Titel:
Berufung, Widerrufsbelehrung, Widerruf, Widerrufsrecht, Feststellung, Rechtsanwaltskosten, Anlage, Belehrung, Rechtsverletzung, Streitwert, Zweifel, Zeitpunkt, Freistellung, Anspruch, konkrete Anhaltspunkte
Schlagworte:
Berufung, Widerrufsbelehrung, Widerruf, Widerrufsrecht, Feststellung, Rechtsanwaltskosten, Anlage, Belehrung, Rechtsverletzung, Streitwert, Zweifel, Zeitpunkt, Freistellung, Anspruch, konkrete Anhaltspunkte
Vorinstanz:
LG Traunstein, Endurteil vom 29.10.2021 – 2 O 381/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47921
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 29. Oktober 2021, Az. 2 O 381/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 4. Februar 2022.
3. Binnen selber Frist können die Parteien zu beabsichtigten Streitwert Stellung nehmen.
Entscheidungsgründe
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Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO liegen vor. Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie durchaus valide Punkte aufwirft – im Ergebnis offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
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Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, wobei das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Beides ist vorliegend nicht der Fall.
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1. Der Berufung ist zuzugeben, dass das Erstgericht den Vortrag der Beklagten, der Kläger habe von der Fa. I. eine der Anlage B1 entsprechende Widerrufsbelehrung per E-Mail übermittelt bekommen, nicht ordnungsgemäß behandelt hat. Die Ausführungen im Tatbestand erscheinen widersprüchlich, da der Satz „Eine weitere gesonderte Belehrung wurde nicht übersandt“ (UA S. 3) mit dem Satz „Die Beklagte trägt vor, dass der Kläger von der Firma Immobilienscout 24 eine Zwischennachricht mit Widerrufsbelehrung erhalten habe (Anlage B1).“ (UA S. 4) schwer in Einklang zu bringen ist. Des Weiteren ist zu bemängeln, dass eine Auseinandersetzung mit der Behauptung der Beklagten in den Entscheidungsgründen gänzlich fehlt.
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Diese Mängel des erstinstanzlichen Urteils können der Berufung aus den folgenden Gründen im Ergebnis gleichwohl nicht zum Erfolg verhelfen.
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2. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Widerruf des Maklervertrags fristgerecht erklärt wurde und die Beklagte gemäß § 355 Abs. 3 BGB zur Rückgewähr des Maklerlohns verpflichtet ist.
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a) Die Widerrufsfrist begann gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht zu laufen, da die Beklagte den Kläger nicht entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hatte.
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aa) Die in der Internetannonce (Anlage K1) und in dem Exposé (Anlage K2) von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung war nicht ordnungsgemäß.
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Abgesehen von den vom Erstgericht festgestellten Unzulänglichkeiten „Überschrift“ (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 82/10, juris Rn. 16 ff.) und „fehlende weitere Kontaktdaten“ (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2020 – I ZR 169/17, juris Rn. 30 f.) waren diese beiden Belehrungen bereits deswegen nicht ordnungsgemäß, da sie ohne Hervorhebung in den übrigen Text der Anzeige bzw. des Exposés eingearbeitet sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 – II ZR 352/02, juris Rn. 16). Darüber hinaus verabsäumte es die Beklagte in diesen Belehrungen, dem Kläger das Muster-Widerrufsformular (Anlage 2 zum EGBGB) im Sinne des Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB „in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise zur Verfügung stellen“ oder gemäß Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 3 EGBGB „in geeigneter Weise zugänglich [zu] machen“ und verstieß damit gegen ihre Pflicht gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, den Kläger über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu informieren (vgl. zu (Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB: BGH, Urteile vom 26. November 2020 – I ZR 169/19, juris Rn. 58 ff.; vom 11. April 2019 – I ZR 54/16, juris Rn. 36 ff.).
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bb) Auch die von der Fa. I. GmbH erstellte Widerrufsbelehrung (Anlage B1) führte nicht zum Beginn der Widerrufsfrist.
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Selbst wenn die Belehrung selbst ordnungsgemäß sein sollte (so wohl:
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. Juni 2021 – 16 U 139/20, juris; a. A. wohl: OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2020 – I-7 U 43/19, juris; OLG Naumburg, Urteil vom 1. Juni 2018 – 7 U 13/18, juris) und der Beklagten der ihr gemäß § 361 Abs. 3 BGB obliegende Beweis gelingen sollte, dass dem Kläger die Widerrufsbelehrung zuging (vgl. zu den Voraussetzungen des Zugangs einer E-Mail: BeckOGK/Busch, Stand: 1.6.2021, Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 43.1), führen die Abweichungen zwischen den Belehrungen (Anlage K1 und K2 einerseits und Anlage B1 andererseits) jedenfalls in ihrer Gesamtheit dazu, dass es insgesamt an einer unmissverständlichen Belehrung fehlt (vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2004 – II ZR 352/02, juris Rn. 17; vom 20. Mai 2021 – III ZR 126/19, juris Rn. 15; OLG Hamm, Urteil vom 24. Mai 2012 – I-4 U 48/12, juris Rn. 26; OLG Frankfurt, Urteil vom 22. August 2018 – 3 U 145/17, juris Rn. 39).
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b) Das Widerrufsrecht war im Zeitpunkt seiner Erklärung am 3. Januar 2021 nicht erloschen.
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Da der Maklervertrag am 18. Januar 2020 geschlossen worden war, war die Frist des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB noch nicht abgelaufen. Ein Erlöschen des Widerrufsrechts gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum einen fehlt es an einer Bestätigung des Klägers seiner Kenntnis davon, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert. Zum anderen setzt der Erlöschensgrund des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung voraus (BGH, Urteil vom 26. November 2020 – I ZR 169/19, juris Rn. 58 ff.; vgl. auch zu § 355 Abs. 4 BGB aF: BGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – I ZR 51/17, juris Rn. 23). An einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung fehlte es vorliegend aus den unter Ziffer I.2.a) genannten Gründen. Die von der Beklagten in den Anlagen K1 und K2 verwendete Widerrufsbelehrung enthält überdies keine Information über die Möglichkeit des Erlöschens des Widerrufsrechts und verstößt daher auch gegen Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB.
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c) Die Beklagte war daher gemäß § 355 Abs. 3, § 357 Abs. 1 BGB verpflichtet, den vom Kläger erhaltenen Maklerlohn innerhalb von 14 Tagen zurückzugewähren. Der Anspruch auf Freistellung von den vorprozessual angefallenen Rechtsanwaltskosten und auf Zinsen ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 BGB, da sich die Beklagte ab dem 5. Januar 2021 aufgrund der endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung in Verzug befand.
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3. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Unternehmer neben § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB grundsätzlich auch durch § 357 Abs. 8 BGB geschützt ist. Im vorliegenden Fall dürfte ein – im gegenständlichen Verfahren von der Beklagten nicht geltend gemachter – Anspruch auf Wertersatz indes an der nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung scheitern (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2020 – I ZR 169/19, juris Rn. 69 ff.; BGH, Urteil vom 20. Mai 2021 – III ZR 126/19, juris Rn. 15). Wendehorst führt zu der Belehrung über das Widerrufsrecht aus (MüKoBGB/Wendehorst, 8. Aufl., Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 4): „Wegen der drastischen Sanktionen, die § 357 Abs. 7 Nr. 2, Abs. 8 S. 2 BGB an eine unterbliebene oder auch nur mangelhafte Widerrufsbelehrung knüpft, ist aus Unternehmersicht auf eine minutiöse Einhaltung dieser Anforderungen besonderes Augenmerk zu richten.“.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen ihre Rücknahme nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 11.424,00 € festzusetzen.