Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 20.12.2022 – B 5 K 21.881
Titel:

Schadensersatz wegen zu spät erfolgter Beförderung

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BGB § 839
Schlagwort:
Schadensersatz wegen zu spät erfolgter Beförderung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49190

Tenor

1.    Der Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr III 2.2 vom 02.03.2021 in Form des Beschwerdebescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr ... wird aufgehoben.
2.     Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger im Wege des Schadensersatzes in dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlicher Hinsicht so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er mit Wirkung zum 01.10.2016 für den A 15-Dienstposten eines Gruppenleiters 4 ausgewählt worden wäre.
3.    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer im Jahr 2017 unterbliebenen Beförderung.
2
1. Der im Jahr … geborene Kläger trat am 01.02.1991 in die Bundeswehr ein und wurde am 26.10.1992 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten übernommen. Mit Wirkung vom 09.07.2014 wurde er zum Oberstleutnant befördert.
3
Mit E-Mail vom 05.09.2016 bewarb sich der Kläger für den nach der Besoldungsgruppe A 15 der Bundesbesoldungsordnung (BBesO) bewerteten Dienstposten des Gruppenleiters 4 (Technische Analyse) bei der Zentralen Untersuchungsstelle der Bundeswehr für Technische Aufklärung. Mit Auswahlentscheidung vom 13.09.2016 wurde zunächst Oberstleutnant S., der seinerzeit einzige weitere im Auswahlverfahren berücksichtigte Mitbewerber, für den ausgeschriebenen Dienstposten ausgewählt. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBW) wandte sich daher mit Schreiben vom 14.09.2016 an den Kläger und teilte ihm mit, dass er im Rahmen der Auswahlentscheidung als Ergebnis der Bestenauslese nicht zum Zuge gekommen sei.
4
Mit Schreiben vom 12.10.2016 erhob der Kläger Beschwerde gegen diese Auswahlentscheidung.
5
Ausweislich der internen Stellungnahme des Personalführers der personalbearbeitenden Stelle des BAPersBW vom 02.11.2016 seien für die streitgegenständliche Auswahlentscheidung sowohl der Kläger als auch Oberstleutnant S. für die Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens betrachtet worden, der mit den Anforderungen ATB EloKaStOfz, Kompetenzbereich militärisches Nachrichtenwesen und einer gültigen Sicherheitsprüfung der Stufe Ü3 versehen sei. Beide Offiziere erfüllten diese formalen Kriterien. Im Leistungswert der letzten Beurteilung aus 2015 bewegten sich beide Offiziere auf vergleichbarem Niveau (Kläger 7,30 und Oberstleutnant S. 7,20), daher seien andere, zusätzliche Auswahlkriterien identifiziert worden. Zu diesen weiteren Auswahlkriterien gehörten im Einzelnen der Leistungswert der Beurteilung aus 2011, weil beide Offiziere im Jahr 2013 identisch mit 7,0 im Leistungswert beurteilt worden seien, die längere Stehzeit im Dienstgrad und damit auch die längere dienstliche Erfahrungszeit, dass die Mobilität des Klägers dokumentiert eingeschränkt sei und Oberstleutnant S. über eine größere Verwendungsbreite und dadurch einen Befähigungsvorteil für die Besetzung des in Rede stehenden Dienstpostens verfüge. Daher habe er sich gegenüber dem Kläger durchgesetzt. Aufgrund dieser formalen und weiteren Auswahlkriterien sei im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung Oberstleutnant S. für den Dienstposten des Gruppenleiters ausgewählt worden.
6
Mit Bescheid vom 19.06.2017 wies das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) die Beschwerde zurück.
7
Daraufhin beantragte der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19.07.2017 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
8
Das Bundesverwaltungsgericht hob mit Beschluss 14.12.2018 die angefochtene Entscheidung der Beklagten vom 13.09.2016 auf. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Annahme, der Kläger erfülle mangels Mobilität die Bedarfsträgerforderungen und damit auch das Anforderungsprofil nicht, ebenso mit dem Grundsatz der Bestenauslese nicht vereinbar sei wie die Erwägungen, die zur Auswahl von Oberstleutnant S. geführt hätten. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers sei verletzt. Das BMVg wurde daher verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
9
Im Rahmen einer Nachberatungskonferenz wurde mit Entscheidung vom 03.07.2019 Oberstleutnant W. für den ausgeschriebenen Dienstposten ausgewählt. Dieser verweigerte jedoch die Versetzung. Mit Entscheidung vom 04.10.2019 wurde die Auswahlentscheidung daher aufgehoben.
10
Mit Entscheidung vom 23.01.2020 wurde der Kläger im Rahmen einer weiteren Nachberatungskonferenz für den streitgegenständlichen Dienstposten ausgewählt. Mit Versetzungsverfügung vom 13.03.2020 wurde er mit Wirkung vom 01.04.2020 auf den Dienstposten des Gruppenleiters 4 (Technische Analyse) versetzt und zum 01.04.2020 in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO eingewiesen.
11
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17.12.2020 beantragte der Kläger Schadensersatz unter Bezugnahme auf die gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.2018. Zur Begründung führte er aus, dass die Versetzung auf den streitgegenständlichen Dienstposten aufgrund einer rechtswidrigen Entscheidung erst mit drei Jahren Verspätung erfolgt sei. Der Kläger sei somit so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er mit Wirkung zum 01.10.2016 auf den streitgegenständlichen Dienstposten gesetzt worden wäre. Der zum Zuge gekommene Oberstleutnant S. habe nie das Anforderungsprofil erfüllt, weil er nie ausreichende Kenntnisse in Englisch erworben habe bzw. habe vorweisen können. Dies ergebe sich auch aus einer tabellarisch gegenübergestellten Vergleichsbetrachtung der beiden Bewerber um den streitgegenständlichen Dienstposten.
12
Mit Bescheid vom 02.03.2021 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag des Klägers vom 17.12.2020 ab. Ein Anspruch auf soldatenrechtlichen Schadensersatz bestehe nicht. Die für diesen Anspruch erforderlichen Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Es fehle bereits an der kausalen Pflichtverletzung. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 14.12.2018 das BMVg lediglich dazu verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Es sei gerade nicht die Verpflichtung ausgesprochen worden, den Kläger auf den mit A 15 dotierten Dienstposten in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO einzuweisen. Dieser Verpflichtung sei man nachgekommen, indem man im Rahmen einer Nachberatungskonferenz aus dem Feld vergleichbarer Stabsoffiziere mit Entscheidung vom 03.07.2019 nicht den Kläger, sondern Oberstleutnant W. ausgewählt habe. Da sich der Kläger in der Verwendungsauswahl 2019 nicht habe durchsetzen können, bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz, denn der Forderungsverzicht eines Dritten könne nicht ausschlaggebend für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber dem Dienstherrn sein.
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Der Kläger legte daraufhin mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 01.04.2021 Beschwerde gegen diesen Bescheid ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 31.05.2021 dahingehend, dass sämtliche Schadensersatzvoraussetzungen erfüllt seien, wenn man zutreffend die Auswahlentscheidung im September 2016 zugrunde lege.
14
Mit Beschwerdebescheid vom 30.06.2021 wies das BAPersBW die Beschwerde des Klägers vom 01.04.2021 zurück. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch würden hier nicht vorliegen. Der Dienstherr habe zwar den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers verletzt, es fehle jedoch sowohl am Schaden als auch an der haftungsbegründenden Kausalität. Zudem habe es der Kläger schuldhaft unterlassen, die Ernennung des Oberstleutnant S. im Wege des Primärrechtsschutzes abzuwenden. Der Kläger habe zum entsprechenden Zeitpunkt keinen Anspruch auf eine Beförderung gehabt. Dem Dienstherrn hätte es auch freigestanden, aus Gründen der Personalplanung noch nach Abschluss des Auswahlverfahrens von der Besetzung des Dienstpostens abzusehen oder den Dienstposten ganz wegfallen zu lassen. Im Rahmen der weiteren Auswahlentscheidung habe man außerdem nicht den Kläger, sondern Oberstleutnant W. ausgewählt. Durch diese Entscheidung habe man dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Genüge getan.
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2. Der Kläger erhob mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 06.08.2021 Klage mit den Anträgen:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr III 2.2 vom 02.03.2021 in Form des Beschwerdebescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr … wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger im Wege des Schadensersatzes in dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlicher Hinsicht so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er mit Wirkung zum 01.10.2016 für den A 15-Dienstposten eines Gruppenleiters 4 ausgewählt worden wäre.
16
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 29.10.2021 ausgeführt, dass aufgrund des bereits bekannten Verfahrensablaufs rechtswidriger Weise die Beförderung des Klägers erst am 01.04.2020 anstatt zum 01.10.2016 erfolgt sei. Unverständlich sei, warum im Bescheid vom 02.03.2021 das BAPersBW von der Auswahlentscheidung im Juli 2019 und nicht von der im September 2016 ausgehe. Die für einen Schadensersatzanspruch genannten Voraussetzungen seien sämtlich erfüllt, sofern man zutreffend von der Auswahlentscheidung im September 2016 ausgehe. Der Kläger habe allein sämtliche an den Dienstposten gestellten Anforderungen erfüllt. Nur er habe nämlich auch den Punkt „Physische Leistungsfähigkeit“ erfüllt, denn Oberstleutnant S. sei in den Jahren 2015 und 2016 vom Ablegen der Leistungen befreit gewesen. Auch bei dem Anforderungsmerkmal „Fremdsprachen“ habe lediglich der Kläger die Forderung „Englisch SLP 3332“ erfüllt. Oberstleutnant S. habe dies nie erworben und habe in der Fähigkeit „Sprechen“ keine Einstufung. Dieser habe vielmehr im Sprach-Einstufungstest Englisch im Jahr 2014 eine Punktzahl von 122 erzielt und damit nicht einmal annähernd die Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Kompaktlehrgang zum Erwerb des „Englisch SLP 3332“ erfüllt.
17
Mit Schriftsatz vom 18.08.2021 machte die Beklagtenseite Ausführungen zum Streitwert und beantragte mit Schriftsatz vom 25.11.2021
die Klage abzuweisen.
18
Zur Begründung wiederholte sie die Argumentation aus dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren. Abschließend führte die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.03.2022 aus, dass auch die Tatsache, dass der Dienstposten weiterhin besetzt worden sei, keinen Anspruch auf Beförderung des Klägers zu einem früheren Zeitpunkt begründe. Generell perpetuiere die Versetzung eines Soldaten auf einen höherwertigen Dienstposten nicht dessen Beförderung. Ein Soldat habe daher auch keinen Anspruch auf eine Beförderung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Anders als bei Beamten bestehe bei Soldaten kein Grundsatz der Ämterstabilität. Dotierte Dienstposten seien nicht mit etatisierten Planstellen hinterlegt. Die Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten sei vielmehr Grundvoraussetzung für eine Beförderung und eine entsprechende Planstelleneinweisung. Der Kläger beantrage anscheinend die rückwirkende Planstelleneinweisung zu einem Zeitpunkt, zu welchem er durch die Beklagte überhaupt rückwirkend in eine Planstelle hätte eingewiesen werden können. Dem stehe die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) entgegen. Zu Recht habe die Beklagte auf den Zeitraum der neuen Auswahlentscheidung in 2019 abgestellt. Anders als bei Beamten müssten bei Soldaten alle infrage kommenden Kandidaten mitbetrachtet werden. Bei der Neubescheidung habe Oberstleutnant W. nicht außer Betracht bleiben können ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen.
19
Der Klägerbevollmächtigte machte mit Schriftsätzen vom 27.01.2022 und vom 05.05.2022 ergänzende Ausführungen und wiederholte im Wesentlichen die bisherige Argumentation.
20
Auf gerichtliche Anfrage vom 08.09.2022 erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Mit Schriftsatz vom 20.09.2022 erklärte die Klägerseite ebenfalls ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
21
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage, über die nach beiderseitigem Einverständnis im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entschieden werden konnte, hat auch in der Sache Erfolg.
23
I. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.03.2021 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 30.06.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Kläger im Wege des soldatenrechtlichen Schadensersatzanspruchs laufbahn-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er bereits zum 01.10.2016 zum Oberstleutnant befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 BBesO eingewiesen worden wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO analog).
24
Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch war ursprünglich auf Verletzungen der Fürsorgepflicht bezogen. Er ist in der Rechtsprechung aber nachfolgend auch auf andere Pflichtverletzungen ausgedehnt worden (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.12.2000 – 2 C 39.99 – BVerwGE 112, 308 ff. für die Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung der Kindergeldberechtigung bei der Besoldung), insbesondere auf die Verletzung der Auswahlgrundsätze aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – 2 C 51.86 – BVerwGE 80, 123 ff.).
25
Obwohl der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch im Gegensatz zu § 839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis voraussetzt, beansprucht der in § 839 Abs. 3 BGB niedergelegte Rechtsgedanke vom Vorrang des Primärrechtsschutzes auch und gerade für Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis wie den hier streitigen Geltung (BVerwG, U.v. 28.5.1998 – 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29 ff.). Die sekundäre Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln tritt nicht ein, wenn der Verletzte unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung mögliche Rechtsbehelfe ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 11).
26
Ein Beamter kann danach von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37.04 – BVerwGE 124, 99 ff., v. 26.1.2012 – 2 A 7.09 – BVerwGE 141, 361 Rn. 15, v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – BVerwGE 145, 185 Rn. 9; v. 30.10.2013 – 2 C 23.12 – BVerwGE 148, 217 Rn. 42 und v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 12). Dieser Anspruch besteht unter den gleichen Voraussetzungen auch im Soldatenverhältnis, da die Rechts- und Interessenlage in einschlägigen Fällen im Soldatenverhältnis ohne weiteres derjenigen vergleichbar ist, wie sie im Beamtenverhältnis besteht. Namentlich der dem Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung zugrundeliegende Gedanke, dass sich mit der Besetzung der Beförderungsplanstelle ein etwaiger Erfüllungsanspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Beförderungsauswahl, dem schuldhaft nicht entsprochen worden ist, in einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung umwandelt, gilt im Soldaten- und im Beamtenrecht gleichermaßen. Denn ebenso wie die rückwirkende Ernennung eines Beamten unwirksam (§ 12 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 Nr. 3 Bundesbeamtengesetz – BBG) und damit unmöglich ist, kommt die rückwirkende Ernennung eines Soldaten, zu welcher auch die Verleihung eines höheren Dienstgrades gehört (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SG), nicht in Betracht, vgl. § 41 Abs. 2 SG (vgl. Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2006, § 41 Rn. 16 i.V.m. Fn. 29).
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Rechtsgrundlage für das durch den Kläger geltend gemachte Begehren ist somit der soldatenrechtliche Schadensersatzanspruch. Dieser findet seinen Rechtsgrund im Soldatenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Soldatenverhältnis folgenden Pflichten entstehen (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.6.2019 – 6 ZB 18.2341 – juris Rn. 8). Ein Soldat kann danach von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Soldaten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft (dazu unter 2.) verletzt (dazu unter 1.) hat, dem Soldaten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre (dazu unter 3.) und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (dazu unter 4.) (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2018 – 2 C 20.17 – juris; U.v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 12; U.v. 26.1.2012 – 2 A 7.09 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 7.6.2019 – 6 ZB 18.2341 – juris Rn. 8; vgl. auch BayVGH, B.v. 6.8.2019 – 6 ZB 19.584, BeckRS 2019, 17768 Rn. 9, beck-online).
28
Der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Schadenersatzanspruch soll gerade einen Ausgleich für eine formell oder materiell fehlerhafte Auswahlentscheidung gewähren, weil mit der Besetzung der Beförderungsplanstelle der Anspruch des unterlegenen Mitbewerbers auf leistungsgerechte Einbeziehung in das Auswahlverfahren nicht mehr erfüllt werden kann. Das Soldatenverhältnis weist keine Besonderheiten auf, die dieser Zielsetzung und diesem Grund für den Ausgleichsanspruch entgegenstehen können. Namentlich die Rechtsprechung des ersten Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts zu militärischen Verwendungsentscheidungen steht dem nicht entgegen. Danach verfestigt sich eine militärische Verwendungsentscheidung selbst dann nicht zu einer rechtlich gesicherten Position, auf dem höher bewerteten Dienstposten verbleiben zu können, wenn der Soldat auf dem zugewiesenen Dienstposten bereits befördert worden ist. Der begünstigte Soldat muss es also auch hinnehmen, von seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn ein Mitbewerber bei der nachträglich angefochtenen Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden ist (st.Rspr., vgl. u. a. BVerwG, B.v. 25.4.2007 – 1 WB 31/06, juris Rn. 39 m. w. N.; OVG Münster, U.v. 8.6.2010 – 1 A 2859/07, BeckRS 2010, 50978, beck-online).
29
1. Die Beklagte hat durch ihre mit Wirkung für den 01.10.2016 getroffene Auswahlentscheidung den Bewerberverfahrensanspruch des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Der Kläger ist nämlich – wie vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.12.2018 festgestellt – in dem Beförderungsauswahlverfahren zum Oberstleutnant (A 15 BBesO), entgegen dem sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anspruch nicht (leistungsgerecht) einbezogen worden. Dass die Beklagte während dieses Zeitraums eine Beförderung zum Oberstleutnant – hier Oberstleutnant S. – vorgenommen hat und damit eine besetzbare Planstelle vorhanden war, ist unstreitig.
30
Was den maßgeblichen Zeitpunkt betrifft, der für den Beginn des Schadensersatzanspruchs zugrunde zu legen ist, so war der Kläger spätestens im Rahmen des Beförderungsverfahrens zu berücksichtigen, das mit dem ursprünglichen Stellenbesetzungsverfahren im Jahr 2016 durchgeführt wurde. Dies ergibt sich aus seiner Bewerbung mit E-Mail vom 05.09.2016 und seinem Klageantrag, in welchem er sein Schadensersatzbegehren auf den 01.10.2016 konkretisiert hat. Eines weiteren zeitlichen Vorlaufs für eine zunächst vorzunehmende fiktive Verwendung auf einem nach A 15 BBesO bewerteten Dienstposten bedurfte es nicht. Denn der Beginn der Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten konnte grundsätzlich auch ohne Weiteres mit dem Zeitpunkt der Beförderung zusammenfallen – wie schließlich auch bei der Beförderung des Klägers mit Wirkung vom 01.04.2020 geschehen, die zeitlich mit der Vergabe des mit Besoldungsgruppe A 15 BBesO dotierten Dienstpostens an den Kläger erfolgte.
31
Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter sind insofern nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen. Der Geltungsanspruch dieses Grundsatzes wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Daher können Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann mithin verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (vgl. nur BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37/04 –, a. a. O., juris Rn. 19, m. w. N.). Dieser Anspruch des Klägers wurde durch die Beklagte verletzt. Denn die Beklagte hat nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts dem Kläger rechtsfehlerhaft mit der unzutreffenden Begründung der fehlenden Mobilität die Erfüllung des Anforderungsprofils abgesprochen sowie ebenso mit dem Grundsatz der Bestenauslese nicht vereinbare Erwägungen angestellt, die zur Auswahl von Oberstleutnant S. führten und damit den negativen Auswahlvermerk, der die Beförderung des Konkurrenten Oberstleutnant S. bedingte, begründet.
32
2. Die aufgezeigten Rechtsverstöße sind von der Beklagten auch verschuldet.
33
Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamten- bzw. Soldatenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des Bürgerlichen Rechts. Zu vertreten hat der Dienstherr danach Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Von den für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Beamten muss verlangt werden, dass sie die Sach- und Rechtslage unter Heranziehung aller ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich auf Grund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden. Dazu gehören auch die Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und gegebenenfalls die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, ob aus sachfremden Erwägungen gewünschte Personalentscheidungen am Maßstab der relevanten Rechtsnormen Bestand haben können (BVerwG, U.v. 26.1.2012 – 2 A 7.09 – BVerwGE 141, 361 Rn. 39 und v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – juris Rn. 21). Nach diesem objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von einem verantwortlichen Beamten generell erwartet werden kann. Dies bedeutet, dass ein Amtsinhaber die Sach- und Rechtslage gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden muss. Wenn er die zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat und sie im Ergebnis als vertretbar angesehen werden kann, so kann daraus auch dann nicht ein Verstoß des verantwortlichen Amtsinhabers gegen Sorgfaltspflichten hergeleitet werden, wenn die behördliche Maßnahme gerichtlich missbilligt wird. Eine letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung stellt sich zudem als vertretbar dar, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen und weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37/04 – juris Rn. 24).
34
Gemessen daran war die angefochtene Auswahlentscheidung der Beklagten vorliegend jedenfalls fahrlässig. Die Auswahlkriterien für die seinerzeit veranlassten militärischen Verwendungen und Beförderungen waren in Verwaltungsvorschriften festgelegt. Von der Beklagten konnte daher erwartet werden, das Verwendungs- und Beförderungskonzept aufgrund gründlicher und vertiefter rechtlicher Prüfung zu erarbeiten. Dazu gehörten die Sichtung und Auswertung der einschlägigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Inhalt und Reichweite des Leistungsgrundsatzes. Den verantwortlichen Amtsinhabern hätte sich bereits aufgrund der bis zu Beginn des hier in den Blick zu nehmenden Zeitraums ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufdrängen müssen, dass das Konzept der sogenannten ganzheitlichen Betrachtung rechtlich nicht vertretbar war. Die Berücksichtigung von Zeiten der Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens und sogenannten Standzeiten im Dienstgrad als Hauptkriterien erfolgte im Rahmen der Beförderungsverfahren ebenso schuldhaft, wie die degressive Gewichtung der letzten drei dienstlichen Beurteilungen und die fehlerhafte (Nicht-)Berücksichtigung aktueller dienstlicher Beurteilungen. In der jeweils aktuellen Beurteilung war der Kläger nämlich mit insgesamt 7,30 Punkten besser bewertet als der zum Zuge gekommene Bewerber, Oberstleutnant S., der lediglich einen Gesamtwert von 7,20 Punkten erzielt hatte. Ein Abstellen auf frühere Beurteilungen war somit weder erforderlich noch zulässig. Der Beklagten hätte die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens nach der entsprechenden langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung bekannt sein müssen. Die Rechtsprechung galt nämlich bereits in dem hier in den Blick zu nehmenden Zeitraum und wurde nachträglich zu Fragen der inhaltlichen Ausschöpfung wertender Erkenntnisse aktueller dienstlicher Beurteilungen allenfalls fortentwickelt.
35
Dafür, dass für Auswahlentscheidungen im Soldatenrecht andere Grundsätze gelten als im Beamtenrecht, ist der Natur der Rechtsverhältnisse und insbesondere Art. 33 Abs. 2 GG, der sowohl für Beamte als auch für Soldaten gilt, nichts zu entnehmen. Die Beklagte hätte sich zumindest auch mit der im Übrigen gegebenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 33 Abs. 2 GG in der gebotenen Sorgfalt kritisch auseinandersetzen müssen. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Beklagte ist damit dem an sie anzulegenden individuellen Sorgfaltsmaßstab nicht gerecht geworden (vgl. auch OVG Münster U. v. 8.6.2010 – 1 A 2859/07, BeckRS 2010, 50978, beck-online).
36
3. Darüber hinaus hat der Kläger die ihm auf Primärebene zumutbaren Möglichkeiten zur Verfolgung seines Beförderungsbegehrens ausgeschöpft. Dem Schadensersatzbegehren des Klägers steht somit nicht der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB entgegen.
37
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt für einen Schadensersatzanspruch eines Beamten wegen eines Mangels bei der Auswahl für einen Beförderungsdienstposten und dadurch entgangener Beförderung grundsätzlich der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke, dass der Beamte keinen Schadensersatz begehren kann, wenn er mögliche Rechtsbehelfe, insbesondere gerichtlichen Rechtsschutz nebst vorgeschaltetem Verwaltungsverfahren, unmittelbar gegen das von ihm als rechtswidrig beanstandete Verhalten seines Dienstherrn ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat. Dieser Rechtsgedanke greift, wenn es der Beamte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden, wenn also für den Nichtgebrauch eines Rechtsmittels kein hinreichender Grund bestand. Ein Wahlrecht des Beamten zwischen alsbaldigem Primärrechtsschutz gegen eine rechtwidrige Benachteiligung und einem späteren Schadensersatzbegehren gibt es nicht. Nimmt ein Beamter eine von ihm für rechtswidrig gehaltene Benachteiligung hin, muss er das in einem späteren Schadensersatzprozess gegen sich gelten lassen. Zu den Rechtsmitteln, deren sich der Beamte bedienen muss, gehören nicht nur die Rechtsbehelfe des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes, sondern u. a. auch der Antrag an den Dienstherrn, befördert zu werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 28.5.1998 – 2 C 29/97 – juris Rn. 16-18).
38
Es ist kein rechtlicher Grund erkennbar, der eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf Soldaten entgegenstehen könnte (vgl. OVG NW U. v. 8.6.2010 – 1 A 2859/07, BeckRS 2010, 50978, beck-online).
39
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger kein Vorwurf zu machen, der den begehrten Schadensersatzanspruch entfallen lassen würde. Mit E-Mail vom 05.09.2016 bewarb er sich für den nach der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstposten des Gruppenleiters 4 (Technische Analyse) bei der Zentralen Untersuchungsstelle der Bundeswehr für Technische Aufklärung. Mit Auswahlentscheidung vom 13.09.2016 teilte die Beklagte ihm mit, dass er im Bewerbungsverfahren nicht zum Zuge gekommen sei. Mit Schreiben vom 12.10.2016 hatte der Kläger daraufhin Beschwerde gegen diese Auswahlentscheidung erhoben, die die Beklagte mit Bescheid vom 19.06.2017 zurückgewiesen hatte. Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 19.07.2017 beantragte der Kläger daher konsequent im nächsten Schritt die bereits mehrfach erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der dieses die angefochtene Auswahlentscheidung der Beklagten für rechtswidrig befand und diese zur erneuten Entscheidung über die Stellenbesetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtete.
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Der Kläger ist der ihn treffenden Verpflichtung zur Ausschöpfung der vorgesehenen Möglichkeiten der Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes ausreichend nachgekommen.
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4. Ob die Beklagte den Kläger ohne die aufgezeigten Rechtsverstöße voraussichtlich im hier in den Blick zu nehmenden Zeitraum zum Oberstleutnant befördert hätte, ist nicht mehr aufklärbar. Zwar spricht in Anbetracht der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Kombination mit dem im streitgegenständlichen Zeitpunkt – 01.10.2016 – maßgeblichen Bewerberfeld von lediglich zwei Kandidaten und der Tatsache, dass der streitgegenständliche Dienstposten im Vorfeld und in der Folgezeit durchgehend besetzt war, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür. Die gleichwohl verbleibende Restunsicherheit geht entgegen den allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten der Beklagten.
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Die schuldhafte Verletzung des Anspruchs auf leistungsgerechte Berücksichtigung bei der Besetzung eines Beförderungsamtes löst für den benachteiligten Soldaten einen Schadensersatzanspruch aus, wenn der Rechtsverstoß adäquat kausal für die Nichtbeförderung war. Das ist der Fall, wenn der Soldat bei Vermeidung des Rechtsverstoßes voraussichtlich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss mithin festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (vgl. u. a. BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37/04 –, a. a. O., juris Rn. 36, m. w. N.).
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Die verfahrensfehlerhafte Beförderung des Mitbewerbers des Klägers indiziert zwar nicht ohne Weiteres, dass die getroffene Maßnahme auch im Ergebnis fehlerhaft war. Auch unter Berücksichtigung der Ermessens- und Beurteilungsspielräume des Dienstherrn ist aber hier nicht festzustellen, dass der Kläger aller Voraussicht nach auch dann nicht ausgewählt worden wäre, wenn die Beklagte die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG bzw. § 3 SG beachtet und in diesem Zusammenhang die vom Bundesverwaltungsgericht beanstandeten Rechtsfehler unterlassen hätte.
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Eine insoweit erforderliche Nachzeichnung des hypothetischen Kausalverlaufs ist vorliegend jedoch nicht vollumfänglich möglich, denn die Auswahlkriterien für die Beförderungsauswahlverfahren wurden pflichtwidrig gehandhabt und müssten demnach (ebenfalls) hypothetisch nachgezeichnet werden. Welche Handlungsalternativen die Beklagte für den hier vorliegenden Fall rechtswidriger Auswahlkriterien in Erwägung gezogen hätte, ist jedoch nicht mehr aufklärbar. Denn den Auswahlverfahren wird infolge der Vielzahl der aufgezeigten Pflichtverstöße die Grundlage entzogen. Sie müssten daher auf eine völlig neue Basis gestellt werden.
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Ist es – wie hier – mithin nicht mehr möglich, eine gesicherte Vergleichsbasis zu rekonstruieren und einen hypothetischen Kausalverlauf nachzuzeichnen, weil bereits die Grundlagen für eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung fehlen, so trägt (ausnahmsweise) die Behörde die materielle Beweislast dafür, dass der unterlegene Bewerber auch bei fehlerfreier Auswahl nicht zum Zuge gekommen wäre, soweit dessen Beförderung nach Lage der Dinge ernsthaft möglich gewesen wäre (vgl. u. a. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 2 C 14/02 –, a. a. O., juris Rn. 28 m. w. N., U.v. 17.8.2005 – 2 C 37/04 –, a. a. O., juris Rn. 39). Welcher der Hauptbeteiligten im Verwaltungsprozess die materielle Beweislast trägt, bestimmt sich grundsätzlich mittels Auslegung derjenigen Norm, deren Tatbestand durch den nicht feststellbaren Umstand verwirklicht würde. Lässt sich dieser Norm keine besondere Anordnung über die Verteilung der Beweislast entnehmen, gilt die beweislastrechtliche Grundregel. Nach ihr ist die zweifelhaft gebliebene Tatsache als nicht existent zu behandeln, so dass der Nachteil der Beweislosigkeit grundsätzlich denjenigen Prozessbeteiligten trifft, für den sich aus dieser Tatsache günstige Rechtsfolgen ergeben würden (BVerwG, st. Rspr., vgl. u. a. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 2 C 14/02 – juris Rn. 27 m. w. N.).
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Danach trifft die Beweislast für die Fehlerhaftigkeit einer Auswahlentscheidung wie auch für die Ursächlichkeit von Pflichtverletzung und Schaden grundsätzlich den Beförderungsbewerber. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind anspruchsbegründend. Fehlen jedoch bereits – wie hier – die Grundlagen für eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung, so trägt die Behörde die materielle Beweislast dafür, dass der unterlegene Bewerber auch bei fehlerfreier Auswahl nicht zum Zuge gekommen wäre. Denn die Beschaffung und die Erhaltung der für die Auswahlentscheidung erforderlichen Grundlagen liegt ausschließlich in dem Verantwortungs- und Verfügungsbereich der zuständigen Behörde. Dabei geht es nicht nur darum, mit welcher Eignung seinerzeit Bewerber für das Beförderungsamt zur Verfügung gestanden haben; vielmehr geht es auch um die Kriterien, nach denen die Beklagte die Auswahl getroffen hat. Grundsätzlich hat die Behörde die Folgen von Fehlern zu tragen, die ausschließlich ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 2 C 14/02 – juris Rn. 27 f. m. w. N.).
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Diese Umkehr der materiellen Beweislast folgt aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, hier in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG). Denn die Beschaffung und die Erhaltung der für die Auswahlentscheidung erforderlichen Grundlagen liegen ausschließlich in dem Verantwortungs- und Verfügungsbereich der zuständigen Behörde. Sie sind dem Einblick des Soldaten entzogen. Insoweit trifft die Behörde eine Darlegungslast, § 86 VwGO. Im Falle der Nichterweislichkeit der Tatsachen findet daher eine Umkehr der materiellen Beweislast zu Lasten der Behörde statt. Denn effektiver Rechtsschutz ist nur gewahrt, wenn dem Betroffenen nicht nur der Weg zu den Gerichten eröffnet ist, sondern er auch in die Lage versetzt wird, die Auswahlvorgänge auf Rechtsfehler zu überprüfen. Daran fehlt es hier. Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Beklagten (OVG NW U.v. 8.6.2010 – 1 A 2859/07 – BeckRS 2010, 50978, beck-online).
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Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
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II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.