entzugserscheinung, Weisung, Abstinenzweisung, Konsumverbot, Kontrollweisung, Suchtmittelkontrollweisung, Mindestzahl, Höchstzahl, Frequenz, Alkoholmarker, Ethylglucuronid, Rechtmäßigkeit, rechtswidrig, Abhängigkeit, Zuständigkeit, Bestimmtheit, Stelle, Aufsichtsstelle, Bewährungsstelle, Suchtmittelberatungsstelle, Ermessen, Ermessensfehler, ermessensfehlerfrei, Einzelfall, Einzelfallbetrachtung, einzelfallbezogen, Grunderkrankung, Zumutbarkeit, Unzumutbarkeit, Verhältnismäßigkeit, Willensanstrengung, Kostentragung, Motivation, Vorgeschichte, Rückfall, Rückfallrisiko, Rückfallpotenzial, Strafbewehrung, Beschaffungskriminalität, Bestimmtheitsgrundsatz, Drogenscreening, Landgerichtsarzt, Gesundheitsamt, Ambulanz, Institut, Rechtsmedizin, Krankenhaus, Labor, strafbewehrte Weisung, Betäubungsmittelabstinenz, Kontrollstelle, Beschwerde, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49344
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 05.08.2022 in Ziffer 3.d des Beschlusstenors hinsichtlich der dort erteilten Kontrollweisung aufgehoben. Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Mit Beschluss vom 05.08.2022 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts festgestellt, dass die mit der Entlassung aus dem Strafvollzug eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt und ihre Höchstdauer von 5 Jahren nicht abgekürzt wird (Ziff. 1) und den Verurteilten der Aufsicht und Leitung der für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfe- und Führungsaufsichtsstelle unterstellt (Ziff. 2). Die Strafvollstreckungskammer hat dem Verurteilten weiter eine Reihe von Weisungen erteilt (Ziff. 3a mit d strafbewehrt, Ziff. 4a mit e nicht strafbewehrt), wegen deren Einzelheiten sowie wegen der Begründung des Beschlusses insgesamt auf denselben Bezug genommen wird. Die Strafvollstreckungskammer hat weiter die Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht der Justizvollzugsanstalt Bayreuth übertragen (Ziff. 5). Die im Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 05.08.2022 unter Ziff. 3d erteilten strafbewehrten Weisungen lauten wie folgt:
„Der Verurteilte wird gemäß § 68b Abs. 1 StGB strafbewehrt angewiesen: […]
d) keine alkoholischen Getränke oder Betäubungsmittel im Sinne des BtMG, sofern nicht ärztlich verordnet, zu sich zu nehmen und zum Nachweis seiner Suchtmittelabstinenz mindestens einmal und höchstens dreimal pro Quartal Urinprobenuntersuchungen auf etwaigen Drogenkonsum sowie zur Bestimmung des Alkoholmarkers Ethylglucuronid nach näherer Weisung des Bewährungshelfers durchführen zu lassen und das Ergebnis unaufgefordert über die Bewährungshelfer der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen; die Kosten der Untersuchung trägt die Staatskasse (§ 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 10 StGB).“ […]
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Gegen Ziff. 3d des ihm am 16.08.2022 zugestellten Beschlusses hat der Verurteilte mit Schreiben vom 17.08.2022, bei den Justizbehörden eingegangen am 18.08.2022, Beschwerde eingelegt und diese mit seinem 40 Jahre dauernden THC-Konsum begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 23.08.2022 beantragt, die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts als unbegründet kostenfällig zu verwerfen. Hierzu hatte der Verurteilte Gelegenheit zur Stellungnahme, äußerte sich jedoch nicht mehr.
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1. Das Rechtsmittel des Verurteilten wendet sich ausweislich der Begründung – der Verurteilte erklärt, mit den anderen Punkten einverstanden zu sein – alleine gegen die inhaltliche Ausgestaltung der Führungsaufsicht in dem einzelnen Punkt, nämlich Ziff. 3d und ist daher als einfache Beschwerde gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 1 StPO statthaft und im Übrigen zulässig (§ 306 Abs. 1 StPO). Da die Abstinenzweisung vorliegend im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Kontrollweisung steht und diese ebenfalls unter Ziff. 3d geregelt ist, wendet sich die Beschwerde des Verurteilten auch gegen letzteren Punkt.
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Eine Rechtsmittelbeschränkung auf einzelne Anordnungen im Rahmen eines Beschlusses, der die Führungsaufsicht näher ausgestaltet, ist möglich, soweit diese gegenüber den sonstigen Anordnungen derart selbständig sind, dass sie eine gesonderte Prüfung und Beurteilung erlauben. (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 65. Aufl. § 304 Rn. 4). Dies ist vorliegend der Fall.
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Die Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde mit Verfügung vom 18.08.2022 nicht abgeholfen.
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Soweit die Ausgestaltung der Führungsaufsicht angegriffen wird, kann sich das Rechtsmittel allerdings nur darauf stützen, dass die vom Gericht getroffenen Regelungen gesetzwidrig sind (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Folglich hat das Beschwerdegericht insoweit auch nur die Gesetzmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung zu überprüfen und darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des nach § 462a StPO berufenen Gerichts setzen (vgl. KK/Appl StPO 8. Aufl. § 453, Rn. 12 m.w.N.). Gesetzwidrig sind Anordnungen nur dann, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind, oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten (vgl. KK/Appl a.a.O. § 453 Rn. 13). Gleiches muss für den Fall gelten, dass eine Ausübung des Ermessens überhaupt nicht ersichtlich ist. Ansonsten verbleibt es bei dem Grundsatz, die mit den Anordnungen zur Führungsaufsicht verbundene Ermessensentscheidung der Strafvollstreckungskammer zu überlassen. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit umfasst neben der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage hat und ob Ermessensmissbrauch vorliegt, auch die Prüfung, ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 453 Rn. 12).
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2. Nach diesen Prüfungsmaßstäben erweist sich die Beschwerde des Verurteilten nur insoweit teilweise und auch nur vorübergehend als begründet, als es die Strafvollstreckungskammer unterlassen hat, die für die Durchführung der Kontrollweisung zuständigen Stellen zumindest in allgemeiner Form sachlich zu umschreiben. Im Einzelnen:
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a) Die Weisung, keine Betäubungsmittel zu sich zu nehmen, beruht auf § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB und soll – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang in der Begründung des Beschlusses ergibt – das aufgrund der Vorgeschichte des Verurteilten bestehende Rückfallrisiko der Begehung neuerlicher Betäubungsmitteldelikte reduzieren helfen. Die Weisung ist damit einzelfallbezogen, sachgerecht und ermessensfehlerfrei begründet. Der Verurteilte hat in der Vergangenheit nach eigenen Angaben viele Jahre Betäubungsmittel konsumiert.
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Die Strafvollstreckungskammer hat sich auch damit auseinandergesetzt, ob die Abstinenzweisung dem Verurteilten im Hinblick auf seine nicht erfolgreich behandelte Betäubungsmittelabhängigkeit zumutbar ist, und ist dabei zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt.
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Zwar hat der Senat in einer Vielzahl unveröffentlichter Entscheidungen entschieden, dass eine Abstinenzweisung und eine damit verbundene Kontrollweisung wegen Unzumutbarkeit rechtswidrig ist, wenn von vornherein feststeht, dass der Proband die Abstinenzweisung krankheitsbedingt nicht einhalten kann. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn eine Suchttherapie nicht vollständig erfolgreich abgeschlossen worden ist. Jedoch bedarf es in jedem Fall einer sorgfältigen Einzelfallbetrachtung, um nach Möglichkeit auszuschließen, dass sich Probanden allein mit der Berufung auf ihre Grunderkrankung den für sie mit Belastung und Umständen verbundenen Weisungen entziehen können.
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Das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 30.03.2016 – 2 BvR 496/12 = StraFo 2016, 293 = NJW 2016, 2170 = StV 2016, 661 = BeckRS 2016, 44562) hält auch bei langjährigen, trotz mehrfacher Versuche nicht erfolgreich therapierten Suchtmittelabhängigen eine Abstinenz- und Kontrollweisung nach genauer Einzelfallprüfung für zumutbar und geht nur bei schwerst abhängigen Personen, wenn keine erheblichen Straftaten drohen, von einer Unzumutbarkeit aus.
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Die angegriffene Abstinenzweisung, die auf § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB beruht und die zusammen mit der unter Ziff. 4e des Beschlusses erteilten nicht strafbewehrten Weisung, Kontakt zu einer Suchtmittelberatungsstelle aufzunehmen, den Verurteilten durch entsprechende Beratung und Hilfe vor einem erneuten Abgleiten in Betäubungsmittelkonsum mit damit verbundener Beschaffungskriminalität bewahren bzw. ihn wieder hieraus in die Legalität zurückführen soll, begegnet im Lichte dieser Rechtsprechung keinen Bedenken.
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Für eine aktuelle körperliche Suchtmittelabhängigkeit des Verurteilten ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass es dem Verurteilten bei entsprechender Willensanstrengung durchaus möglich ist, gänzlich betäubungsmittelabstinent zu leben. Hierfür spricht der Umstand, dass der Verurteilte ausweislich der Stellungnahme der JVA vom 14.07.2022 in beschützter Umgebung seit August 2020 abstinent gelebt hat und keinerlei Anhaltspunkte für Entzugserscheinungen bestanden.
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Die richterliche Weisung zielt somit darauf ab, den Verurteilten dazu zu motivieren, abstinent zu bleiben und sich ggf. geeigneten Therapien und Maßnahmen zu unterziehen, die ihn vor erneutem Konsum illegaler Substanzen abhalten, die ein Sucht- und Rückfallpotenzial, nebst der Gefahr der Begehung rauschbedingter Straftaten, in sich bergen. Dies gilt, wie die Strafvollstreckungskammer nachvollziehbar ausgeführt hat, auch für den Konsum von Alkohol, nachdem bei dem Verurteilten die Gefahr einer Verlagerung zum Alkoholkonsum besteht.
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Unter diesen Umständen ist dem Verurteilten der Verzicht auf Drogen- und Alkoholkonsum zumutbar. Es ist daher grundsätzlich von seiner Abstinenzfähigkeit – bei entsprechender Willensanstrengung – auszugehen. Erforderlichenfalls muss er sich eigenständig um weitergehende ärztliche oder therapeutische Hilfen bemühen, wenn er der Auffassung sein sollte, einem Konsumverlangen allein nicht widerstehen zu können.
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b) Die mit der Abstinenzweisung verbundene Kontrollweisung kann in ihrer bisherigen Form allerdings nicht bestehen bleiben.
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aa) Mit der Weisung eines Konsumverbots sollte allerdings, wie geschehen, in der Regel eine Kontrollweisung verbunden werden (Fischer StGB 69. Aufl. § 68b Rn. 16 m.w.N.), da ein Verstoß gegen das Konsumverbot ansonsten nur durch Zufall aufgedeckt und einem Abgleiten des Verurteilten in die Kriminalität möglicherweise nicht zeitnah entgegengewirkt werden könnte.
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Die Kostentragung ist zugunsten des Verurteilten geregelt. Eine Mindest- und zugleich Höchstfrequenz der Untersuchungen ist angegeben. Die Art der Maßnahmen ist eindeutig beschrieben. Die Weisung zu Abstinenzkontrollen ist dem Verurteilten insoweit auch zumutbar (§ 68b Abs. 3 StGB). Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Ansetzung einzelner Untersuchungstermine in diesem Rahmen durch den Bewährungshelfer begegnet keinen Bedenken (BayObLG, Beschluss vom 27.10.2021 – 202 StRR 124/21 bei juris = Blutalkohol 59 [2022], 49 = BeckRS 2021, 42822).
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bb) Allerdings hat es die Strafvollstreckungskammer unterlassen, die für die Durchführung der Kontrollen zuständigen Stellen zumindest in allgemeiner Form zu umschreiben.
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(1) In Rechtsprechung und Literatur wird seit jeher die Ansicht vertreten, dass neben der Art der Kontrollen und ihrer zulässigen Mindest- und Höchstzahl innerhalb eines bestimmten Zeitraums und damit ihrer Frequenz auch die durchführende Stelle in der Weisung angegeben werden muss (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2019 – III-1 Ws 495/19 bei juris; KG, Beschluss vom 21.01.2014 – 2 Ws 605/13 bei juris = StV 2015, 508, OLG Koblenz Beschluss vom 23.03.2011 – 1 Ws 161/11 bei juris = NStZ-RR 2012, 61, OLG Rostock Beschluss vom 22.02.2011 – I Ws 39/11 bei juris = NStZ-RR 2011, 220; Schönke/Schröder/Kinzig StGB 30. Aufl. § 68b Rn. 14a; so nunmehr auch BayObLG, Urt. v. 30.09.2022 – 201 StRR 58/22 bei juris = BeckRS 2022, 28619). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es der Bestimmtheitsgrundsatz, der § 68b StGB im Hinblick auf die Strafbewehrung des § 145a StGB zugrunde liegt, gebietet, dass die zentralen Modalitäten der Weisung vom Gericht selbst festzulegen sind und die Ausgestaltung der Weisung niemand anderem, zum Beispiel der Bewährungshilfe oder der Aufsichtsstelle, überlassen werden darf.
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Das BayObLG hat diesen Grundsatz dahin präzisiert, dass die Weisung wonach die Kontrolle „in Form einer kontrollierten Abgabe bei einem Landgerichtsarzt, einem Gesundheitsamt, einer forensischen Ambulanz, einem Institut für Rechtsmedizin, einem Krankenhaus, einem niedergelassenen Arzt oder einem medizinischen Labor“ zu erfolgen habe, auch ohne nähere örtliche Konkretisierung hinreichend bestimmt ist. Zur Begründung hat das BayObLG ausgeführt, der Umstand, dass das Gericht hier alternativ mehrere Stellen benannt hat, die eine fachlich kompetente Durchführung der Probenentnahme sowie die zuverlässige labortechnische Auswertung des Drogenscreenings gewährleisten, und die Auswahl der Stelle im konkreten Einzelfall der Bewährungshilfe überlassen war, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies erscheine angesichts der in der Praxis häufig bestehenden Kapazitäts- und Auslastungsprobleme derartiger Stellen hinnehmbar. Denn müsse etwa im Falle einer Überlastung der an sich vorgesehenen (einzigen) Stelle zunächst die Weisung durch das Gericht abgewartet werden, so könne häufig der mit der Suchtmittelkontrollweisung verfolgte Zweck einer raschen Intervention im Falle eines drohenden Abgleitens des Verurteilten in den Suchtmittelmissbrauch nicht bzw. nur unter Schwierigkeiten erreicht werden (BayObLG a.a.O.).
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(2) Letzterer Auffassung schließt sich der Senat an. Soweit er es in der Vergangenheit nicht beanstandet hat, wenn die durchführenden Stellen in der Weisung nicht genannt wurden, hält er – auch im Hinblick auf die entgegenstehende Praxis der Oberlandesgerichte Nürnberg (z.B. OLG Nürnberg, Beschl. 09.11.2021 – Ws 989/21 [unveröffentlicht] und München (z.B. OLG München, Beschluss vom 03.11.2009 – 2 Ws 932/09 = BeckRS 2010, 22176) – in dieser Allgemeinheit jedoch nicht mehr an seiner bisherigen Auffassung fest.
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Die für die Durchführung der Kontrollen zuständigen Stellen müssen in sachlicher Hinsicht bereits durch das Gericht zumindest in allgemeiner Form so umschrieben werden, wie dies in der dem vorgenannten Urteil des BayObLG (a.a.O) zugrunde liegenden Weisung der Fall war.
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Der völlige Verzicht auf eine zumindest allgemein umschriebene Nennung einer Kontrollstelle, wie im vorliegenden Fall, ließe die Möglichkeit offen, dass jedwede private Person, einschließlich des Bewährungshelfers selbst, mit der Kontrolle beauftragt werden könnte. Damit würde die im Interesse einer flexiblen Handhabung der Weisung ohnehin großzügige Sichtweise des BayObLG (a.a.O) hinsichtlich der örtlichen Bestimmung einer Kontrollstelle auch in sachlicher Hinsicht ins Uferlose erweitert. Insoweit bestünde nicht nur die Gefahr, dass im Einzelfall auch Personen oder Stellen, die – anders als die der Entscheidung des BayObLG (a.a.O) genannten Institutionen – nicht bereits ihrer Natur nach zur Durchführung einer Kontrolle fachlich kompetent, in der Lage und darüber hinaus auch zuverlässig und vertrauenswürdig sind (vgl. BayObLG a.a.O. Rn. 18), mit den Kontrollen beauftragt werden könnten. Vor allem fehlt es dann an einer Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nach § 68b Abs. 1 Satz 2 StGB überhaupt. Denn nach dieser Vorschrift hat das Gericht in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten zu bestimmen.
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Da der Senat nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Strafvollstreckungskammer setzen kann, ist ihm eine eigene Bestimmung der zuständigen Kontrollstelle – ausnahmsweise, vgl. § 309 Abs. 2 StPO – verwehrt. Stattdessen war das Verfahren im Umfang der Aufhebung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen, die über die aufgehobene Kontrollweisung und ihre genaue Ausgestaltung neu zu entscheiden haben wird. Die Abstinenzweisung als solche hingegen kann bestehen bleiben, da sie auch isoliert noch Sinn ergibt und nicht anzunehmen ist, dass die Strafvollstreckungskammer sie ohne die Kontrollweisung nicht erlassen hätte.
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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beschwerde des Verurteilten beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der nur geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels, das primär auf die Beseitigung der Abstinenzweisung und nur sekundär auf die der Kontrollweisung gerichtet war, rechtfertigt es nicht, den Verurteilten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.