Titel:
Arbeitnehmer, Kosovo, Mitbestimmung, Mitbestimmungsrecht, Aufsichtsrat, Leiharbeitnehmer, Gewerkschaft, Amtsermittlungspflicht, Gesellschaft, FamFG, Verfahren, Gesamtbetriebsrat, Berechnung, Nichtigkeit, von Amts wegen
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Kosovo, Mitbestimmung, Mitbestimmungsrecht, Aufsichtsrat, Leiharbeitnehmer, Gewerkschaft, Amtsermittlungspflicht, Gesellschaft, FamFG, Verfahren, Gesamtbetriebsrat, Berechnung, Nichtigkeit, von Amts wegen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48960
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers, festzustellen, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 04.05.1976 (BGBl. I S. 1130) zu bilden ist, wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Der tenorierten Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie hat eine Geschäftsführung und keinen Vorstand. Geschäftszweck der Antragsgegnerin ist die Erbringung von Call-Center-Dienstleistungen. Die Antragsgegnerin ist ein Tochterunternehmen der …. Deren weiteres Tochterunternehmen war die …. Die Antragsgegnerin ist als übernehmende Rechtsträger mit diesem Tochterunternehmen verschmolzen. Ein Konzernbetriebsrat besteht seit der Verschmelzung nicht mehr. Nach wie vor besteht indes ein Gesamtbetriebsrat, bei dem es sich um den hiesigen Antragsteller handelt. Die Antragsgegnerin unterhält Betriebe an 6 Standorten in …. In … hat sie ihren 7. Betrieb seit dem 1.9.2019 stillgelegt. Nach der Verschmelzung beschäftigte die Antragsgegnerin zunächst mehr als 2000 Arbeitnehmer. Durch die Stilllegung des Betriebes in … sank die Zahl der Arbeitnehmer. Infolge der Verschmelzung unterblieb die Wahl eines Aufsichtsrats bei der …, zu der sich die Geschäftsführung damals auch verpflichtet sah. Unter dem 25.01.2019 hängten zuvor gebildete Betriebswahlvorstände auf Anweisung des ebenfalls gebildeten Unternehmenswahlvorstands in den Betrieben der Antragsgegnerin eine Bekanntmachung über die Einreichung von Wahlvorschlägen aus. Danach sollten sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen sein, und zwar drei Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, ein Aufsichtsratsmitglied der leitenden Angestellten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG und zwei Vertreter der Gewerkschaften. Ausgelegt wurden noch weitere Unterlagen zur geplanten Aufsichtsratswahl. Am 23.05.2019 informierte die Antragsgegnerin den Standort … über dessen ersatzlose Schließung. In einem Telefonat am 23.07.2019 wurde der gebildete Unternehmenswahlausschuss darauf aufmerksam gemacht, dass dieser von einer unzutreffenden Arbeitnehmeranzahl bei der Antragsgegnerin ausgeht. Er wurde ferner aufgefordert, die Wahl abzubrechen bzw. oder zumindest zurückzustellen. Dies lehnte der Unternehmenswahlvorstand mit E-Mail vom gleichen Tag ab. Die Wahl fand schließlich am 30. und 31.07.2019 in den Betrieben der Antragsgegnerin statt. Die Gewerkschaft … hat zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsandt. Die Geschäftsführung der Antragsgegnerin hat im elektronischen Bundesanzeiger vom 20.03.2020 gemäß § 97 AktG bekannt gemacht, dass ihrer Ansicht nach der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt ist. Unter dem Aktenzeichen 2 BV 60/19 ist ein Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit der Wahl beim Arbeitsgericht … anhängig gemacht worden. Zum Zeitpunkt der Bekanntmachung gem. § 97 Abs. 1 AktG beschäftigte die Antragsgegnerin deutlich weniger als 2000 Mitarbeiter ausweislich der inzwischen vorgelegten Personalplanung. Zum Jahresende erfolgte eine Gegenüberstellung der Personalplanung mit der tatsächlichen Personalstärke. Diese lag immer unter der Planung und somit deutlich unter dem Schwellenwert von 2000 Beschäftigten.
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Der Antragsteller behauptet, entgegen seines eigenen Vorbringens sei es die Antragsgegnerin gewesen, die die Aufsichtsratswahl eingeleitet habe, und zwar nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes. Erfolgt sei dies mit Aushang und E-Mail durch die Antragsgegnerin am 21.11.2018. Die Frage der Nichtigkeit der Aufsichtsratswahl sei für das hiesige Verfahren ohne Belang. Der Antragsteller bestreitet ferner, dass die Antragsgegnerin bei der Ermittlung der Zahl der regelmäßig bei ihr beschäftigten Mitarbeiter die regelmäßig beschäftigten Leiharbeitnehmer in ihre Berechnung einbezogen hat. Gem. § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG seien diese wie die Beschäftigten mitzuzählen, sofern ihre Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Auf bestimmte Stichtage käme es bei der Bestimmung der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer gerade nicht an. Ein vorübergehendes Absinken der Zahl unter 2000 Beschäftigte führte vielmehr nicht zu einer Beendigung der paritätischen Mitbestimmung. Ansonsten änderten sich die Mitbestimmungsstatuten ständig. Das Merkmal der Regelmäßigkeit sei dabei nicht nur mit Perspektive auf die Vergangenheit zu konturieren, sondern vor allem auf die Zukunft, wobei ein Referenzzeitraum von 18 bis 24 Monaten angemessen sei. Bei der Einleitung der Wahl 2018 habe die Antragsgegnerin regelmäßig rund 2.400 bis 2.500 Mitarbeiter beschäftigt. Dabei habe es noch offene Stellen gegeben und die Absicht des Unternehmens, weiter wachsen zu wollen. Im Frühjahr 2019 habe die Antragsgegnerin für drei Monate alle Neueinstellungen gestoppt. Bei ihr sei – branchenüblich – eine jährliche Fluktuation der Mitarbeiter von 100 %. Dementsprechend viele Mitarbeiter hätten neu rekrutiert werden müssen. Ende 2019 hätten alle Standorte ihre Rekrutierungsziele verfehlt, obwohl die Antragsgegnerin daran gearbeitet habe, die Mitarbeiterzahl wieder aufzubauen. Durch die Schließung des Standorts … seien etwa 200 Mitarbeiter verloren gegangen. Weitere 100 Stellen seien in den Kosovo verlagert worden. Dem Antragsteller sei in der Folgezeit der Wegfall von 400 Stellen kommuniziert worden. Damit ergebe sich ein Wert von 2.100 vorhandenen Planstellen als entsprechend prognostizierte Arbeitnehmeranzahl. Wegen zusätzlicher Projekte sei der tatsächliche Personalbedarf noch höher. Dementsprechend beschäftige die Antragsgegnerin regelmäßig mehr als 2000 Arbeitnehmer. Der Beschluss zur Einleitung des hiesigen Verfahrens sei ausweislich des entsprechenden Sitzungsprotokolls ordnungsgemäß zustande gekommen. Hinsichtlich der Bildung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats käme es allein auf die gesetzlichen Voraussetzungen an, nicht auf das Kriterium der Freiwilligkeit. Zu den prognostizierten. Beschäftigtenzahlen erklärt sich der Antragsteller mit Nichtwissen. Denn er verfüge nicht über eigene Informationsquellen, um diese Zahlen überprüfen zu können. Bemerkenswert sei, dass der Wirtschaftsausschuss der Antragsgegnerin in der Vergangenheit mitgeteilt habe, dass eine Personalplanung nicht vorhanden sei bzw. nicht feststehe.
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Der Antragsteller beantragt:
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Es wird festgestellt, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 04.05.1976 (BGBl. I S. 1130) zu bilden ist.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dass die Aufsichtsratswahl bereits als nichtig darstellt, da vor ihr kein Statusverfahren durchgeführt worden sei. Sie bestreitet, in der Regel mehr als 2000 Mitarbeiter zu beschäftigen. Die in § 27 EGAktG angeordnete sinngemäße Anwendung der Regelungen der §§ 96 Abs. 2, 97 bis 99 AktG auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung erfasse auch die erstmalige Bildung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH. Sei streitig, ob bei einer bislang aufsichtsratslosen GmbH überhaupt ein Aufsichtsrat zu bilden ist oder ob dieser nach dem DrittelbG oder nach dem MitBestG zu bilden ist, sei diese Frage vorab in einem Statusverfahren gem. §§ 98, 99 AktG zu klären. Es sei in einem derartigen Fall nicht zulässig, davor ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer zu wählen. Dass ein Statusverfahren vor der Wahl nicht durchgeführt worden sei, führe zu deren Nichtigkeit. Denn die Voraussetzungen für die Durchführung der Wahl seien nicht erfüllt gewesen. Die Nichtigkeit der Wahl ergebe sich auch daraus, dass nur zwei statt wie vorgeschrieben drei Wahlgänge erfolgt sind. Da sie, die Antragsgegnerin, aufgrund der Zahl der regelmäßig von ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht dem MitbestG unterliege, sei ein vollparitätisch besetzter Aufsichtsrat nicht zu bilden. Zudem bestreitet die Antragsgegnerin, dass dem Antrag der Antragstellerin ein ordnungsgemäß zustande gekommener Beschluss des Antragstellers zugrunde liegt. Die Antragsgegnerin verwahrt sich gegen den Eindruck, den der Antragsteller erwecken wollte, die Wahlbekanntmachung sei aufgrund seines Drucks erfolgt. Der Rechtsvorgänger des Antragstellers habe die Geschäftsführung der … im April 2018 aufgefordert, einen Aufsichtsrat nach den Vorschriften des DrittelbG, nicht des MitbestG zu bilden. Dabei sei damals unstrittig gewesen, dass die W. C. GmbH dem DrittelbG unterfalle. Aufgrund der hohen Zahl der regelmäßig bei ihr Beschäftigten unterliege sie, die Antragsgegnerin, nicht dem MitbestG. Bei dieser Betrachtung seien die Leiharbeiter bereits berücksichtigt. Die Zahl der Beschäftigten richte sich nach dem kalkulierten Auftragsvolumen. Hinsichtlich des Augusts 2020 verweist die Antragsgegnerin auf die tatsächlichen Mitarbeiterzahlen. Ab diesem Monat sehe die Planung eine Stärke von insgesamt 1.584 bis maximal 1.700 Mitarbeitern vor. Es habe nie Planungen der Geschäftsführung der Antragsgegnerin gegeben, die Zahl der Beschäftigten in ihren Betrieben zu erhöhen. Durchgeführte Rekrutierungsmaßnahmen hätten nur dazu gedient, Austritte von Mitarbeitern zu kompensieren. Projekte, die zu einer Erhöhung der Mitarbeiterzahl führen würden, seien nicht geplant. Auch sollten neue Betriebe nicht errichtet werden. Wegen des Verlustes eines größeren Kundenprojekts sei vielmehr von weiteren sinkenden Kundenzahlen auszugehen. Dabei würden kleinere Projekte hinzugewonnen, die den Verlust teilweise ausglichen. Die Behauptung einer Personalfluktuation von 100 % im Jahr sei falsch und entbehre jeder Grundlage.
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Zur Ergänzung des wechselseitigen Vorbringens wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile. Die Akten des … 2 BV 60/19 wurden beigezogen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden an Stelle der Kammer einverstanden erklärt. Die Gewerkschaft … hat in nachgeholter Anhörung mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtigt, eine Stellungnahme abzugeben.
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II. Vor dem Hintergrund dieser sachverhaltlichen Feststellungen war der Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen; denn der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin ist nicht nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 04.05.1976 zu bilden.
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1. Gem. § 98 Abs. 1 AktG entscheidet das Gericht über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, wenn streitig oder ungewiss ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften dieser zusammenzusetzen ist. Antragsberechtigt ist gem. § 98 Abs. 2 Nr. 4 AktG der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft. Wird festgestellt, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht der gerichtlichen Entscheidung entspricht, ist der neue Aufsichtsrat nach den in der gerichtlichen Entscheidungen angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen (§ 98 Abs. 4 S. 1 AktG). Strittig ist zwischen den Parteien, ob bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des MitBestG zu bilden ist. Gem. § 1 Abs. 1 MitBestG haben Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe des MitBestG in Unternehmen, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betrieben werden und regelmäßig mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen. § 99 Abs. 1 AktG erklärt das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für den Fall anwendbar, dass § 99 Abs. 2 bis 6 AktG keine Sonderregelung enthalten (Subsidiarität des FamFG). Der Gesetzgeber ließ sich dabei von der Vorstellung leiten, dass die Regeln des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Eigenart des Streits besser entsprechen würden. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG): Das Gericht hat von Amts wegen die maßgebenden Verhältnisse aufzuklären und die ihm erforderlich erscheinenden Beweise aufzunehmen (vgl. Drygala in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 99 AktG Rn. 2 m.w.N., zitiert nach juris). Die grundsätzliche Bedeutung des Amtsermittlungsgrundsatzes besteht darin, dass das Gericht ohne jegliche Bindung an Behauptungen und Beweisanträge der Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen ermitteln und in das Verfahren einführen kann. In Übereinstimmung damit formuliert etwa § 86 Abs. 1 VwGO ausdrücklich, dass das Gericht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist. Begrenzungen kann diese allgemeine Verpflichtung des Gerichts zur Sachverhaltsermittlung zunächst durch die Mitwirkung der Beteiligten gem. § 27 FamFG erfahren. Auch soweit das Gesetz im Einzelnen den Beteiligten die Beibringung gewisser Unterlagen auferlegt (z.B. im Erbscheinsverfahren nach den §§ 2354 bis 2356 BGB) oder dem Antragsteller auferlegt, bestimmte Tatsachen glaubhaft zu machen, ist eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht gegeben (vgl. Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 26 FamFG, Rn. 11 m.w.N., zitiert nach juris). Der Amtsermittlungsgrundsatz wird dadurch geprägt, dass das Gericht die Verantwortung dafür trägt, dass die gesamten Entscheidungsgrundlagen erfasst werden. Diese Tätigkeit des Gerichts reicht vom Sammeln des Prozessstoffs über das prozessordnungsgemäße Einbringen des Sachverhalts in das Verfahren bis hin zur Vornahme aller Maßnahmen, die der Beweiserhebung dienen und die letztlich das Gericht befähigen, eine Wahrheitsüberzeugung zu gewinnen. Der Amtsermittlung ist bis zur Grenze der Erheblichkeit eine Beschränkung des zu ermittelnden Tatsachenstoffs, aus dem im Rahmen der Sammlung des Prozessstoffs geschöpft wird, und ebenso eine gegenständliche Beschränkung des Sammelns des Prozessstoffs nicht immanent. Im Ergebnis muss daher das Gericht alle gebotenen Ermittlungsansätze ausschöpfen. Bei dem Sachverhalt, der i.S.v. § 26 FamFG zu ermitteln ist, handelt es sich um die Gesamtheit aller Tatsachen, die das Gericht als gegeben zugrunde legen muss, um seine Entscheidung über den Verfahrensgegenstand zu treffen. Der Umfang dieser Tatsachen wird also ganz wesentlich vom Verfahrensgegenstand bestimmt (vgl. Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 26 FamFG, Rn. 27, zitiert nach juris). Gem. § 29 FamFG ist insoweit eine förmliche Beweisaufnahme nicht erforderlich. Das Gericht kann vielmehr im Freibeweisverfahren den entscheidungserheblichen Sachverhalt feststellen.
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2. Vorliegend ist allein die Frage strittig, wie viele Arbeitnehmer regelmäßig bei der Antragsgegnerin beschäftigt sind. Maßgeblich ist dabei das Überschreiten des Schwellenwertes von 2000 Beschäftigten. Nur dieser Umstand ist daher Gegenstand der Beweiserhebung.
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a) Dabei sind bei Ermittlung der Zahl der Beschäftigte auch, wenn auch nicht uneingeschränkt, Leiharbeiter zu berücksichtigen. Denn mitzuzählen sind die betreffenden Arbeitsplätze bei der Bestimmung des Schwellenwerts nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, wenn die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern über die Dauer von sechs Monaten hinaus regelmäßig erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019, Az.: II ZB 21/18 Rn. 21, zitiert nach juris). Im wechselseitigen Vorbringen wird insoweit nicht zeitlich differenziert. Stattdessen beschränkt sich die Antragsgegnerin auf die Auskunft, in den von ihr angegebenen Zahlen seien die Leiharbeiter bereits inkludiert. Damit wären auch Leiharbeiter eingerechnet, die weniger als sechs Monate beschäftigt werden. Die vom Antragsgegner angegebenen Zahlen können damit nicht geringer als die Zahl der Beschäftigten und der Leiharbeiter sein, die regelmäßig über die Dauer von sechs Monaten beschäftigt werden.
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b) Diese Zahlen liegen durchgehend deutlich unter dem Schwellenwert von 2000 Beschäftigten. Zunächst hat die Antragsgegnerin schriftsätzlich die Zahl der Beschäftigten je Standort dargelegt. Der Antragsteller erklärte sich insoweit zunächst mit Nichtwissen. Auf Aufforderung des Gerichts legte die Antragsgegnerin daraufhin ihre Unterlagen zur Personalplanung vor (Anlagen AG 9 bis 15). Hierzu nahm der Antragsteller keine Stellung. Diese Planung belegt zum einen den schriftsätzlichen Vortrag der Antragsgegnerin, wobei die Planung auf die Rundungen im Schriftsatz verzichtet. Addiert man die geplanten Personalhöchststände an den jeweiligen Standorten, errechnet sich eine maximale Personalstärke von insgesamt gerundet 1723 Köpfen. Selbst dieser Wert liegt deutlich unter dem Schwellenwert von 2000 Beschäftigten. Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlen unrichtig oder geschönt sind, ergeben sich nicht. Insbesondere trifft es zu, dass sich die schriftsätzlich vorgetragenen gerundeten Zahlen aus der später vorgelegten Planung ableiten lassen. Zur Überzeugung des Gerichts steht damit fest, dass es bei der Antragsgegnerin eine Personalplanung gab und gibt und diese in den Schriftsatz vom 22.09.2020 eingeflossen ist. Demgegenüber ist nichts dafür ersichtlich, dass die Zahlen im Nachhinein „erfunden“ wurden, um das schriftsätzliche Vorbringen zu stützen. Dagegen spricht schon der Umstand, dass beim Antragsgegner die sog. … ausgewiesen ist. Gerichtsbekannt steht diese Abkürzung für „full time equivalent“. Es handelt sich dabei um die geplanten geleisteten Stunden geteilt durch die übliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Zudem erfolgt eine Umrechnung … auf die Köpfe der Mitarbeiter. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht daher keinen Anlass, an der Authentizität der in den vorgelegten Unterlagen dokumentierten Planung zu zweifeln. Einer Einvernahme des von der Antragsgegnerin benannten Zeugen … bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht (mehr).
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c) Da somit zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Schwellenwert von 2000 Mitarbeitern zu keinem Zeitpunkt erreicht oder gar überschritten wurde, kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin regelmäßig mehr als 2000 Mitarbeiter beschäftigt. Vor diesem Hintergrund ist der Anwendungsbereich des MitBestG nicht eröffnet, weshalb dem Antrag des Antragstellers nicht stattgegeben werden konnte.
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3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 23 Nr. 10 GNotKG. Eine Auferlegung der Kosten auf den Antragsteller gem. § 99 Abs. 6 AktG war nicht veranlasst. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Antrag (von Anfang an) offensichtlich unzulässig oder unbegründet war, so dass eine Billigkeitsentscheidung zum Nachteil des Antragstellers nicht veranlasst ist (vgl. Drygala in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 99 AktG Rn. 13, zitiert nach juris). Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 75 GNotKG).