Titel:
Gerichtliche Zuständigkeit bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Auszahlung von Eigengeld eines Gefangenen
Normenketten:
StVollzG § 109, § 110, § 112
BayStVollzG Art. 52
Leitsatz:
Wird gegenüber der Justizvollzugsanstalt ein Anspruch auf Auszahlung von Eigengeld des Gefangenen geltend gemacht, betrifft der Streitgegenstand eine Vollzugsmaßnahme iSd §§ 109 ff. StVollzG, über deren Entscheidung die Strafvollstreckungskammer berufen ist (Abgrenzung zu OLG Nürnberg BeckRS 1999, 31344563). (Rn. 10 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eigengeld, Justizvollzugsanstalt, Auszahlung, gerichtliche Zuständigkeit, Strafvollzug, Vollzugsmaßnahme
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 03.01.2023 – 203 StObWs 412/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48389
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.12.2021 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 130.338,88 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Erblasser der Antragsteller befand sich – letztmalig vom 26.08.2020 bis 15.10.2020 als Zivilhaft und – letztmalig vom 13.12.2019 bis zum 10.01.2020 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Bamberg. Während mehrerer vorangegangenen Inhaftierungen sammelte der Erblasser der Antragsteller insgesamt 130.338,88 € an Eigengeld auf seinem Gefangenengeldkonto. Zur detaillierten Auflistung der Inhaftierungszeiten und Zusammensetzung der Einzahlungen des ehemals Inhaftierten wird auf den Akteninhalt, insbesondere den Schriftsatz der Vertretung der Justizvollzugsanstalt, Bl. 14ff., zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
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Bei den Antragstellern handelt es sich um Erben des am 09.04.2021 verstorbenen ehemals Inhaftierten. Mit Schriftsatz vom 21.12.2021, eingegangen beim Landgericht Bamberg am selben Tag, erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller zivilrechtliche Klage zum Landgericht Bamberg mit dem Antrag den Freistaat Bayern, vertreten durch die Justizvollzugsanstalt Bamberg, als Beklagte zur Zahlung des gesammelten Eigengeldes in Höhe von 130.338,88 € nebst Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Kostentragung des Rechtsstreits zu verurteilen.
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Bereits zuvor hatten die Antragsteller außergerichtlich die Justizvollzugsanstalt mit Schreiben vom 15.06.2021 um Überprüfung der den Antragstellern zustehenden Auszahlungsansprüche gebeten. Mit Schreiben vom 07.09.2021 teilte die Justizvollzugsanstalt den Antragstellern zum einen die Eigengeldbeträge des Erblassers mit, zum anderen lehnte die Anstalt die Auszahlung der geforderten Geldbeträge bereits in diesem Schreiben ab. Mit Schreiben vom 07.10.2021 forderte der Vertreter der Antragsteller die Anstalt wiederum zur Information über den Verbleib des Eigengeldes des Erblassers auf. Mit Replik vom 25.10.2021 erteilte die Justizvollzugsanstalt wiederum Auskunft über Inhaftierungszeiten und Kontenbewegungen des Erblassers mit und lehnte wiederum das Bestehen jeglicher Auszahlungsansprüche ab. Hierauf setzte der Vertreter der Antragsteller mit Schreiben vom 02.11.2021 letztmalig der Anstalt eine Frist bis 15.11.2021 zur Auszahlung des „Restbetrages“.
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Auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen der Beteiligten wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Bis zur Klageerhebung mit Schriftsatz vom 21.12.2021 erfolgte kein weiterer Schriftverkehr.
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Mit Beschluss vom 11.05.2022 hat die 4. Zivilkammer die Sache wegen funktioneller Unzuständigkeit an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bamberg abgegeben. Die Vertretung der Antragsteller hatte selbst (hilfsweise) die Verweisung an die Strafvollstreckungskammer beantragt.
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Nach Übernahme durch die Strafvollstreckungskammer hat die Justizvollzugsanstalt mit Schreiben vom 19.05.2022 die kostenpflichtige Verwerfung des Antrags als unzulässig da verfristet, § 112 Abs. 1 StVollzG, beantragt. Die Antragsteller, denen noch einmal rechtliches Gehör gewährt wurde, haben mit Schreiben vom 11.07.2022 insbesondere vorgetragen, § 112 Abs. 1 StVollzG für nicht anwendbar zu halten.
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Auch hier wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Akten- und Anlageninhalt verwiesen.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109ff. StVollzG ist als unzulässig, da nicht innerhalb der nach § 112 Abs. 1 StVollzG maßgeblichen Frist erhoben, zu verwerfen.
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1. Bei der angegriffenen Verfügung über das Eigengeld des Gefangenen handelt es sich um eine Vollzugsmaßnahme i.S.d. §§ 109 ff. StVollzG über deren Entscheidung die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bamberg berufen ist, § 110 StVollzG.
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Die Klägerseite richtet sich als Beklagte alleine gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch die Justizvollzugsanstalt Bamberg. Im vorliegenden Verfahren hängt von der Rechtsnatur der Ablehnung der Auszahlung des (klagegegenständlichen) Eigengeldes und damit der Überführung des Eigengeldes des Erblassers an die Landesjustizkasse die Zulässigkeit des von deren Prozessbevollmächtigten am 21.12.2021 gestellten Antrags – und damit auch eine Entscheidungsbefugnis der Strafvollstreckungskammer – ab.
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Wird bei Verfügungen der Anstalt über Hausgeld des Gefangenen (Art. 50 BayStVollzG) uneingeschränkt die Qualifizierung dieser Handlung als Vollzugsmaßnahme i.S.d. §§ 109 ff. StVollzG bejaht, begegnet die Einordnung der aus der Führung und Verwaltung des Eigengeldes des Gefangenen erwachsenen Beziehungen unterschiedlichen Auffassungen, wenn auch überwiegend bei Maßnahmen des Anstaltsleiters, die das Eigengeld des Gefangenen betreffen, grundsätzlich der Rechtsweg nach §§ 109 ff. StVollzG bejaht wird (vgl. u.a. KG, Beschluss vom 9. 5. 2003 – 3 Ws 135/03 Vollz, OLG Frankfurt, StV 1994, 384; OLG Hamburg, ZfStrVo 1995, 370).
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Die Kammer schließt sich dieser Auffassung im vorliegenden Fall an: Eingebrachtes Geld des Gefangenen wird diesem gem. Art. 52 Abs. 1 S.1 BayStVollzG (§§ 52, 83 Abs. 2 S. 2 StVollzG) als Eigengeld gutgeschrieben. Maßgeblich für die Auffassung der Kammer ist daher, dass die daraus zwischen Anstalt und Gefangenen erwachsenden Beziehungen demnach nicht durch freiwillige Vereinbarungen der Beteiligten, sondern alleine aufgrund einseitiger Bestimmungen des (Bayerischen) Strafvollzugsgesetzes entstehen.
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Dem Eigengeld werden darüber hinaus nicht nur eingebrachte Geldbeträge gutgeschrieben, in dieses fließen vielmehr auch weitere Bezüge des Gefangenen direkt aus dessen Vollzugsverhältnis, soweit diese nicht nach den in Art. 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayStVollzG gesetzlich geregelten Bestimmungen in Anspruch genommen werden. Für die Zuordnung der aus Führung und Verwaltung des Eigengeldes entstammenden Ansprüche zu den Vollzugsmaßnahmen streitet weiter, dass dessen Verwendung wiederum durch Regelungen des BayStVollzG beschränkt wird, um vom Gesetzgeber vorgesehen Vollzugsbedingungen und -ziele zu erreichen, vgl. etwa Art. 24 Abs. 1, Abs. 3 BayStVollzG, Art. 52 Abs. 2 BayStVollzG, siehe auch BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth BayStVollzG Art. 52 Rn. 2.
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Soweit dies beispielsweise das OLG Nürnberg in dessen Beschluss v. 29.01.1999, Az.: Ws 1531/98, anders beurteilt, steht dies der Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall nicht entgegen. Das Oberlandesgericht stützt seine Einschätzung im vorgenannten Fall – wie auch andere, gleichlautende, Entscheidungen – maßgeblich darauf, dass der Gefangene sich gegen Forderungen Dritter, im vorgenannten Fall der Landesjustizkasse, gegenüber seinem Eigengeld zur Wehr setzt. Diese nicht dem Vollzugsverhältnis entstammenden Beziehungen zwischen Dritten und Gefangenen würden nicht durch die Eigenschaft des Kostenschuldners als Strafgefangenen zu Maßnahmen auf dem Gebiet des Strafvollzugs. Die – in diesem Fall – Landesjustizkasse werde nicht durch die Gefangeneneigenschaft des Schuldners zur Vollzugsbehörde i.S.d. §§ 109 ff. StVollzG.
16
Anders liegt dies jedoch im vorliegenden Fall. Der in der gegenständlichen Klageforderung angeführte Betrag i.H.v. 130.338,88 EUR wurde nicht durch Dritte, sondern vielmehr durch die Strafvollzugsanstalt selbst nach der Entlassung des Erblassers und dessen Weigerung zur Auszahlung am 28.10.2013 auf die Buchungsstelle 04 05/119 49 bei der Landesjustizkasse einbezahlt (und erst von dort in den Staatshaushalt abgeführt).
17
Eine andere Auffassung ist auch nicht durch den Status der Antragsteller als Erben des ehemals Inhaftierten veranlasst. Für eine Antragsberechtigung ist der Gefangenenstatus des Antragstellers ohne Bedeutung, vgl. u.a. Arloth/Krä/Arloth StVollzG § 109 Rn. 2, § 111 Rn. 1 u.2.
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2. Der Antrag der Antragsteller vom 21.12.2021 ist schließlich verfristet i.S.d. § 112 Abs. 1 StVollzG.
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Voraussetzung des Ingangsetzens der normierten zweiwöchigen Antragsfrist ist die schriftliche Bekanntgabe der Ablehnung der beantragten Maßnahme. Bereits mit Schreiben vom 07.09.2021 erteilte die Justizvollzugsanstalt der Vertretung der Antragsteller Auskunft über den in der Klage vom 21.12.2021 genannten offenen Eigengeldbetrag und lehnte dessen Erstattung ab. Selbst wenn man den darauf folgenden Schriftsatz der Antragsteller vom 07.10.2021 als erstmalige Auszahlungsaufforderung an die Anstalt begreift, so qualifiziert sich wiederum deren Schreiben vom 25.10.2021 in jedem Fall als schriftliche Ablehnung der geforderten Auszahlung. Eine Begründung der Ablehnung ist beide Male erfolgt, vgl. Arloth/Krä/Arloth StVollzG § 112 Rn. 2 mwN.
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Da die Antragsteller mit Schreiben ihrer Vertretung vom 02.11.2021 unter expliziter Bezugnahme auf die Ablehnung vom 25.10.2021 reagierten, geht die Kammer in jedem Fall von einem Erhalt der schriftlichen Ablehnung mit Gründen jedenfalls am 02.11.2021 aus.
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In jedem Fall war daher mit Klageerhebung am 21.12.2021 die Zweiwochenfrist des § 112 Abs. 1 StVollzG abgelaufen.
22
Die Auffassung der Vertretung der Antragsteller, wonach § 112 Abs. 1 StVollzG dem Sinn und Zweck nach nicht anwendbar sei liegt nicht im Ermessen der Strafvollstreckungskammer. Eine planwidrige Regelungslücke ist angesichts der vom Gesetzgeber normierten Ausnahmen (Geltung nicht für Feststellungs- oder Unterlassungsantrag, vgl. zudem auch § 113 Abs. 1 StVollzG) nicht ersichtlich.
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3. Gründe für eine Wiederseinsetzung i.S.d. § 112 Abs. 2, 3 u. 4. StVollzG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
24
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1 bis 3 GKG.