Inhalt

ArbG Regensburg, Endurteil v. 01.09.2022 – 9 Ca 856/21
Titel:

Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung zum Zweck der Arbeitnehmerbindung

Normenketten:
GRCh Art. 21 Abs. 1, Art. 52
Gleichbehandlungs-Rahmen-RL Art. 2 Abs. 2, Art. 6
AGG § 10
BGB § 611a Abs. 1 S. 1
BaySchFG Art. 40
BayBG Art. 23 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Die Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung bei Lehrkräften, die noch nicht das 45. Lebensjahr vollendet haben, stellt sich als angemessenes Mittel dar, um deren Wechsel in ein Beamtenverhältnis beim Freistaat Bayern zu verhindern. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Altersdiskriminierung, freiwillige Leistungen, Gleichbehandlungsgrundsatz, Rentenversicherung, Arbeitnehmeranteile, Übernahme, RL 2000/78/EG
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 14.02.2023 – 7 Sa 493/22
BAG Erfurt, Beschluss vom 23.05.2024 – 6 AZR 155/23 (A)
BAG Erfurt, Urteil vom 20.02.2025 – 6 AZR 155/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49284

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf Euro 38.812,40 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger die Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung zu erstatten bzw. zu übernehmen.
2
Der am ...1962 geborene Kläger ist seit dem 01.08.2008 bei der Beklagten als Gymnasiallehrer für die Fächer Mathematik, Physik, Natur und Technik und Informatik mit 18 Wochenstunden beschäftigt. Die zunächst bestehende Befristung wurde zum 01.08.2010 aufgehoben. Der Kläger arbeitet in Teilzeit mit 22 Stunden. Seit 05.08.2011 hat der Kläger die uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung für die von ihm unterrichteten Fächer. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 5.254,06 €, hiervon macht der Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherung 540,45 € aus.
3
Auf das Arbeitsverhältnis findet unstreitig die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GO) in ihrer jeweiligen Fassung sowie die arbeitsvertraglichen Regelungen der bayerischen (Erz-) Diözesen (AWD) einschließlich der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I) in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.
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Im Teil B: Sonderregelungen zu den ABD sind unter B, 4.1. Sonderregelungen für die Arbeitsverhältnisse arbeitsvertraglich beschäftigter Lehrkräfte an Schulen in kirchlicher Trägerschaft (SR-L) enthalten. Nach Nr. 6 Abs. 7 übernimmt der Schulträger für Lehrkräfte,
„bei denen die persönlichen Voraussetzungen für einen Versorgungszuschuss nach Art. 40 Absatz 1 bis 4 BaySchFG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung (unbefristetes Arbeitsverhältnis, Hauptberuflichkeit, uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung, Höchstalter vollendetes 45. Lebensjahr)“ vorliegen, „die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 168 SGB VI…“.
5
Art. 40 des BaySchFG ersetzt seit der Änderung zum 01.01.2006 den Schulträgern „für den Versorgungsaufwand, der im Vorjahr für seine Lehrkräfte angefallen ist, einen Versorgungszuschuss. Der Versorgungsaufwand beträgt 25 v. H. des Lehrpersonalaufwands, der in entsprechender Anwendung von Art. 17 ermittelt wird…“
6
In Ergänzung von ABD Teil B, 4.1.1. Nr. 6 wurde eine Protokollnotiz aufgenommen, diese lautet:
„Ab dem 01.01.2021 erhöht sich das Höchstalter (vollendetes 45. Lebensjahr) um die Zeiten der tatsächlichen Betreuung und Pflege von mindestens 1 Kind unter 18 Jahren sowie der tatsächlichen Betreuung oder Pflege eines nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen im Umfang von bis zu 36 Monaten pro Kind / Angehörigen, soweit wegen der Betreuung oder der Pflege in dieser Zeit keine hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Dies gilt auch für Lehrkräfte, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2021 begonnen hat; für sie erfolgt die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge nur auf Antrag und nur mit Wirkung für die Zukunft, frühestens jedoch ab dem 01.01.2021. Absatz 7a findet keine Anwendung.“
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Die Beklagte trägt die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers nicht.
8
Der Kläger trägt vor, er erfülle die Voraussetzungen der genannten Regelungen abgesehen von der Voraussetzung des Lebensalters. Bei seiner Einstellung sei er bereits 46 Jahre alt gewesen. Diese Regelung stelle eine Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters dar er begehre daher die Gleichstellung mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten und stütze diese Forderung auf Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte (GRC) der EU.
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Das Grundrecht wurde durch die RL 2000/78/EG vom 27.11.2000 (im Folgenden: Gleichbehandlungs-Richtlinie) zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert. Diese Richtlinie wurde von der Bundesrepublik Deutschland mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in nationales Recht umgesetzt. Vorliegend komme keine Rechtfertigung der Diskriminierung des Klägers wegen Alters aufgrund Art. 6 Abs. 2 der GleichbehandlungsRichtlinie und dem gleichlautenden § 10 Nr. 4 AGG in Betracht. Denn es gehe nicht um eine Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, sondern ob und in welcher Höhe die Beklagte Zahlungen in das System der sozialen Sicherung für den Kläger übernehme. Dies dürfe die Beklagte hier jedoch nicht vom Alter des Klägers abhängig machen. Der Kläger habe folglich einen Anspruch für die Vergangenheit als auch auf Feststellung, dass die Beklagte hierzu auch in Zukunft verpflichtet sei.
10
Die Ungleichbehandlung sei nicht zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich. Die streitgegenständliche Regelung führe nicht zu einer gerechten Konkurrenzsituation zwischen den staatlichen Schulen und dem privaten Schulträger. Die Regelung sei daher schon nicht geeignet zur Erreichung des genannten Zwecks. Mit der Regelung werde nur ein Schutz finanzieller Interessen der Beklagten verfolgt. Es sei auch fraglich, inwieweit sich die Konkurrenzsituation hierdurch tatsächlich verbessere. Allein die Übernahme des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungsbeiträge zum gesetzlichen Rentenversicherungssystem sei nicht geeignet, die privaten Schulträger für unter 45-jährige Lehrkräfte wesentlich attraktiver zu gestalten. Entscheidend hierfür sei die Marktsituation für Lehrkräfte, die didaktischen Möglichkeiten und Gestaltungsspielräume für Lehrkräfte an der Schule sowie die soziale Struktur der Schüler des jeweiligen Schulträgers.
11
Die Regelung sei auch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Über einen Ausgleich für die im Streit stehende Ungleichbehandlung sei nicht nachgedacht worden, obwohl durch die Neuregelung von Art. 40 BaySchFG ab dem 01.01.2006 nunmehr ein pauschaler Zuschuss an die Beklagte entrichtet werde. Dieser stehe der Beklagten dem Zweck nach ungebunden für alle ihre Lehrkräfte und ihre gesamte Schule zur Verfügung. Dies sei in Umsetzung des Inkrafttretens des AGG geändert worden.
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Die Regelung sei daher nicht angemessen und diskriminiere die über 45-jährigen Arbeitnehmer altersbedingt. Eine unangemessene Kostenlast für die Beklagte durch Abschaffung der hier streitgegenständlichen Regelung werde bestritten, ein substantiierter Vortrag hierzu könne nicht erfolgen, da die Beklagte die entstehende Kostenlast bislang nicht dargelegt habe. Die Argumentation, die Zahlung aus der Förderung nach Art. 40 BaySchFG seit dem 01.01.2006 diene weiterhin dem gleichen Grund, nämlich der Ermöglichung einer beamtenähnlichen Versorgung, treffe nicht zu. Diese liefe dem Ziel des Gesetzgebers zuwider, mit der Neuregelung eine dem AGG entsprechende Regelung zu schaffen. Die Zahlungen sollten nunmehr allen Lehrkräften zugutekommen und damit auch denjenigen, die erst mit dem 45. Lebensjahr ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten begründet hätten.
13
Die ab dem 01.01.2021 geltende Protokollnotiz sei als Kompromiss dafür geschaffen worden, die Altersgrenze zu Fall zu bringen. Hierauf habe die Mitarbeiterseite seit längerem gedrängt. Der Beklagten sei durchaus bewusst, dass die Regelung letztendlich keinen Bestand vor dem BAG und dem EuGH haben werde. Die neu geschaffene Ergänzung stelle ebenfalls eine Diskriminierung und zwar wegen des Geschlechts dar. Die Pflege eines Kindes oder die Pflege naher Angehöriger erfolge in der Regel mehrheitlich durch Frauen. Es stelle daher eine mittelbare Diskriminierung von Männern dar, da diese nur unwesentlich von der Regelung profitieren würden. Der Kläger habe Grundwehrdienst bei der Bundeswehr im Zeitraum 01.07.1981 bis 30.09.1982 geleistet. Auch diese verpflichtenden Zeiten müssten bei der Altersgrenze berücksichtigt werden. Fraglich sei auch, ob eine Altersgrenze von 45 Jahren überhaupt noch zeitgemäß sei. Das Renteneintrittsalter habe sich mittlerweile verschoben und werde sich bis auf 70 Jahre erhöhen.
14
Der Kläger reichte am 17.12.2021 Klage zur Wahrung und Unterbrechung von Verjährungsvorschriften ein, zunächst wurde jedoch ein Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsstelle für die Diözese Regensburg durchgeführt. Dieses scheiterte (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.3.2022 (Bl. 27 der Akte).
15
Der Kläger beantragt,
1.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Arbeitnehmerbeiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 168 SGB VI zu übernehmen und für den Kläger an die gesetzliche Rentenversicherung zu bezahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, rückwirkend die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers für die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021 in Höhe von insgesamt 19.456,20 € an den Kläger zu bezahlen.
16
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
17
Die Beklagte trägt vor, die streitgegenständliche Regelung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Ein legitimes Ziel werde verfolgt, § 10 S. 1 AGG. Dazu zählten jedenfalls gesetzlich gefasste oder aus dem Kontext der Maßnahme ableitbare Gemeinwohlinteressen, denen die Maßnahme dienen solle. Zweck der Regelung sei es, einen Versorgungsgleichlauf mit verbeamteten Lehrkräften herzustellen. Bis zum 31.12.2005 habe der Freistaat Bayern einen Zuschuss von 75% gezahlt, wenn es sich um Lehrkräfte handelte, welche zum privaten Schulträger in einer unbefristeten Haupttätigkeit standen und das 44. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Da eine Verbeamtung allein bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres in Betracht komme, bestünde für ältere Lehrkräfte eine solche Konkurrenzsituation nicht mehr.
18
Zwar sei die bisherige Regelung des Art. 40 BaySchFG in einen pauschalen Zuschuss an den privaten Schulträger geändert worden, dies habe aber am Sinn und Zweck der Regelung keine Änderung gebracht. Diese orientiere sich an der Altersgrenze gemäß Art. 23 bei BayBG. Es würden damit nur die Voraussetzungen, die der nationale Gesetzgeber auch für eine Berufung ins Beamtenverhältnis festlege, verlangt. Die Altersgrenzen für die Berufung ins Beamtenverhältnis seien mit Unionsrecht und nationalem Recht vereinbar.
19
Im Übrigen würden die geltend gemachten Ansprüche auch der Höhe nach bestritten.
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Der Kläger erfülle die Voraussetzungen aus Nr. 6 Abs. 7 SR-L im ABG nicht. Diese Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen. Maßgeblich für das Entstehen des Anspruchs sei der Zeitpunkt, an dem alle Voraussetzungen gegeben seien. Der Kläger sei nicht nur bei der Einstellung bereits 46 Jahre alt, sondern er habe auch die uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung erst zum 05.08.2011, also im Alter von 49 Jahren, erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er alle Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt.
21
Es liege auch kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, da kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vorliege. Die Regelung diene der Vermeidung einer Konkurrenzsituation zwischen staatlichen Schulen und privaten Schulträger. Dies sei auch durch die Rechtsprechung anerkannt (LAG München 16.12.2014 6 SA 398/14, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. August 2022, Bl. 71 ff. der Akte).
22
Die Zusage einer beamtenähnlichen Versorgung sei auch geeignet, die Konkurrenzsituation zu vermeiden. Hierdurch werde der maßgebliche Anreiz, sich zugunsten einer Verbeamtung zu entscheiden, kompensiert. Die Regelung werde auch nicht deshalb unangemessen, weil das Höchstalter und Zeiten der Pflege und Betreuung von Kindern und sonstigen Angehörigen ab dem 01.01.2021 erhöht worden sei. Damit sei belegt, dass regelmäßig eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Regelung im Hinblick auf deren Angemessenheit erfolge. Der Vortrag des Klägers, diese Regelung sei geschlechterdiskriminierend sei nicht nur unsubstantiiert und unzutreffend, sondern in sich selbst diskriminierend. Im Übrigen sei dann auch die Forderung, dass die Grundwehrdienstzeit zu berücksichtigen sei, diskriminierend gegen Frauen, da von einer solchen Regelungen nur Männer profitieren würden. Die Regelung entspreche auch der Rechtsprechung des BAG.
23
Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf deren Schriftsätze einschließlich Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 07.04.2022 und 11.8.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist ohne Erfolg.
I.
25
Das erforderliche Feststellungsinteresse für den Antrag des Klägers gem. § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Der Kläger macht neben seinem Leistungsantrag Ansprüche für die Zukunft geltend, diese können nur im Wege eines Feststellungsantrags geltend gemacht werden. Das Bestehen des Anspruchs ist zwischen den Parteien streitig, so dass ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung besteht.
II.
26
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf eine Erstattung bzw. künftige Übernahme der Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung durch die Beklagte.
27
1. Der Kläger kann sich nicht auf die Regelung in Nr. 6 Abs. 7 SR-L berufen. Er erfüllt die dort niedergelegten Voraussetzungen nicht. Hierüber streiten die Parteien auch nicht. Der Kläger hat diese Voraussetzungen erst am 05.08.2011 erfüllt, also im Alter von 49 Jahren.
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2. Die Regelung in Nr. 6 Abs. 7 SR-L verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. In der Nichtzahlung der Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung liegt keine Diskriminierung gegen das Alter und somit weder ein Verstoß gegen das AGG und die Gleichbehandlungsrichtlinie noch gegen Art. 21 Abs. 1 GRC vor.
29
a) Die Regelung beinhaltet für Lehrkräfte, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, also u.a. das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine Besserstellung gegenüber Lehrkräften, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, somit auch dem Kläger.
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b) Damit liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vor.
31
aa) Eine unmittelbare Diskriminierung ist dann gegeben, wenn eine Person wegen ihres Alters in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person (Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG). Eine nur mittelbare Diskriminierung liegt dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können (Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG).
32
bb) Die Beklagte beruft sich hierfür auf die Regelung der ABD, die sich auf die alte Fassung des BaySchFG bezieht und damit auf eine allgemeine Vorgehensweise, nach welcher die Gewährung des Zuschusses an Lehrkräfte eines bestimmten Alters nicht mehr in Frage kommt. Das Lebensalter des Klägers war somit ausschlaggebend für die Weigerung der Beklagten zur Zahlung.
33
c) Diese unterschiedliche Behandlung des Klägers auf Grund seines Alters stellt aber keine Diskriminierung dar.
34
Die Gleichbehandlungs-Richtlinie lässt Ungleichbehandlungen wegen des Alters zu, wenn die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die zu einer ungünstigeren Behandlung wegen des Alters führen, durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b i sowie Art. 6 RL 2000/78/EG. Diese Regelung wurde in § 10 AGG umgesetzt. Der Kläger behauptet hierbei nicht, dass die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht unvollständig oder unrichtig erfolgte, eine solche fehlerhafte Umsetzung ist auch dem Gericht nicht ersichtlich. Vielmehr ist der Wortlaut von Art. 6 der Gleichbehandlungsrichtlinie fast wörtlich in § 10 AGG übernommen worden.
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aa) Ziel des Versorgungszuschusses ist es, Lehrkräfte an die Schule zu binden. Dieses unternehmerische Ziel, bestimmte Arbeitnehmer durch freiwillige Leistungen an den Betrieb zu binden und von einem Arbeitgeberwechsel abzuhalten, weil der Arbeitgeber auf ihre weitere Mitarbeit entweder angewiesen ist oder zumindest Wert legt, ist als sachgerechter Zweck in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BAG 25. Januar 1984 – 5 AZR 89/82 – Juris).
36
bb) Das Angebot von Versorgungszuschüssen an die unter 45-jährigen Lehrkräfte stellt sich auch als angemessenes Mittel dar, um deren Wechsel in ein Beamtenverhältnis beim Freistaat Bayern zu verhindern.
37
Nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen des Freistaats Bayern konnte der Kläger, da er das 45. Lebensjahr vollendet hatte, nicht mehr in ein Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt werden, Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes. Die Beklagte hatte daher nicht – wie bei jüngeren Lehrkräften – zu befürchten, der Kläger könne, um den Beamtenstatus zu erwerben, in den öffentlichen Schuldienst des Freistaats Bayern wechseln. Dieser hatte auf Grund seines Lebensalters keine Möglichkeit mehr, in ein Beamtenverhältnis übernommen zu werden. Allein dadurch, dass die Beklagte mit anderen Lehrern, die diese Möglichkeit auf Grund ihres geringeren Lebensalters noch besaßen, Zuschüsse gewährte, um diese an die Schule zu binden, musste dem Kläger nicht zwangsläufig die Möglichkeit eröffnet werden, ebenfalls in den Genuss dieser Zahlungen zu kommen.
38
cc) Die Gewährung von Zuschüssen ist auch ein erforderliches Mittel, um den rechtmäßigen Zweck der Betriebsbindung zu erreichen. Wie der Kläger selbst anführt, sind grundlegend für eine Entscheidung gegen den Staatsdienst didaktische Möglichkeiten, Gestaltungsspielräume für Lehrkräfte und auch die soziale Struktur der Schüler. Sollten sich diese Kriterien während der Beschäftigung im kirchlichen Schuldienst als weniger attraktiv oder umsetzbar herausstellen oder die Lehrkraft aus anderen Gründen überlegen, doch noch in den Staatsdienst zu wechseln u.A. wegen der besseren Versorgung, können finanzielle Anreize dazu beitragen, doch beim kirchlichen Schulträger zu bleiben. Diese Entscheidungsmöglichkeit haben aber nur Lehrkräfte, die zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Daher gibt es auch keinen Grund, Lehrkräften, die diese Möglichkeit nicht haben, ein derartiges Angebot zu machen.
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dd) Die Altersbegrenzung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes ist auch im Lichte der Gleichbehandlungsrichtlinie als europarechtskonform anzusehen. Die Kammer hatte das aber nicht vertieft zu prüfen, denn der Kläger hat nicht im Einzelnen dargelegt, dass er wegen Unwirksamkeit der Altersbegrenzung aus Art. 23 BayBG Anspruch auf die Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe beim Freistaat Bayern hätte und sich deshalb das Alterskriterium als unzulässige Diskriminierung darstelle.
40
Im Übrigen wird auf die Rechtsprechung des BVerfG verwiesen. Danach leitet sich die Zulässigkeit einer Altershöchstgrenze aus dem Lebenszeitprinzip und dem Alimentationsprinzip ab, die zur Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der RL 2000/78/EG führen.
(BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 – Juris).
41
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Altersgrenze als mit Unionsrecht und Verfassung vereinbar angesehen (Beschluss vom 7. März 2022 – 3 ZB 22.358 –, juris).
42
ee) Eine durch § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt ebenfalls nicht vor.
43
Diese ist nicht darin zu sehen, dass sich für Lehrkräfte, die ihre hauptberufliche Tätigkeit für die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen unterbrechen, das Höchstalter erhöht. Die Regelung stellt keine mittelbare Diskriminierung dar. Sie benachteiligt Lehrkräfte des männlichen Geschlechts nicht, denn diese sind nicht daran gehindert, ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen. Sie sorgt vielmehr für eine Gleichstellung der Personen, die diese Pflichten in der Regel übernehmen (und das sind – noch – mehrheitlich Frauen). Nicht vergleichbar ist der vom Kläger angeführte Grundwehrdienst, da dieser nicht während der Ausübung der hauptberuflichen Tätigkeit abzuleisten war, sondern zeitlich deutlich früher. Diese 15 Monate dürften auch nicht ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass der Kläger bis zum 45. Lebensjahr die Voraussetzungen für die Verbeamtung nicht erfüllt hat.
44
Die Klage ist somit abzuweisen.
III.
45
1. Die Kostenentscheidung ergeht gem. der §§ 91 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.
46
2. Der Streitwertfestsetzung liegen die §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 2 GKG zugrunde.