Titel:
örtliche Zuständigkeit bei Wohnsitzwechsel, gewillkürte Zuständigkeit, Fahrerlaubnisentziehung, Nichteignungsvermutung, Zweifel an der Fahreignung, obstruktive Atemwegserkrankung, Compliance und Adhärenz
Normenketten:
FeV § 11 Abs. 2, Abs. 6 und Abs. 8
FeV Nr. 11.3 Anlage 4 zur
§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1 FeV
FeV § 73 Abs. 2
BayVwVfG Art. 3 Abs. 3
Leitsatz:
Ein zeitlich nach der Begutachtungsaufforderung vorgelegter ärztlicher Befund kann behördliche Zweifel an der Fahreignung gem. § 11 Abs. 2 FeV nur dann ausräumen, wenn keinerlei Restzweifel hinsichtlich der Fahreignung verbleiben und die ursprünglichen Bedenken eindeutig widerlegt sind.
Schlagworte:
örtliche Zuständigkeit bei Wohnsitzwechsel, gewillkürte Zuständigkeit, Fahrerlaubnisentziehung, Nichteignungsvermutung, Zweifel an der Fahreignung, obstruktive Atemwegserkrankung, Compliance und Adhärenz
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49176
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E, L und T sowie gegen die Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins.
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Dem Antragsteller, geboren am … 1964 und von Beruf Kraftfahrer, wurde am 9. November 1979 die Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1 und L, am 31. August 1982 der Klassen B, BE, C1, C1E und T sowie am 9. November 2012 der Klassen A und A2 erteilt.
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Der Antragsteller beantragte am 26. Mai 2021 beim Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) die Erteilung und Verlängerung der Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, D, DE, D1 und D1E. Im Rahmen der Antragstellung legte er dem Landratsamt zur Befreiung von der damals bestehenden Maskenpflicht ein ärztliches Attest von Herrn Dr. S. vom 22. April 2020 vor, aus welchem hervorgeht, dass der Antragsteller an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leidet.
4
Mit Schreiben des Landratsamts vom 27. Mai 2021 wurde der Antragsteller zur Einordnung der Art und des Ausmaßes dieser Erkrankung aufgefordert, einen aktuellen und ausführlichen Krankheits- und Befundbericht, einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem Befund, zur epikritischen Bewertung und gegebenenfalls zur Therapie der obstruktiven Atemwegserkrankung bis spätestens 1. Juli 2021 vorzulegen.
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Mit E-Mail vom 24. Juni 2021 übersandte der Kläger dem Landratsamt den ausführlichen Befundbericht von Herrn Dr. med. S… vom 15. Juni 2021. Hieraus ergibt sich, dass beim Antragsteller am 18. April 2019 während eines Thailandurlaubes ein Bronchit mit rötlichem Auswurf festgestellt wurde. Anhand eines CT-Bildes vom 11. März 2019 wurden narbige Veränderungen diagnostiziert. Der Antragsteller sei früher während seiner Arbeit in einer KFZ-Werkstatt einer Asbestbelastung durch den Kontakt mit Bremsen und Kupplungen ausgesetzt gewesen. Aus den Bemerkungen ergibt sich auch, dass die ärztlicherseits empfohlene inhalative antiobstruktive Therapie mit dem Medikament Laventair zur Behandlung der Erkrankung COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) mangels Compliance des Antragstellers nicht möglich gewesen sei. Am 9. Juli 2019 sei festgestellt worden, dass der Antragsteller das Medikament nicht mehr inhaliere. Am 25. Juli 2019 hätten Dystelektasen (verminderte Belüftung einzelner Lungenabschnitte) im CT-Bild zwar kaum noch nachgewiesen werden können. Am 3. Dezember 2019 sei die Lunge jedoch weiterhin mittelgradig obstruktiv gewesen. Der Patient habe weiterhin Nikotin zu sich genommen und sei von der Notwendigkeit einer leitliniengerechten inhalativen Dauertherapie weiterhin nicht zu überzeugen gewesen. Am 3. März 2020 sei eine Verbesserung der Lungenfunktion festgestellt worden. Eine inhalative Therapie sei weiterhin an der fehlenden Compliance des Antragstellers gescheitert.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 25. Juni 2021, zugestellt am 29. Juni 2021, wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass behördlicherseits aufgrund des vorgelegten Befundberichtes Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden, weshalb angeordnet werde, dass der Antragsteller bis spätestens 30. August 2021 ein Gutachten durch einen Facharzt für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation vorlegen müsse. Dem ärztlichen Befundbericht zufolge leide der Antragsteller an einer obstruktiven Atemwegserkrankung, bei der die Bronchien in der Lunge verengt seien, weshalb Luft nur erschwert ausgeatmet werden könne. Schwere Lungen- und Bronchialerkrankungen seien unter der Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV gelistet und könnten je nach Art und Ausmaß die Fahreignung ausschließen oder erheblich einschränken. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Befundbericht eine fehlende Compliance des Antragstellers, wodurch sich die Fahreignungszweifel verstärkten. Die Begutachtungsanordnung erfolge insbesondere deshalb, da auch der Frage der Notwendigkeit der weiteren Überwachung sowie der Anforderungen an die zu erbringenden Nachweise, der Art der Kontrolle und deren Intervall zur Überwachung der Fahreignung Bedeutung zukomme. Das Gutachten solle über folgende Fragen Auskunft geben:
1. Ist Herr … trotz Vorliegen einer Erkrankung (hier: obstruktive Atemwegserkrankung) in der Lage den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 und Gruppe 2 gerecht zu werden?
2. Liegt eine ausreichende Compliance vor und wird diese auch umgesetzt (Adhärenz)?
3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) gerecht zu werden?
4. Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum?
5. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppen) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?
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Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass ein erstelltes Gutachten nur anerkannt werden könne, wenn dem Arzt vor der Begutachtung die Akten zur Verfügung gestanden hätten. Es erfolgte außerdem ein Hinweis darauf, dass der Antragsteller für die fristgerechte Vorlage der Gutachtenerstellung Sorge zu tragen habe und dass er vor der Weiterleitung der Akte die Möglichkeit erhalte, Einsicht in die zu übersendenden Unterlagen zu nehmen. Außerdem wurde der Antragsteller auf die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV aufmerksam gemacht, wonach die Behörde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen kann, wenn das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorlegt wird.
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Die vom Antragsteller mit Zustimmungserklärung vom 17. September 2021 zur Begutachtung ausgewählte Ärztin Dr. med. …L… wies keine verkehrsmedizinische Qualifikation auf, worauf der Kläger mit behördlichem Schreiben unter Gewährung einer Fristverlängerung bis zum 14. Januar 2022 und unter Aufforderung zur Benennung eines Arztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation hingewiesen wurde.
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In einer weiteren Zustimmungserklärung vom 17. November 2021 nannte der Antragsteller sodann Herrn Dr. med. S. als begutachtenden Arzt. Auch dieser war nicht im Besitz der erforderlichen verkehrsmedizinischen Qualifikation. Darauf wurde der Antragsteller mit E-Mail des Landratsamts vom 7. Dezember 2021 unter Gewährung einer Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2021 und unter Aufforderung, einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation auszuwählen, hingewiesen.
10
Mit Schreiben des Landratsamts vom 1. März 2022 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung bzw. Ablehnung des Antrages vom 26. Mai 2021 angehört. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 18. März 2022 eingeräumt.
11
Der bevollmächtigte Anwalt des Antragstellers beantragte mit Schreiben vom 14. März 2022 Fristverlängerung bis zum 8. April 2022, die antragsgemäß gewährt wurde. Mit Fax vom 8. April 2022 teilte dieser der Behörde mit, dass der Antragsteller inzwischen umgezogen sei, weshalb das Landratsamt N. für die weitere Bearbeitung örtlich zuständig sei. Weiterhin werde darauf hingewiesen, dass der Mandant am 29. März 2022 die gewünschte ärztliche Untersuchung absolviert habe. Sobald das Gutachten in schriftlicher Ausführung vorliege, werde es umgehend nachgereicht.
12
Das Landratsamt N. erteilte dem mit dem Entziehungsverfahren bisher betrauten Landratsamt mit Schreiben vom 2. Mai 2022 Zustimmung nach § 73 Abs. 2 FeV bezüglich des Überprüfungsverfahrens.
13
Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Mai 2022 wurde der angekündigte Untersuchungsbefund des Internisten …F. vom 5. Mai 2022 vorgelegt, in dem eine leichte obstruktive Ventilationsstörung, eine leichtgradige Diffusionseinschränkung sowie eine COPD diagnostiziert wurde. Aus den durchgeführten Lungenfunktionsprüfungen ergebe sich kein Hinweis auf eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit.
14
Mit Schreiben des Landratsamts vom 11. Mai 2022 wies das Landratsamt den Antragsteller nochmals darauf hin, dass eine Erklärung über die Auswahl eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation bisher nicht vorgelegt worden sei und ein verkehrsmedizinisches Gutachten deshalb nicht habe erstellt werden können. Die an der Fahreignung des Antragstellers bestehenden Zweifel seien auch durch den am 9. Mai 2022 vorgelegten Untersuchungsbefund nicht ausgeräumt, weshalb der Antrag auf Neuerteilung abgelehnt und die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse. Letztmalig werde dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung bis zum 23. Mai 2022 gegeben.
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Der Bevollmächtigte des Antragstellers führte mit Schreiben vom 16. Mai 2022 aus, dass die Behörde keine Gründe nenne, weshalb die Zweifel nicht haben ausgeräumt werden können. Der vorgelegte Befund habe keine Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit ergeben. Die Fahruntüchtigkeit müsse durch die Behörde bewiesen werden.
16
Mit Bescheid des Landratsamts vom 24. Mai 2022, zugestellt am 27. Mai 2022, wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E, L und T entzogen (Ziffer 1). Der Führerschein sei innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Bescheides bei der Führerscheinstelle des Landratsamts …, …, abzugeben (Ziffer 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Verpflichtung in Nr. 2 innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 werde im öffentlichen Interesse angeordnet (Ziffer 4). Der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis C, CE, D, DE, D1 und D1E werde abgelehnt (Ziffer 5). Die Kosten des Verfahrens habe der Antragsteller zu tragen. Die Gebühr für diesen Bescheid werde auf 300,00 EUR festgesetzt. Daneben würden die angefallenen Auslagen in Höhe von 4,11 EUR erhoben (Ziffer 6).
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Zur Begründung der Ziffer 1 wird ausgeführt, dass die Behörde nach § 3 Abs. 1 und 2 StVG und § 46 Abs. 1 FeV verpflichtet sei, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Die Eignung würde insbesondere durch eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 FeV ausgeschlossen. Der Antragsteller sei der Aufforderung, ein verkehrsmedizinisches Gutachten vorzulegen, bis dato nicht nachgekommen. Hierzu habe er insgesamt acht Monate Gelegenheit gehabt. Dennoch sei der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht bzw. nur sehr unzureichend nachgekommen. Der Befundbericht vom 5. Mai 2022 könne die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht ausräumen. Die Begutachtungsanordnung diene neben der Beantwortung der Frage nach der Fahreignung auch der Klärung der Fragen zur Notwendigkeit der Überwachung (z.B. Art und Anforderungen der zu erbringenden Nachweise, Intervalle und der Art der Kontrollen). Derartige Fragen seien bei der vorliegenden chronisch obstruktiven Lungenkrankheit entscheidend, da diese Erkrankung fortschreitend und nicht heilbar sei. Somit sei die Notwendigkeit weiterer medizinischer Kontrollen durchaus denkbar. Aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens könne das Landratsamt gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen. Wer die berechtigten Zweifel durch die ihm obliegende Mitwirkung nicht ausräumen könne, zu dessen Lasten gehe die Unaufklärbarkeit.
18
Der Führerschein müsse deshalb nach Ziffer 2 gemäß § 47 Abs. 1 FeV beim Landratsamt abgeliefert werden.
19
Die Anordnung des Zwangsgeldes in Ziffer 3 beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG. Die Erfüllung der Verpflichtung, innerhalb einer Woche den Führerschein vorzulegen, sei zumutbar. Das Zwangsgeld sei seiner Höhe nach geeignet und erforderlich, den Antragsteller zur Erfüllung der Verpflichtung anzuhalten.
20
Der sofortige Vollzug der Ziffern 1 und 2 in Ziffer 4 werde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet. Denn es sei mit den Belangen der Verkehrssicherheit nicht zu vereinbaren, dass am öffentlichen Straßenverkehr Personen als Führer von Kraftfahrzeugen teilnähmen, obwohl sie sich hierzu als ungeeignet erwiesen hätten. Dieses Interesse am sofortigen Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer überwiege das Interesse des Antragstellers, bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Entzugsverfahrens vorläufig weiter von der entzogenen Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können. Weiterhin bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beseitigung des durch den Besitz des Führerscheins vermittelten Rechtsscheins.
21
Der Antrag auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnisklassen werde in Ziffer 5 abgelehnt, da gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG i. V. m. § 11 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis nur dann zu erteilen sei, wenn der Führerscheinbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Der Antragsteller sei jedoch seiner Mitwirkungspflicht im Antragsverfahren nicht bzw. nur unzureichend nachgekommen, obwohl ihm die Mitwirkung möglich und zumutbar gewesen wäre.
22
Es folgt die Begründung der Kostenentscheidung.
23
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 9. Juni 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Antragsteller Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten vom 24.05.2022 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Fahrerlaubnis C, CE, D, DE, D1 und D1E zu erteilen.
24
Außerdem wurde nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Herausgabe des Führerscheins wiederherzustellen.
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Die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Anordnung zur Herausgabe des Führerscheins seien rechtswidrig. Es sei bereits nicht nachvollziehbar, aus welchen Umständen der Beklagte Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen habe. Ein Attest, welches die Frage behandele, ob jemand eine Maske tragen müsse oder von der Maskenpflicht zu befreien sei, treffe keine Aussage über die Fahrtüchtigkeit. Eine obstruktive Atemerkrankung sei keine in Anlage 4 FeV gelistete Erkrankung. Dort fänden sich lediglich unter Ziffer 11.3 schwere Lungen- und Bronchialerkrankungen. Bedenken gegen die Fahrtauglichkeit bestünden danach nur dann, wenn die Erkrankung schwer sei. Die vom Antragsgegner geforderten Nachweise seien als zu hoch und damit als rechtswidrig zu bewerten. Letztlich habe der Antragsteller durch Vorlage des Befundberichtes vom 5. Mai 2022 aber auch nachgewiesen, dass bei ihm keine Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit bestünden. Der Arzt …F. sei Internist und firmiere im Internet als Lungenfacharzt. Er sei somit fachlich in der Lage, ein verkehrsrechtliches Gutachten zu erstellen. Vor der Begutachtung seien dem Arzt sämtliche Atteste sowie die wichtigsten Schreiben des Beklagten übergeben worden. Zudem sei zu erwähnen, dass der Antragsteller generell erhebliche Schwierigkeiten gehabt habe, zeitnah einen Termin bei einem Gutachter zu erhalten. Er habe nahezu jeden Gutachter von der Liste angerufen, ohne einen Termin in ferner Zukunft zu erhalten.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 beantrage der Beklagte,
27
Es werde im Wesentlichen auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen. Ergänzend werde ausgeführt, dass es auf den Zweck des Attestes nicht ankomme. Würden Tatsachen bekannt, die Zweifel an der Fahreignung begründeten, so könne die Fahrerlaubnisbehörde ein ärztliches Gutachten anordnen. Bedenken seien insbesondere gegeben, wenn Tatsachen – wie vorliegend – auf eine Erkrankung nach Anlage 4 zur FeV hinwiesen. Die zunächst erfolgte Aufforderung zur Vorlage eines aktuellen Befundberichts sei das mildeste Mittel zur Sachverhaltsermittlung gewesen. Die daraufhin erfolgte Anordnung zur Vorlage eines verkehrsmedizinischen Gutachtens sei notwendig geworden, da weiterhin Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers bestanden hätten. Insofern werde auf die Begründung des Bescheides verwiesen. Es werde noch einmal gesondert darauf hingewiesen, dass aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen erhebliche Zweifel an der Compliance des Antragstellers ersichtlich geworden seien, die bei fahreignungsrelevanten Erkrankungen einer der wichtigsten Faktoren zur Sicherstellung der Fahreignung sei. Die obstruktive Atemwegserkrankung werde zwar namentlich nicht in der Anlage 4 zur FeV aufgeführt. Dies sei jedoch keine abschließende Aufzählung. Aufgrund der Symptome, insbesondere der Atemnot, stelle diese Art von Erkrankung eine Lungen- und Bronchialerkrankung dar, die die Fahreignung zumindest in Frage stelle. Im Gegensatz zur Ausführung des Vertreters des Antragstellers könne aus der Nr. 11 der Anlage 4 zur FeV nicht abgeleitet werden, dass bei Lungenerkrankungen für gewöhnlich keine Bedenken gegen die Fahreignung bestünden, solange diese nicht schwer seien. Vielmehr gehe aus der Nr. 11.3 hervor, dass bei einer schweren Lungenerkrankung mit schweren Rückwirkungen auf die Herz-Kreislauf-Dynamik die Fahreignung definitiv nicht mehr gegeben sei. Bedenken könnten bei Lungenerkrankungen jedoch bereits bestehen, wenn diese in ihrem Ausmaß das oben beschriebene Krankheitsstadium nicht erreicht bzw. noch nicht erreicht habe. Dem Argument, der Nachweis über die Schwere der Erkrankung sei Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, werde entgegengetreten. Der Betroffene sei grundsätzlich verpflichtet, an der Aufklärung von Eignungszweifeln mitzuwirken. Der vorgelegte Befundbericht vom 5. Mai 2022 könne die Zweifel an der Compliance des Antragstellers nicht ausräumen. Die Fragen nach möglichen Auflagen, Beschränkungen und Nachuntersuchungen würden nicht beantwortet. Darüber hinaus verfüge der Begutachter F. über keine verkehrsmedizinische Qualifikation. Die angesprochenen erheblichen Schwierigkeiten zur Erlangung eines zeitnahen Termins könnten aus behördlicher Sicht in Anbetracht der überaus langen Frist nicht von Belang sein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist im wohlverstandenen Interesse des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend auszulegen, dass dieser die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und gegen die Anordnung der Abgabe des Führerscheins, nicht jedoch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides begehrt. Ein Antrag auf einstweilige Erteilung der beantragen Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, D, DE, D1 und D1E gemäß § 123 Abs. 1 VwGO wurde ebenfalls nicht gestellt.
31
2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg, da die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. Mai 2022 bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig.
33
a. Der Bescheid ist insbesondere nicht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit des Landratsamts … infolge des Umzuges des Antragstellers in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamts N. rechtswidrig. Zwar hatte der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses seinen Wohnsitz in B. im Zuständigkeitsbereich des Landratsamts N., weshalb das Landratsamt … gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV bei dem Erlass der Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 8 FeV nicht mehr örtlich zuständig war. Darauf, ob in dieser Konstellation Art. 46 BayVwVfG eingreift, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da schon kein Verstoß gegen Vorschriften der örtlichen Zuständigkeit im Sinne eines Verfahrensfehlers vorliegt. Die örtliche Zuständigkeit des Landratsamts … ergibt sich vorliegend zwar nicht aus § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV, wonach Anträge mit Zustimmung der örtlich zuständigen Behörde von einer gleichgeordneten Behörde behandelt und erledigt werden können, da sich diese Vorschrift ausschließlich auf Antragsverfahren, nicht jedoch auf Verwaltungsakte im Rahmen der klassischen Eingriffsverwaltung nach Zuständigkeitswechsel durch Wohnsitzverlagerung bezieht. Eine Abweichung von der grundsätzlich gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV bestehenden örtlichen Zuständigkeit der Wohnsitzbehörde war aber gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG gerechtfertigt. Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, kann nach dieser Vorschrift die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Das Landratsamt N. hat vorliegend schriftlich seine Zustimmung zur Verfahrensbeendigung durch das Landratsamt … erklärt. Dass es dies irrig unter Verweis auf § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV getan hat, ist unschädlich, weil aus seiner Erklärung jedenfalls eindeutig hervorgeht, dass es damit einverstanden war, dass das Landratsamt … als bisher zuständige Behörde das Verfahren zunächst weiterführt und beendet (vgl. so auch BayVGH, B.v. 20.2.2007 – 11 CS 06.2029 – juris Rn. 19). Dies diente der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens. Dem Erfordernis der Wahrung der Interessen der Beteiligten ist – wie im vorliegenden Fall – genügt, wenn die Geltendmachung ihrer Rechte durch die Fortführung des Verfahrens bei der ursprünglich zuständigen Behörde nicht wesentlich erschwert wird (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, Rn. 50 zu der insoweit wortgleichen bundesrechtlichen Vorschrift des § 3 VwVfG). Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Insbesondere wird er nicht durch § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV verdrängt. Beide Bestimmungen haben vielmehr unterschiedliche Regelungsbereiche und sind deshalb nebeneinander anwendbar. Das Abweichen von der örtlichen Zuständigkeit war folglich aufgrund der schriftlichen Erklärung des Landratsamt N.vom 2. Mai 2022 legitimiert.
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b. Ziffer 1 des Bescheides hält einer materiellen Rechtmäßigkeitskontrolle nach summarischer Prüfung stand.
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aa. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, so finden gem. § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.
36
bb. Die Nichteignung des Klägers ergibt sich vorliegend aus § 11 Abs. 8 FeV. Bringt ein Fahrerlaubnisbewerber demgemäß ein behördlich angeordnetes Fahreignungsgutachten nicht bzw. nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis darauf schließen, dass dem Betroffenen die Fahreignung fehlt. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Falle grundloser Nichtbeibringung des Gutachtens ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Voraussetzung ist, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist (st Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 19). Die Gutachtensanordnung muss weiter hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Weiterhin ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV erforderlich, dass der Betroffene nachweislich auf die Folgen der Nichteignungsvermutung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen wurde. Die Frist muss so bemessen sein, dass dem Betroffenen die Gutachtensbeibringung möglich und zumutbar ist (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 18).
37
1) Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV müssen der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt werden, die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Beibringungsanordnung Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Ergehens der zu überprüfenden Anordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 14; B.v. 21.5.2012 – 3 B 65.11 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 27.5.2015 – 11 CS 15.645 – juris Rn. 11). Die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens muss sich dabei auf konkrete Tatsachen stützen und darf nicht auf einen bloßen Verdacht hin „ins Blaue hinein“ verlangt werden (BayVGH, U.v. 3.9.2015 – 11 CS 15.1505 – juris Rn. 13). Das Gericht hat keinen Zweifel, dass die Forderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens im maßgeblichen Zeitpunkt der Beibringungsaufforderung zu Recht erfolgt ist, denn es sind hinreichend gewichtige Tatsachen vorhanden, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers belegen und die die Fahrerlaubnisbehörde veranlassen durften, eine Abklärung herbeizuführen. Aus dem vorgelegten Befundbericht von Herrn Dr. med. S. vom 15. Juni 2021 ergibt sich, dass der Antragsteller unter einer obstruktiven Atemwegserkrankung leidet, die im Jahr 2019 als mittelgradig obstruktiv beschrieben wurde und sich im Jahre 2020 leicht verbessert hat. Der Befundbericht hält fest, dass die empfohlene inhalative Therapie an der fehlenden Compliance des Antragstellers gescheitert ist und deshalb auch nach wie vor nicht durchgeführt wird. Da es sich bei der Erkrankung des Antragstellers um eine chronische Erkrankung handelt, deren Verlauf und Auswirkungen auf die Fahreignung, insbesondere durch eine zu erwartende respiratorische Insuffizienz (vgl. Schuber/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 167), vom Landratsamt nicht eingeschätzt werden kann, bedurfte es im vorliegenden Fall einer Einschätzung eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation. Bei chronischen – wenn auch nur bedingten – Eignungsmängeln erlangt die Frage nach der Kompensation der Erkrankung zur Erhaltung der Fahreignung besondere Relevanz. Es ist insbesondere zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der zu erwartenden Verlaufsformen einer vorliegenden Krankheit die Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle und Zuverlässigkeit (Compliance) des Fahrerlaubnisinhabers ausreichen, um die möglicherweise notwendigen therapeutischen Maßnahmen vor dem Benutzen eines Kraftfahrzeuges zu beachten (Schuber/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 83). Die im vorgelegten Befundbericht enthaltene Information der mangelnden Compliance des Antragstellers in Bezug auf die Therapie seiner Erkrankung verstärkt die behördlichen Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass bei dem Antragsteller möglicherweise keine schwere Lungen- und Bronchialerkrankung mit schweren Rückwirkungen auf die Herz-Kreislauf-Dynamik im Sinne der Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV vorliegt. § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV hält lediglich fest, dass die Fahreignung insbesondere dann nicht vorliegt, wenn eine Erkrankung nach der Anlage 4 vorliegt. Bereits hieran zeigt sich, dass auch andere Erkrankungen die Fahreignung im Sinne dieser Norm ausschließen können. Weiterhin ist auch die Vorbemerkung zur Anlage 4 der FeV zu berücksichtigen, in der in Nr. 2 das ärztliche Gutachten zur Grundlage der im Rahmen des § 11 FeV vorzunehmenden Beurteilung erklärt wird, ob im Einzelfall eine Eignung oder bedingte Eignung vorliegt.
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Der am 9. Mai 2022 vorgelegte ärztliche Untersuchungsbefund des Internisten …F.vom 5. Mai 2022 war nicht geeignet, die Zweifel der Behörde an der körperlichen und geistigen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszuräumen.
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Dergleichen wäre nur dann anzunehmen, wenn keinerlei Restzweifel hinsichtlich der Fahreignung mehr verblieben und die ursprünglichen Bedenken – auch für einen medizinisch und psychologisch geschulten Laien – eindeutig hätten widerlegt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – juris Rn. 13). Diese Voraussetzungen kann der Befund vorliegend nicht erfüllen. Betreffend eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr wird hierin lediglich (recht pauschal) angegeben, dass keine Einschränkung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sei. Näher erläutert wird dies nicht. Insbesondere erfolgte keine Auseinandersetzung mit dem Befundbericht von Herrn Dr. S. vom 15. Juni 2021, auf den sich die behördlichen Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers im Wesentlichen stützen. Eine solche Auseinandersetzung konnte auch gar nicht stattfinden, da Herrn F. die behördliche Fahrerlaubnisakte des Antragstellers nicht vorlag. Wohl deshalb geht der Befund auch nicht auf die aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Compliance und Adhärenz des Antragstellers im Hinblick auf seine Erkrankung ein. Diese stellen aber gerade in Kombination mit der bekannt gewordenen Erkrankung des Antragstellers die zweifelverstärkenden Faktoren bezüglich der Frage der Fahreignung dar. Zudem scheint der vorgelegte Befund von einer falschen Tatsachengrundlage auszugehen, was sich in der Annahme offenbart, der Antragsteller sei Inhaber der Fahrerlaubnisklassen C und D. Dementsprechend konnte der Untersuchungsbefund die aufgekommenen Zweifel nicht – erst recht nicht in gleichem Maße wie ein Fahreignungsgutachten (zu dessen Anforderungen vgl. Anlage 4a zur FeV) – beseitigen. Es ist außerdem nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass Herr F. über eine verkehrsmedizinische Qualifikation i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV verfügt.
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2) Weder die Fragestellung in der Gutachtensanforderung (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV) noch die Auswahl des Gutachters ist zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV bestimmt die Fahrerlaubnisbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, von wem das Fahreignungsgutachten zu erstellen ist. Das Landratsamt forderte vom Kläger die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens von einem für die Fragestellung zuständigen Facharzt für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV. Mit den Fragen soll insbesondere geklärt werden, ob der Antragsteller trotz seiner Erkrankung zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, ob eine ausreichende Compliance und Adhärenz vorliegt, ob Auflagen zur Erfüllung der Anforderungen an die Fahreignung erforderlich sind und ob und ggf. in welchen Abständen Nachuntersuchungen stattfinden müssen.
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3) Die Beibringungsaufforderung vom 25. Juni 2021 entspricht auch im Übrigen den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Der Antragsgegner ist den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 2 und 4 FeV ergebenden Informationspflichten korrekt nachgekommen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller in seinem Schreiben vom 25. Juni 2021 ausführlich die Gründe dargelegt, welche die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers stützen. Dabei bezieht sich das Landratsamt insbesondere auf das vorgelegte Attest von Herrn Dr. S. vom 22. April 2020 zur Befreiung von der Maskenpflicht, aus dem hervorgeht, dass der Antragsteller unter einer obstruktiven Atemwegserkrankung leidet sowie auf den ärztlichen Befundbericht vom 15. Juni 2021 desselben Arztes, in dem die Krankheitsgeschichte des Antragstellers dargestellt und insbesondere herausgestellt wird, dass eine Therapie der Erkrankung mangels Compliance des Antragstellers nur eingeschränkt möglich ist. Auch Hinweise darauf, dass der Antragsteller die Kosten der Begutachtung zu tragen hat und das Recht hat, die zu übersendenden Unterlagen einzusehen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie ein Hinweis über die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV) sind in der Beibringungsanordnung enthalten.
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Die Fristsetzung zur Beibringung des medizinischen Gutachtens war angemessen im Sinne von § 2 Abs. 8 StVG und § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Sie war insbesondere so bemessen, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände möglich und zumutbar war, das Gutachten fristgerecht vorzulegen. Mit Schreiben vom 25. Juni 2021, zugestellt am 29. Juni 2021, wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 30. August 2021 ein medizinisches Gutachten vorzulegen. Diesem standen folglich von vornherein bereits zwei Monate zur Verfügung, um seinen Gesundheitszustand und seine Fahreignung entsprechend der Gutachtensbeibringungsaufforderung begutachten zu lassen. Das Landratsamt gewährte dem Antragsteller mehrfach Fristverlängerung, zunächst bis zum 14. Januar 2022, später letztmalig bis zum 28. Februar 2022 – unter Berücksichtigung der Anhörungsfrist sogar insgesamt bis zum 23. Mai 2022 –, nachdem der Antragsteller wiederholt lediglich seine Zustimmung zur Begutachtung durch Fachärzte ohne verkehrsmedizinische Qualifikation erteilt hatte. Die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgte erst am 24. Mai 2022, so dass dem Antragsteller vom Zeitpunkt der Beibringungsaufforderung bis zur Entziehung insgesamt 11 Monate zur Verfügung standen, um das geforderte medizinische Gutachten eines Facharztes der Inneren Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation beizubringen.
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4) Das Landratsamt hat weiterhin das ihm gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV zustehende Ermessen im Hinblick auf die Aufforderung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens gemäß § 114 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß ausgeübt. Das Landratsamt hat weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch sonst von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Insbesondere lässt das Schreiben des Landratsamts vom 25. Juni 2021 erkennen, dass die Interessen des Klägers – die persönlichen und finanziellen Interessen – mit dem öffentlichen Interesse an Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen abgewogen wurden. Dies zeigt, dass das Landratsamt alle relevanten Interessen ermittelt und einander gegenübergestellt hat. Es ist auch keine Fehlgewichtung der abgewogenen Interessen erkennbar.
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5) Schließlich musste das Landratsamt auch nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV auf die Anordnung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens verzichten. Danach unterbleibt die Anordnung zur Gutachtensbeibringung, wenn die Nichteignung des Betroffenen bereits zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Die Nichteignung des Betroffenen stand hier nicht zur Überzeugung der Behörde fest, sondern sollte erst – nach Vorlage des ausführlichen Befundberichtes vom 15. Juni 2021 – durch das medizinische Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation geklärt werden. Zwar lag der Behörde im Zeitpunkt der Beibringungsaufforderung bereits eine ärztliche Diagnose des Krankheitsbildes des Antragstellers vor, nicht jedoch eine Erläuterung der Auswirkungen dieser Erkrankung auf die Fahreignung, auf die es hier maßgeblich ankommt. Dies gilt umso mehr, als bei einer mittelgradig obstruktiven Atemwegserkrankung – so wie sie beim Antragsteller diagnostiziert wurde – die Fahreignung nicht zwangsläufig ausgeschlossen ist, sofern es sich nicht um eine Erkrankung im Sinne der Nr. 11.3 der Anlage 4 zur FeV handelt. Die Frage, ob die Erkrankung des Antragstellers Auswirkungen auf dessen Fahreignung hat, sollte gerade Gegenstand der angeordneten ärztlichen Untersuchung sein.
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6) Die Aufforderung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin war auch verhältnismäßig. Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss die Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich prüfen, ob der Sachverhalt zunächst noch durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen weiter aufgeklärt werden kann. Die Anordnung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens gegenüber dem Antragsteller war im vorliegenden Fall insbesondere erforderlich, mithin das mildeste geeignete Mittel, um die Zweifel an der Fahreignung des Klägers auszuräumen. Lassen die der Anforderung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen, so steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dieser Anordnung in der Regel nicht entgegen. Dies wurde gerichtlich vor allem für die Fälle festgestellt, in denen die Fahrerlaubnisbehörde im Entziehungsverfahren nicht nur ein einfaches medizinisches Gutachten, sondern ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert hat (vgl. BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69 – juris Rn. 63; BayVGH, B.v. 25.4.2016 – 11 CS 16.227 – juris Rn. 11; VG Bayreuth, U.v. 29.10.2019 – B 1 K 19.219 – juris Rn. 30). Erst recht gilt dies für die Fälle der Aufforderung zur Beibringung eines einfachen medizinischen Gutachtens, das gegenüber dem medizinisch-psychologischen Gutachten im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eine geringere Eingriffsintensität aufweist. Darüber hinaus ist zugunsten des Landratsamtes zu berücksichtigen, dass es zunächst mit Schreiben vom 27. Mai 2021 die Beibringung eines aktuellen und ausführlichen Krankheitsund Befundberichts des den Antragsteller behandelnden Arztes forderte und damit zunächst ein gegenüber der Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens milderes Mittel wählte. Durch dieses konnten die Zweifel an der Fahreignung jedoch nicht ausgeräumt werden.
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cc. Nachdem der Antragsteller das ordnungsgemäß geforderte Gutachten nicht innerhalb der angemessenen Frist beigebracht hat, war die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV gehalten, aus der Nichtvorlage auf die Nichteignung zu schließen und hatte dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Ermessen wird der Behörde bei dieser Entscheidung nicht eingeräumt. Die Tatsache, dass der Antragsteller zeitlich nach der Gutachtensbeibringungsaufforderung, aber vor der Fahrerlaubnisentziehung noch ein ärztliches Attest des Internisten …F. vorgelegt hat, der keine Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit attestierte, steht einer Fahrerlaubnisentziehung aus den unter 2. b. bb. 1) genannten Gründen nicht entgegen.
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c. Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung zu Recht entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung in Ziffer 2 des Bescheides, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, als begleitende Anordnung geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen.
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d. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 und Ziffer 2 in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris Rn.4). Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. So stellte der Antragsgegner zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ab.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
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4. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).