Titel:
Klage gegen Beseitigung von Straßenbaumaßnahmen
Normenketten:
VwGO § 91, § 92 Abs. 1 S. 2
BayStrWG Art. 17
Leitsätze:
1. Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung liegt dann vor, wenn sie die Möglichkeit bietet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen, keine erhebliche Verzögerung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits nach sich zieht und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gesetzgeber trägt mit Art. 17 Abs. 1 BayStrWG dem Umstand Rechnung, dass die öffentliche Hand die Verkehrserschließung in erster Linie an öffentlichen Interessen orientiert und jeder einzelne Eigentümer für die Erschließung seines Grundstücks zunächst selbst zu sorgen hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Eigentümer eines Grundstücks verfügen über keine Rechtsposition, die es ihnen erlauben würde, die faktische Erhöhung des Gehwegs an ihrem Grundstück mit Erfolg anzugreifen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Unterbrechung auf Dauer gem. Art. 17 Abs. 2 BayStrWG liegt nur dann vor, wenn das Grundstück völlig von der Straße abgeschnitten wird und dadurch seine Erschließung verliert. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine erhebliche Erschwernis iSd Art. 17 Abs. 2 BayStrWG liegt vor, wenn das betroffene Grundstück nur unter Überwindung eines erheblichen Höhenunterschiedes zwischen der Straße und dem Anliegergrundstück erreicht werden kann und deshalb nicht unerhebliche bauliche Anpassungsmaßnahmen notwendig werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Folgenbeseitigung, Erhöhung der Straße, Erhöhung des Gehwegs, Beeinträchtigung der Zufahrt, Anliegergebrauch, Anpassungsmaßnahmen, Überbauung, Unverhältnismäßigkeit der Folgenbeseitigung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.05.2023 – 8 ZB 22.2586
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48386
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR angesetzt.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Folgenbeseitigung einer vorgenommenen Erhöhung der Straße und des Gehweges im Bereich der Zufahrt zum klägerischen Grundstück und weiterer straßenbaulicher Maßnahmen.
2
Das Grundstück (Flur-Nr. … der Gemarkung O.) des Ehepaares … (Kläger) befindet sich in der … Auf dem Grundstück befindet sich ein Wohnhaus sowie ein Garagengebäude. Die „…straße“ in W. ist eine Kreisstraße (FO ...) und zugleich Ortsdurchfahrt. Im Rahmen eines Bauantrages (…) – Wohnhauserweiterung zum Zweifamilienhaus mit Garagengebäude – wurde den Klägern am 8. Januar 1986 u.a die Auflage erteilt, die bestehende Zufahrt auf einer Länge von mindestens 6,0 m, gemessen vom Fahrbahnrand der Kreisstraße FO …, sowie einer Breite von 3,0 m straßenmäßig zu befestigen und mit einem staubfreien Belag zu versehen. Bisher wurde die Zufahrt zum klägerischen Grundstück nicht aufforderungsgemäß befestigt.
3
Die Fahrbahndecke der gegenständlichen Kreisstraße FO … wurde infolge von Baumaßnahmen durch den Landkreis F. gegenüber dem Ursprungszustand erhöht. Die Gemeinde W. (im Folgenden: Gemeinde) errichtete außerdem in einem Teilbereich der …straße im Ort W. am rechten Fahrbahnrand in Fahrtrichtung der B … auf der Seite des entlang der Straße verlaufenden …baches ab Haus Nr. … bis Haus Nr. … einen Gehweganbau mit Verrohrung des Baches beginnend am Grundstück der Kläger. Der Gehweganbau durch die Gemeinde wurde mit dem Landkreis F. (im Folgenden: Landkreis) vereinbart. Im Rahmen der Vereinbarung zwischen dem Landkreis – Straßenbauverwaltung – und der Gemeinde vom 12. Januar 2018 verpflichtete sich die Gemeinde, entlang der Kreisstraße FO … nach Maßgabe der beiliegenden Pläne einen Gehweg zu errichten (vgl. insbesondere § 1 der Vereinbarung). Gemäß § 5 dieser Vereinbarung übernimmt die Gemeinde die Baulast und stellt den Landkreis von Ansprüchen Dritter frei, die aus dem Bau und Bestand aller vorgesehenen Maßnahmen resultieren. Ein Gehwegteilbereich, unter anderem der Bereich des klägerischen Grundstücks, wurde infolge dieser Baumaßnahmen um 12 cm erhöht. Hierbei erfolgte eine Überbauung des Gehwegs auf dem klägerischen Grundstück. Weiterhin errichtete die Gemeinde auf dem Grundstück der Kläger an der Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück (Flur-Nr. … der Gemarkung O.) eine Mauer. Der Überbau der Mauer in das klägerische Grundstück betrifft mindestens – soweit unstreitig – 0,04 qm. Die Gemeinde bot den Klägern mit Schreiben vom 27. August 2019 an, die durch den Gehweg überbaute Fläche zum ortsüblichen Quadratmeterpreis von 120 EUR/qm zu erwerben. Außerdem wurde den Klägern ein Abspechten des Mauerüberbaus angeboten. Auf diese Angebote sind die Kläger bisher nicht eingegangen.
4
Mit rechtsanwaltlichem Schriftsatz vom 11. Mai 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 12. Mai 2020, ließen die Kläger Klage gegen die Gemeinde, Beklagte zu 1), und den Freistaat Bayern, zunächst Beklagter zu 2), erheben mit folgendem Antrag:
1. Die Beklagten werden verurteilt, die vorgenommene Erhöhung im Bereich der Zufahrt zum klägerischen Grundstück …, Flurnummer …, um insgesamt mindestens 30 cm zu beseitigen.
2. Die Beklagten werden hilfsweise verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es den Klägern ermöglicht, die auf ihrem Grundstück befindliche Garage wieder zu befahren.
3. Die Beklagten werden weiterhin hilfsweise verurteilt, geeignete Abhilfemaßnahmen unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ergreifen.
5
Die Kläger behaupten, infolge der Straßen- und Gehwegbaumaßnahmen sei eine Erhöhung der Straße und des Gehweges um mindestens 30 cm im Bereich des klägerischen Grundstücks erfolgt. Der Verlauf der Kreisstraße sei um mindestens 19 cm und der Gehweg um mindestens weitere 12 cm erhöht worden. Als Folge der Erhöhung sei die erste auf dem Grundstück der Kläger befindliche Garage aufgrund der hierdurch entstandenen Schräge nicht mehr befahrbar. Die Kläger meinen, hieraus ergebe sich ein Folgenbeseitigungsanspruch.
6
Die Kläger haben ihr Begehren zunächst auf einen Folgenbeseitigungsanspruch in Bezug auf die Erhöhung der Kreisstraße gegen den Landkreis F. sowie auf die Erhöhung des Gehweges gegen die Gemeinde W. gestützt.
7
Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 haben die Kläger die Klage auf Folgenbeseitigung des Grundstücksüberbaus durch den Gehweg sowie auf Folgenbeseitigung des Überbaus des Grundstücks durch die Errichtung einer Mauer an der Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück gegen die Gemeinde W. erweitert. Die Beklagte zu 1) habe im Bereich des klägerischen Grundstücks auf der gesamten Grundstücksbreite den Gehweg an der Grenze um circa 20 cm überbaut. Außerdem habe die Beklagte zu 1) im dortigen Grundstücksbereich eine Mauer errichtet, die im vorderen Bereich mit einer Tiefe von circa 2 m schräg auf das klägerische Grundstück gezogen worden sei, da sie nicht senkrecht geführt worden und deshalb auf das klägerische Grundstück abgeknickt sei. Deshalb sei die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 1. August 2019 zu einer entsprechenden Beseitigung bis zum 22. August 2019 – mit Fristverlängerungen bis zum 4. Oktober 2019 und dann bis zum 22. Oktober 2019 – aufgerufen worden, die bisher nicht erfolgt sei, weshalb Klage geboten sei.
8
Die Kläger beantragen deshalb weiterhin:
5. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die von ihr vorgenommene Überbauung des Gehwegs auf dem klägerischen Grundstück Flur-Nr. … mit einer Breite von ca. 20 cm auf der gesamten Grundstücksbreite zu entfernen.
6. Die Beklagte zu 1) wird weiterhin verurteilt, die dort von ihr auf dem Grundstück der Kläger an der Grundstücksgrenze der Grundstücke Flur-Nr. … zum Nachbargrundstück Flur-Nr. … dort auf einer Tiefe von ca. 2 m auf dem klägerischen Grundstück errichtete Mauer zu entfernen.
9
Für den Freistaat Bayern nahm das Landratsamt F. Stellung. Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 wies das Landratsamt darauf hin, dass Straßenbaulastträger der streitgegenständlichen Kreisstraße der Landkreis F. und nicht der Freistaat Bayern sei. Deshalb sei eine gegen den Freistaat Bayern gerichtete Klage unzulässig. Einer Klageänderung durch Wechsel des Beklagten werde widersprochen. Weiterhin halte man auch eine Klage gegen den Landkreis F. für unzulässig, da die Veränderung der Fahrbahndecke allenfalls eine mittelbare Ursache für die Zufahrtssituation des klägerischen Grundstücks sei, die sich nicht als Realakt darstelle, der dem Landkreis F. zurechenbar sei. Darüber hinaus sei eine Klage gegen den Landkreis F. unbegründet, da die Kreisstraße nur um 3 – 5 cm erhöht worden sei und die Änderungen der Zufahrtssituation des klägerischen Grundstücks allein auf dem Gehweganbau beruhten. Verwiesen werde auf ein Urteil des BGH vom 2. Juli 1959 (III ZR 76/58 – NJW 1959, 1776), demgemäß eine den Wert des Grundeigentums mindernde Beeinträchtigung der Benutzbarkeit des Anliegergrundstücks dann nicht vorliege, wenn die Erhöhung der Straßendecke über ein angrenzendes Grundstück geringfügig ist und der Höhenunterschied mit geringen Mitteln ausgeglichen werden könne, etwa durch eine einfache Erdaufschüttung, durch Verlegen eines Balkens oder einiger Bretter.
10
Die Beklagte zu 1) beantragt mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
11
Die Beklagte zu 1) führt aus, der Bau des Gehweges diene der Verbesserung der Verkehrssicherheit, so dass Schulkinder auf ihrem Schulweg nicht auf der Straße laufen müssten und eine Trennung der Verkehrsarten herbeigeführt werden könne. Die Erhöhung des Gehwegs am klägerischen Grundstück sei erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass Oberflächenwasser auf dieses Grundstück fließe. Die Zufahrt zum klägerischen Grundstück sei durch den Bau des Gehweges nicht verändert worden. Die Beklagte zu 1) meint, es liege deshalb bereits keine Beeinträchtigung des Anliegergebrauchs vor, da ein Befahren des Grundstücks der Kläger nach wie vor möglich sei. Auch seien die Garagen befahrbar. Es gäbe keinen Anspruch auf optimale Zufahrt zu einer Garage. Das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs werde nur in seinem Kernbereich geschützt. Insbesondere gehöre die uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück nicht zu dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs. Der durch Art. 14 Abs. 1 GG vermittelte Schutz erstrecke sich deshalb in der Regel nur auf den notwendigen Zugang und böte keinen Schutz vor Einschränkungen oder Erschwernissen bei den Zufahrtsmöglichkeiten, so die Ausführungen der Beklagten zu 1). Der Anliegergebrauch vermittle weder eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße noch gewährleiste er die Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zu- und Abgangs. Die Garagen seien außerdem bereits ursprünglich unterhalb des Straßenniveaus errichtet worden. Der infolge der Erhöhung des Gehwegs eintretende zusätzliche Rangieraufwand zum Befahren der Garage sei hinzunehmen. Dem Zustand könne durch Pflasterung des Vorplatzes der Garagen abgeholfen werden.
12
Im Hinblick auf die Überbauung des Gehwegs führt die Beklagte zu 1) aus, diese beschränke sich bei großzügiger Berechnung auf eine Fläche von insgesamt nur 6 qm. Der Rückbau des Gehweges stehe außer Verhältnis zur geringfügigen Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger. Der Rückbau des Gehsteigs auf dieser Fläche erscheine aus Kostengesichtspunkten außer Verhältnis hinsichtlich der durch den Überbau entstandenen Eigentumsbeeinträchtigung. Bei dem gegenständlichen Teilstück handele es sich um die von den Klägern überwiegend als Einfahrt genutzte Grundstückseite, welche zu diesem Zweck ohnehin zu befestigen sei, gerade da die Kläger selbst auf die Notwendigkeit einer breiten Einfahrt und den Rangieraufwand zum Anfahren ihrer Garagen hingewiesen hätten. Hier sei ein zuvor geschotterter Grundstücksbereich gepflastert und damit sogar aufgewertet worden. Der Eigentumseingriff stelle sich deshalb als geringfügig dar und eine finanzielle Entschädigung sei angemessener als ein Rückbau. Der Überbau der Mauer erstrecke sich entgegen den Ausführungen der Kläger lediglich auf eine Fläche von 0,04 qm, was sich aus den Feststellungen des Vermessungsamtes B., Außenstelle F., ergebe. Einem Schriftsatz der Beklagten zu 1) an die Kläger vom 27. August 2019 kann weiterhin entnommen werden, dass nach Aussage des Vermessungsamtes auch eine Überbauung der klägerischen Garage, insbesondere der Dachrinne, zum Nachbargrundstück Fl. Nr. … der Gemarkung O. vorliege.
13
Mit Schriftsatz vom 13. August 2020 entgegnen die Kläger, die tatsächliche Erhöhung der Straße und des Gehweges liege bei mindestens 30 cm. Eine Erhöhung sei mit den Klägern nicht abgesprochen worden. Außerdem sei eine solche auch nicht notwendig gewesen, da auch vor der Durchführung der Baumaßnahmen kein Oberflächenwasser von der Straße auf das Grundstück der Kläger geflossen sei. Deshalb sei auch bei einer Beibehaltung des bisherigen Straßenniveaus nicht mit einem Zufluss von Wasser auf das klägerische Grundstück zu rechnen gewesen. Außerdem hätte man einen Zufluss von Wasser auch durch andere Maßnahmen, wie etwa dem Anbringen eines Gullys oder der Schaffung eines Zulaufs zu dem am Grundstück verlaufenden Bach, vermeiden können. Die Zufahrt zu dem klägerischen Grundstück sei sehr wohl verändert worden. Die Erhöhung habe dazu geführt, dass die erste der Garagen auf dem Grundstück aufgrund der vorliegenden Rampenbildung nicht mehr befahrbar sei, nachdem aufgrund dieser Rampenbildung bei einem Einschlagen, um in die Garage einzufahren, Fahrzeuge aufsitzen und beschädigt würden. Dies ließe sich auch nicht durch eine Pflasterung des Garagenvorplatzes vermeiden, nachdem sich das Höhenniveau der Garagen selbst nicht ändern lasse. Es sei unzutreffend, dass vor der Baumaßnahme bereits ein Rangieraufwand vorgelegen habe, um die Garagenanlage zu befahren. Eine staatliche Behörde sei außerdem nicht befugt, unberechtigt fremdes Eigentum in Anspruch zu nehmen, auch nicht, wenn dies lediglich 6 qm betreffe. Kostengesichtspunkte spielten bei einer unberechtigten Inanspruchnahme fremden Eigentums keine Rolle. Es liege hier kein geringfügiger Eigennutzeingriff vor. Entsprechendes gelte für den Überbau der Mauer. Die Kläger gingen hier von einer in Anspruch genommenen Fläche von jedenfalls 0,5 qm aus.
14
Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2020 führte der Klägerbevollmächtigte aus, sofern der Beklagte zu 2) der Auffassung sei, nicht als Staatsbehörde, sondern in eigener Zuständigkeit als Kreisbehörde gehandelt zu haben, werde das Rubrum dahingehend berichtigt, dass es sich bei dem Beklagten zu 2) um den Landkreis F. handele.
15
Am 11. August 2022 hat die Berichterstatterin als beauftragte Richterin einen Ortstermin zur Inaugenscheinnahme der klägerischen Grundstückssituation durchgeführt. Ein Vorschlag des Gerichts zur gütlichen Einigung in Form eines Vergleichs vom 12. September 2022 wurde seitens der Kläger mit Schriftsatz vom 20. September 2022 abgelehnt.
16
Mit gerichtlichem Schreiben vom 21. Oktober 2022 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere des Protokolls über die Einsichtnahme eines Augenscheins vom 11. August 2022, und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
19
Der mit Schriftsatz vom 16. Juni 2020 gestellte Rubrumsberichtigungsantrag der anwaltlich vertretenen Kläger wird dahingehend ausgelegt, dass diese einen Parteiwechsel auf Seiten des Beklagten begehren, indem der Freistaat Bayern durch den Landkreis F. als Beklagter ersetzt wird, sodass nunmehr der Landkreis F. Beklagter zu 2) des hiesigen Verfahrens ist. Es handelt sich dabei nicht um eine bloße Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne des § 118 VwGO. Danach können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht berichtigt werden. Bei der Bezeichnung des Freistaates Bayern als Beklagter im Klageschriftsatz vom 11. Mai 2020 handelt es sich nicht um eine solche Unrichtigkeit. Vielmehr wurde der Freistaat Bayern unter der Annahme, das Landratsamt habe im streitgegenständlichen Verfahren als Kreisverwaltungsbehörde, mithin als Staatsbehörde des Freistaates Bayern gehandelt, gezielt als Beklagter ausgewählt. Dabei können sich die Kläger auch nicht auf § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 VwGO berufen, wonach zur Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde genügt. Daraus folgt lediglich, dass im Falle der Benennung der Behörde Landratsamt als Beklagte eine Auslegung seitens des Gerichts erfolgt, ob das Landratsamt als Kreisbehörde (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (Landkreisordnung – LKrO)) – hier wäre der Landkreis richtiger Beklagter – oder als Staatsbehörde (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO) – hier wäre der Freistaat Bayern richtiger Beklagter – gehandelt hat. Vorliegend wurde nicht nur die Behörde als Beklagte bezeichnet, sondern der Freistaat Bayern als Beklagter benannt. Es handelt sich folglich um einen Wechsel des Beklagten, der nach Ansicht der Rechtsprechung sowie des Schrifttums wie eine Klageänderung zu behandeln ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.1993 – 7 B 158/92 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 11.2.1999 – 4 C 99.227 – juris Rn. 11; OVG LSA, B.v. 20.5.2009 – 2022/09 – juris Rn. 5; Wolff in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 91 Rn. 18; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 42. EL Februar 2022, § 91 Rn. 39). Zum Wesen der Klageänderung gehört es, dass das Prozessrechtsverhältnis in geänderter Form fortgesetzt wird. Die Anwendung der Erledigungs- oder Rücknahmevorschriften ist daneben grundsätzlich nicht notwendig oder möglich (a.A. vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 22), sodass es auf eine etwaige Zustimmung des als Beklagter ausscheidenden Freistaates Bayern gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht ankommt. Das Gericht hält die Klageänderung für sachdienlich. Die Sachdienlichkeit ist objektiv im Hinblick auf die Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen und liegt dann vor, wenn die Klageänderung die Möglichkeit bietet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen, keine erhebliche Verzögerung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits nach sich zieht und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2009 – 9 B 20/09 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 8 B 20.2352 – juris Rn. 22). So verhält sich der Sachverhalt in der vorliegenden Konstellation. Der Streitstoff – die geltend gemachten Ansprüche auf Rückbau des Gehwegs sowie auf Entfernung der Mauer – bleibt, auch wenn er sich gegen den Landkreis als Beklagten zu 2) richtet, derselbe.
20
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Den Klägern stehen die von ihnen geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten nicht zu.
21
1. Im Hinblick auf den Klageantrag 1), mit dem eine Verurteilung der Beklagten zur Beseitigung der vorgenommenen Erhöhung des Gehwegs sowie der Straße im Bereich der Zufahrt zum klägerischen Grundstück um mindestens 30 cm begehrt wird, ist die Klage unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Beseitigung der Erhöhung des Gehwegs zu. Art. 17 Abs. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) stellt fest, dass den Straßenanliegern kein Anspruch darauf zusteht, dass die Straße nicht geändert oder eingezogen wird. Der Gesetzgeber trägt mit dieser Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass die öffentliche Hand die Verkehrserschließung in erster Linie an öffentlichen Interessen orientiert und jeder einzelne Eigentümer für die Erschließung seines Grundstücks zunächst selbst zu sorgen hat (so BayVGH, U.v. 14.9.1982 – 8 B 81 A – BayVBl. 1983, 150). Damit verfügen die Kläger über keine Rechtsposition, die es ihnen erlauben würde, die faktische Erhöhung des Gehwegs an ihrem Grundstück mit Erfolg anzugreifen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2005 – 8 CE 05.451 – juris Rn. 13; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 19.8.2009 – 8 ZB 09.1065 – juris Rn. 4). Jedenfalls besteht kein Anspruch auf Rückbau der Gehwegerhöhung.
22
2. Die hilfsweise gestellten Klageanträge 2) und 3) sind ebenfalls unbegründet, da den Klägern ein solcher Anspruch gegen die Beklagten auf Ergreifung geeigneter Abhilfemaßnahmen zur Wiederherstellung der Befahrbarkeit der sich auf ihrem Grundstück befindlichen Garagen nicht zusteht.
23
a. Zunächst ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen des § 44 VwGO für eine objektive Klagehäufung vorliegen, weshalb die Hilfsanträge kumulativ zu dem Klageantrag 1) als Hauptantrag gestellt werden konnten. Es handelt sich bei den Klageanträgen um mehrere Klagebegehren, die sich gegen dieselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und für die dasselbe Gericht zuständig ist. Es handelt es hierbei um einen Fall der Eventualklagehäufung. Die Eventualklagehäufung ist so gestaltet, dass der Hilfsantrag unter der Bedingung der Erfolglosigkeit des Hauptantrags steht. Die Hilfsanträge gelten vorliegend als gestellt, da die Bedingung der Erfolglosigkeit des Hauptantrages – des Klageantrages 1) – eingetreten ist.
24
b. Gemäß Art. 17 Abs. 2 BayStrWG hat der Träger der Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen, wenn Zufahrten oder Zugänge durch die Änderung oder die Einziehung von Straßen auf Dauer unterbrochen oder ihre Benutzung erheblich erschwert wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
25
aa. Die Zufahrt zum klägerischen Grundstück ist nicht unterbrochen. Eine Unterbrechung auf Dauer liegt nur vor, wenn das Grundstück völlig von der Straße abgeschnitten wird und dadurch seine Erschließung verliert (Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand 31. EL September 2021, Art. 17 Rn. 39). Entscheidend für eine Unterbrechung der Zufahrt zum Grundstück ist, dass dem Grundstück durch die Baumaßnahme die Straße als Kommunikationsmittel genommen wird (Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand 31. EL September 2021, Art. 17 Rn. 41 unter Verweis auf BGH, U.v. 29.5.1967 – III ZR 126/66 – NJW 1967, 1749 m.w.N.). Von einer solchen Unterbrechung infolge der Erhöhung der Straße bzw. des Gehwegs am klägerischen Grundstück ist nicht auszugehen, da eine Zufahrt zum Grundstück nach wie vor besteht. Bereits der Umstand, dass die Fahrzeuge der Kläger während des Ortstermins am 11. August 2022 auf dem Grundstück geparkt waren, zeigt, dass die Zufahrt weiterhin befahrbar ist. Im Rahmen des Ortstermins gaben die beiden Kläger außerdem einvernehmlich auf Frage der beauftragten Richterin an, dass ein Befahren des Grundstücks, insbesondere auch der ersten Garage, nach wie vor möglich ist.
26
bb. Es ist auch nicht von einer erheblichen Erschwernis der Zufahrt im Sinne des Art. 17 Abs. 2 BayStrWG auszugehen. Eine erhebliche Erschwernis liegt vor, wenn das betroffene Grundstück nur unter Überwindung eines erheblichen Höhenunterschiedes zwischen der Straße und dem Anliegergrundstück erreicht werden kann und deshalb nicht unerhebliche bauliche Anpassungsmaßnahmen notwendig werden (Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand 31. EL September 2021, Art. 17 Rn. 39 mit Verweis auf BGH, U.v. 2.7.1959 – III ZR 76.58 – juris Rn. 7 ff). Als erheblich wird die Erschwernis aber nur dann angesehen werden können, wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks so beeinträchtigt wird, dass eine dauernde Minderung auch des wirtschaftlichen Wertes eintritt (Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand 31. EL September 2021, Art. 17 Rn. 39). Auch die Erhöhung bzw. die Höherlegung einer Straße muss erheblich sein. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es darauf an, welchen Aufwand die Schaffung eines angemessenen Ersatzes erfordert (vgl. Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand 31. EL September 2021, Art. 17 Rn. 42). Festzuhalten ist, dass die Bequemlichkeit des Zugangs oder der Zufahrt generell nicht geschützt ist. Daher wird der Anlieger nicht vor Zufahrtserschwernissen bewahrt, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer etwaigen situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die das Grundstück hineingestellt ist (Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Teil 4 Rn. 499). Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück selbst mit potenziellen Garagen oder Stellplätzen gehört nicht zum geschützten Kernbereich des Rechtsinstituts des Anliegergebrauchs (BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – juris Rn. 38 zur Gehsteigabsenkung vor Grundstückszufahrt). Ebenso wenig gewährt das Rechtsinstitut einen Anspruch auf eine optimale Zufahrt; vielmehr mutet es dem Anlieger auch zu, die Nutzung seines Grundstücks umzuorganisieren, um sich veränderten Zufahrtsmöglichkeiten anzupassen (BayVGH, B.v. 19.8.2009 – 8 ZB 09.1065 – juris Rn. 9). In einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. April 2005 (Az. 8 CE 05.451) führt das Gericht zu den Rechten des Straßenanliegers bei Veränderung der Zufahrtsverhältnisse, die einen Höhenunterschied von 60 bis 70 cm im Bereich der Zufahrt ergaben, Folgendes aus (juris Rn. 13 ff.):
27
Auch Art. 17 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG versagt ihm die „Schaffung angemessenen Ersatzes“, weil er ohnedies eine ausreichende Verbindung zu dem öffentlichen Wegenetz besitzt (vgl. Art. 17 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG). Das Gesetz selbst mutet deshalb dem Straßenanlieger zu, zunächst den Betriebsablauf auf dem eigenen Grundstück umzuorganisieren, bevor es ihm einen Anspruch gegen den Straßenbaulastträger einräumt. Dies alles entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa BayVGH vom 24.11.2003 NVwZ-RR 2004, 886/887). (…)
28
Es mag zwar einen gewissen baulichen Aufwand erfordern, einen Höhenunterschied im Betriebsgelände von 60 bis 70 cm (nach Angabe des Antragstellers) in Bezug auf die offenbar einzig in Betracht kommende Zufahrt von der Ortsstraße auf der Fl.Nr. ... her durch entsprechende Aufschüttungen, Abtragungen und/oder sonstige bauliche Maßnahmen so auszugleichen, dass wieder ein uneingeschränkter Betrieb des Gabelstaplers möglich wird. Anhand der vorliegenden Lichtbilder vermag der Senat jedenfalls hinreichend zu beurteilen, dass die Anpassung der Betriebsverhältnisse auf dem Gelände mit vertretbarem Aufwand möglich ist.
29
(1) Im Ortstermin am 11. August 2022 waren sich die Beteiligten auf Nachfrage der beauftragten Richterin einig, dass der Gehweg am klägerischen Grundstück um 12 cm erhöht wurde. Die Grundstückszufahrt wurde hierdurch auch erschwert. Die Kläger berufen sich insbesondere auf eine Erschwernis der Befahrbarkeit der auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Garagen aufgrund der entstandenen Schräge, die sich auf den vorgelegten Lichtbildern ersehen lässt (vgl. Anlage K2, Gerichtsakte Bl. 102-108, Behördenakte III Bl. 14, Behördenakte I Bl. 7, Bl. 23, 24 und Bl. 38). Dass sich die Schräge der Zufahrt zum klägerischen Grundstück vergrößert hat, ergibt sich auch aus den von der Behörde vorgelegten Planungsunterlagen der Ingenieursgesellschaft … (vgl. Behördenakte I Bl. 22, Behördenakte III Bl. 17, Behördenakte IV Bl. 3). Die Kammer hat sich am 11. August 2022 einen Eindruck von der tatsächlichen Grundstückssituation verschafft und dabei insbesondere die Zufahrt zum klägerischen Grundstück in Augenschein genommen. Bei diesem Ortstermin hat sich gezeigt, dass das Gefälle der Zufahrt von der …straße auf das Grundstück der Kläger die Erreichbarkeit des Grundstücks erschwert, indem zur Befahrbarkeit der Garagen, hierbei insbesondere der ersten Garage, ein gewisser Rangieraufwand notwendig wird.
30
(2) Ob es sich bei der Erhöhung des Gehwegs um 12 cm um eine erhebliche Erhöhung handelt, kann dahinstehen, da die Erreichbarkeit des Grundstücks der Kläger von der Ortsstraße zwar erschwert, jedenfalls aber nicht erheblich im Sinne der Vorschrift erschwert ist. Unter Heranziehung der oben dargelegten Maßstäbe der Rechtsprechung konnte eine solche Erheblichkeit nicht festgestellt werden. Die Kammer gelangt nach Inaugenscheinnahme der tatsächlichen Grundstückssituation zu dem Ergebnis, dass sich der bereits konstatierte Rangieraufwand in angemessenem, zumutbarem Rahmen hält und von den Klägern hinzunehmen ist. Abgesehen davon, dass die Kläger nach der Rechtsprechung ohnehin keinen Anspruch auf eine optimale Zufahrt zu ihrem Grundstück haben und sie damit zum Befahren der Garagen einen erforderlich werdenden Rangieraufwand hinzunehmen haben, ist es den Klägern auch zumutbar, ihre Grundstückssituation so umzuorganisieren, dass ein Befahren des Grundstücks von der streitgegenständlichen Straße ermöglicht wird, zumal dies von der Beklagten durch Absenkung des Gehsteiges auf der gesamten Länge des klägerischen Grundstücks erleichtert wird. Im Ortstermin am 11. August 2022 hat sich gezeigt, dass das Grundstück in einem sehr großen Bereich von der Straße angefahren werden kann. Wenn auch eine Befahrbarkeit direkt an den Garagen auf der linken Seite des Grundstücks aufgrund des starken Gefälles ausgeschlossen ist, so kann das Grundstück von der rechten, weiter in nördlicher Richtung liegenden Grundstücksseite erreicht werden, jedenfalls über die bisher nicht befestigte Grünfläche am rechten Grundstücksrand, die eine höhengleiche Einfahrtsmöglichkeit bietet. Außerdem ist es den Klägern möglich, durch eine entsprechende Aufschüttung im Hofbereich das Gefälle abzumildern, ohne dass – bei zumutbarem Rangieren – die Nutzbarkeit der Garagen entfällt. Folgerichtig kann deshalb auch nicht von einer dauerhaften Minderung des wirtschaftlichen Wertes des Grundstücks ausgegangen werden.
31
c. Nur ergänzend ist deshalb auszuführen, dass Anpassungsmaßnahmen allenfalls im mittleren Bereich des Grundstücks in Betracht kämen. Nach Inaugenscheinnahme der Grundstückssituation geht die Kammer davon aus, dass eine Aufschüttung der klägerischen Grundstückszufahrt im mittleren Bereich die Erhöhung der Straße bzw. des Gehwegs ausgleichen kann, sodass das Grundstück nahezu auf ganzer Länge angefahren werden könnte. Bei einer solchen Aufschüttung im mittleren Bereich dürfte es sich entsprechend der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs um eine nicht erhebliche Anpassungsmaßnahme handeln, so dass das Tatbestandsmerkmal der „erheblichen Erschwernis“ des Art. 17 Abs. 2 BayStrWG, welches Voraussetzung für etwaige Ansprüche ist, nicht erfüllt wäre. Erschwerend tritt hinzu, dass sich im Rahmen des durchgeführten Augenscheintermins am 11. August 2022 gezeigt hat, dass das klägerische Grundstück im Hinblick auf das Höhenniveau der nachbarschaftlichen Grundstücke auffällig tief liegt, woraus sich im Falle von Straßensanierungsarbeiten, die mit einer Erhöhung der Straße bzw. des Gehwegs einhergehen, naturgemäß eine besondere Belastungssituation des klägerischen Grundstücks ergibt, die aus der Vorbelastung des Grundstücks aufgrund der besonderen Lage resultiert. Der Anliegergebrauch schützt jedoch nicht vor solchen Erschwernissen, die sich aus der Vorbelastung der Grundstückssituation ergeben.
32
3. Die Klageanträge 1) bis 3) wurden mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 nachträglich durch die Klageanträge 5) und 6), die sich ausschließlich gegen die Beklagte zu 1) richten, erweitert. Bei der nachträglichen Klageerweiterung um zusätzliche Streitgegenstände handelt es sich um eine nichtprivilegierte Form der Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO. Danach ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine ausdrückliche Einwilligung der Beklagten zu 1) liegt nicht vor. Gemäß § 91 Abs. 2 VwGO ist eine Einwilligung in die Klageänderung aber auch dann anzunehmen, wenn sich die Beklagte, ohne dieser zu widersprechen, in einem Schriftsatz auf die geänderte Klage eingelassen hat. Die Beklagte zu 1) hat vorliegend mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 zur geänderten Klage Stellung genommen und somit konkludent in die Klageänderung eingewilligt.
33
Auch die Klageanträge 5) und 6) sind als unbegründet abzuweisen.
34
a. Den Klägern steht kein Anspruch auf Entfernung des Gehwegs, soweit eine Überbauung des klägerischen Grundstücks erfolgte, zu.
35
aa. Anspruchsgrundlage für das Beseitigungsbegehren der Kläger ist der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, der sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – BayVBl 2013, 473 Rn. 10 m.w.N.) aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten herleitet. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen dieser ungeschriebenen Anspruchsgrundlage grundsätzlich vor. Dass eine Überbauung des klägerischen Grundstücks infolge der Errichtung des Gehwegs durch die Beklagte zu 1) stattgefunden hat, steht zwischen den Beteiligten unstreitig fest (vgl. insb. Klageerwiderungsschriftsatz vom 27. Juli 2020, Gerichtsakte Bl. 46). Die Überbauung lässt sich auch aus dem der Kammer nach Durchführung des Ortstermins übermittelten Plan des Ingenieursbüro … erkennen, auf dem der vorherige Bestand und der neue Bestand übereinander gelagert dargestellt wird (vgl. Gerichtsakte Bl. 96 und Behördenakte IV Bl. 4). Von einem hoheitlichen Eingriff in die Rechtsposition Eigentum ist folglich auszugehen. Damit einher geht auch die Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes, da die Kläger die Eigentumsbeeinträchtigung nicht zu dulden haben. Außerdem steht die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Folgenbeseitigung dem Anspruch nicht entgegen.
36
bb. Die Beklagte zu 1) hat sich mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 jedoch auf die Einrede der Unverhältnismäßigkeit eines Gehwegrückbaus im Bereich der tatsächlichen Überbauung des klägerischen Grundstücks berufen. Die in § 275 Abs. 2 BGB normierte Einrede der praktischen Unmöglichkeit ist auf den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch entsprechend anwendbar (vgl. so auch BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – juris Rn. 11 ff.). Gemäß § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht.
37
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1) hat im Augenscheintermin am 11. August 2022 bekräftigt, dass ein Rückbau des Gehwegs zwar rein faktisch möglich, jedoch wirtschaftlich nicht sinnvoll sei. Den hohen Kosten, die mit einem Rückbau des Gehwegs verbunden wären, steht das Leistungsinteresse der Kläger am Rückbau gegenüber, welches von der Kammer unter Heranziehung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als gegenüber den Interessen der Beklagten zu 1) geringer zu gewichtendes Interesse eingestuft wird. Dies begründet sich vor allem durch die Geringfügigkeit der erfolgten Überbauung. Aus den von der Beklagten zu 1) vorgelegten Plänen (vgl. Gerichtsakte Bl. 96 und Behördenakte IV Bl. 4) ergibt sich eine Überbauung des klägerischen Grundstücks von ca. 2 qm. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1) hat im Augenscheinstermin am 11. August 2022 zu Protokoll der beauftragten Richterin erklärt, dass die Beklagte zu 1) im Rahmen eines Messungskaufs eine Fläche von 7 qm von den Klägern zur Errichtung des Gehwegs erworben hat. Dies wird durch die vorgelegten Verkaufsunterlagen, insbesondere durch das Grunderwerbsverzeichnis (vgl. Behördenakte IV Bl. 9) und durch den notariellen Kaufvertrag vom 6. Dezember 2016 (vgl. Behördenakte IV Vl. Bl. 11-20) bestätigt. Auch der marginale Nutzen der Kläger an dem Rückbau in einem so geringfügigen Ausmaß spricht für eine Unverhältnismäßigkeit des Rückbaus, zumal die Kläger im Rahmen der Auflagen zur Baugenehmigung im Jahre 1986 (vgl. Behördenakte I Bl. 13) ohnehin zur straßenmäßigen Befestigung der Zufahrt verpflichtet worden sind. Die Überbauung stellt sich auch nicht als tatsächliches Hindernis für die bestimmungsgemäße Nutzung des klägerischen Grundstücks dar. Aufgrund der Geringfügigkeit der Überbauung ist nicht von einer spürbaren Beeinträchtigung auszugehen.
38
Bei der Gewichtung der gegenläufigen Interessen im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB ist zwar auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Insofern kann der Beklagten zu 1) allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Zu dem klägerischen Grundstück gibt es keinen offiziellen Vermessungsplan. Herr … vom Ingenieursbüro … hat im Augenscheintermin am 11. August 2022 gegenüber der beauftragten Richterin erklärt, dass es lediglich eine Altvermessung der Kanten des klägerischen Asphalts gibt. Die alte Asphaltdecke sei mit der aktuell bestehenden Leiste verglichen worden, wobei sich ein Unterschied zu der alten Vermessung ergeben habe, der sich nunmehr als Überbauung des klägerischen Grundstücks darstelle. Dies ergibt sich auch aus dem auf Anfordern des Gerichts vorgelegten Plan (vgl. Gerichtsakte Bl. 97). Ergänzend wird insofern darauf hingewiesen, dass, selbst wenn zugunsten der Kläger unterstellt werde, dass die Überbauung durch die Beklagte grob fahrlässig erfolgt sei, wodurch ein Berufen auf die Einrede grundsätzlich ausgeschlossen wäre, im vorliegenden Fall aufgrund der Geringfügigkeit der Überbauung von dem Ausschluss der Einrede abgewichen werden müsste (vgl. so auch BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – juris LS).
39
b. Der Anspruch auf Entfernung der Mauer, der mit dem Klageantrag 6) geltend gemacht wurde, besteht ebenfalls nicht. Im Ortstermin am 11. August 2022 hat sich ergeben, dass eine private Mauer am klägerischen Grundstück zum Nachbargrundstück schon immer bestanden hat. Im Rahmen der Verrohrung des …baches und der Errichtung des Gehwegs am klägerischen Grundstück wurde ein Teilstück dieser Mauer entfernt und wieder angebracht. Die Kläger haben dazu vorgetragen, die Mauer befinde sich weiter als früher auf dem klägerischen Grundstück. Festzuhalten ist, dass es hinsichtlich des Mauerbaus am klägerischen Grundstück bereits an einer Eigentumsbeeinträchtigung fehlt. Wie sich aus dem von der Beklagten zu 1) vorgelegten Plan (vgl. Behördenakte IV Bl. 4) sowie aus dem notariellen Kaufvertrag (vgl. Behördenakte IV Bl. 11-20) ergibt, hat die Beklagte zu 1) im Rahmen eines Messungskaufes 7 qm des klägerischen Grundstücks an der maßgeblichen Stelle des vorgetragenen Mauerüberbaus erworben. Nur ergänzend ist deshalb auszuführen, dass der Anspruch – wie bereits unter III. 3. a. bb. im Hinblick auf den Anspruch auf Rückbau des Gehwegs erörtert – jedenfalls an der Unverhältnismäßigkeit der Mauerentfernung scheitern würde. Würde von einer Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger ausgegangen, so müsste Berücksichtigung finden, dass die Kläger aufgrund der Geringfügigkeit nur marginal und damit auch kaum spürbar beeinträchtigt wären.
40
c. Den Klägern wäre nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB deshalb allenfalls eine Geldentschädigung für die Duldung der Überbauung zuzuerkennen. Denn der Folgenbeseitigungsanspruch wandelt sich insoweit – ausnahmsweise – in einen Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages (vgl. VG München, U.v. 22.11.2011 – M 2 K 10.3668 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 27.10.1998 – 8 B 97.1604 – juris Rn. 28). Ein solcher Ausgleichsbetrag wurde mit der Klage jedoch nicht – auch nicht hilfsweise – beantragt.
41
Die Kläger haben als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen, § 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V.m. § 100 Abs. 4 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO).