Inhalt

OLG München, Endurteil v. 23.05.2022 – 17 U 2345/21
Titel:

Zivilgerichtliche Behandlung öffentlich-rechtlicher Tatbestände

Normenketten:
ZPO § 322
Art. 35 BayVwVfG
Leitsätze:
1. Ob ein Vertrag nach kommunalrechtlichen Vorschriften genehmigungsbedürftig ist, haben die Zivilgerichte in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verwaltungsakten kommt, sofern sie nicht nichtig sind, grundsätzlich eine sog. Tatbestandswirkung zu, aufgrund derer auch nicht am Verwaltungsverfahren beteiligte Behörden, Gerichte und öffentlich-rechtliche Rechtsträger die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ohne inhaltliche Prüfung ihrer Richtigkeit ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen haben. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommunalrecht, Genehmigungsbedürftigkeit, Verwaltungsakt, Tatbestandswirkung
Vorinstanz:
LG München I, Grund- und Teilurteil vom 13.04.2021 – 3 O 6368/12
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.05.2023 – XI ZR 137/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48702

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schluss- und Endurteil des Landgerichts München I vom 13.04.2021 in den Ziffern 1. und 2. des Tenors teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 4.475.894,28 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 84/100 und die Beklagte 16/100. Von den durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten trägt die Beklagte 16/100. Im Übrigen tragen die Streithelfer die durch die Nebenintervention verursachten Kosten jeweils selbst.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 69/100 und die Beklagte 31/100. Von den durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten trägt die Beklagte 31/100. Im Übrigen tragen die Streithelfer die durch die Nebenintervention verursachten Kosten jeweils selbst.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei bzw. die Streithelfer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
1. -

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Beklagte macht gegen die Klägerin im Wege Widerklage Ausgleich der Saldoforderung aus einem Kontokorrent gelten.
2
Die Klägerin ist eine Große Kreisstadt im Regierungsbezirk O. des Freistaates Bayern. Zuständige Rechtsaufsichtsbehörde für die Klägerin ist das Landratsamt L. Die Beklagte ist eine Privatbank.
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Die Parteien haben einen Kontokorrentvertrag geschlossen (Anlage B 25). Auf dem Kontokorrentkonto Nr. …108 wurden die wechselseitigen Forderungen aus den zwischen den Parteien geschlossenen Swap- bzw. Swapderivategeschäften gebucht. Die Klägerin hat auf den Kontokorrentabschluss vom 31.12.2011, der ausweislich der Aufstellung der Beklagten (Anlage B 81) einen Saldo zugunsten der Beklagten von 672.334,41 € aufwies, am 26.01.2012 672.335 € geleistet. Seitdem sind keine Zahlungen der Klägerin auf das Konto mehr erfolgt.
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Ausweislich der Aufstellung der Beklagten über die Buchungen seit dem 30.12.2011 bis zum 30.12.2020 (Anlage B 81) beläuft sich der Kontokorrentsaldo zum 31.12.2020 auf 5.881.287,44 € und ausweislich der Kontoauszüge für 2021 (Anlagen B 87- B 90) zum 31.12.2021 auf 6.496.681,14 €. Dies stellt die noch streitgegenständliche Widerklageforderung dar.
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Die Saldoforderung setzt sich ausschließlich aus Zinsansprüchen für die Swaps IRS …69 und IRS …02 sowie aus von der Beklagten beanspruchten Sollzinsen zusammen. Die Beklagte hat einen Sollzinssatz in Höhe von 7% zugrunde gelegt (vgl. Anlage B 81, B 36).
6
Das Landgericht hat durch Urteil vom 15.01.2014 (Bl. 570/614 d. A.), auf das Bezug genommen wird, die Klageansprüche vollständig abgewiesen, somit u. a. die Klageanträge
3. Es wird festgestellt, dass der Swap IRS …69 vom 25.06.2008 unwirksam ist und für die Klägerin aus diesem Geschäft in der Zukunft keine Verpflichtungen bestehen.
und
5. Es wird festgestellt, dass die Optionsgeschäfte Ref. …99, …00, …01, …02 und …03 vom 21.05.2008 und die aus diesen Optionen resultierenden Zinsswapgeschäfte IRS …02, …03, …04, …05 und …06 sowie der Swap IRS …69/…68 vom 25.06.2008 unwirksam sind und aus dem Swap IRS …69/…68 in der Zukunft keine Verpflichtungen bestehen.
7
Hinsichtlich der Widerklage hat das Landgericht durch Urteil vom 15.01.2014 wie folgt erkannt:
8
2. Der im Wege der Widerklage geltend gemachte Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Ausgleich des sich zum 30.09.2013 ergebenden negativen Saldos des Kontos Nr. …107 wird dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt.
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Der Senat hat durch Endurteil vom 28.11.2016 die Berufung gegen das Grund- und Teilurteil des Landgerichts vom 15.01.2014 zurückgewiesen und den Rechtsstreit hinsichtlich des Betragsverfahrens der Widerklage an das Landgericht zurückverwiesen. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 28.11.2016 mit Beschluss vom 16.10.2018 (Az. XI ZR 770/16) zurückgewiesen.
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Das Landratsamt L. hat einen Antrag der Klägerin v. 17.12.2018 auf rechtsaufsichtliche Genehmigung der Optionsgeschäfte Ref. …99, …00, …01, …02, …03 v. 21.05.2008 und des Doppelswaps IRS …69/…68 v. 25.06.2008 durch Bescheid v. 21.01.2019 abgelehnt (Anlagen K 121, K 130). Die Beklagte hat gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt und nach dessen Zurückweisung Klage erhoben. Das VG München hat die Klage der Beklagten als unzulässig abgewiesen (Urteil v. 01.07.2020, Anlage B 82). Das Landratsamt L. hat im Schreiben vom 20.11.2020 (Anlage K 129) auf Antrag der Klägerin vom 03.09.2020 (Anlage K 128) festgestellt, dass die Optionsgeschäfte Ref. …99, …00, …01, …02, …03 und der Doppelswap …69/…68 genehmigungsbedürftig, jedoch nicht genehmigungsfähig seien .
11
Die Klägerin meint, dass die Widerklage abzuweisen sei, weil die Swapgeschäfte mangels Genehmigung des Landratsamtes unwirksam seien. Die Rechtskraft des Grund- und Teilurteils vom 15.01.2014 stehe dem nicht entgegen, weil ein anderer Streitgegenstand vorliege und die Bescheide des LRA L. erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ergangen seien. Zudem könne die Rechtskraft des Grundurteils nur den bis zum Erlass des Grundurteils geltend gemachten Betrag und nicht die seitdem geltend gemachten Erweiterungen der Widerklage erfassen.
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Zudem bestreitet die Klägerin die Saldoanerkenntnisse und Salden. Hilfsweise erklärt sie die Aufrechnung mit deliktischen Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagten bei Abschluss des Doppelswaps …69/…68.
13
Das Landgericht hat die Widerklage durch Schluss- und Endurteil vom 13.04.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollständig abgewiesen. Das rechtskräftige Grund- und Teilurteil v. 15.01.2014 stehe der Abweisung wegen der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft nicht entgegen. Die Bescheide des Landratsamtes v. 21.01.2019 und 20.11.2020 stellten einen neuen Sachverhalt dar. Aufgrund der Bescheide stehe fest, dass die Swap-Geschäfte endgültig unwirksam seien.
14
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
15
Die Beklagte beantragt,
1.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 6.496.681,14 € zu zahlen.
2.
Hilfsweise für den Fall, dass die Widerklage der Beklagten (Antrag zu 1) nur in Höhe eines Betrags von mindestens EUR 3.000.000,00 und nicht mehr als EUR 3.993.439,38, ggf. zzgl. gesondert tenorierter Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über Eonia, Erfolg hat, ändern wir den Antrag zu 1. wie folgt ab und beantragen an seiner Stelle widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte EUR 3.993.439,39 zu zahlen zzgl. Zinsen wie folgt:
„- aus dem Betrag von 395.867,93 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA (Euro OverNight Index Average) vom 30. Juni 2012 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013 und Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013,
- aus dem Betrag von 251.224,97 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 30. Juni 2012 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013,
- aus dem Betrag von 426.525,33 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2013 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013,
- aus dem Betrag von 283.220,63 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2013 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013,
- aus dem Betrag von 384.336,47 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 29. Juni 2013 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantragsaus dem Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2013,
- aus dem Betrag von 249.164,47 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2014 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantragsaus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016,
- aus dem Betrag von 228.036,91 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Juli 2014 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrag saus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016,
- aus dem Betrag von 165.748,66 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2015 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016 und Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016,
- aus dem Betrag von 158.560,71 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Juli 2015 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016 und Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016,
- aus dem Betrag von 140.701,47 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2016 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016,
- aus dem Betrag von 137.988,49 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Juli 2016 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2016,
- aus dem Betrag von 136.231,81 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2017 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019,
- aus dem Betrag von 118.753,64 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Juli 2017 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019,
- aus dem Betrag von 115.501,11 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 30. Dezember 2017 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019,
- aus dem Betrag von 112.258,57 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 30. Juni 2018 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019,
- aus dem Betrag von 109.096,61 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2019 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. Februar 2019,
- aus dem Betrag von 102.707,32 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 29. Juni 2019 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2020 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2020,
- aus dem Betrag von 102.785,98 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2020 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2020 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2020,
- aus dem Betrag von 97.969,58 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Juli 2020 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2020 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Oktober 2020,
- aus dem Betrag von 93.395,53 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2021 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 2. Februar 2021 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 2. Februar 2021,
- aus dem Betrag von 93.679,42 EUR Zinsen nach in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Juli 2021 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Februar 2022 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Februar 2022,
- aus dem Betrag von 89.683,81 EUR Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über EONIA vom 1. Januar 2022 bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Februar 2022 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Widerklageantrags aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Februar 2022,
3. Hilfsweise für den Fall, dass die Widerklage der Beklagten (Antrag Nr. 1) nur in Höhe eines Betrags von bis zu 534.445,60 EUR Erfolg hat, beantragen wir des Weiteren widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte weitere 563.500 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Hilfsklageantrags zu verurteilen.“
sowie die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte einen weiteren Betrag von 1.903.423,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Hilfswiderklageantrags zu verurteilen.
16
Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung.
17
Beide Streithelfer beantragen ebenfalls die Zurückweisung der Berufung.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die Hinweise in der Verfügungen vom 30.12.2021, 07.03.2022 und 29.03.2022 sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 28.02.2022 und 25.04.2022 Bezug genommen.
B.
19
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet. Der Beklagten steht die mit dem Hauptantrag geltend gemachte Forderung in Höhe von 4.475.894,28 € zu. Über die Hilfsanträge war nicht zu entscheiden.
20
1. Die Wirksamkeit der noch streitgegenständlichen Swapgeschäfte IRS …69 und IRS
…02 steht gemäß § 322 ZPO aufgrund der rechtskräftigen Abweisung der auf die Unwirksamkeit dieser Swapgeschäfte gerichteten Klageanträge durch das Urteil des Landgerichts vom 15.01.2014 zwischen den Parteien fest (vgl. BGH NJW 1986, 2508, 2509) und ist vom Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
21
Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass der Bescheid des Landratsamtes L. vom 21.01.2019 (Anlage K 121, K 130) und das Schreiben des Landratsamtes L. vom 20.11.2020 (Anlage K 129) erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Senats über die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vom 15.01.2014 ergangen sind.
22
Zwar hindert die Rechtskraft eines Urteils eine neue abweichende Entscheidung nicht, wenn dies durch eine nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetretene Änderung des Sachverhalts veranlasst wird und es kommt auch nicht darauf an, ob die neu eingetretene Tatsache schon früher hätte herbeigeführt werden können (vgl. BGH, Urteil v. 29.09.2017 – V ZR 19/16, juris, Rn. 15). Allerdings kommen in diesem Zusammenhang nur neue Tatsachen in Betracht, die den Sachverhalt verändert haben, der in dem früheren Urteil als für die ausgesprochene Rechtsfolge maßgebend angesehen worden ist. Bei dieser Beurteilung ist von den Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils auszugehen und zu prüfen, ob die neu entstandene Tatsache die dort bejahten oder verneinten Tatbestandsmerkmale beeinflusst (BGH, Urteil v. 29.09.2017 – V ZR 19/16, juris, Rn. 15 m.w.N.). Dies ist hinsichtlich des Bescheids des L. vom 21.01.2019 (Anlage K 121, K 130) und das Schreiben des Landratsamtes L. vom 20.11.2020 (Anlage K 129) nicht der Fall.
23
Ob ein Vertrag nach kommunalrechtlichen Vorschriften genehmigungsbedürftig ist, haben die Zivilgerichte in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (BGH NJW 2016, 3162 Rn. 18, BGH, Urteil v. 04.02.2004 – XII ZR 301/01, NZM 2004, 340). Das Landgericht und der Senat sind in ihren rechtskräftigen Entscheidungen vom 15.01.2014 und 28.11.2016 nach Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Genehmigungsbedürftigkeit nicht gegeben war und die Swap-Geschäfte wirksam sind. Aufgrund der Rechtskraft der Urteile kommt es nicht darauf an, ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist und ob die Prüfung unter allen in Betracht kommenden rechtlich relevanten Aspekten erfolgt ist. Unerheblich ist daher, dass das Landratsamt eine Genehmigungsbedürftigkeit unter dem Aspekt, dass es sich um „verwandte Rechtsgeschäfte“ gemäß Art. 72 Abs. 2 BayGO handelt, angenommen hat und sich Ausführungen dazu im landgerichtlichen Urteil vom 15.01.2014 und im Urteil des Senats vom 28.11.2016 nicht finden, weil die Struktur der Swap-Geschäfte möglicherweise nicht zutreffend erkannt wurde.
24
Der Bescheid des LRA vom 21.01.2019 und/oder das Schreiben des LRA v. 20.11.2020 würden nur dann einen zu berücksichtigende neue Tatschen darstellen, wenn ihnen hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit und nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit Tatbestandswirkung zukäme, was jedoch nicht der Fall ist.
25
Verwaltungsakten kommt, sofern sie nicht nichtig sind, grundsätzlich eine sog. Tatbestandswirkung zu, aufgrund derer auch nicht am Verwaltungsverfahren beteiligte Behörden, Gerichte und öffentlich-rechtliche Rechtsträger die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ohne inhaltliche Prüfung ihrer Richtigkeit ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen haben (BGH, Urteil v. 21.01.2022 – V ZR 76/20, juris, Rn. 16).
26
Daher kommt dem Ablehnungsbescheid vom 21.01.2019 Tatbestandswirkung zu, nach der auch alle anderen Behörden sowie grundsätzlich alle Gerichte und somit auch der erkennende Senat, die Tatsache, dass die beantragte Genehmigung abgelehnt wurde, als maßgebend zu akzeptieren haben. Da die Tatbestandswirkung sachlich nicht weiter reichen kann als die Rechtskraft eines Urteils, umfasst sie jedoch nicht bloße Vorfragen wie die Genehmigungsbedürftigkeit der Verträge (vgl. BGH NZM 2004, 340, 341).
27
Eine Feststellungswirkung über die durch den Versagungsbescheid vom 21.01.2019 hinaus getroffene Regelung dahingehend, dass die Geschäfte genehmigungsbedürftig waren, besteht nur dann, wenn sie gesetzlich angeordnet ist (vgl. BGH NZM 2004, 340, 341). Das ist vorliegend nicht der Fall. Sie ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 72 Abs. 4 iVm Art. 71 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayGO. Dort ist lediglich geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen bzw. zu versagen ist, eine Bindungswirkung hinsichtlich der Vorfrage der Genehmigungsbedürftigkeit der Geschäfte ist dort nicht angeordnet.
28
Eine Tatbestandswirkung hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit der Geschäfte ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Landratsamtes L. vom 20.11.2020 (Anlage K 129). Bei dem Schreiben handelt es sich schon nicht um einen Verwaltungsakt gemäß Art. 35 BayVwVfG. Wie sich bereits daraus ergibt, dass das Landratsamt nicht einen förmlichen Bescheid mit Tenor und Gründen erlassen hat, sondern den Antrag der Klägerin vom 03.09.2020 (Anlage K 128) in reiner Briefform beantwortet hat, wollte das Landratsamt auch keinen Verwaltungsakt erlassen. Ein Verwaltungsakt ist gemäß Art. 35 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit dem Ablehnungsbescheid vom 21.01.2019 (Anlage K 121, K 130) hat das Landratsamt L. über den Antrag der Klägerin auf rechtsaufsichtliche Genehmigung der Optionen Ref. …99-…03 und des Doppelswaps IRS …68/…69 vollumfänglich entschieden. Eine weitere Einzelfallregelung war nicht zu treffen. Wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 03.09.2020 (Anlage K 128) ergibt, diente der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Genehmigungspflichtigkeit und nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit der Geschäfte nur dazu, eine Bindungswirkung hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit und nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit für den vorliegenden Prozess zu erreichen. Die Feststellungswirkung, die dem Ablehnungsbescheid vom 21.01.2019 mangels gesetzlicher Anordnung gerade nicht zukommt, sollte durch die Tatbestandswirkung des beantragten „feststellenden Verwaltungsakts“ erreicht werden. Die einer gesetzlichen Anordnung bedürfende weitergehenden Bindungswirkung eines ablehnenden Verwaltungsakts kann aber nicht dadurch geschaffen werden, dass die erlassende Behörde die dem Bescheid zugrundeliegenden Erwägungen auf Antrag nochmals gesondert feststellt und mitteilt.
29
Hierin liegt keine Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.
30
Soweit die Klägerin hinsichtlich der Tatbestandswirkung des Schreibens vom 20.11.2020 auf die Rechtskraftwirkung von Zwischenfeststellungsurteilen hinsichtlich vorgreiflicher Rechtsverhältnisse verweist, verkennt sie, dass die Rechtskraft eines Zwischenfeststellungsurteils sich nur auf die Parteien erstreckt. Die Klägerin möchte aber durch den ihrer Meinung nach vorliegenden „feststellenden Verwaltungsakt“ gerade eine Bindungswirkung für den Prozess gegen die Beklagte erreichen und dies obwohl der Beklagten gegen die Entscheidung noch nicht einmal eine Klagebefugnis zusteht (vgl. Urteil des VG München vom 01.07.2020, Anlage B 82).
31
Da dem Bescheid des Landratsamts L. vom 21.01.2019 und dem Schreiben des Landratsamts L. vom 20.11.2020 keine Tatbestandswirkung hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit der streitgegenständlichen Swap-Geschäfte zukommt, stellen diese keine neue Tatsachen dar, die den Sachverhalt verändert haben, der in dem Urteil des Landgerichts vom 15.01.2014 und dem Senatsurteil vom 28.11.2016 als für die ausgesprochene Rechtsfolge maßgebend angesehen worden ist. Einer erneuten Prüfung der Wirksamkeit der Swap-Geschäfte steht somit die Rechtskraft der durch Urteil vom 15.01.2014 erfolgten Abweisung der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Swapgeschäfte gerichteten Anträge entgegen.
32
2. Hinsichtlich der bis zum Abschluss vom 30.09.2013 des Kontokorrentkontos Nr. …108 gebuchten Belastungen aus den Swapgeschäften ist die Wirksamkeit der noch streitgegenständlichen Swaps zudem auch aufgrund des rechtskräftigen Grundurteils des LG München I vom 15.01.2014 nicht mehr zu prüfen.
33
3. Bei Zugrundelegung der Wirksamkeit Zinsswapgeschäfte IRS …02 und IRS
…69/…68 steht der Beklagten gegen die Klägerin ein Anspruch in Höhe von 4.475.894,28 € aus dem Kontokorrent Nr. …108 zu.
34
a) Nach den getroffenen Vereinbarungen war die Klägerin verpflichtet, den sich ergebenden Saldo jedenfalls zum Abschluss der Rechnungsperiode jeweils auszugleichen (vgl. S. 44 des Grund- und Teilurteils des Landgerichts vom 15.01.2014), so dass die Beklagte ihren Zahlungsanspruch aus dem ungekündigten Kontokorrent geltend machen kann.
35
b) In der Erhebung der Klage vom 26.03.2012, der Beklagten zugestellt am 23.04.2012, liegt gleichzeitig ein Widerspruch gegen den Kontokorrentabschluss vom 31.03.2012 sowie alle nachfolgenden Kontokorrentabschlüsse des Kontos Nr. …108. Die Beklagte kann den geltend gemachten Anspruch somit nicht auf ein abstraktes Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB stützen.
36
c) Der Beklagten steht aber eine kausale Saldoforderung in Höhe von 4.475.894,28 € zu.
37
aa) Die Höhe der sich bei Wirksamkeit der Swaps IRS …69 und IRS …02 ergebenden und in den Kontokorrent Nr. …108 eingestellten saldierten Fixbeträge ist zwischen den Parteien unstreitig (vgl. S. 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 12.04.2022, Bl. 1594 d. A. und S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2022, Bl. 1626 d. A.). Nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen waren die sich aus dem Zinssatzwap IRS …69 und dem Zinssatzswap IRS …02 jeweils ergebenden saldierten Fixbeträge auf dem Konto Nr. …761-08 zu verbuchen (Anlagen K 38 und K 46).
38
bb) Hinsichtlich der von der Beklagten auf dem Kontokorrentkonto Nr. …108 gebuchten und beanspruchten Kontokorrentzinsen ist die von der Beklagten vorgenommene Berechnung allerdings fehlerhaft, da sie die Zinsen auf der Grundlage eines unzutreffenden Zinssatzes berechnet hat. Die Beklagte hat unter Berufung auf Ziffer 12 (2) ihrer AGB (Anlage B 25) für das Kontokorrentkonto …108 einen Sollzinssatz von 7% zugrunde gelegt. Gemäß Ziffer 12 (2) ihrer AGB bestimmt die Beklagte außerhalb des Privatkundengeschäfts die Höhe von Zinsen und Entgelten nach billigem Ermessen (§ 315 BGB), wenn keine andere Vereinbarung getroffen wurde.
39
Vorliegend haben die Parteien aber in dem von ihnen abgeschlossenen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (Anlage K 7) eine andere Vereinbarung zur Zinshöhe getroffen.
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Gemäß Ziffer 3 (1) des Rahmenvertrages hat jede Partei die von ihr geschuldeten Zahlungen spätestens an den im Einzelabschluss genannten Fälligkeitstagen an die andere Partei zu erbringen und zwar auf das im Einzelabschluss genannte Konto (Ziffer 3 (2) des Rahmenvertrages). Für den Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung haben die Parteien in Ziffer 3 (4) des Rahmenvertrages vereinbart, dass bis zum Eingang der Zahlung des fälligen Betrags Zinsen zu dem Satz berechnet werden, der um den in Nr. 12 Abs. 3 festgelegten Zinszuschlag über dem Zinssatz liegt, den erstklassige Banken für jeden Tag, für den diese Zinsen zu berechnen sind, untereinander für täglich fällige Einlagen am Zahlungsort berechnen.
41
Die Klägerin führt zutreffend aus und dies wird auch seitens der Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei dem vereinbarten Zinssatz um den EONIA (Euro Over Night Index Average) Zinssatz handelt. Den Zinszuschlag haben die Parteien in Ziffer 12 (3) der Rahmenvertrages mit 2% beziffert.
42
Die von den Parteien im Rahmenvertrag vereinbarte Zinshöhe ist auch im Rahmen des Kontokorrents maßgeblich. Das Kontokorrentkonto Nr. …108 diente der Verrechnung der gegenseitigen Zahlungsansprüche aus den Swap- bzw. Swapderivategeschäften. In den Einzelabschüssen wurde hinsichtlich der Fälligkeit der zu zahlenden Beträge auf die Regelungen im Rahmenvertrag verwiesen und hinsichtlich des Kontos, auf das die Zahlungen zu leisten sind, das Kontokorrentkonto Nr. …108 angegeben. Dementsprechend wurden die zu leistenden Zahlungen jeweils am Fälligkeitstag in das Kontokorrentkonto eingestellt und Zinsen ab diesem Zeitpunkt berechnet. Es ist nicht ersichtlich, warum hinsichtlich der Zinshöhe nicht die im Rahmenvertrag getroffene Abrede maßgeblich sein soll. Dass es sich um ein Kontokorrentkonto handelt, steht dem in keiner Weise entgegen. Die Kontokorrentabrede ist hinsichtlich der Zinsen nur insoweit von Bedeutung als das Zinseszinsverbot nicht gilt (§ 355 Abs. 1 HGB).
43
dd) Bei Zugrundelegung der von den Parteien getroffenen Abrede hinsichtlich der Zinshöhe beläuft sich der der Beklagten zustehende Saldo zum 31.12.2021 auf 4.475.894,28 €.
44
Da die Parteien eine vollständige Neuberechnung des Kontokorrents für die Zeit vom 31.12.2011 bis 31.12.2021 trotz Gelegenheit hierzu nicht vorgelegt haben, war die Neuberechnung vom Senat selbst vorzunehmen. Auf die diesem Urteil als Anlage 1 beiliegende Tabelle (51 Seiten) wird verwiesen.
45
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Widerklageforderung hinsichtlich der Kontokorrentzinsen nicht aufgrund der von der Beklagten nicht vorgenommenen Neuberechnung unschlüssig. Die Anregung des Senats in der Verfügung vom 30.12.2021 (Bl. 1491 d. A.) zur Berechnung der Widerklageforderung auf der Grundlage der im Rahmenvertrag getroffenen Regelung diente lediglich dazu, der Beklagten die Möglichkeit zu geben, die Höhe ihrer Widerklageforderung bei Zugrundelegung des vereinbarten Zinssatzes selbst darzulegen. Da die zur Berechnung des Kontokorrents notwendigen Faktoren jedoch bekannt sind, führt die Nichtberechnung durch die Beklagten nicht zur Unschlüssigkeit der Klage.
46
Zur Erläuterung der Berechnungstabelle (Anlage 1 zu diesem Urteil):
47
In der ersten Spalte findet sich das jeweilige Abrechnungsdatum, die zweite Spalte gibt die Zahlung der Klägerin sowie die saldierten Fixbeträge (wenn negativ, dann Forderung zugunsten der Beklagten) wieder.
48
In der dritten Spalte ist der jeweilige EONIA-Tages-Zinssatz zuzüglich 2 Prozentpunkte aufgeführt.
49
Die vierte Spalte gibt den jeweils errechneten Zinsbetrag für die jeweiligen Tagesdifferenzen zum Vorbankentag mit dem Vorbankentags-EONIA zuzüglich 2 Prozentpunkte auf der Basis von 365/366 Tagen pro Jahr wieder. Hinsichtlich dieses „Jahresquotienten“ war eine hiervon abweichende Vereinbarung der Parteien in den vorgelegten Unterlagen nicht aufzufinden. Ziffer 6 des Rahmenvertrages der Parteien (Anlage K 7) regelt den Fall für die zu zahlenden Kontokorrentzinsen nicht.
50
In der fünften Spalte wird jeweils zum Quartalsende saldiert und dieser Saldo als Basis für die Zinsberechnung für das nächste Quartal verwendet.
51
Der EONIA-Satz wurde der Internetseite der Deutschen Bundesbank als amtliche Verlautbarung als Excel-Liste entnommen und kann mit den einschlägigen Suchmaschinen unter dem Suchbegriff „BBK01.St0304“ problemlos aufgefunden werden (vgl. Verfügung vom 29.03.2022, Bl. 1561 d. A.).
52
Am 26.01.2012 hat die Klägerin die letzte Zahlung auf den Kontokorrent geleistet in Höhe von € 672.335,00. Die bis dahin aufgelaufenen Zinsen sind in der vierten Spalte banktageweise berechnet, mit der Zahlung aber nicht verrechnet, da nach dem Vortrag der Parteien die Klägerin auf die Hauptschuld bezahlt hat. Dementsprechend ist für die Folgetage bis zum 31.03.2012 mangels offener Hauptforderung keine weitere Zinslast ausgewiesen.
53
Mangels vertraglicher Regelung wurden die Tageszinsbeträge nicht gerundet. Erst beim Abschlusssaldo zum Quartalsende wurden die Beträge auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet.
54
4. Die Saldoforderung der Beklagten ist auch nicht durch die seitens der Klägerin erklärte Hilfsaufrechnung mit deliktischen Ansprüchen wegen des Abschlusses des Doppelswaps IRS …69/…68 erloschen. Die Klägerin stützt diese Ansprüche auf einen vorsätzlichen Verstoß gegen die guten Sitten der Beklagten als Vertragspartner bei Vertragsabschluss (vgl. S. 23 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 29.01.2019, Bl. 1255 ff. d. A.). In dieser Konstellation steht auch den geltend gemachten deliktischen Ansprüchen gegen die Beklagte als Vertragspartner die rechtskräftig feststehende Wirksamkeit des Doppelswaps IRS …69/…68 entgegen. Soweit die Klägerin meint, die Frage des kollusiven Zusammenwirkens der Beklagten mit der damaligen H. F. M. GmbH in Gestalt von verschwiegenen Provisionszahlungen sei von der Rechtskraft nicht erfasst, weil dieser Vortrag erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 07.11.2016 in das Verfahren eingebracht worden sei (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2022, Bl. 1627 d. A.), wird auf den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin z. B. bereits im Schriftsatz vom 26.09.2016 (dort. S. 16, Bl. 1083) verwiesen.
55
5. Über die Hilfswiderklagen war mangels Bedingungseintritts nicht zu entscheiden, da die Widerklage in Höhe eines Betrags von mehr als 3.993.439,38 € Erfolg hat.
56
6. Die Erteilung (weiterer) Hinweise gemäß § 139 ZPO war nicht veranlasst. Zu den aus Sicht des Senats für den Fall relevanten Fragen wurde schriftsätzlich umfassend vorgetragen und diese wurden in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2022 mit den Parteien nochmals eingehend erörtert.
C.
57
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO. Bei der Kostenentscheidung für die erste Instanz war die rechtskräftig abgewiesene Klage (Streitwert 4.289.998,68 €) mit zu berücksichtigen sowie, dass die erstinstanzlich in Höhe von 5.881.287,44 € geltend gemachte Widerklage (Saldo vom 31.12.2020) in Höhe von 4.227.315,17 € (vgl. als Anlage 1 diesem Urteil beigefügte Tabelle) begründet war.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.