Titel:
Fortnahme von Tieren, Erhebliche Vernachlässigung, Schmerzen oder Leiden, Bestreiten amtstierärztlicher Feststellungen, Amtstierärztliche Stellungnahme, Sachkundenachweis, Herausgabe der Tiere, Besitzrecht durch rechtmäßige Fortnahme
Normenketten:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 und 3
TierSchG § 2
BGB analog § 985
Schlagworte:
Fortnahme von Tieren, Erhebliche Vernachlässigung, Schmerzen oder Leiden, Bestreiten amtstierärztlicher Feststellungen, Amtstierärztliche Stellungnahme, Sachkundenachweis, Herausgabe der Tiere, Besitzrecht durch rechtmäßige Fortnahme
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49175
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Herausgabe der ihr und ihrer Tochter am 11. Mai 2021 fortgenommenen Katzen (Maine Coon) und Hunde.
2
Der Sachverhaltsschilderung des Landratsamts ist Folgendes zu entnehmen: Am 27. April 2021 sei dem Landratsamt von einer Anruferin mitgeteilt worden, dass diese eine junge Katze bei der Klägerin habe abholen wollen. Im Haus habe sie einen starken Gestank wahrgenommen (wird näher ausgeführt). Der Amtstierarzt Herr Dr. B. habe am selben Tag die Wohnung aufgesucht, die Klägerin aber die Überprüfung der Tierhaltung verweigert. Er habe am 5. Mai 2021 einen neuen Kontrollversuch unternommen. Am 11. Mai 2021 sei er mit POM P. und Frau M. (vom Fachbereich Jugend, Familie und Soziales) und einer Duldungsanordnung erschienen. Es wurden 1 Kater, 3 weibliche Katzen, 12 Kitten und zwei Hunde fortgenommen.
3
Mit Bescheid vom 17. Mai 2021 bestätigte das Landratsamt gegenüber der Klägerin (und mit gleichlautendem Bescheid vom selben Tag gegenüber ihrer Tochter) die mündliche Anordnung vom 11. Mai 2021 und ordnete die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung aller Hunde und Katzen aus der Wohnung der Klägerin auf deren Kosten als Notstandsmaßnahme an (Ziffer 1). Die Klägerin habe bis zum 1. Juni 2021 ihre Wohnung in einen Zustand zu versetzen, der den Anforderungen des § 2 Tierschutzgesetz entspreche. Dies beinhalte insbesondere, dass sämtlicher Unrat und Kot aus den Aufenthaltsbereichen der Tiere restlos zu entfernen sei (Ziffer 2.1), dass die Fußböden, die Wände sowie das Mobiliar der von den Tieren genutzten Räume so zu sanieren seien, dass von ihnen keine Geruchsemmission mehr ausgehe (Ziffer 2.2), dass sicherzustellen sei, dass die Räume jederzeit ausreichend mit Frischluft versorgt seien (Ziffer 2.3), dass Katzentoiletten, die den Bedürfnissen von Katzen entsprächen, in ausreichender Anzahl zu beschaffen und den Bedürfnissen der Tiere entsprechend zu positionieren seien (Ziffer 2.4).
4
Die Klägerin habe bis spätestens 1. Juni 2021 dem Landratsamt einen Sachkundenachweis vorzulegen, aus dem eindeutig hervorgehe, dass sie über die für die Haltung und Betreuung von Hunden und die Haltung, Betreuung und Zucht von Katzen erforderliche Sachkunde verfüge. Die Rückgabe der fortgenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachten Hunde und Katzen erfolge nur unter der Bedingung, dass die Anforderung nach Satz 1 vollumfänglich erfüllt sei (Ziffer 3.1) und sämtliche an den fortgenommenen, anderweitig pfleglich untergebrachten Tieren festgestellte Defizite vollständig vor der Rückgabe an die Klägerin beseitigt seien (Ziffer 3.2). Sollte sich zu gegebener Zeit herausstellen, dass nach fachlicher tierärztlicher Einschätzung eine vollständige Beseitigung der festgestellten Defizite nicht möglich sei, würden die Tiere endgültig eingezogen (Ziffer 3).
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Die Klägerin habe ihre Tierhaltung bis zum 5. Juni 2021 jederzeit zu den üblichen Geschäftszeiten von Mitarbeitern des Landratsamtes kontrollieren zu lassen (Ziffer 4).
6
Die Klägerin habe bei der Haltung von Katzen bis zum 1. Juni 2021 die Anforderungen des Merkblattes Nr. 43 der Tierärztlichen Vereinigung, Mindestanforderungen an Katzenhaltungen, sowie des Merkblattes Nr. 139, Empfehlungen zur Katzenhaltung in privaten Haushalten, einzuhalten (Ziffer 5). Die Klägerin habe bei der Haltung von Hunden bis zum 1. Juni 2021 die Anforderungen der Tierschutz-Hundeverordnung in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten. Insbesondere habe sie im Aufenthaltsbereich der Hunde den Kot täglich zu entfernen (Ziffer 6). Die Ziffern 1 bis 6 würden für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 7). Sollte die Klägerin ihren Verpflichtungen nach Ziffer 2, Unterziffern 2.1, 2.2, 2.3, 2.4 und Ziffer 3, Unterziffern 3.1, 3.2 nicht fristgerecht nachkommen, werde das Landratsamt von seinem Veräußerungsrecht der anderweitig untergebrachten Tiere iSv § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG Gebrauch machen (Ziffer 8). Sollte die Klägerin Kontrollen ihrer Tierhaltung nach Ziffer 4 nicht zulassen, werde ein Zwangsgeld von 1.000,00 Euro fällig (Ziffer 9). Sollte die Klägerin die Anforderungen der Ziffer 5 nicht erfüllen, werde ein Zwangsgeld von 500,00 Euro fällig (Ziffer 10). Sollte die Klägerin die Anforderungen der Ziffer 6 nicht erfüllen, werde ein Zwangsgeld von 500,00 Euro fällig (Ziffer 11). Die Klägerin habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühr werde auf 100,00 Euro festgesetzt, die Auslagen würden 4,00 Euro betragen (Ziffer 12).
7
Am 11. Mai 2021 habe es im Haus stark nach Ammoniak gerochen. In der Küche habe große Unordnung geherrscht, es seien allerlei Gegenstände wirr durcheinander im Raum verteilt gewesen. Besonders auffällig seien die überall im Raum verteilten Kothaufen gewesen. Zwei altverschmutzte Plastikwannen seien mit Katzenstreu ausgelegt worden und hätten offensichtlich als Katzentoiletten dienen sollen. Aus der Vielzahl der Kothaufen, die außerhalb der Plastikwannen gefunden worden seien, sei zu schließen, dass diese von den Katzen nicht gerne als Abkoteplatz angenommen würden. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Hunde ebenfalls in der Küche aufgehalten hätten und dort abkoten würden. Der Hausflur sei ähnlich wie die Küche vollgestellt und kaum begehbar gewesen. Im Obergeschoss sei der Flur nahezu flächendeckend mit ausgetretenem Kot bedeckt gewesen. In einem Raum seien ebenfalls zwei Katzentoiletten erheblich altverschmutzt gewesen und daneben Kothaufen in großer Zahl gefunden worden. Bei der fortgenommenen weißen Hündin seien ausgeprägte Verhaltensstörungen aufgefallen, sie vollführe immer wieder spontane stereotype Drehungen um die eigene Achse ohne erkennbaren äußeren Anlass und laufe viele Male stupide denselben Weg hin und her. Der fortgenommene Rüde sei im Tierheim beim Ausführen in auffälliger Weise an seiner Umwelt völlig desinteressiert. Auch Beißvorfälle durch die beiden Hunde, die am 6. Mai 2021 vom Bürgermeister mitgeteilt worden seien, würden auf schwerwiegende Verhaltensstörungen hindeuten.
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Die Klägerin sei mit der Haltung, Pflege und Unterbringung aktuell in jeder Hinsicht völlig überfordert. Die ärztlichen Untersuchungsbefunde würden zeigen, dass offensichtlich nicht die erforderliche Sachkenntnis und Sorgfalt vorhanden sei. Es bleibe daher nach Abwägung aller Erkenntnisse nur die sofortige Entfernung.
9
Es sei gegen § 2 TierSchG verstoßen worden, weil die Klägerin billigend in Kauf genommen habe, dass die von ihr gehaltenen Hunde und Katzen in einer hochgradig verkoteten und vermüllten Umgebung hätten leben müssen. Da sich bereits derart große Mengen an Kot angesammelt hätten, sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass seit mehreren Tagen der Kot nicht mehr aus der Wohnung entfernt worden sei. Lasse man ein so reinliches Tier wie einen Hund oder eine Katze in diesem hochgradig verschmutzten Umfeld über einen so langen Zeitraum leben, füge man diesem Tier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Leiden zu (sensibles Riechorgan). Die Verhaltensstörungen der Hunde seien ein Hinweis dafür, dass die Tiere in der Vergangenheit nicht sachkundig gehalten und betreut worden seien. Ein Sachkundenachweis sei erforderlich, aus dem hervorgehe, dass die Klägerin über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Haltung verfüge. Der Kot, der naturgemäß einen hohen Verkeimungsgrad aufweise, stelle eine gefährliche Infektionsquelle für die Tiere dar, sodass mit einem hohen Erkrankungsrisiko zu rechnen sei. Da nach den Feststellungen des Amtstierarztes die Tiere mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt gewesen seien und eine den Anforderungen entsprechende Haltung aktuell nicht sicherzustellen gewesen sei, habe das Landratsamt die Tiere fortgenommen. Werde nach Fristsetzung eine den Anforderungen entsprechende Haltung nicht sichergestellt, würden die Tiere veräußert. Das private Interesse die Tiere zurück zu bekommen, könne nur Berücksichtigung finden, wenn die Klägerin willens und in der Lage sei, den Anforderungen zu entsprechen.
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Die weiteren Ziffern wurden näher begründet.
11
Im Gutachten des Dr. med. vet. …vom 17. Mai 2021 wird festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung alle drei weiblichen Katzen Zeichen von Abmagerung und einen insgesamt geschwächten Eindruck gezeigt hätten, eine hätte starken Haarverlust im Bereich des Kreuzbeins. Ein Katzenkitten sei deutlich kleiner, im Verhalten reduzierter und hätte Untertemperatur (37,2°) gehabt, ein weiteres habe ebenfalls Anzeichen des Kümmerns gezeigt. Die Kotkonsistenz am Ort der Verwahrung habe der von Durchfall entsprochen, eine genaue Zuordnung, welche Katzenkitten betroffen gewesen seien, sei nicht möglich gewesen.
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Dr. … beschrieb in ihrer E-Mail vom 19. Mai 2021, dass es sich bei dem Verhalten der auf dem Video gezeigten Hündin um eine sogenannte abnormal repetitive Verhaltensweise (ARV) handele. Unter diese Kategorie würden die Zwangsstörungen und Stereotypien fallen. Dabei handele es sich um in der Regel schwere Verhaltensstörungen, die mit großen gesundheitlichen Problemen für den Hund einhergehen könnten. Grundsätzlich lasse sich sagen, dass eine ARV ein Ausdruck von Angst bzw. allgemeinem Stress sei. Sie könne sich aus einem Übersprungsverhalten als Stressantwort entwickeln oder nach einem für den jeweiligen Hund traumatischen Erlebnis. Die Ursachen für die Entstehung könnten vielfältig sein. Eine nicht tiergerechte Haltung, Strafen des Hundes für sein Verhalten sowie sozialer Stress etc. seien jedoch immer verstärkende Komponenten oder kämen zusätzlich als Auslöser infrage. Es sei bei der vorliegenden Präsentation der Verhaltensstörung von manifestem Leiden für den Hund auszugehen.
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Ausweislich des Ergebnisprotokolls sei am 2. Juni 2021 das Haus der Klägerin kontrolliert worden. Es sei im Haus keine Katze gesehen worden. Die am 11. Mai 2021 erheblich verschmutzten und geruchbelasteten Bereiche (Küche EG, Flur 1. OG, Katzenzimmer 1. OG) seien nun gereinigt worden, die Küche frisch gestrichen. Die Katzentoiletten seien sauber gewesen. Es sei allerdings zu beachten, dass die Damen … mit einem zeitnahen Besuch des LRA … haben rechnen müssen. Ein Sachkundenachweis habe nicht vorgelegt werden können.
14
Mit Schreiben vom 2. Juni 2021 gestattete der Beklagte dem Tierschutzverein, in dessen Tierheim die Tiere untergebracht waren, die Tiere zu veräußern.
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Mit am 26. Mai 2021 eingegangenen Schriftsatz beantragt die Klägerin,
- 1.
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die Beklagte zu verurteilen, die Tiere (Katzen und Hunde) an die Klägerin zurückzugeben
- 2.
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der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen
- 3.
-
das Urteil – notfalls gegen Sicherheitsleistung – für vorläufig vollstreckbar zu erklären
- 4.
-
hilfsweise – für den Fall des Unterliegens – der Klägerin Vollstreckungsschutz zu gewähren Ergänzend beantragte sie am 23. Juni 2021 Prozesskostenhilfe.
16
Zur Begründung führt sie (zur Sache) aus, es habe keinen Grund gegeben ihr die Tiere wegzunehmen (Tierquälerei, da einer Mutterkatze ihre Kitten im Alter von drei Wochen weggenommen worden seien, die noch nicht alleine lebensfähig seien). Am 11. Mai 2021 sei Herr Dr. B. mit fünf bis sechs Polizisten gekommen, sie hätten im Hof herumgeschrien, an die Tür und Fenster geklopft. Sie habe gesagt, sie müsse die Hunde erst wegsperren. Sie hätten dann die Tür von außen aufgesperrt und sie mit Gewalt aus dem Haus gezerrt und dabei verletzt. Sie habe gesagt, die Tiere würden da bleiben.
17
Am 2. Juni 2021 sei Herr Dr. … mit einem Kollegen gekommen, um sich das Haus anzusehen. Die Beamten hätten kein zugängliches Verhalten gezeigt und geäußert, dass das Haus in Ordnung sei, aber sie ihre Tiere trotzdem nicht zurückbekäme.
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Sie (Anm.: wohl die Klägerin und ihre Tochter) würden oft nachts im Haus arbeiten und würden ihre Hunde nachts nochmal raus lassen, d.h. sie würden morgens länger schlafen. Deshalb könne es durchaus sein, dass früh (10-11 Uhr) noch Hundekot da sei (Termin). Es werde aber täglich geputzt, Kot entfernt und gelüftet (sie seien Frauen). Ihr „…“ (Rüde) mache leider immer kleine, verstreute Häufchen, nicht wie normal einen Haufen.
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Die fortgenommenen Kitten seien in einer großen Schachtel gewesen, die liebevoll mit einer schönen, dicken Decke ausgelegt gewesen sei. Die anderen Kätzchen mit Müttern seien in einem großen Zimmer, mit Matratzen und Decken ausgelegt, gewesen. Es komme bei einer Zucht immer mal vor, dass eine Katze daneben mache. Die Katzen seien auf keinen Fall abgemagert oder geschwächt. Sie sei immer stolz darauf gewesen, dass ihre Katzen noch nie krank gewesen seien. Sie (Anm.: wohl die Beamten) hätten genau erkennen können, dass sie früh noch nicht geputzt habe. Es seien drei kleine Häufchen von kleinen Kätzchen neben dem Katzenklo gewesen, weil diese das „Klo noch nicht ganz schaffen“ würden, was erst ab circa vier bis fünf Wochen möglich sei. Dieser Kot werde regelmäßig entfernt, es werde täglich geputzt. Es gebe vielleicht Fälle, wo das Veterinäramt, Tierschutz und Tierheim benötigt würden, nicht aber bei ihnen. Es sei eine Frau vom Tierheim dabei gewesen, die zu Herrn Dr. B. gesagt habe, so schlimm sei das aber nicht gewesen. An dieser Äußerung könne man erkennen, dass täglich geputzt und gelüftet werde.
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Die Dame vom Tierschutz, die bei ihnen gewesen sei und angeblich ein Kätzchen habe kaufen wollen, habe sich unmöglich verhalten. Sie würden das Haus nicht für das Veterinäramt etc. sauber machen, sondern für sich selbst und die Tiere, damit sie sich wohlfühlten. Ein anderes Käufer-Paar habe sich über die gut entwickelten Kätzchen gefreut. Alle Neubesitzer könnten bestätigen, dass es bei ihnen immer sauber sei.
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Herr Dr. B. habe bei seiner Aktion alles verwüstet, die ganzen Sachen vom Abstellraum ins Esszimmer geworfen und im Abstellraum Elektrogeräte zertreten. Die Tiere seien grundlos weggenommen worden, sie sehe nicht ein, dass sie für irgendwelche Kosten aufkomme.
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Der angebliche Hundebiss durch „…“ sei lediglich ein Ziehen am unteren Hosenbein gewesen (sie habe ein ärztliches Gutachten angefordert).
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Da sie ab und zu ein Maine Coon Kätzchen verkaufen, sei vor ca. 1,5 Jahren Herr Dr. … mit einem Kollegen mehrmals da gewesen mit der Begründung, es seien E-Mails eingegangen, dass die Katzen in einem schlechten Zustand seien und Gestank vorherrsche. Der Kollege habe gesagt, dass es so aussehen würde, als würde regelmäßig geputzt werden.
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Durch die Anschaffung ihrer Hunde sei der Vermieter völlig durchgedreht. Die Hunde seien getreten, ständig gereizt und geärgert worden und ihnen sei aufgelauert worden. Es könne sein, dass sie sich durch das Wegzerren nicht wohlfühlten. Ihr Verhalten könne sich durch das Entreißen von den vertrauten Besitzern und der Umgebung „auswirken“.
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Langjährige Erfahrung und Praxis im Umgang mit Tieren sei wichtiger als ein Studium ohne Tiere. Das Ziel dieser Aktion sei: „Keine Einnahmen, um evtl. Kosten zu begleichen, um die Familie … ganz auszulöschen.“ Sie hätten seit Kind auf Erfahrung im Umgang mit Tieren. Es würde ja jeder Hunde- und Katzenbesitzer über einen Sachkundenachweis verfügen müssen. Sie sei immer für weiteres Wissen aufgeschlossen. Bei einer Hundezucht würde sie sich weiteres Wissen aneignen, aber bestimmt nicht bei Herrn Dr. B.
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Ein Anruf am 21. Juni beim Tierheim habe ergeben, dass alle Katzen verkauft seien. Sie hätten mehrmals dort und beim Veterinäramt angerufen, um zu wissen, wie es ihren Tieren gehe und immer um Rückgabe gebeten. Sie sei jeweils auf die andere Stelle verwiesen worden; das Tierheim habe gesagt, es würde die Tiere ohne schriftliche Zusage des Landratsamtes nicht herausgeben. Die Katze …, die jetzt … heiße, hätten sie heute (Brief datiert auf den 16. September 2021) auf der Internetseite gefunden, obwohl der Beklagte behaupte, die Tiere seien verkauft.
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Die Klägerin unterstelle Herrn Dr. … ein Beeinflussen des Tierheims und der Ärzte, so wie auch er beeinflusst worden sei.
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Das Landratsamt beantragt,
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Bereits vor Ort sei aufgefallen, dass einige Katzen mager und geschwächt gewirkt hätten, was bei der Untersuchung im Tierheim bestätigt worden sei. Die Hunde seien bereits im Vorfeld aufgrund von Beißvorfällen aufgefallen. Fr. Dr. … (Fachtierärztin für Verhaltenskunde) habe ein Gutachten erstellt, wonach das Tier eine abnormal repetitive Verhaltensweise zeige. Als Auslöser sei u.a. eine nicht tiergerechte Haltung genannt.
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Es handele sich um den typischen Fall einer Tierhaltung, bei der mit möglichst geringem Aufwand ein möglichst hoher Profit aus den Tieren herausgeholt werden solle (eine junge Maine Coon Katze erziele 500 Euro), was sich zum einen an den extrem unhygienischen Haltungsbedingungen und zum anderen am schlechten Gesundheitszustand mehrerer fortgenommener Tiere zeige.
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Mit E-Mail vom 19. Juli 2021 teilte das Landratsamt mit, dass die Klägerin bis heute noch keinen Sachkundenachweis vorgelegt habe, sodass ihr die weggenommenen Tiere auch nicht zurückgegeben werden könnten. Auf Nachfrage konkretisierte das Landratsamt, dass bewusst offengelassen worden sei, welche konkrete Art von Sachkundenachweis die Klägerin habe vorlegen sollen, um ihr Gelegenheit zu geben, ggf. bereits vorhandene Nachweise über belegte Kurse oder Fortbildungsveranstaltungen o.ä. der Behörde vorzulegen. Sie habe sich nie erkundigt, auf welche Weise sie ihre Sachkunde belegen könnte. Es sei bislang nicht die geringste Motivation bei ihr zu erkennen gewesen, diese Auflage des Bescheides zu erfüllen und dadurch das Vertrauen der Behörde in ihre Absicht und ihren Willen, künftig tierschutzgerecht zu agieren, zu stärken. Engmaschige Kontrollen würden sich sehr schwierig gestalten. Eine Besichtigung der Aufenthaltsbereiche wäre sehr wahrscheinlich wieder nur mit großem personellen und organisatorischem Aufwand und hohem psychischen Druck für alle Beteiligten zu bewerkstelligen. Die Tiere hätten offensichtlich keine ärztliche Behandlung oder sonstige Hilfe erfahren. Der Zustand sei nicht erkannt und wahrgenommen worden oder er sei der Klägerin gleichgültig gewesen.
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Es seien auch zwischenzeitlich seitens der Tierarztpraxis Dr. … erhebliche Zweifel hinsichtlich der Sachkunde geäußert worden, wobei auf eine E-Mail verwiesen werde, wonach die behandelnden Tierärztinnen der Hunde der Klägerin bestätigt hätten, dass von deren Seite massive Zweifel hinsichtlich der Sachkunde der Halterin in Bezug auf Haltung und Pflege bestehen würden. Die Klägerin habe offensichtlich bis heute nicht erkannt, dass die Haltungsbedingungen in keiner Weise tierschutzrechtlichen Anforderungen genügten. Es habe keine andere Möglichkeit bestanden als die Tiere anderweitig unterzubringen. Eine Rückgabe habe sich auch in der Zeit danach verboten, da sich herausgestellt habe, dass einige Tiere krank bzw. geschwächt gewesen seien; daher sei die Sachkunde hinterfragt worden. Da die Klägerin nicht die geringste Bereitschaft habe erkennen lassen, hätten die Tiere zur Veräußerung freigegeben werden müssen.
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Unter dem 24. August 2021 teilte das Landratsamt auf gerichtliche Nachfrage mit, dass das Landratsamt die streitgegenständlichen Tiere bis auf zwei Hunde veräußert habe, nachdem die Klägerin die Auflagen nicht fristgerecht erfüllt habe. Die Veräußerung sei notwendig gewesen, da eine längerfristige Unterbringung der Tiere im Tierheim tierschutzrechtlich nicht zweckmäßig sei. Die Rückgabe der veräußerten Tiere komme nur in Betracht, wenn die Klägerin die Kosten für die anderweitige pflegliche Unterbringung im Tierheim in Höhe von 16.205,08 Euro übernehme. Aus der E-Mail des Tierheims ergebe sich ein Veräußerungserlös in Höhe von 4.300 Euro (5 x 200 Euro, 11 x 300 Euro). Der Veräußerungserlös könne im Falle einer Rückabwicklung der Veräußerungen bei den Kosten der Unterbringung nicht in Abzug gebracht werden, da die jeweiligen Erlöse an die Erwerber zurückerstattet werden müssten.
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Hierauf replizierte die Klägerin, dass der Veräußerungserlös von 4.300 Euro unwahrscheinlich sei, wenn Herr Dr. … einen Veräußerungserlös je Main Coon Kätzchen von 500 Euro angesetzt habe.
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Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2021 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt. Die von der Klägerin gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde vom 18. Dezember 2021 wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2022 zurückgewiesen (Az. 23 C 21.3171).
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Mit Gerichtsbescheid vom 25. April 2022 hat das Verwaltungsgericht Bayreuth die Klage abgewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2022 beantragt die Klägerin gegen den Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung. In einem weiteren Schriftsatz vom 4. Mai 2022 wurde die Zulassung zur Berufung beantragt.
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Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2022 wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. April 2022 standen der Klägerin der Rechtsbehelf des Antrags auf mündliche Verhandlung oder des Antrags auf Zulassung der Berufung zur Auswahl. Die Klägerin kann nicht kumulativ von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch machen (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 84 Rn. 34; BFH, U.v. 5.5.1994 – VI R 32/94 NVwZ-RR 1995, 128 – juris Rn. 12 f.). Werden dennoch beide Rechtsbehelfe eingelegt, so ist grundsätzlich durch Auslegung zu klären, welchen Rechtsbehelf die Klägerin einlegen möchte. Da auch eine Rückfrage seitens des Gerichts im Rahmen der gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO nicht zur Klärung dieser Frage führte, war im vorliegenden Fall von einem Antrag auf mündliche Verhandlung als gegenüber dem Antrag zur Zulassung der Berufung weitergehenden Rechtsbehelf auszugehen. Dies entspricht auch der gesetzlichen Auslegungsregel des § 84 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 VwGO.
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2. Der Antrag auf Herausgabe der Tiere, der gleichzeitig dahingehend auszulegen ist, dass die Klägerin die Aufhebung des Bescheids und die Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen begehrt (§ 88 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 3 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
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a. Ziffer 1 des Bescheids ist rechtmäßig.
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Die Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG. Danach kann die Behörde dem Halter ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Nach § 2 TierSchG muss jemand, der ein Tier hält, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (§ 2 Ziffer 1 TierSchG), er darf die Möglichkeit des Tieres zu artgerechter Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen und vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 Ziffer 2 TierSchG) und muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (§ 2 Ziffer 3 TierSchG).
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Bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, insbesondere auch ob im Rahmen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbsatz TierSchG eine erhebliche Vernachlässigung vorliegt, kommt dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 ZB 20.1254 – juris Rn. 37; B.v. 14.7.2020 – 23 CS 20.1087 – juris Rn. 7; B.v. 9.11.2018 – 9 CS 18.1002 – juris Rn. 7; B.v. 31.1.2017 – 9 CS 16.2021 – juris Rn. 15; Metzger in Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 15 Rn. 19 u. § 16a Rn. 41). Ein solches Gutachten ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 – 3 B 62.13 – juris Rn. 10). Es ist zwar möglich, die von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten in Frage zu stellen (vgl. NdsOVG, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 39). Schlichtes Bestreiten des Halters vermag die Aussagekraft der amtstierärztlichen Beurteilung jedoch nicht zu entkräften (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 28.6.2010 – OVG 5 S 10.10 – juris Rn. 9). Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9; B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 7). Anderes gilt nur, wenn das Gutachten selbst von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unauflösbare Widersprüche aufweist, Zweifel an der Sachkunde und Unparteilichkeit aufwirft und im Hinblick auf die gutachterlich zu treffenden Feststellungen und deren Herleitung und Begründung unvollständig ist.
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An ein solches Gutachten sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Zwar ist es zweifellos vorzugswürdig, wenn sich das Gutachten in einem Dokument unter der Überschrift „Gutachten des beamteten Tierarztes“ bei den Behördenakten befindet und der Bescheid dies aufgreift. Es besteht jedoch kein derartiges Formerfordernis. Es reichen dokumentierte Aussagen des beamteten Tierarztes zu dem Zustand des Tieres beziehungsweise zu den Bedingungen vor Ort, wo das Tier gehalten wird, die einzelfallbezogen den Schluss auf eine erhebliche Vernachlässigung zulassen. Diese können beispielsweise die Form eines Vermerks, eines Protokolls oder auch von Fotoaufnahmen annehmen (BayVGH, B.v. 12.3.2020 – 23 CS 19.2486 – juris Rn. 23 ff.).
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Die bei der Kontrolle der Tierhaltung der Klägerin am 11. Mai 2021 vorgefundenen Zustände (die durch Stellungnahmen des Amtsveterinärs vom 21. Juni und 13. Oktober 2021 und durch die in den Akten enthaltenen Lichtbilder dokumentierten Zustände, die auch im Bescheid ausführlich beschriebenen sind und letztlich auf den Feststellungen des Amtsveterinärs beruhen), belegen, dass die Tiere nicht artgerecht gehalten und erheblich vernachlässigt wurden. Dabei wiegt besonders schwer, dass die Tiere unter untragbaren hygienischen Verhältnissen leben mussten. Insgesamt setzt die Klägerin lediglich ihre Sichtweise an die Stelle der von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen (nicht abgemagert, ausreichend gelüftet, Kot sei lediglich über Nacht dort gelegen, Unordnung sei durch Kontrolle und Verhaltensstörung der Hündin durch Fortnahme entstanden).
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b. Ziffer 2 des Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG kann die zuständige Behörde insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Die Anordnungen in Ziffer 2 sind geeignet, festgestellte Verstöße zu beseitigen und zukünftige Verstöße zu verhüten.
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c. Ziffer 3 stützt sich ausweislich des Bescheids auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG, wonach die Behörde insbesondere demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art von der Erlangung eines entsprechenden Sachkundenachweises abhängig machen kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
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Der Amtstierarzt hat festgestellt, dass in dem Haus unerträgliche hygienische Verhältnisse geherrscht hätten, dass mehrere Tiere krank und geschwächt gewesen seien und dieser Zustand offensichtlich nicht erkannt worden sei oder der Klägerin gleichgültig gewesen sei. Vor allem die unhygienischen Zustände stellen sich nicht in kürzester Zeit ein, sodass von einer wiederholten Zuwiderhandlung auszugehen ist. Da Katzen und Hunde sehr reinliche Tiere und mit einem feinen Geruchssinn ausgestattet sind, kann die Haltung in einer völlig verdreckten, mit Hunde-/Katzenkot übersäten und stark nach Ausscheidungen stinkenden Wohnung erhebliche Leiden hervorrufen (so VG Ansbach, B.v. 1.2.2010 – AN 16 S 08.02261 – BeckRS 2010, 34319). Notwendig, aber auch ausreichend für die Annahme von Leiden ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass das Wohlbefinden des Tieres über schlichtes Unbehagen, schlichte Unlustgefühle oder einen bloßen vorübergehenden Zustand der Belastung hinaus für eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne beeinträchtigt ist (vgl. S. 4 der Ausführungen des BayVGH im Beschluss vom 8.2.22 – 23 C 21.3171, mit dem die Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth zurückgewiesen wurde; BGH, U.v. 18.2.1987 – 2 StR 159/86 – NJW 1987, 1833, 1834; VGH BW, B.v. 3.11.2004 – 1 S 2279/04 – RdL 2005, 55; VGH BW, B.v. 15.12.1992 – 10 S 3230/91 – juris Rn. 23 m.w.N.). Der tierschutzrechtliche Leidensbegriff setzt weiterhin nicht voraus, dass die Beeinträchtigung nachhaltig ist (BGH, U.v. 18.12.1987, a.a.O.; VGH BW, U.v. 15.12.1992 – 10 S 3230/91 – juris Rn. 23). Dass die Klägerin die festgestellten und anhand von Lichtbildern festgehaltenen Zustände zu relativieren versucht bzw. als ordnungsgemäß bezeichnet (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2), lässt annehmen, dass sie weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Haben sich im Verantwortungsbereich einer Person bereits gleichartige oder ähnliche Verstöße ereignet, so kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 2).
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Dabei stellt der von dem Beklagten gewählte Sachkundenachweis gegenüber dem ebenfalls normierten Haltungs- und Betreuungsverbot das mildere Mittel dar. Im Übrigen kommt als Rechtsgrundlage für einen Sachkundenachweis auch § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG – ohne die oben ausgeführten strengeren Voraussetzungen – in Betracht (so OVG Lüneburg, B.v. 15.10.2012 – 11 ME 234/12 – NVwZ-RR 2013, 182 (183); VG Oldenburg, U.v. 13.2.2013 – 11 A 4220/12 – BeckRS 2013, 47293).
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d. Rechtsgrundlage für die Anordnung, die Tierhaltung bis zum 5. Juni 2021 jederzeit zu den üblichen Geschäftszeiten kontrollieren zu lassen (Ziffer 4), ist § 16 Abs. 2 i.V. m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 TierSchG, da es sich um eine Duldungsanordnung handelt. Gemäß § 16 Abs. 2 TierSchG haben insbesondere natürliche Personen der zuständigen Behörde auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der der Behörde durch dieses Gesetz übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Personen, die von der zuständigen Behörde beauftragt sind, dürfen im Rahmen des Absatzes 2 Grundstücke, Geschäftsräume, Wirtschaftsgebäude und Transportmittel des Auskunftspflichtigen während der Geschäfts- oder Betriebszeit betreten, besichtigen und dort zur Dokumentation Bildaufzeichnungen, mit Ausnahme von Bildaufzeichnungen von Personen, anfertigen, sowie zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die bezeichneten Grundstücke, Räume, Gebäude und Transportmittel außerhalb der dort genannten Zeiten, sowie Wohnräume des Auskunftspflichtigen betreten, besichtigen sowie zur Dokumentation Bildaufzeichnungen anfertigen, § 16 Abs. 3 TierSchG. Sie dürfen auch Tiere untersuchen und Proben, insbesondere Blut-, Harn-, Kot- und Futterproben, entnehmen und Verhaltensbeobachtungen an Tieren auch mittels Bild- oder Tonaufzeichnungen durchführen. Nachdem die Klägerin den Beamten am 27. April 2021 und auch am 11. Mai 2021 den Zugang zur Wohnung und Kontrolle der Tierhaltung nicht ermöglicht hat, was sie auch nicht bestritten hat, besteht auch Anlass nunmehr eine dahingehende Verpflichtung (die mit Zwangsgeld bewehrt ist) auszusprechen.
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e. Hinsichtlich der Regelungen in Ziffern 5 und 6 bestehen ebenfalls keine Bedenken.
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f. Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Herausgabe der fortgenommenen Tiere kommt der Folgenbeseitigungsanspruch sowie der öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch analog § 985 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB in Betracht.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass ein dem Hoheitsträger zuzurechnender rechtswidriger Zustand vorliegt, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Der geschaffene rechtswidrige Zustand muss rechtlich und tatsächlich beseitigt werden können.
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Der öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch analog § 985 BGB kommt in Betracht, wenn die streitbefangenen Sachen einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft unterfallen. Dies ist bei gefundenen Gegenständen – ebenso wie bei beschlagnahmten oder sichergestellten Sachen – der Fall. Sobald die Voraussetzungen für die Aufbewahrung gefundener Sachen entfallen sind, sind die Sachen an den Empfangsberechtigten – oder gemäß § 973 BGB an den Finder – herauszugeben (VG Neustadt a.d. Weinstraße, U.v. 13.11.2013 – 4 K 847/13 – BeckRS 2013, 58229; MüKoBGB/Baldus, BGB, 8. Aufl. 2020, § 985 Rn. 19).
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Jedenfalls aber steht einem Herausgabeanspruch der Klägerin an sich ein Besitzrecht des Beklagten aus dem ihm den Besitz zuweisenden Hoheitsakt, dem Bescheid vom 17. Mai 2021, mit dem die Fortnahme der Tiere angeordnet wurde, die am 11. Mai 2021 vollzogen wurde, entgegen. Dieses Besitzrecht aus der rechtmäßigen Beschlagnahme bestehe nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29. Oktober 2008 – M 18 K 08.1681 – (BeckRS 2011, 47059) so lange fort, so lange die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht entfallen seien, so lange also eine tierschutzgerechte Haltung von der Klägerin nicht nachgewiesen worden sei, was hier mangels Erfüllung der rechtmäßigen Verpflichtung zur Vorlage eines Sachkundenachweises der Fall ist. Das Landratsamt hat in der mündlichen Verhandlung konkretisiert, in welcher Form ein Sachkundenachweis erbracht werden kann (Seminarbesuch, Fachgespräch bei einem Veterinäramt, Nachweis von Erfahrungen als Tierpfleger oder der Mitarbeit in einem Tierheim oder einer ähnlichen Einrichtung). Weder hat die Klägerin bisher einen solchen Sachkundenachweis vorgelegt, noch hat sie in der mündlichen Verhandlung die Bereitschaft gezeigt, einen solchen Nachweis im Nachhinein noch zu erlangen. Eine tierschutzgerechte Haltung wurde folglich nicht nachgewiesen.
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3. Ein Feststellungsantrag in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Veräußerung wegen fehlender sofort vollziehbarer Veräußerungsanordnung (Ziffer 8) wurde auch auf Hinweis des Gerichts im Prozesskostenhilfebeschluss hin nicht gestellt. Der Antrag auf Herausgabe der fortgenommenen Tiere kann nicht dahingehend ausgelegt werden, insbesondere auch nicht in Verbindung mit einem Folgenbeseitigungsanspruch, der darauf gerichtet wäre, die Tiere zumindest in den Zugriffsbereich des Landratsamts zu verbringen. Im Hinblick auf das Rechtsschutzbegehren der Klägerin, das auf die Herausgabe der fortgenommenen Tiere gerichtet ist, wäre ein derartiger Feststellungsantrag auch nicht erfolgsversprechend, da der Herausgabe der Tiere an die Klägerin jedenfalls – wie oben bereits festgestellt – der rechtmäßige Fortnahmebescheid des Beklagten vom 17. Mai 2021 entgegensteht.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
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5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO).