Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 03.05.2022 – 4 U 306/21
Titel:

Rückforderung von Arzthonoraren durch einen Krankenkostenversicherer wegen extern erbrachter ärztlicher Leistungen (hier MRT- und CT-Aufnahmen) während eines stationären Krankenhausaufenthalts ihrer Versicherungsnehmer

Normenkette:
KHEntgG § 17
Leitsätze:
1. Allein das Bestehen einer (inhaltlich nicht bekannten) Kooperationsvereinbarung zwischen einem Krankenhaus und einem externen Arzt (der tatsächlich und juristisch außerhalb des Krankenhauses tätig wird) hat keine Bedeutung im Hinblick auf die Qualifikation der extern erbrachten ärztlichen Leistung als (nicht gesondert vergütungspflichtige) allgemeine Krankenhausleistung oder ärztliche Wahlleistung. An der „Veranlassung einer Leistung“ durch einen Wahlarzt oder sonstigen liquidationsberechtigen Ärzten im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG fehlt es nur dann, wenn diesen Ärzten nicht nur das „wo“ der zu erbringenden Leistung, sondern auch die Entscheidung, „ob“ eine solche Leistung überhaupt durchzuführen ist, durch die Kooperationsvereinbarung bzw. durch eine entsprechende Weisung durch das Krankenhaus vorgegeben wäre.
2. Entscheidend für die Qualifizierung einer ärztlichen Leistung als Wahlleistung ist, dass der primäre Wahlarzt, der das besondere Vertrauen des Patienten genießt, seine Entscheidung über das „ob“ einer bestimmten, von Dritten durchzuführenden (hier diagnostischen) Maßnahme nicht nur von der fachärztlich gebotenen Vorgehensweise abhängig macht, sondern davon, ob diese erforderlich ist, die besonders qualifizierte und hochwertige ärztliche Leistung – wie von ihm aufgrund der Wahlarztvereinbarung geschuldet – zu erbringen. Es kommt damit nicht darauf an, ob die extern vorgenommene (Diagnostik-)leistung lediglich durchschnittlich im Sinne des Facharztstandards ist oder selbst eine hochqualifizierte Leistung darstellt. Es kommt auch nicht darauf an, ob der externe Arzt das besondere Vertrauen des (primären) Wahlarztes genießt (Anschluss BVerfG, Beschluss vom 03.03.2015, Az. 1 BvR 3226/14, GesR 2015, 340 = MedR 2015, 591 = BeckRS 2015, 43653; entgegen OLG Düsseldorf, Urteil v. 12.09.2019, Az. I-8 U 140/17, GesR 2019, 708 = MedR 2020, 584).
Schlagwort:
Rückforderung von Arzthonoraren durch einen Krankenkostenversicherer wegen extern erbrachter ärztlicher Leistungen (hier MRT- und CT-Aufnahmen) während eines stationären Krankenhausaufenthalts ihrer Versicherungsnehmer
Vorinstanzen:
LG Schweinfurt, Endurteil vom 21.06.2021 – 23 O 526/20 Hei
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 04.04.2022 – 4 U 306/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49039

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 21.06.2021, Aktenzeichen 23 O 526/20 Hei, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 91.116,46 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 21.06.2021 und den Hinweisbeschluss des Senats vom 04.04.2022 Bezug genommen.
2
Hinsichtlich der gestellten Anträge im Berufungsverfahren wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 04.04.2022 Bezug genommen.
II.
3
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 21.06.2021, Aktenzeichen 23 O 526/20 Hei, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
4
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
5
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 29.04.2022 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
6
1. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, dass die Beklagten als Honorarärzte der hier in Rede stehenden Krankenhäuser anzusehen seien und daher zum einen – wie in der Entscheidung des BGH vom 10.01.2019 (Az. III ZR 325/17) ausgeführt – (originäre) wahlärztliche Leistungen nicht erbringen könnten und zum anderen aber auch nicht als „Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses“ im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntGG qualifiziert werden könnten.
7
Allein aufgrund des Bestehens von Kooperationsvereinbarungen zwischen den hier betroffenen Krankenhäusern und den Beklagten (die von der Klägerseite im Übrigen auch nicht vorgelegt oder ihrem Inhalt nach näher beschrieben wurden) kann eine Gleichsetzung mit Honorarärzten nicht vorgenommen werden. Der Unterschied liegt hier darin begründet, dass die Beklagten – anders als ein Honorararzt – tatsächlich und juristisch außerhalb des Krankenhauses tätig wurden und mit der Durchführung von radiologischen Diagnosen keine Hauptbehandlungsleistungen erbracht haben; ein Honorararzt behandelt dagegen eigene Patienten im Krankenhaus (Clausen in den Praxishinweisen zu BGH, Urt. v. 10.1.2019 – III ZR 325/17, GuP 2019, 112). Die Eigenschaft der Beklagten als „Externe“ im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntGG kann auch nicht mit der Argumentation verneint werden, dass die hier betroffenen Krankenhäuser keine eigene Radiologie mit CT- bzw. MRT-Diagnostik betrieben haben. Vielmehr sind, wie die Beklagten auch zutreffend in der Klageerwiderung vorgetragen haben, CT- und MRT-Geräte nicht von jedem Krankenhaus vorzuhalten, insbesondere nicht in denjenigen der Versorgungsstufen I und II, zu denen auch die hier betroffenen Krankenhäuser zählen. Eine entsprechende Diagnostik kann daher auch nicht per se als „allgemeine Krankenhausleistung“ im Sinne von § 2 Abs. 2 KHEntGG qualifizieren werden, die – wenn sie nicht durch einen liquidationsberechtigten Arzt durchgeführt wird – keine Wahlleistung darstellen könne. Entscheidend ist vielmehr, dass der primäre Wahlarzt, der das besondere Vertrauen des Patienten genießt, seine Entscheidung über das Ob einer bestimmten, von Dritten durchzuführenden (hier diagnostischen) Maßnahme nicht nur von der fachärztlich gebotenen Vorgehensweise abhängig macht, sondern davon, ob diese erforderlich ist, die besonders qualifizierte und hochwertige ärztliche Leistung – wie von ihm aufgrund der Wahlarztvereinbarung geschuldet – zu erbringen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die extern vorgenommene (Diagnostik-) leistung lediglich durchschnittlich im Sinne des Facharztstandards ist, sondern darauf, ob sie – wovon aufgrund der entsprechenden Veranlassung durch den Wahlarzt auszugehen ist – zur Erbringung seiner eigenen (hochqualifizierten) Leistung ausreicht.
8
2. Die Beklagten waren entgegen der Auffassung der Klägerin auch im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht gehalten, den Namen desjenigen Arztes mitzuteilen, der die jeweilige Untersuchung der Versicherungsnehmer der Klägerin in der Praxis der Beklagten veranlasst hat. Die Klägerin legt nämlich nicht dar, weshalb die Fragen, ob der überweisende Arzt (aufgrund einer Vereinbarung mit dem jeweiligen Krankenhaus) tatsächlich ein Liquidationsrecht hatte und entweder durch eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung mit einem Versicherungsnehmer der Klägerin als Wahlarzt mit der Durchführung wahlärztlicher Leistungen beauftragt wurde oder im Rahmen einer sogenannten Wahlarztkette tätig wurde, zum Wahrnehmungsbereich der Beklagten gehören. Dies ist auch nicht ersichtlich. Allein die Information über die Identität des überweisenden Arztes hilft der Klägerin, die darüber hinaus eine fehlende Wahlleistungsvereinbarung oder ein fehlendes Liquidationsrecht des überweisenden Arztes darlegen und nachweisen muss, nicht weiter. Der Fall liegt hier auch nicht so, dass der Klägerin der Nachweis einer fehlenden Grundlage für die Honorarforderungen der Beklagten ausschließlich mit der Mitteilung überweisenden Arztes möglich wäre. Bereits im Hinweisbeschluss des Senats wurde dargelegt, dass die Klägerin aufgrund § 31 VVG sämtliche Informationen (Wahlleistungsvereinbarung, ggf. auch die Krankenakte), die sie zum Nachweis eines fehlenden Rechtsgrundes benötigt, auch über ihre Versicherungsnehmer erhalten kann.
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Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des BGH ab. Allein die vom OLG Düsseldorf in der Entscheidung vom 12.09.2019 (Az. 8 U 140/17) vertretene Ansicht, dass auch die sogenannte Wahlarztkette als eine „Vertrauenskette“ betrachtet werden müsse, teilt der Senat nicht und sieht sich hier in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 03.03.2005 – 1 BvR 3226/14). Auch in der krankenhausinternen Wahlarztkette sind die vom (ersten) Wahlarzt veranlassten Leistungen dritter Ärzte desselben Krankenhauses (nur) deswegen Wahlleistungen, weil letztere vom Krankenhausträger das Liquidationsrecht erhalten haben und nicht weil sie ein besonderes Vertrauen des (ersten) Wahlarztes genießen würden. Ein Anlass für eine Zulassung der Revision liegt nicht vor.
III.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 7011 ZPO.
12
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.