Inhalt

LG Bamberg, Endurteil v. 08.07.2022 – 44 O 210/22
Titel:

Fahrzeug, Zulassung, Streitwert, Schadensersatzanspruch, Berichterstattung, Anerkennung, Sittenwidrigkeit, betrug, Pkw, Klage, Anlage, Sicherheitsleistung, Rechtsanwaltskosten, Erwerb, Kosten des Rechtsstreits, sittenwidriges Handeln, keinen Erfolg

Schlagworte:
Fahrzeug, Zulassung, Streitwert, Schadensersatzanspruch, Berichterstattung, Anerkennung, Sittenwidrigkeit, betrug, Pkw, Klage, Anlage, Sicherheitsleistung, Rechtsanwaltskosten, Erwerb, Kosten des Rechtsstreits, sittenwidriges Handeln, keinen Erfolg
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 22.05.2023 – 4 U 171/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48099

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 15.963,09 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkws.
2
Die Beklagte ist eine große Auto- und Motorenherstellerin, die u.a. den Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 288 entwickelt und produziert hat, der in zahlreichen von ihr und ihren Tochterunternehmen produzierten und in den Verkehr gebrachten Fahrzeugserien verbaut ist.
3
Die Klägerin erwarb über Herrn … als Strohmann am 07.04.2015 einen gebrauchten Pkw Audi Modell A3 2.0 TDI zum Preis von 27.857,86, – € brutto (Anlage K 1a, b = Rechnung). Der km-Stand des Fahrzeugs bei Erwerb betrug 18.423 km. Im Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 288 verbaut.
4
Das Fahrzeug verfügt über eine gültige Typengenehmigung nebst Zulassung und wird von dem Kläger seit Erhalt privat genutzt. Am 13.06.2022 betrug der km-Stand 188.882 km.
5
Mit außergerichtlichem Schreiben vom 19.11.2020 (Anlage K 22) hat die rechtsanwaltlich vertretene Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung erfolglos u.a. zur Anerkennung von Schadensersatzansprüchen aufgefordert.
6
Die Klägerin stützt ihr Begehren auf §§ 826 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
7
Sie meint, in dem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 eingebaut und behauptet hierzu wie folgt:
„Die Klägerin behauptet zunächst, alle Motoren des Typs EA 288 verfügen – wie schon das Vorgängermodell EA 189 – über eine unzulässige Motorsteuerungssoftware, die den Ausstoß von Stickoxid (NOx) im Prüfstandsbetrieb (NEFZ) optimiere. Im Fahrzeug sei eine Zykluserkennung installiert, die über eine Fahrkurve das Durchfahren des NEFZ erkenne (Zeit-Geschwindigkeits-Profil) und dann eine Reduzierung der motorischen NOx-Emissionen durch Maßnahmen bei der Abgasreinigung vornehmen.“
8
Zudem werde die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert, so dass die volle Abgasrückführungsrate nur bei Temperaturen zwischen 15 – 30° C erreicht werde.
9
Diese Abschalteinrichtungen seien nicht nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. b Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig.
10
Sie behauptet, es habe einen Rückruf des KBA vom 17.04.2019 (Anlage K3) gegeben.
11
Folge des Vorgehens der Beklagten sei, dass die EG-Typgenehmigung erschlichen sei, ihr deshalb keine Legalisierungswirkung zukomme und mit einem Entzug der Zulassung zu rechnen sei.
12
Die Klägerin behauptet schließlich, die Beklagte habe auf Vorstandsebene Kenntnis von dem Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen gehabt.
13
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 27.857,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich einer im Termin zur mündlichen Verhandlung zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Audi, Modell A3 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
14
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
15
Zum Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen behauptet und meint die Beklagte wie folgt:
„Das Fahrzeug enthalte gerade keine Umschaltlogik wie beim Vorgängermodell EA 189. Die Beklagte nimmt insoweit Bezug auf – unstreitige – Tests des KBA im Zeitraum 2015 / 2016 und den diesbezüglich vorgelegten Prüfbericht (Anlage B 1), aus dem sich ergibt, dass das KBA u.a. acht repräsentative Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 288 auf unzulässige Abschalteinrichtungen oder unzulässige Prüfstands- und Zykluserkennungen hin untersucht hat und auf Grundlage eines detaillierten Testverfahrens (Durchfahren des NEFZ kalt und weiterer sechs NEFZnaher Prüfzyklen auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb, bei denen einzelne Parameter vom NEFZ abweichen) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das verwendete Abgasnachbehandlungssystem bei voller Funktionsfähigkeit aller abgasbehandelnden Bauteile die gesetzlich vorgegebenen Abgasgrenzwerte einhält.“
16
Im Fahrzeug sei lediglich eine – dem KBA spätestens mit Schreiben vom 29.12.2015 (Anlage B 5) bekannt gemachte – Fahrkurvenerkennung bzw. Zykluserkennung vorhanden gewesen, die aber grundsätzlich zulässig ist, weil daran nur die Deaktivierung bestimmter Funktionen (z.B. ESC und Airbags) auf dem Prüfstand geknüpft sei, nicht aber an eine Optimierung der NOx-Emissionen auf dem Prüfstandsbetrieb.
17
Das Thermofenster sei technisch und physikalisch aus Zwecken des Motorschutzes unverzichtbar, im Übrigen arbeite es im Fahrzeug – unstreitig – so, dass im Temperaturbereich zwischen -24°C und +70°C die Abgasrückführung zu 100% aktiv ist und innerhalb dieses Temperaturbereichs auch keine Abstufung (sog. Abrampung) erfolge. Zudem handele es sich bei Einschätzung als Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 um eine vertretbare Rechtsauffassung, so dass ein sittenwidriges Handeln schon deshalb ausscheide.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2022 und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
20
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit der behaupteten Manipulation der Motorsteuerungssoftware zu (§ 826 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB).
21
Die Voraussetzungen dieser Norm – wonach derjenige, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist – liegen nicht vor.
22
I. Der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 kann im Einzelfall durchaus deliktische Schadensersatzansprüche begründen.
23
Voraussetzungen hierfür sind
a) der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 durch die Beklagte, als deliktisches Verhalten (bewusstes Inverkehrbringen eines Fahrzeugs dessen technische Gegebenheiten objektiv einer Zulassung des Fahrzeugs entgegenstehen und bei dem trotz Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts der EG-Typengenehmigung das Erschleichen einer objektiv rechtswidrigen Genehmigung durch den Fahrzeughersteller vorliegt, als deren Folge mit Betriebsuntersagung oder dem Widerruf der erschlichenen Typengenehmigung zu rechnen ist),
b) eine darauf beruhende Schädigung des Klägers, die regelmäßig darauf beruht, dass er einen wirtschaftlich nachteiligen – weil für ihn ungewünschten – Vertrag geschlossen hat,
c) die Sittenwidrigkeit des Handels der Beklagten, einschließlich einem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und d) ein Schädigungsvorsatz auf Seiten der Beklagten.
24
II. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin hier bereits in Bezug auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 nicht hinreichend dargetan:
25
1. Die Behauptung der Klägerin zum Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die das Durchfahren des NEFZ erkennt und dann im Prüfstandsbetrieb den Ausstoß von Stickoxiden so reduziert und optimiert, dass nur im Prüfstand die gesetzlichen Grenzwerte der EG-Typengenehmigung eingehalten werden, ist nicht hinreichend substantiiert.
26
a) Grundsätzlich ist es einer Partei nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb im Einzelfall genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Unzulässig wird ein solches Vorgehen aber dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts oder die Richtigkeit ihres Vortrags willkürlich Vermutungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16.04.2015 – IX ZR 195/14 = NJW-RR 2015, 829).
27
b) So liegt der Fall hier.
28
Für den Sachvortrag der Klägerin – wonach das Fahrzeug mit der Prüfstandserkennungssoftware mit Umschaltlogik ausgestattet sei – gibt es keinerlei greifbaren Anhaltspunkte.
29
Die Klägerin hat sich zur Stützung ihrer Behauptungen letztlich insbesondere auf folgende Gesichtspunkte berufen:
- das interne Dokument der Beklagten „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie &
Freigabevorgaben EA 288“,
- Berichterstattung im Fernsehen,
- Abgasmessungen, insb. der Deutschen Umwelthilfe.
30
Diese Gesichtspunkte sind im konkreten Fall nicht geeignet, den Sachvortrag durch greifbare Anhaltspunkte für seine Richtigkeit zu untermauern:
31
(1) Das vorgelegte interne Dokument der Beklagten „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA 288“ begründet ebenfalls keine greifbaren Anhaltspunkte für die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne einer Umschaltlogik im Fahrzeug des Klägers.
32
Die Beklagte hat ausführlich den Inhalt dieses Dokuments erläutert, wonach prinzipiell in dem Fahrzeugtyp eine Fahrkurve hinterlegt war, also das Durchfahren des NEFZ grundsätzlich erkannt wurde, um bestimmte Funktionen (ESC, Airbags) zu deaktivieren, jedoch auf die Motorsteuerung kein Einfluss genommen wurde. Die Formulierungen auf S. 4 des Dokuments seien darauf gerichtet, zur Vermeidung von widersprüchlichen Ergebnissen beim Durchfahren des NEFZ im Zusammenhang mit der Regeneration des Nox-Speicher-Katalysators (der sich aller 5 km reinigt und je nach Zustand bei Beginn des NEFZ deshalb 2 oder 3 Regenerationszyklen während des 11 km langen NEFZ durchläuft) dessen Regeneration (sog. „DeNOx-Event“ und „DeSOx-Event“) an das Ende der Vorkonditionierungsfahrt vor Durchfahren des NEFZ zu verlegen.
33
Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten, so dass der Sachvortrag nach § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig ist.
34
Danach ergibt sich folglich kein greifbarer Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne einer Umschaltlogik bei Durchfahren des NEFZ.
35
(2) Die Berichterstattung wird nur am Rande erwähnt. Weder wird deren Inhalt, noch die Gründe für ihren Wahrheitsgehalt dargestellt.
36
(3) Soweit die Klägerin allgemein und unter Bezugnahme auf Messungen von Umweltverbänden darauf verweist, dass die im Straßenbetrieb gemessenen NOx-Werte die für den Prüfstand vorgeschriebenen Grenzwerte deutlich übersteigen, kann dies auch nicht ausreichen, um den Rückschluss auf eine Prüfstandserkennungssoftware zu rechtfertigen.
37
Es ist allgemein bekannt, dass der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar ist, sowohl in Bezug auf den angegebenen Kraftstoffverbrauch als auch in Bezug auf die Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand werden „ideale“, der Praxis nicht entsprechende und im Straßenbetrieb faktisch nicht reproduzierbare Situationen vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), der Abschaltung von Klimaanlage usw., sodass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit der verschiedenen Fahrzeugfabrikate und -modelle geeignet ist, absolut genommen aber nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Im Straßenbetrieb liegen sowohl der Kraftstoffverbrauch als auch der Schadstoffausstoß erheblich höher, wie schon seit Jahren aufgrund entsprechender Tests etwa von Automobilclubs und der dadurch ausgelösten öffentlichen Diskussion bekannt ist.
38
Gerade deshalb hat der europäische Gesetzgeber auf Druck der Umweltverbände und Umweltparteien zwischenzeitlich den früher geltenden gesetzlichen Prüfzyklus NEFZ durch den sogenannten RDE-Test ersetzt, und zwar mit einem Konformitätsfaktor von zunächst 2,1. Danach wird zukünftig nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Straßenbetrieb gemessen, wobei im Straßenbetrieb allerdings der für den Prüfstand geltende Grenzwert zunächst noch um das 2,1-fache überschritten werden darf (vgl. https://www.kfz-betrieb.vogel.de/eu-beschliesst-grenzwerte-fuer-realen-fahrbetrieb-a-509842/ und https://www.kfz-betrieb.vogel.de/abgas-skandal-nicht-nur-bei-vw-a-506905/).
39
Angesichts des Umstands, dass im NEFZ Prüfzyklus gerade keine realistischen Werte für den Straßenbetrieb zu erwarten sind, kann allein der Hinweis darauf, dass verschiedene Prüforganisationen / Umweltverbände erhöhte Abgaswerte im Straßenbetrieb gemessen haben, unabhängig von der Frage, ob überhaupt das klägerische Fahrzeug hiervon konkret betroffen ist, nicht ausreichen, um die Schlussfolgerung der Klägerin als naheliegend erscheinen zu lassen, ihr Fahrzeug sei mit einer Prüfstanderkennungssoftware versehen.
40
(4) Schließlich steht der Annahme von greifbaren Anhaltspunkten zur Richtigkeit des klägerischen Sachvortrags noch der von Beklagtenseite in Einzelheiten geschilderte Testbericht des KBA vom April 2016 (Anlage B 1) entgegen, dessen Messmethoden die Beklagte auch im Vergleich gerade zu Fahrzeugen des Motortyps EA 189 – bei dem eine Umschaltlogik enthalten war – ausführlich dargestellt hat.
41
Insoweit hat die Klägerseite sich nicht erklärt, geschweige denn dargestellt, weshalb die Prüfungen des KBA fehlerhaft sein sollen.
42
(5) Abschließend kommt hinzu, dass die Beklagte das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung substantiiert (s.o.) in Abrede stellt und dass dem Kläger eine Kenntniserlangung ansonsten nicht als unmöglich erscheint (etwa durch Einholung außerprozessualer technischer Stellungnahmen), so dass sich insgesamt der Sachvortrag der Klägerin als bloße willkürliche Vermutungen „aufs Geratewohl“ bzw. „ins Blaue hinein“ darstellt (so in vergleichbaren Fällen etwa auch LG Mönchengladbach, Urteil vom 19.12.2018 – 6 O 40/18 = zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2018 – I 22 U 95/18 = zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom30.07.2019 – 10 U 134/19 = zitiert nach juris; OLG Celle, Urteil vom 13.11.2019 – 7 U 367/18 = zitiert nach juris).
43
Das Gericht hat bei der Würdigung des Sachvortrags als nicht hinreichend substantiiert auch die Entscheidung des BGH, Urteil vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 = zitiert nach juris berücksichtigt, dort aber ging es um einen Fall kaufrechtlicher Gewährleistung und nicht – wie hier – der sittenwidrigen Schädigung, die mehr verlangt als nur das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
44
Der Sachvortrag der Klägerin beruht letztlich auf Mutmaßung und Verdachtsäußerung, deren tatsächliche Grundlage erst im Prozess ermittelt werden soll (so etwa auch OLG Naumburg, Urteil vom 29.11.2019 – 7 U 52/19 in einem vergleichbaren Fall).
45
2. Soweit die Klägerin daneben noch auf das Vorhandensein eines sog. „Thermofenster“ abstellt, kann darin kein weiterer substantiierter Sachvortrag zum Bestehen einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung neben der behaupteten Umschaltlogik erkannt werden.
46
Beim Thermofenster ist nämlich zu beachten, dass die Beklagtenseite die Zulässigkeit dieser Abschalteinrichtung als Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007) vertretbar annehmen durfte und damit eine Sittenwidrigkeit des Handelns ausscheidet.
47
Zu Recht weisen das OLG Koblenz, Urteil vom 21.10.2019 – 12 U 246/19 = zitiert nach juris sowie das OLG Schleswig, Urteil vom 18.09.2019 – 12 U 123/18 = zitiert nach juris, darauf hin, dass der Streit um die Zulässigkeit in Größe eines Thermofensters einen Expertenstreit darstellt, bei dem nicht nur Rechtsfragen, sondern technische Fragen eine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund führt der Umstand, dass das im Fahrzeug der Klägerin verbaute Thermofenster möglicherweise in seiner technischen Gestaltung als unzulässig anzusehen sein könnte, nicht dazu, dass von einem Sittenverstoß ausgegangen werden könnte. Ergänzend kann insoweit auch auf die kürzlich ergangene Entscheidung des BGH vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 Bezug genommen werden.
48
II. Mangels Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. fehlenden Sachvortrag in Bezug auf die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten besteht ein Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nicht, so dass auch der Hilfsanspruch sowie Folge- und Nebenansprüche gerichtet auf Zahlung von Zinsen und Rechtsanwaltskosten bzw. auf Feststellung bestehenden Annahmeverzugs nicht bestehen.
B.
49
Ein Anspruch nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheidet ebenfalls aus Rechtsgründen aus (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20).
C.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
D.
51
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO.
E.
52
Der Streitwert ergibt sich aus dem bezifferten Klägerinteresse.