Inhalt

ArbG München, Beschluss v. 01.12.2022 – 11 Ca 260/22
Titel:

Reduzierte Einigungsgebühr bei PKH-Antrag wegen Mehrvergleich

Normenketten:
RVG § 48
RVGVV Nr. 1000, Nr. 1003
RVG § 33, § 48
RVGVV Nr. 1000, Nr. 1003
ZPO § 114
Leitsätze:
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich schließt eine Einigungsgebühr von 1,5 für den Vergleichsmehrwert nach Nr. 1000 RVG VV aus. Es verbleibt bei der 1,0 Einigungsgebühr. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, erhält der beigeordnete Prozessvertreter für einen unter Einbeziehung nicht rechtshängiger Gegenstände abgeschlossenen Vergleich keine 1,5-Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert nach Nr. 1000 RVG VV, sondern nur eine 1,0-Gebühr nach Nr. 1000 RVG VV, wenn noch über die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsmehrwert zu entscheiden war und das Gericht am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hatte (Anschluss an LAG München BeckRS 2021, 43331; aufgegeben - nachgehend - durch LAG München BeckRS 2023, 16353). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Bewilligung, Vergleichsmehrwert, Mehrvergleich, Vergleichsabschluss, Einigungsgebühr, Höhe, Vergleich
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 19.05.2022 – 11 Ca 260/22
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Beschluss vom 15.02.2023 – 11 Ta 10/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49287

Tenor

Die Erinnerung des Klägervertreters vom 18.07.2022 gegen den Beschluss vom 19.05.2022 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Mit Schreiben vom 22.04.2022 beantragte der Klägervertreter die Vergütungsfestsetzung in Höhe von € 1.858,78. Mit Beschluss vom 19.05.2022 wurde die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf € 1.621,38 festgesetzt. Die Kürzung wurde damit begründet, dass der Klägervertreter u.a. die Festsetzung einer 1,0 Einigungsgebühr aus dem Verfahrenswert und einer 1,5 Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert beantragt hatte. Dementsprechend wurde eine 1,0 Einigungsgebühr aus dem Vergleichswert festgesetzt.
2
Mit Schreiben vom 18.07.2022 legt der Klägervertreter Erinnerung gegen die Festsetzung ein und beantragte die Festsetzung einer erhöhten Terminsgebühr aus dem Vergleichswert und eine 1,5 Einigungsgebühr. Auf die Begründung des Klägervertreters hinsichtlich des Zustandekommens der Terminsgebühr aus dem Vergleichswert wurde der Erinnerung in diesem Punkt abgeholfen. Es wurde jedoch kann keine 1,5 Einigungsgebühr festgesetzt. Insoweit wurde der ständigen Rechtsprechung der hierfür zuständigen Kammer beim Landesarbeitsgericht München gefolgt. Die bloße Aufnahme des § 48 Abs. 1 RVG in Nr. 1003 VV RVG beschreibe lediglich den Charakter des Abrechnungspostens als Einigungsgebühr.
3
Ein Rückschluss auf die Höhe der Einigungsgebühr könne hier noch nicht gezogen werden (siehe ausführlich letzter Beschluss des LAG München – 6 Ta 249/21).
4
Der sofortigen Beschwerde wurde daher in diesem Punkt nicht abgeholfen und dem Vorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
5
Auf die Ausführungen des Klägervertreters aus dem Schriftsatz vom 18.07.2022 wird Bezug genommen.
II.
6
Die Erinnerung ist gemäß §§ 56, 33 RVG zwar zulässig, aber unbegründet.
7
Dem Klägervertreter steht nach hiesiger Auffassung keine 1,5 Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert nach Nr. 1000 VV-RVG zu. Insoweit ist der Rechtsprechung des LAG München (zuletzt 6 Ta 249/21) zu folgen. So schließt bereits der Antrag, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsabschluss zu erstrecken, eine Einigungsgebühr von 1,5 aus. Der gegenteiligen Ansicht verschiedener Landesarbeitsgerichte folgt das LAG München nicht. Zweck der Erhöhung der Vergleichsgebühr von 1,0 auf 1,5 ist es, das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, fördern und belohnen. Eine Anrufung des Gerichts erfolgt gemäß Nr. 1003 Anm. I RVG 1 VV RVG aber auch dann, wenn ein Verfahren über die (Erstreckung der) Prozesskostenhilfe anhängig gemacht wird. Die für die höhere Gebühr nach Nr. RVG 1000 VV RVG maßgebliche Überlegung, das Gericht werde durch die miterledigten Ansprüche nicht belastet, trifft – nach der ständigen Rechtsprechung des LAG München – in einem solchen Fall nicht zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Neufassung von § RVG § 48 RVG. Aus dieser Regelung kann nicht geschlossen werden, dass für einen Mehrvergleich einer unbemittelten und auf Prozesskostenhilfe angewiesenen Partei eine 1,0 Gebühr ausgeschlossen wäre. Das Gericht schließt sich diesen Überlegungen an. Die Einigungsgebühr von 1,5 ist damit ausgeschlossen (vgl. mit ausführlicher Begründung: LAG München vom 12.10.2016 – 6 Ta 244/16, n.v.; LAG München vom 02.06.2021 – 6 Ta 142/20, n.v.; Künzl in Ostrowicz/Künzl/Scholz, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl. 2020, Rn. 351). Siehe hierzu auch LAG München vom 02.06.2021 – 6 Ta 142/20, n.v.; LAG München vom 12.10.2016 – 6 Ta 244/16, n.v., jew. m. w. N.).
III.
8
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde nach Maßgabe nachfolgender Rechtsmittelbelehrungstatthaft.