Titel:
öffentlich-rechtlicher Vertrag, Sonderrechtsbeziehung, Zurückhaltungsrecht, Rechenschaftspflicht
Normenketten:
BayVwVfG Art. 62
BGB § 242
BGB § 273
BGB § 259
Schlagworte:
öffentlich-rechtlicher Vertrag, Sonderrechtsbeziehung, Zurückhaltungsrecht, Rechenschaftspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49191
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3
. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Leistung von 4.250,00 Euro im Rahmen eines mit der Beklagten geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages.
2
Auf Grundlage eines Stadtratsbeschlusses vom 06.02.2009 schlossen die Beteiligten am 18.02.2009 einen Nutzungsvertrag zum Betrieb der Sternwarte … ab dem 01.01.2009. Die Sternwarte … dient nach § 1 des Nutzungsvertrages als öffentliche Einrichtung dem kulturellen, wissenschaftlichen und bildungspolitischen Leben der Beklagten. In diesem Sinne soll sie der Nutzung durch Gäste und Bürger der Stadt zur Verfügung stehen. In § 4 Abs. 3 und 4 haben die Vertragsparteien folgende Regelung getroffen:
„Zur Durchführung der unter nachfolgenden Paragraphen genannten Leistungen erhält die Volkshochschule … e.V. einen Zuschuss in Höhe von 8.500,- Euro jährlich. Der Zuschuss ist ausschließlich für den Betrieb und den Unterhalt der Sternwarte … zu verwenden. Der Zuschuss wird in vier Raten zu je 2.125,- Euro jeweils zum ersten Werktag eines Quartals der Volkshochschule … überwiesen.
Bei einer Kündigung nach § 9 hat die Volkshochschule … e.V. den Zuschuss bezogen auf das laufende Quartal anteilig (beginnend ab dem Kündigungszeitpunkt) zurückzuerstatten. Der Betrag ist zwei Wochen nach Rechnungsstellung durch die Stadt … fällig.“
3
In § 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages wurde Folgendes festgehalten:
Die Volkshochschule … e.V. ist berechtigt, für die von ihr gegenüber Dritten erbrachten Leistungen (z.B Führungen und Vorträge) eine angemessene Vergütung zu berechnen. Die mittels der Sternwarte erwirtschafteten Einnahmen sind wiederum im Sinne des § 1, § 2 und § 5 für die Sternwarte einzubringen. Es finden keine Entnahmen von Mitteln für andere Zwecke statt. […]“
4
In einer nichtöffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Beklagten am 07.02.2019 wurde über eine Prüfung der Kassenunterlagen des Klägers berichtet, bei der es zu Unklarheiten gekommen sei, die dieser nicht habe aufklären können. In Folge dessen wurde unter anderem beschlossen, den o.g. Nutzungsvertrag zum nächstmöglichen Termin zum 31.12.2019 zu kündigen. Es sollten auch weiterhin keine Zuschüsse mehr an den Kläger gezahlt werden. Auf das Sitzungsprotokoll samt Anlage wird Bezug genommen.
5
Mit Schreiben vom 26.04.2019 kündigte die Beklagte den Nutzungsvertrag gemäß einem Stadtratsbeschluss vom 04.02.2019 fristgerecht zum 31.12.2019. In Bezugnahme auf die Regelung in § 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages wurde eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte für die Jahre 2015, 2016 und 2017 bis 31.05.2019 verlangt, um die Auszahlung der dritten Zuschussrate am 01.07.2019 nicht zu gefährden.
6
Der Bevollmächtigte des Klägers forderte die Beklagte mit Schreiben vom 03.01.2020 auf, die noch ausstehenden Zuschüsse aus dem o.g. Nutzungsvertrag für das dritte und vierte Quartal 2019 zu überweisen. Die Beklagte entgegnete am 13.01.2020, dass der Vertrag gekündigt worden und eine detaillierte Aufstellung für die Jahre 2015 bis 2017 hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte gefordert worden sei. Diese diene der Überprüfung der vertragsgerechten Verwendung der städtischen Zuschussmittel. Die geforderte Aufstellung sei nicht eingegangen. Ebenfalls werde eine Aufstellung für die Jahre 2018 und 2019 gefordert. In einem Schreiben vom 31.01.2020 legte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten dar, dass die Zurückbehaltung des Zuschusses aus seiner Sicht nicht zulässig sei. Der Kläger habe die vertraglich geschuldeten Leistungen erbracht und sei insofern in Vorleistung getreten. Weitere Auflagen für den Erhalt des Zuschusses seien vertraglich nicht vereinbart worden. Unter Fristsetzung bis 14.02.2020 forderte er die Beklagte erneut zur Zahlung des geschuldeten Betrages in Höhe von 4.250,00 Euro auf. Am 14.02.2020 antwortete diese, dass der Forderung Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen worden sei. Die Anforderung von Unterlagen lediglich für die Jahre 2015 bis 2017 sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass man eine rasche Erledigung erwartet habe und im Hinblick auf den möglicherweise im April 2019 noch nicht erstellten Jahresabschluss 2018 keine Probleme habe bereiten wollen. Diese Kulanzüberlegung sei inzwischen hinfällig, sodass auch die Unterlagen für die Jahre 2018 bis 2019 gefordert würden. Hierzu wurde eine Frist bis 06.03.2020 gesetzt, prüffähige Unterlagen (Kassenbücher, Kontenaufstellungen, Einnahme- und Ausgabebelege) die Sternwarte betreffend für die Jahre 2015 bis 2019 vorzulegen, um die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrages überprüfen zu können.
7
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14.07.2020, der am gleichen Tag dort einging, erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth. Er beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger 4.250,00 Euro zu zahlen.
8
Die geforderte Leistung stelle eine direkte Subvention dar. Der Zahlungsanspruch ergebe sich direkt aus § 4 des Nutzungsvertrages. Die Kündigung sei erst zum 31.12.2019 erfolgt, sodass für die letzten beiden Quartale des Jahres 2019 noch Zuschüsse zu entrichten gewesen seien. Die Beklagte habe auch kein Zurückbehaltungsrecht. Der Kläger habe seine Leistungen für den Betrieb der Sternwarte im Jahr 2019 erbracht und sei entsprechend der vertraglichen Regelungen hinsichtlich des Zuschusses vorleistungspflichtig. Weder aus dem Vertrag noch aus der gesetzlichen Regelung gem. Art. 62 BayVwVfG i.V.m. §§ 273 und 320 BGB stehe der Beklagten ein Recht auf Vorlage der geforderten Unterlagen zu.
9
Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 13.08.2020 entgegengetreten und beantragt,
10
Nach § 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages seien die mittels der Sternwarte erwirtschafteten Einnahmen für diese einzubringen. Aufgrund der Durchsicht der Einnahmenüberschussrechnung 2016 des Klägers, bei der die Position „Sonstige Kosten“ im Verhältnis zu den Gesamtausgaben in Höhe von 20.000,00 Euro mit 6.533,18 Euro hoch gewesen sei, sei fraglich erschienen, ob die Verpflichtung eingehalten worden sei. Weil eine entsprechende Einsicht in die Unterlagen rasch Klarheit hätte verschaffen können, habe man dem Kläger mehrfach eine Frist hierzu gesetzt. Diese habe der Kläger ungenutzt verstreichen lassen. Dieser Umstand nähre die Sorge der Beklagten, der Kläger könnte seinen Pflichten aus §§ 4 und 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages nicht hinreichend nachgekommen sein, sodass dieser in der Folge Zuschüsse ohne Rechtsgrundlage erhalten habe bzw. der Beklagten Schadensersatz zustehe. Der Zuschuss sei gerade im Gegenzug dazu gezahlt worden, dass der Kläger die Sternwarte betreibe, unterhalte und die Einnahmen ausschließlich wieder für die Sternwarte verwende. Nachdem sie davon ausgehe, dass ihr wegen der anderweitigen Verwendung der Zuschüsse bzw. Einnahmen ein Anspruch auf Rückforderung bzw. Schadensersatz zustehe, mache sie ein vorläufiges Zurückbehaltungsrecht an den letzten beiden Raten geltend.
11
Auf einen gerichtlichen Hinweis hin führte die Beklagte in einem Schriftsatz vom 23.06.2021 weiter aus, die Rechtsgrundlage für das von ihr angenommene Zurückbehaltungsrecht bzw. die Vorlagepflicht der Aufstellung für die im Zusammenhang mit der Sternwarte in den Jahren 2015 bis 2019 angefallenen Einnahmen und Ausgaben ergebe sich aus § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. §§ 4, 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Die Pflicht des Klägers zur Vorlage einer entsprechenden Aufstellung sei – jedenfalls konkludent – in § 4 und § 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages vertraglich vereinbart worden. Dort sei unstreitig zwischen den Parteien eine zweckgenaue Verwendung der Mittel durch den Kläger festgelegt worden. Zur Überprüfung der Einhaltung dieser Pflicht müsse die Beklagte Einsicht in die Einnahmen und Ausgaben der Sternwarte erhalten. Andernfalls laufe die Regelung ins Leere. Mithin sei zumindest konkludent eine solche Rechenschaftslegung vereinbart worden.
12
Außerdem ergebe sich die genannte Vorlage- bzw. Rechenschaftspflicht auch aus § 242 BGB. Nach der Rechtsprechung könne eine solche Pflicht gegeben sein, wenn sich aus der Rechtsbeziehung der Vertragsparteien ableiten lasse, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechtes in Ungewissheit sei, während der Verpflichtete dagegen unschwer in der Lage sei, Auskunft zu erteilen. Unter diesem Gesichtspunkt sei vorliegend eine entsprechende Vorlage- bzw. Rechenschaftspflicht zu bejahen, da die Beklagte allein mittels der geforderten Vorlage einer detaillierten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben die vertragsgerechte Verwendung der städtischen Zuschussmittel überprüfen könne.
13
Nachdem der Kläger der Vorlage- bzw. Rechenschaftspflicht trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nachgekommen sei, stehe der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu, bis der Kläger die genannte Pflicht erfülle. Der Kläger verhindere mit seiner Weigerung, der Vorlage- bzw. Rechenschaftspflicht nachzukommen, in vertragsverletzender Weise das Recht der Beklagten auf Überprüfung der ordnungsgemäßen zweckgebundenen Mittelverwendung.
14
Der Bevollmächtigte des Klägers führt im Schriftsatz vom 29.11.2021 ergänzend hierzu aus, dass die Sternwarte bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Nutzungsvertrages von der Beklagten selbst betrieben worden sei. Der Zuschuss in Höhe von 8.500 Euro habe sich durch den Aufwand, welcher regelmäßig der Beklagten durch den eigenen Betrieb der Sternwarte entstanden sei, errechnet. Nach Abschluss des Nutzungsvertrages sei der Betrieb der Sternwarte durch den Kläger unverändert fortgesetzt worden. Seit dem 01.01.2020 werde die Sternwarte … nun durch die Volkshochschule … Land betrieben. Auch diese erhalte einen Betriebskostenzuschuss in Höhe von 8.500 Euro seitens der Beklagten. Zusätzlich habe die Beklagte weitere Fördermittel in Höhe von aktuell 8.500 Euro als Verwaltungs- und Zweckausstattung zum Betrieb der Sternwarte in ihren Haushalt eingestellt. Die Beklagte gehe also selbst davon aus, dass der Zuschuss in Höhe von 8.500 Euro für den Betrieb der Sternwarte nicht ausreichend sei. Es erschließe sich daher nicht, inwieweit der für den Betrieb der Sternwarte zur Verfügung gestellte Betrag, anderweitig hätte verwendet werden können. Insbesondere sei von der Beklagtenseite der Betrieb der Sternwarte … durch den Kläger nicht in Zweifel gezogen worden. Die grundlose Aufforderung zur Auskunft könne kein Zurückbehaltungsrecht begründen.
15
Auf telefonische Bitte hin übermittelte die Beklagte eine in den Behördenakten fehlende Seite der Einnahmen-/Überschussrechnung 2016 des Klägers. Sie erläuterte, dass der Kläger im Jahr 2016 Einnahmen in Höhe von 19.276,50 Euro erwirtschaftet habe, denen Ausgaben in Höhe von 15.759,98 Euro gegenüberstünden. Bei den Ausgaben sei die Position „Sonstige Kosten“ mit 6.533,18 Euro im Vergleich zu den Gesamtausgaben unverhältnismäßig hoch.
16
Gegen den nach vorheriger Anhörung ergangenen, die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 21.12.2021, zugestellt am 22.12.2021, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 21.01.2022 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
17
In der mündlichen Verhandlung am 08.08.2022 legte der Klägerbevollmächtigte dem Gericht eine Kopie eines Sachkontenblatts aus dem Jahr 2016 für „Sonstige Ausgaben“ vor, das den Stempel und das Namenskürzel „…“ trägt. Er führt aus, dass die Beklagte zunächst die Sternwarte selbst betrieben und dann auf den Kläger teilweise delegiert habe. Für die Deckung des Verwaltungsaufwandes sei ein Betrag in Höhe von 5.000 Euro bezahlt worden. Dieser Posten bestehe in Höhe von 5.100 Euro nach wie vor und sei nicht als Zuschuss, sondern als finanzielle Leistung für eine Gegenleistung zu sehen. Es sei mitnichten so, dass der Kläger einen Wissensvorsprung habe; in der Kuratoriumssitzung des Klägers, in der die Jahresberichte vorgestellt würden, säßen auch Vertreter der Beklagten. Das vorgelegte Sachkontenblatt sei durch die Rechnungsprüfung der Beklagten geprüft und nicht beanstandet worden. Der nach Abzug des Verwaltungsaufwands von 5.100 Euro verbleibende Rest in Höhe von 1.200 bis 1.300 Euro sei keineswegs unverhältnismäßig und auch im Einzelnen darlegbar.
18
Innerhalb der vom Gericht gewährten Schriftsatzfrist, nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.09.2022 Stellung: „Im Rahmen der Erledigung des damaligen Prüfungsauftrags wurden die Unterlagen bzgl. der Verwendung des Zuschusses an die VHS … nach der Satzung der VHS … Stadt e.V. durch die Rechnungsprüfung der Stadt … geprüft. Unabhängig davon – und nicht von der Prüfung erfasst – ist der nach § 4 Abs. 3 des Nutzungsvertrags genannte Aufwendungsersetz zu sehen. […] Die Zahlung an die VHS … Stadt e.V. war nicht Gegenstand der Prüfung.“
19
Die Kennzeichnung sei lediglich zur Sicherung gegen nachträgliche Manipulationen angebracht. Bei der Rechnungsprüfung handle es sich grundsätzlich um keine vollständige Prüfung, sie beschränke sich in der Regel auf eine angemessene Zahl von Prüfungsgebieten und Stichproben. Das vorgelegte Kontenblatt ersetze nicht den Einblick in weitere Unterlagen, weil hieraus keine Einzelbuchungen und Zahlungsempfänger ersichtlich seien. Die Teilnahme an Kuratoriumssitzungen sei nicht ausreichend, da Fragen nicht oder nicht zufriedenstellend beantwortet worden seien noch Einblick in Bücher gewährt worden sei.
20
In der mündlichen Verhandlung am 19.12.2022 stellt der Kläger klar, dass es sich bei den Verwaltungskosten in Höhe von 5.100 Euro um keinen zusätzlichen Geldfluss der Beklagten an den Kläger handle. Dies sei nur ein buchungstechnischer Posten, um Leistungen des Klägers für die Verwaltung der Sternwarte zu erfassen.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalteswird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen, § 117 Abs. 3 VwGO.
Entscheidungsgründe
22
Die zulässige Leistungsklage bleibt inhaltlich erfolglos.
23
1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht zulässig erhoben.
24
1.1. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist eröffnet. Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
25
Bei der Qualifizierung des Rechtsstreits als öffentlich-rechtlich ist die tatsächliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses maßgeblich, nicht dagegen die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch den Kläger selbst. Öffentlichrechtlich sind Streitigkeiten, wenn sie sich als Folge eines Sachverhaltes darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Neben den Fällen, in denen eine Behörde durch Erlass eines Verwaltungsaktes hoheitlich tätig wird, handelt es sich auch bei Streitigkeiten, die ihre Grundlage im öffentlichen Recht haben, in denen aber keiner der Beteiligten dem anderen gegenüber hoheitliche Befugnisse hat bzw. in Anspruch nimmt, um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Hierzu gehören unter anderem auch die Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen im Sinne der§ 54 ff. VwVfG. Das sind insbesondere alle Verträge, deren Gegenstand einen vom öffentlichen Recht geordneten Sachbereich zuzurechnen ist. Allein der Umstand, dass ein Vertrag der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, macht ihn noch nicht zum öffentlich-rechtlichen Vertrag. Maßgebend ist vielmehr der Wille der Parteien. Solange die Behörde nicht ausdrücklich zivilrechtlich tätig wird, spricht eine Vermutung für den öffentlich-rechtlichen Charakter des Vertrages. Öffentlichrechtlich sind insbesondere Verträge, die auf eine Ausgestaltung oder Abänderung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen oder Berechtigungen abzielen, insbesondere Pflichten und Rechte in Über- und Unterordnungsverhältnissen durch vertragliche Regelung ersetzen, ergänzen oder näher bestimmen. Verträge, die inhaltlich so eng mit den öffentlich-rechtlichen Berechtigungen oder Verpflichtungen zusammenhängen, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs demselben Rechtsbereich zuzurechnen sind, sind insgesamt als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, ohne dass es darauf ankommt, wo der Schwerpunkt des Vertrages liegt. Abzulehnen ist grundsätzlich die Annahme gemischter öffentlich-privatrechtlicher Verträge (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 40 Rn. 23; VG Augsburg, U.v. 15.01.2009 – Au 5 K 08.296 – juris Rn 98).
26
Die Beteiligten haben als Grundlage des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses die Form des öffentlich-rechtlichen Vertrages gewählt. In diesem werden dem Kläger mit der Aufgabe des Betreibens der Sternwarte Aufgaben der Erwachsenenbildung und damit hoheitliche Aufgaben übertragen. Weiterhin werden dem Kläger in dem Vertrag Leistungen in Form der nun eingeklagten Zuschüsse versprochen, die nicht in unmittelbaren Zusammenhang zu einer Gegenleistung stehen und somit als Subventionen zu qualifizieren sind. Insofern handelt es sich nach dem oben ausgeführten Maßstab um einen öffentlich-rechtlichen Rechtsstreit.
27
1.2 Sein Rechtsschutzziel, die Leistung aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, kann der Kläger im Rahmen der allgemeinen Leistungsklage als statthafte Klageart geltend machen (VG Augsburg, U.v. 15.01.2009 – Au 5 K 08.296 – juris Rn 98).
28
2. Die Leistungsklage hat jedoch keinen Erfolg. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen durchsetzbaren Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag.
29
2.1 Der Leistungsanspruch ist zwar entstanden, denn der begehrte Anspruch auf Zahlung von 4.250,00 Euro, also dem Zuschuss für das dritte und vierte Quartal 2019 in Höhe von je
30
2.125 Euro, ergibt sich aus § 4 Abs. 3 des Nutzungsvertrages. Die Beklagte hat diesen unstreitig nicht geleistet. Andere Erlöschenstatbestände sind auch nicht ersichtlich.
31
Der Leistungsanspruch ist jedoch derzeit nicht durchsetzbar, weil der Beklagten gegenüber dem Kläger ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Rechtsgrundlage des Zurückbehaltungsrechts ist Art. 62 BayVwVfG i.V.m. §§ 242, 273 Abs. 1 und § 259 BGB. Danach kann der Schuldner (hier die Beklagte) eine Leistung dann verweigern, wenn er selbst aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem auch seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger (hier der Kläger) hat, sofern sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt.
32
Dieses Zurückbehaltungsrecht beruht auf einem Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger auf Vorlage und Rechenschaft hinsichtlich der Verwendung aller finanziellen Mittel für die Sternwarte. Sie hat gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Vorlage der Unterlagen über Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte für die Jahre 2015 bis 2019. Bis zur Erfüllung dieses Anspruches kann sie ihr Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der noch offenen Teilzahlungen ausüben.
33
2.1.1 Dieser Anspruch ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut des Nutzungsvertrages. § 6 Nr. 1 des Nutzungsvertrages bestimmt lediglich eine bestimmte Verwendung der Mittel aus dem Betrieb der Sternwarte, nicht jedoch eine Vorlage- oder Rechenschaftspflicht. Auch den anderen vertraglichen Regelungen kann eine entsprechende, ausdrückliche Verpflichtung nicht entnommen werden.
34
2.1.2 Die Vorlage- oder Rechenschaftspflicht lässt sich jedoch durch Auslegung ermitteln.
35
Soweit Verträge keine ausdrückliche Regelung enthalten, kann sich eine vertragliche Pflicht auch aus dispositivem Recht oder Vertragsauslegung ergeben. Ein entsprechender Nutzungsvertrag mit Förderungen und Rechenschaftspflichten ist im Besonderen Schuldrecht des BGB nicht bei den Vertragstypen geregelt, sodass sich etwaiges dispositives Recht nur aus dem allgemeinen Schuldrecht in §§ 241 bis 274 BGB ergeben kann. Sofern sich hieraus ein entsprechendes Ergebnis finden lässt, geht dieses einer ergänzenden Vertragsauslegung vor (BGH, U.v. 11.01.2012 – XII ZR 40/10, NJW 2012, 844 Rn. 24). Vorliegend ergibt sich eine entsprechende Vorlagepflicht der Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte für die Jahre 2015 bis 2019 aus § 242 BGB i.V.m. § 259 BGB.
36
Nach § 242 BGB hat der Schuldner die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Die Verpflichtung des Klägers zur Rechnungslegung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 259 BGB, weil diese im engeren Sinne keine Verwaltung für die Beklagte führt oder geführt hat. Die Rechtsprechung hat aber diese Verpflichtung zur Rechnungslegung über den Wortlaut des § 259 BGB hinaus, in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben, auf alle solche Fälle ausgedehnt, in denen jemand fremde Angelegenheiten oder solche Angelegenheiten besorgt, die zugleich eigene und fremde sind (RGZ 73, 286 [288]). Sie besteht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete hingegen in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen (RGZ 158, 377 [379]; BGH, U.v. 28.10.1953 – II ZR 149/52 – BGHZ 10, 385-389, Rn. 23). Es gibt aber keinen allgemeinen Anspruch auf Auskunft bzw. Rechnungslegung hinsichtlich solcher Umstände, die der eine kennt und die für einen anderen bedeutsam sind, auch wenn die Rechnungslegung keinerlei Mühe bereitet. Voraussetzung ist stets eine bestehende Sonderrechtsbeziehung. Diese bestimmt auch maßgeblich den Inhalt der Rechenschaftspflicht und die Art und Weise ihrer Erfüllung. In diesem Zusammenhang sind in der Rechtsprechung häufig solche Vertragsverhältnisse anzutreffen, bei denen einer Seite treuhänderische Aufgaben in einer verwalterähnlichen Stellung zugewiesen sind (vgl. MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, BGB, § 259 Rn. 6-7). Grundlage dieser Entscheidungen ist letztlich eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien nach Treu und Glauben.
37
Sinnentsprechende Regelungen finden sich in § 666 BGB (Auskunfts- und Rechenschaftspflicht) sowie § 675a BGB (Informationspflichten) im Rahmen von Aufträgen, Geschäftsbesorgungsverträgen und Zahlungsdiensten.
38
Bei Anwendung dieser Maßstäbe besteht ein Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger zur Vorlage von Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte für die Jahre 2015 bis 2019. Der geschlossene Vertrag ist im Rahmen von § 242 BGB dahingehend auszulegen, dass die Beklagte einen entsprechenden Anspruch auf Vorlage der Unterlagen über Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte für die Jahre 2015 bis 2019 hat.
39
Hierfür sprechen insbesondere folgende Gesichtspunkte:
40
2.1.2.1 Die Beteiligten hatten aufgrund der vom Kläger wahrgenommenen Aufgabe eine besondere Beziehung, die als Sonderrechtsbeziehung zu qualifizieren ist.
41
Der Kläger nahm mit dem Betrieb der Sternwarte im weitesten Sinne eine öffentliche Bildungsaufgabe wahr. Die Sternwarte dient dem öffentlichen Unterricht und der Erwachsenenbildung im Sinne des Art. 57 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO). Die Beklagte hatte den Kläger im Nutzungsvertrag mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraut. Im Nutzungsvertrag ist geregelt, dass die Sternwarte … als öffentliche Einrichtung dem kulturellen, wissenschaftlichen und bildungspolitischen Leben der Beklagten dient. In diesem Sinne soll sie der Nutzung durch die Bürger und Gäste der Stadt zur Verfügung stehen (§ 1 des Nutzungsvertrages). Der Kläger verpflichtete sich zum Betrieb der Sternwarte in diesem Sinne (§§ 2 und 5 des Nutzungsvertrages).
42
Zudem handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung nach Art. 21 GO. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist nicht gesetzlich definiert. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes fällt darunter jede Einrichtung, die von der Gemeinde durch Widmungsakt der allgemeinen Benutzung durch ihre Angehörigen und die niedergelassenen Vereinigungen zugänglich gemacht und von ihr im öffentlichen Interesse unterhalten wird (vgl. dazu grundlegend BayVGHE 22, 20 [22]). An die Qualifikation als Einrichtung sind dabei keine strengen Voraussetzungen geknüpft. Der Gemeinde steht es nach dem Grundsatz der organisatorischen Formenwahlfreiheit und vor dem Hintergrund ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Organisationshoheit grundsätzlich frei, in welcher Form sie eine öffentliche Einrichtung betreiben will (BeckOK KommunalR Bayern/Stepanek, 12. Ed. 1.11.2021, GO, Art. 21 Rn. 5). Die privatrechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Nutzern und Gemeinde oder die partielle Übertragung des Betriebes der Einrichtung an private Akteure reicht noch nicht aus, um eine Qualifikation als nichtöffentliche Einrichtung zu begründen, da beides auch im Rahmen des Betriebs einer öffentlichen Einrichtung möglich ist (BeckOK KommunalR Bayern/Stepanek, 12. Ed. 1.11.2021, GO, Art. 21 Rn. 10). Die Beklagte möchte die Sternwarte allen Gemeindemitgliedern und den Gästen als Bildungseinrichtung zur Verfügung stellen, um die o.g. öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Insofern handelt es sich auch um eine öffentliche Einrichtung. Nach den eben genannten Maßstäben ist dabei unschädlich, dass sie sich hierfür sowohl für die Zeit des Nutzungsvertrages mit dem Kläger als auch für den nachfolgenden Zeitraum eines Vereins bedient, der die Sternwarte betreibt.
43
Aus der Wahrnehmung dieser besonderen Aufgaben des Klägers für die Beklagte ergibt sich auch eine besondere Rechtsbeziehung. Durch die Übertragung der eigentlich öffentlichen Aufgaben der Beklagten auf den privaten Kläger ergibt sich eine besondere Stellung des Klägers. Es handelt sich um keine herkömmliche Vertragsbeziehung, die etwa ein reines Mietverhältnis umfasst, sondern sie hat mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe auch eine besondere Rechtsstellung bzw. Verantwortung übernommen.
44
2.1.2.2 Die entsprechende besondere Beziehung ist im Nutzungsvertrag auch an vielen Stellen angelegt und war für beide Vertragsparteien erkennbar:
45
In § 2 des Nutzungsvertrages ist bereits festgelegt, dass es sich nicht etwa um ein klassisches Mietverhältnis handelt, sondern Gegenstand des Vertrages der Betrieb der Sternwarte … im genannten Anwesen mit den dort vorhandenen Einrichtungen ist. In § 4 des Nutzungsvertrages erklärt die Beklagte im Rahmen der Förderung des kulturellen, wissenschaftlichen und bildungspolitischen Lebens in der Stadt, auf die Entrichtung eines Mietzinses zu verzichten. Deshalb trage sie auch die Lasten des Gebäudes und gewähre einen Zuschuss in Höhe von 8.500 Euro jährlich, der in vier Raten zu je 2.125 Euro jeweils zum ersten Werktag eines Quartals dem Kläger überwiesen werde. Nähere Ausgestaltung hinsichtlich der Lastentragung und Instandsetzung durch die Beklagte finden sich in § 6 Nummern 4 und 5 des Nutzungsvertrages. Der Kläger verpflichtet sich demgegenüber in §§ 1 und 5 des Nutzungsvertrages für den Betrieb der Sternwarte Sorge zu tragen. Hierfür wurden auch entsprechende Angebote beispielhaft aufgezählt (Ausrichtung eines angemessenen, qualitativ hochwertigen und für breite Bevölkerungsschichten zugänglichen Veranstaltungsprogramms mit Vorträgen, Kinder- und Jugendveranstaltungen; Bereitstellung der Räumlichkeiten und Betreuung der an der Sternwarte angesiedelten Interessengruppen wie Astroteam und Astrokids; Ausrichtung eines Führungsprogramms für interessierte Gruppen; öffentliche Beobachtungsabende, Kurse, Tagungen). Außerdem ist in § 6 Nr. 2 des Nutzungsvertrages festgelegt, dass der Betrieb der Sternwarte nur zum vertraglich bestimmten Zweck nach den hierfür allgemein üblichen Grundsätzen und einschlägigen gesetzlichen Vorschriften oder behördlichen Anordnungen gestattet ist. Hieraus ergibt sich die besondere Beziehung der Vertragspartner und die besondere Aufgabe, die dem Kläger übertragen wurde.
46
Weiterhin hat sich der Kläger in § 6 Nummer 1 des Nutzungsvertrages explizit zu einem bestimmten Umgang mit den Zuschüssen und Mitteln, die sich aus dem Betrieb der Sternwarte ergeben, verpflichtet. Er hat sich verpflichtet, mit den ihm überlassen Räumlichkeiten, Inventar und Zuschüssen, angemessen, wirtschaftlich und sorgfältig umzugehen. Weiterhin wurde die Berechtigung, für die von ihm gegenüber Dritten erbrachten Leistungen eine angemessene Vergütung zu berechnen, festgehalten. Jedoch muss er, die mittels der Sternwarte erwirtschafteten Einnahmen wiederum für die Sternwarte einbringen. Er darf keine Entnahmen von Mitteln für andere Zwecke vornehmen. Weiterhin wurde geregelt, dass keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Sternwarte fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden darf. In dieser Regelung ist anknüpfend an die eben genannte besondere Aufgabenwahrnehmung auch eine bestimmte Mittelverwendung bzw. Geschäftsführung vereinbart worden.
47
2.1.2.3 Der Kläger hat hinsichtlich der vertragsgemäßen Mittelverwendung einen Wissensvorsprung gegenüber der Beklagten. Er alleine entscheidet über die Bewirtschaftung und die Verwendung der bereitgestellten Mittel und führt die entsprechende Buchführung. Die Beklagte hat hierüber nur eingeschränkte Kenntnis. Dieses Ungleichgewicht muss im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Interessen, bei der Bestimmung, was nach Treu und Glauben Vertragsbestandteil ist, zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden.
48
Weder die Teilnahme an den Kuratoriumssitzungen des Klägers durch Vertreter der Beklagten noch die Möglichkeit der Einsichtnahme durch die Beklagte im Rahmen der Rechnungsprüfung vermag diesen Wissensvorsprung des Klägers auszugleichen. Gegenstand der Kuratoriumssitzungen, von denen die letzte im November 2018 stattfand, war die Vorstellung der Jahresberichte für den Betrieb der Volkshochschule im Allgemeinen. Der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes betreffend den Jahresabschluss 2016, der Unregelmäßigkeiten beim Betrieb der Volkshochschule feststellte, wurde im Februar 2019 erstellt. Die Sternwarte als untergeordneter Teil des Betriebs des Klägers gelangte erst später in den Fokus, so dass in den Sitzungen für die Beklagte noch kein Anlass bestand, Kassenbücher, Kontenaufstellungen oder Einnahme- und Ausgabebelege betreffend die Sternwarte einsehen zu wollen. Offenbleiben kann, ob die Beklagte in den Sitzungen überhaupt die Gelegenheit hatte, die nunmehr geforderten Unterlagen einzusehen, denn die bloße Möglichkeit der Einsichtnahme zu einem Zeitpunkt, in dem sie noch keine Anhaltspunkte zur Überprüfung (z.B. eine zweckwidrige Mittelverwendung) – die Sternwarte betreffend – hatte, reicht nach Überzeugung des Gerichts nicht aus, den Wissensvorsprung des Klägers zu beseitigen.
49
Ob im Rahmen der Rechnungsprüfung – wie von den Parteien streitig – alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt wurden, kann ebenfalls dahinstehen, da die Rechnungsprüfung laut Prüfbericht ebenfalls den Betrieb der Volkshochschule im Allgemeinen betraf – die Sternwarte als Annexbetrieb jedoch nicht von der Prüfung umfasst war. Dies ist deshalb schlüssig, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten bezüglich des Betriebs der Sternwarte erkennbar waren; vielmehr war der Prüfbericht erst der Auslöser für eine Prüfung der Mittelverwendung für die Sternwarte.
50
Der Stempel und das Namenskürzel, mit dem die Rechnungsprüfer das vom Kläger vorgelegte Sachkontenblatt aus dem Jahr 2016 versehen haben, sind als Nachweis für eine durchgeführte Prüfung der Mittelverwendung nicht geeignet, da es nach schlüssigem Vortrag der Beklagten bei Durchführung der Rechnungsprüfung üblich ist, eine derartige Kennzeichnung auf vorgelegten Unterlagen zur Sicherung gegen nachträgliche Manipulationen anzubringen. Zudem beschränkt sich die Rechnungsprüfung in der Regel auf eine angemessene Zahl von Prüfungsgebieten und Stichproben (Nr. 3 der Verwaltungsvorschriften zu § 2 Kommunalwirtschaftliche Prüfungsverordnung – VVKommPrV). Darüber hinaus enthält das vorgelegte Sachkontenblatt lediglich eine Aufschlüsselung der „Sonstigen Ausgaben“, jedoch keine Einzelbuchungen oder Zahlungsempfänger. Es vermag auch keinesfalls die Einsichtnahme in die – den Buchungen zugrundeliegenden – Belege zu ersetzen.
51
2.1.2.4 Der in § 4 Abs. 3 des Nutzungsvertrages geregelte Zuschuss ist als freiwillige Leistung aus öffentlichen Geldern und damit als Subvention zu qualifizieren. Im Subventionsrecht ist es üblich, dass ein sog. Verwendungsnachweis erbracht werden muss. Dieser soll einerseits das eben geschilderte Ungleichgewicht ausgleichen. Andererseits ist es haushaltsrechtlich geboten, und damit auch legitimiert, nur solche Empfänger zu fördern, die die Mittel auch dem Förderzweck entsprechend einsetzen. Nach Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO ist die gemeindliche Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu planen und zu führen. Nach dem Grundsatz der Sparsamkeit sind die aufzuwendenden Mittel auf den zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben notwendigen Umfang zu beschränken. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verlangt von der Gemeinde, auf eine Ausgewogenheit zwischen dem verfolgten Zweck und der dafür eingesetzten Mittel zu achten. Unwirtschaftlich ist eine Maßnahme, wenn zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln eine ungünstige Relation besteht (BeckOK KommunalR Bayern/Sedlmaier, 12. Ed. 1.11.2021, GO Art. 61 Rn. 11-13). Hieraus folgt denknotwendig, dass unnötige Ausgaben vermeiden werden sollen (BayVGH, U.v. 21.03.2012 – 4 B 11.221 –, juris Rn. 29). Demnach muss die Gemeinde auch darauf achten, dass die von ihr gewährten Zuschüsse zu dem jeweils vorgesehenen Zweck eingesetzt werden, andernfalls verstößt sie gegen die ihr obliegenden Haushaltsgrundsätze. Dies kann sie nur dann, wenn sie Instrumente hat, um die zweckgemäße Mittelverwendung zu überprüfen. Auch dieser Aspekt spricht im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Interessen, dafür, anzunehmen, dass es nach Treu und Glauben Vertragsbestandteil ist, die Mittelverwendung im Rahmen einer Rechenschaftspflicht zu überprüfen.
52
2.1.2.5 Diese Vorlage- und Informationspflicht erstreckt sich willkürfrei auch auf die Jahre 2015 bis 2019. Aufgrund der durch die Rechnungsprüfung für 2016 aufgetretenen Auffälligkeiten hat die Beklagte einen Anspruch auf Vorlage weiterer Unterlagen für die Jahre 2015 bis 2019.
53
Für das Jahr 2015, also das Jahr vor dem auffälligen Befund, gilt dies deshalb, weil sich aufgrund der durchgeführten Rechnungsprüfung 2016 gegebenenfalls im Vergleich zum Vorjahr Rückschlüsse auf Änderungen oder andere buchhalterische Herangehensweisen ziehen lassen. Für das Jahr 2016 ergibt sich dies aus dem auffälligen Befund für dieses Jahr selbst. Hinsichtlich der darauffolgenden Jahre liegt die Vermutung nicht fern, dass die Geschäftsführung, die als prüfwürdig erachtet wurde, fortgeführt worden sein könnte. Aus diesem Grund ergibt sich auch für alle genannten Jahre ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Vorlage von Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte.
54
Die auffälligen Befunde sind von der Beklagten umfassend und nachvollziehbar in der Sitzungsniederschrift des Haupt- und Finanzausschusses vom 04.02.2019 festgehalten. Dem Kläger ist es bislang nicht gelungen, diese substantiiert zu entkräften. Im Einzelnen lässt sich Folgendes anmerken:
55
Die Sternwarte hat ausweislich der vorgelegten Einnahmeüberschussrechnung für das Jahr 2016 eigens ausgewiesene Ausgaben für Honorare und Verwaltungskosten in Höhe von insgesamt 9.226,80 Euro (Durchführung von Veranstaltungen – Sternwarte 2.287,66 Euro + Honorare für freie Mitarbeiter – Sternwarte 3.600 Euro + Geschäftsausgaben – Verwaltung – Sternwarte 547,31 Euro + Geschäftsausgaben – Lehrbetrieb – Sternwarte 2.791,83 Euro) sowie lediglich in einem Sammelposten „Sonstige Ausgaben“ Sternwarte zusammengefasste Kosten in Höhe von 6.533,18 Euro. Insgesamt wurden also Ausgaben in Höhe von 15.759,98 Euro für die Sternwarte getätigt. Der Anteil der „Sonstigen Ausgaben“ macht alleine rund 40 Prozent der Gesamtausgaben aus.
56
Diese „Sonstigen Ausgaben“ genauer überprüfen zu wollen, erscheint nachvollziehbar und nicht willkürlich. Die Überprüfung wird auch nicht durch den Vortrag des Klägers entbehrlich, dass die „Sonstigen Ausgaben“ nach Abzug der darin enthaltenen Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 5.100 Euro mit den verbleibenden 1.264,88 Euro im Vergleich zu den Gesamtausgaben (15.759,98 Euro) nicht mehr unverhältnismäßig hoch seien. Denn dass sich hinter dem Buchungsposten von 5.100 Euro konkrete Ausgaben bzw. Geldabflüsse verbergen, hat der Kläger selbst nicht behauptet oder dargelegt. Nach seinen Angaben stellt diese Buchung lediglich einen internen Rechnungsposten dar, der den Verwaltungsaufwand bezeichnen soll, den der Kläger für die Sternwarte erbringt. Damit bleibt nach wie vor ungeklärt, welche konkreten Ausgaben getätigt worden sind. Diesen Ausgaben stehen Einnahmen im Rahmen der Bewirtschaftung der Sternwarte in Höhe von insgesamt 19.276,50 Euro gegenüber (Eintrittsgelder aus Veranstaltungen Sternwarte 4.918 Euro + Zuschüsse – Sternwarte 8.500 Euro + Spenden Sternwarte 500 Euro + Erstattungen Verwaltungskostenanteil Sternwarte 5.100 Euro + Einnahmen Werbeanzeigen – Sternwarte 225 Euro + Sonstige Erträge – Sternwarte 33,50 Euro).
57
Darüber hinaus wurden in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 04.02.2019 hinsichtlich der Buchführung für die weiteren Geschäftszweige des Klägers Auffälligkeiten festgestellt. In der Niederschrift ist hierzu festgehalten:
- „Bemerkenswert sind Zahlungsströme und Geschäftsbeziehungen der Volkshochschule … e.V. mit der … GmbH, der … gGmbH (VHS als alleiniger Gesellschafter) und der … gGmbH. Bei … und … fungiert der Geschäftsführer und 4.Vorstand der VHS … e.V. … ebenfalls als Geschäftsführer, beim … als Kaufmännischer Leiter.
- Die Belegführung ist teilweise als lückenhaft und widersprüchlich anzusehen.
- Belege weisen keine nachvollziehbaren Berechnungsgrundlagen auf. Es wird z.B. von den o.g. Firmen „vereinbarungsgemäß“ berechnet, aber die Vereinbarungen werden trotz Nachfrage nicht vorgelegt.
- Berechnete Tätigkeiten werden pauschal als „Dienstleistungen“ bezeichnet; eine Berechnung oder Spezifizierung, was getan wurde, fehlt teilweise bzw. wurde teilweise unzureichend erläutert. Aus vorgelegten Rechnungen kann nicht verifiziert werden, welcher Art die in Rechnung gestellten Personalkosten waren (* … gGmbH).
- Für Buchungen in Zusammenhang mit der … (* …*) werden keine erklärenden Belege vorgelegt.
- Vorgelegte Rechnungen existieren als Kopie mit Genehmigt-Stempel und Unterschrift, auf dem vermutlichen Original fehlen diese.
- Zweifel an einer ordnungsgemäßen Buchführung des Vereins sind zumindest teilweise angebracht. Insofern wird auch die Ansicht des bevollmächtigten Steuerberaters, des Schatzmeisters und der Vereinsrevisoren nicht geteilt.
- Das dem Geschäftsführer gezahlte Gehalt stieg von 2.750 € pro Monat bei 18 Wochenstunden im Jahr 2016 auf 5.500 € pro Monat für eine wöchentliche Arbeitszeit von 28 Stunden seit 1.8.2017.
- Die … gGmbH ist eine 100%ige Tochter der Volkshochschule … e.V., um Aufgaben wie Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenbetreuung zu erfüllen. Die Satzung der VHS … nennt nur Erwachsenenbildung als Zweck. Neben den erwähnten nicht ausreichend “begründeten Personalkosten ist für die unter den Sonstigen Kosten im Jahr 2016 angeführte Teilwertabschreibung in Höhe von 6.542,77 € ebenfalls keine nachvollziehbare Berechnung vorgelegt worden. insgesamt wurden 2016 rund 12.506 € an die … gezahlt.“
58
Damit haben sich hinreichend Anhaltspunkte für die Beklagte ergeben, die vertragsgemäß auf den Betrieb der Sternwarte beschränkten und damit zweckgebundenen Ausgaben, d.h. die Verwendung der Zuschussmittel sowie der sonstigen Einnahmen, aus dem Betrieb der Sternwarte, genauer zu überprüfen.
59
Die beharrliche Weigerung des Klägers, Einsicht in die Unterlagen betreffend die Sternwarte zu gewähren, gibt keinen Anlass, die Überprüfung der Geschäftstätigkeit hinsichtlich der Sternwarte für entbehrlich zu halten.
60
Vor diesem Hintergrund besteht in Ansehung der geschilderten Sonderrechtsbeziehung ein berechtigtes, die Interessen des Klägers überwiegendes Interesse der Beklagten, die geforderten Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Sternwarte einzusehen.
61
2.1.2.6 Da der so beschriebene Anspruch aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem auch die Verpflichtung zur Zahlung des Zuschusses, damit aus dem Nutzungsvertrag, herrührt, sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB erfüllt.
62
Damit liegen alle Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB vor.
63
2.1.3 Der Anspruch auf die Vorlage- und Rechenschaftspflicht ist auch nicht erloschen. Aus den oben genannten Gründen (Nr. 2.1.2.3) stellt die von der Beklagten durchgeführte Rechnungsprüfung auch keine bereits erfolgte Erfüllung der Vorlage- und Rechenschaftspflicht des Klägers dar; diese hat sich dadurch nicht erledigt. Das Verlangen zur Vorlage von Unterlagen kann insofern auch nicht als missbräuchlich angesehen werden.
64
Insbesondere hat der Kläger diesen Anspruch auch nicht durch die bloße Vorlage einer Kopie des Sachkontenblatts aus dem Jahr 2016 erfüllt. Dieses ersetzt schon deshalb nicht den Einblick in weitere Unterlagen, weil daraus – wie bereits dargestellt – weder Einzelbuchungen noch Zahlungsempfänger hervorgehen.
65
Es ist letztendlich weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die geforderte Vorlage der Unterlagen bzw. Rechenschaft für den Kläger unzumutbar wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er die entsprechenden Unterlagen bei einer ordnungsgemäßen Buchführung unschwer vorlegen und erläutern kann. Insofern hat der Kläger keine nennenswerten Interessen, die gegen eine Rechenschaftspflicht sprechen, vorgetragen.
66
Nachdem dem begehrten Zahlungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht entgegensteht, ist die Klage abzuweisen.
67
3. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung der Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinsichtlich der Vollstreckung durch die Beklagte bedurfte es angesichts ihrer – wenn überhaupt anfallenden – geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen nicht, zumal sie auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.