Titel:
Kaufpreis, Schadensersatzanspruch, Berufung, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Pkw, Herausgabe, Fahrzeug, Laufleistung, Zahlung, Gegenstandswert, Feststellung, Zinsen, Verkauf, Zug um Zug, Erstattung des Kaufpreises
Schlagworte:
Kaufpreis, Schadensersatzanspruch, Berufung, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Pkw, Herausgabe, Fahrzeug, Laufleistung, Zahlung, Gegenstandswert, Feststellung, Zinsen, Verkauf, Zug um Zug, Erstattung des Kaufpreises
Vorinstanz:
LG Augsburg, Endurteil vom 02.07.2021 – 45 O 4374/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 22.05.2023 – VIa ZR 394/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48319
Tenor
I. Auf die Berufung der Klagepartei und die Anschlussberufung der Beklagtenpartei wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 02.07.2021 (Az.: 045 O 4374/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 988,46 nebst Zinsen aus € 5.988,46 vom 22.09.2018 bis zum 20.09.2021 sowie aus € 988,46 seit dem 21.09.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.054,10 freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens in der ersten Instanz trägt die Beklagte 15 % und der Kläger 85 %, von den Kosten des Verfahrens in der zweiten Instanz trägt die Beklagte 3 % und der Kläger 97 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
Bis zum 23.09.2021 € 37.228,99,
seit dem 24.09.2021 € 33.229,00
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz, weil sie ein Fahrzeug erworben hat, in welchem ein Dieselmotor des Typs EA189 verbaut ist.
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Die Klagepartei kaufte am 13.08.2010 einen neuen Pkw Audi A4 TDI zum Preis von € 39.227,45 brutto.
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Das Fahrzeug wies am 11.06.2021 einen Kilometerstand von 254.202 und bei Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei am 03.12.2017 einen Kilometerstand von 206.737 auf. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 02.07.2021 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPC).
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Das Landgericht Augsburg hat mit Endurteil vom 02.07.2021 die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 5.988,46 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.09.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu zahlen sowie ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 760,17 freizustellen. Gegen das der Klagepartei am 06.07.2021 zugestellte Urteil hat diese mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.08.2021, eingegangen beim Berufungsgericht am gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 07.09.2021, eingegangen am selben Tag, fristgemäß begründet. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, das Landgericht habe zu Unrecht Gebrauchsvorteile in Abzug gebracht.
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Die Beklagte hat innerhalb der ihr gesetzten Berufungserwiderungsfrist bis zum 22.10.2021 mit Schriftsatz vom 11.10.2021, eingegangen bei dem Berufungsgericht am gleichen Tag, Anschlussberufung eingelegt und diese mit dem gleichen Schriftsatz begründet.
6
Nachdem die Klagepartei zunächst beantragt hatte, die Beklagte zur Zahlung von weiteren € 33.238,99 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Pkws zu verurteilen, hat sie, nachdem der Pkw durch sie am 21.09.2021 für einen Kaufpreis von € 5.000,00 verkauft wurde, nunmehr beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weiteren Schadensersatz in Höhe von € 28.238,99 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 39.227,45 seit dem 04.09.2010 bis einschließlich 21.09.2021 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von € 33.238,99 seit dem 22.09.2021 betreffend das Fahrzeug Audi, Fahrzeugidentifikationsnummer ….
2. festzustellen, dass die Beklagte seit dem 04.09.2010 betreffend der Annahme des im Antrag zu 1) beschriebenen Fahrzeuges im Annahmeverzug ist;
3. die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei bezüglich der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 2.073,10 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung das am 02.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Augsburg, Az.: 45 O 4374/18, in Ziffer 1 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 988,46 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.09.2018 zu bezahlen.
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Zur Begründung wird seitens der Beklagten ausgeführt, dass das landgerichtliche Urteil der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) entspreche, der Kläger sich insbesondere die gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen müsse. Es sei jedoch zusätzlich der erzielte Kaufpreis in Höhe von € 5.000,00 in Abzug zu bringen, so dass die Beklagte nur noch einen Betrag in Höhe von € 988,46 an den Kläger zu zahlen habe.
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Ergänzend wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Die gemäß den §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Klagepartei, mit der sie sich in erster Linie gegen den Abzug von Gebrauchsvorteilen wendet, ist unbegründet.
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1. Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19) ausdrücklich entschieden, dass sich der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzung anrechnen lassen muss (vgl. BGH a.a.O., Rn. 64 f.). Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Das Berufungsgericht hat die von dem Kläger gezogenen Vorteile gemäß § 287 ZPO geschätzt, indem es den von dem Kläger gezahlten Bruttokaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufzeit im Erwerbszeitpunkte (300.000 km) geteilt und diesen Wert mit den gefahrenen Kilometern (254.202 km) multipliziert hat (vgl. hierzu BGH a.a.O., Rn. 80).
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Dem Einwand des Klägers, der Nutzungswert sei zu hoch veranschlagt, weil das nicht den Vorschriften entsprechende Fahrzeug nicht hätte in Betrieb genommen werden dürfen, ist kein Erfolg beschieden. Im Rahmen der Vorteilsausgleichung kommt es auf die aus dem erworbenen Fahrzeug (tatsächlich) gezogenen Vorteile an. Diese liegen darin, dass der Kläger das Fahrzeug genutzt hat. Darauf, ob es hätte in Betrieb genommen werden dürfen, kommt es nicht an (vgl. BGH a.a.O., Rn. 81).
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2. Der Senat schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf 300.000 km. Für diese Fahrzeuge in dieser Preisklasse und Qualität schätzt der Senat die durchschnittliche Laufleistung auf 300.000 km. Dies ergibt folgende Abrechnung: Der von dem Kläger gezahlte Bruttokaufpreis von € 39.227,45 wird durch die voraussichtliche Restlaufzeit im Erwerbszeitpunkt (300.000 km) dividiert und dieser Wert mit den selbst gefahrenen Kilometern (254.202) multipliziert. Diese Rechnung ergibt gezogene Gebrauchsvorteile von € 33.238,99, die von dem Kaufpreis in Höhe von € 39.227,45 in Abzug zu bringen sind, so dass sich ein Zahlbetrag von € 5.988,46 ergibt.
14
3. Der Kläger hat aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 5.988,47 seit dem 22.09.2018 bis zum Verkauf des Fahrzeuges am 20.09.2021 sowie aus € 988,46 seit dem 21.09.2021. Ein Anspruch auf Zinsen aus § 849 BGB besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 354/19).
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4. Der Antrag auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist in Höhe von € 1.054,10 begründet. Der Klagepartei stand es zu, zur Verfolgung ihrer Ansprüche aus § 826 BGB gegen die Beklagte einen Rechtsanwalt zu mandatieren. Zu diesem Zeitpunkt der Beauftragung bestand ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei in Höhe von € 12.194,90, der als Gegenstandswert zugrunde zu legen ist. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klagepartei ist die Klagepartei bis zur Mandatierung selbst 206.737 km gefahren. Dies ergibt nach der oben durchgeführten Berechnung eine Nutzungsentschädigung in Höhe von € 27.032,55 und damit einen verbleibenden Anspruch in Höhe von € 12.194,90.
16
Anzusetzen ist eine Mittelgebühr von 1,3 gemäß Nr. 2300 VV-RVG. Zwar trifft es zu, dass die vorliegende Angelegenheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders komplex und schwierig ist, dies wird jedoch dadurch kompensiert, dass der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei gerichtsbekannt in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle tätig wird (vgl. auch BGH a.a.O., Rn. 87). Dies ergibt einen Anspruch in Höhe von € 1.054,10 [(865,80 + 20,00 €) × 1,19].
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5. Soweit die Klagepartei mit der Berufung erneut die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag zu 1. beschriebenen Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet, hat sich dieser Antrag durch den Verkauf des Fahrzeuges am 21.09.2021 erledigt. Im Übrigen war der Antrag auch unbegründet, da der Kläger bis in die Berufungsinstanz die Erstattung des gesamten Kaufpreises verlangt hat und damit kein zur Begründung des Annahmeverzuges geeignetes Angebot abgegeben hat (vgl. BGH a.a.O. Rn. 85).
18
Die Anschlussberufung der Beklagtenpartei ist gemäß den §§ 511, 513, 517, 519, 520, 524 ZPO zulässig und auch begründet. Wie von dem Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 20.07.2021 – Az. VI ZR 575/20 entschieden wurde, ist der von dem Kläger durch den Verkauf am 21.09.2021 erzielte Kaufpreis in Höhe von unstreitig € 5.000,00 von dem Landgericht zutreffend ermittelten Betrag in Höhe von € 5.988,46 (vgl. hierzu unter C.) in Abzug zu bringen, so dass der Kläger im Ergebnis nur einen Anspruch auf Zahlung von € 988,46 gegen die Beklagte hat.
19
Die Kostenentscheidung ergibt sich für beide Instanzen aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
20
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
21
Die Festsetzung des Streitwertes für die Berufungsinstanz folgt aus § 47 GKG.
22
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 ZPO, die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.