Titel:
Schadensersatzanspruch, Berufung, Fahrzeug, Leasingvertrag, Kostenerstattungsanspruch, Widerklage, Erstattung, Verfahren, Anspruch, Vollstreckungsabwehrklage, Anfechtung, Teil-Anerkenntnis, Herausgabe, Zwangsvollstreckung
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Berufung, Fahrzeug, Leasingvertrag, Kostenerstattungsanspruch, Widerklage, Erstattung, Verfahren, Anspruch, Vollstreckungsabwehrklage, Anfechtung, Teil-Anerkenntnis, Herausgabe, Zwangsvollstreckung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 13.12.2021 – 41 O 14700/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 26.04.2023 – VIII ZR 136/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48089
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.2021, Aktenzeichen 41 O 14700/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der vorliegende Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 85.983,92 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten über mit der Klage geltend gemachte Nutzungsentschädigung und Erstattung von Abholkosten nach Ablauf eines KFZ-Leasingvertrages sowie über eine im Wege der Widerklage erhobene Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einem zwischen den Parteien ergangenen Urteil des Landgerichts München I vom 17.01.2020, Az. 15 O 12185/19, sowie einen ebenfalls mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch über 67.377,74 €.
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1. Die Beklagte schloss 2012 einen Leasingvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dessen Vertragslaufzeit am 13.06.2017 endete. Da die Beklagte der Auffassung war, gegen die Klägerin einen Anspruch auf Übereignung des Fahrzeugs zu haben, gab sie dieses nach Ablauf der Laufzeit nicht heraus. In einem vor dem Landgericht München I, Az. 23 O 11525/17, deshalb geführten Prozess wurde sie mit Urteil vom 25.10.2018, rechtskräftig seit 16.01.2019, zur Herausgabe verurteilt. Das Gericht hielt dabei eine Aussage des für die Klägerin tätigen Zeugen B., er habe der Beklagten im Rahmen des Vertragsschlusses nicht mündlich zugesagt, sie könne das Fahrzeug am Ende der Laufzeit übernehmen, für glaubhaft. Die Beklagte machte daraufhin in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht München I, Az. 15 O 12185/19, als Klägerin geltend, die hiesige Klägerin und dortige Beklagte sei verpflichtet, das Fahrzeug bei ihr abzuholen. Mit Urteil vom 17.01.2020 wurde diese Klage abgewiesen und die dortige Klägerin/hiesige Beklagte auf die Widerklage der dortigen Beklagten/hiesigen Klägerin zur Zahlung von Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Dezember 2017 bis Oktober 2019 verurteilt. Der Entscheidung lag hinsichtlich der Widerklage ein Teil-Anerkenntnis über Nutzungsentschädigung bis 04.02.2019 zugrunde. Das Fahrzeug wurde am 25.06.2020 auf Veranlassung der Klägerin bei der Beklagten durch die Firma … abgeholt, wodurch der Klägerin Kosten in Höhe von 400,- € entstanden.
3
Die Klägerin macht mit der Klage Nutzungsentschädigung für den Zeitraum November 2019 bis 24.06.2020 in Höhe der monatlichen Leasingraten sowie die Abholkosten geltend, insgesamt 5.010,65 €.
4
Die Beklagte bestreitet die Ansprüche und rechnet mit Gegenansprüchen auf. Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe der Leasingrate bestünde ab November 2019 schon deshalb nicht, weil der Zeitwert des Fahrzeugs alters- und gebrauchsbedingt so weit abgesunken sei, dass eine Nutzungsentschädigung in Höhe der Leasingrate dazu außer Verhältnis stünde. Die früheren Urteile seien durch Falschaussagen des Zeugen B. erschlichene Fehlurteile. Dies sei ihr erst kürzlich bekannt geworden und folge daraus, dass eine andere Kammer des Landgerichts den Zeugen B. bei einer ähnlichen Aussage nicht als glaubhaft eingestuft habe. Die Beklagte habe einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe sämtlicher an die Klägerin geleisteter Zahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Mit der Klageerwiderung vom 17.05.2021 (Bl. 10ff) wurde das Teil-Anerkenntnis aus dem Vorprozess widerrufen und angefochten. Zudem wurde der Rücktritt des Leasingvertrages wegen Nichterfüllung der Eigentumsverschaffung an dem Fahrzeug und wegen Erschleichen des Herausgabeurteils durch Falschaussagen erklärt.
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Mit Schriftsatz vom 07.11.2021 (Bl. 45ff) beantragte die Beklagte im Wege der Widerklage u.a., die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 17.01.2020, Az. 15 O 12185/19 für unzulässig zu erklären und begründete dies mit dem am 17.05.2021 erklärten Rücktritt vom Leasingvertrag.
6
Mit Schriftsatz vom 15.11.2021 (Bl. 53ff) erweiterte die Beklagte ihre Widerklage um einen Zahlungsanspruch in Höhe von 67.377,74 €, den sie mit Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen aufgrund des Rücktritts vom Leasingvertrag und wegen von ihr zu Unrecht aufgrund der von der Klägerin erschlichenen früheren Urteile bezahlten Kosten begründet. In der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021 stützte die Beklagte ihre Schadensersatzansprüche auch auf § 823 BGB iVm § 263 StGB in Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Klägerin. Als Beweis dafür, dass der Zeuge B. im Erstprozess gelogen habe, bot sie den Zeugen J. als Geschädigten des Verfahrens vor dem Landgericht München I, in dem die Aussage des Zeugen B. als nicht glaubhaft eingestuft wurde, an.
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Die Klägerin beantragte die Abweisung der Widerklage unter Berufung auf die Rechtskraft der früheren Urteile.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
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Den Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB sieht das Landgericht aufgrund des durch das Urteil vom 25.10.2018 bindend festgestellten Ende des Leasingvertrages seit 13.06.2017 und die unstreitig erst am 24.06.2020 erfolgte Rückgabe des Leasingfahrzeuges als begründet an. Ein so weitgehender Wertverlust des Fahrzeugs, dass die Nutzungsentschädigung in Höhe der Leasingrate außer Verhältnis zu dem Gebrauchswert stünde, sei nicht substanziiert vorgetragen worden. Ebenso sei der Anspruch auf Erstattung der Abholkosten nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begründet, da die Beklagte sich mit ihrer Verpflichtung, das Fahrzeug am Sitz der Beklagten zurückzugeben, in Verzug befunden habe.
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Einwendungen, Einreden oder Gegenrechte bestünden aufgrund der Rechtskraft der Vorprozesse nicht. Dies gelte auch hinsichtlich des vorgetragenen Rücktritts. Eine Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung sei mangels begründeter Gegenforderung nicht möglich. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung scheitere am Vorliegen einer Täuschung. Auch insoweit sei das Landgericht an die rechtskräftige Entscheidung im Erstverfahren gebunden, da die Beklagte ihre Gegenrechte bereits dort im Rahmen der Widerklage eingeführt habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vorgetragenen Falschaussagen des Zeugen B., da diese nicht in Ausführung der ihm von der Klägerin übertragenen Verrichtung getätigt wurden und der Klägerin daher nicht zuzurechnen wären.
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Die Widerklage sei zulässig aber unbegründet. Dies ergebe sich hinsichtlich der Vollstreckungsabwehrklage daraus, dass der Rücktritt bereits im Erkenntnisverfahren hätte geltend gemacht werden können und diese Einwendung daher im Rahmen des § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sei. Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs bestünde weder ein materieller Kostenerstattungsanspruch noch ein Schadensersatzanspruch.
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Die Beklagte wendet sich mit der Berufung sowohl gegen die Verurteilung nach den Klageanträgen als auch gegen die Abweisung der Widerklage.
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Sie trägt vor, mit ihren Gegenrechten zumindest hinsichtlich der Klageforderung nicht präkludiert zu sein, da die im hiesigen Verfahren geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsentschädigung und Erstattung der Abholkosten nicht Gegenstand der früheren Verfahren gewesen seien. Etwaige Feststellungen zu den zu Grunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnissen in den früheren Verfahren seien daher nicht in Rechtskraft erwachsen. Zudem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Verteidigung gegen die Klage sowie die Ansprüche aus der Widerklage insbesondere unter dem sich aus den durch Falschaussagen erschlichenen objektiv unrichtigen früheren Urteilen ergebenden Aspekt der sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB begründet seien. Die Klägerin müsse sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich aus den zahlreichen geschädigten Kunden der Klägerin und den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen der Verdacht des kollusiven Zusammenwirkens der Klägerin mit den bei ihr Beschäftigten ergebe, die Falschaussage des Zeugen B. zurechnen lassen. Das Landgericht hätte daher zumindest den Zeugen J. vernehmen müssen.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.2021 Bezug genommen.
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Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte:
a) die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts München I vom 17.01.2020, Az. 15 O 12185/19, für unzulässig zu erklären;
b) die Klägerin zu verurteilen, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung des im vorstehenden Widerklage-Antrag zu Ziffer 2.a) genannten Urteils an die Beklagte herauszugeben;
c) die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 67.377,74 EUR nebst jährlicher Zinsen hierauf in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Widerklage-Erweiterung vom 15.11.2021 zu zahlen; hilfsweise zu 1.) und 2.),
das mit der vorliegenden Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und den vorliegenden Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht München I zurückzuverweisen.
16
Die Klägerin beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.
17
Der Senat hat mit Beschluss vom 08.04.2022 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt, zu dem die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.05.2022 Stellung genommen hat.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.2021, Aktenzeichen 41 O 14700/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
19
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
20
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
21
Ergänzend ist folgendes auszuführen:
22
1. Für die Frage der Präklusion im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage kommt es lediglich auf den Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Geltendmachung an, nicht auf die Frage der Beweisbarkeit (vgl. Preuß in BeckOK ZPO, 44. Ed. Stand: 01.03.2022, Rn. 41 zu § 767 ZPO). Selbst wenn sich die Beweissituation durch die Erkenntnisse aus den Parallelverfahren verbessert hätte, wären die bereits im Vorprozess möglichen Einwendungen ausgeschlossen. Hier hätten sämtliche im Raum stehende Einwendungen schon im Rahmen der Vorprozesse geltend gemacht werden können, da der vorgetragene neue Sachverhalt der Falschaussage nur Auswirkungen auf die Beweisbarkeit der Voraussetzungen für die Einwendungen hat, nicht aber auf die Voraussetzungen für die Einwendungen selbst.
23
2. Soweit die Beklagte vorträgt, im Erstprozess wäre die Erklärung von Anfechtung und Rücktritt in Gegensatz zu dem von ihr verfolgten Rechtsschutzziel der Übereignung des Fahrzeugs an sie gestanden, ist festzustellen, dass grundsätzlich Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit, wann ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, im Rahmen des § 767 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt sind (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2005 – VIII ZR 218/04, Rz. 18). Ob dies hier der Beklagten zuzumuten war, kann aber dahinstehen, da zum einen Rücktritt oder Anfechtung des Vertrags auch hilfsweise für den Fall des Stattgebens der Herausgabeklage hätten erklärt werden können, und zum anderen der hier relevante Vorprozess das Verfahren 15 O 12185/19 ist, dessen Urteil mit der Vollstreckungsgegenklage angegriffen wird, und nicht das Verfahren 23 O 11525/17, in dem die Beklagte im Rahmen der Widerklage die Übereignung an sie verfolgte.
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3. Soweit der erklärte Rücktritt vom Vertrag unter Berufung auf eine Falschaussage des Zeugen B. als gegenstandslos bezeichnet wurde bezieht sich dies auf den Umstand, dass nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage sich aus einem nach Ablauf der Vertragslaufzeit stattfindender Sachverhalt ein Rücktrittsgrund ergeben sollte. Soweit die Begründung des Rücktritts deshalb auch auf die Falschaussage gestützt wurde, als sich aus dieser ergeben soll, dass die Klägerin tatsächlich zur Übereignung des Fahrzeugs verpflichtet war und damit der Rücktritt wegen Nichterfüllung begründet wird, handelt es sich um keinen eigenständigen Rücktrittsgrund. Hinsichtlich des Rücktritts wegen Nichterfüllung ist aber auch im Hinblick auf die Verteidigung gegen die Klageforderung bereits Präklusion eingetreten, da insoweit mit dem Urteil vom 25.10.2018 rechtskräftig darüber entschieden wurde, dass die Klägerin nicht zur Übereignung des Fahrzeugs verpflichtet war.
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4. Soweit mit der Gegenerklärung vorgetragen wird, der Zeuge J. hätte aussagen können, dass der Zeuge B. ihm gegenüber angegeben habe, er könne das Fahrzeug nach Ablauf der Vertragslaufzeit übernehmen, hätte eine entsprechende Aussage keine Auswirkungen auf das hiesige Verfahren gehabt, da die Rechtskraft des Ersturteils dadurch nicht entfiele. Auch würden sich alleine aus diesem Umstand keine Schadensersatzforderungen gegen die Klägerin ergeben. Eine Vernehmung des Zeugen J. war daher nicht veranlasst.
26
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
27
6. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO bestimmt.