Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 21.10.2022 – 12 KLs 105 Js 10145/21
Titel:

Strafzumessung im Fall des Betrugs beim Betrieb von Corona-Testcentern

Normenkette:
StGB § 46, § 263, § 264
Leitsatz:
Im Rahmen der Strafzumessung wegen Betrugs beim Betrieb von Corona-Testcentern ist das verwerfliche Ausnutzen einer allgemeinen Notlage sowie der Umstand, dass das öffentliche Gesundheitssystem dem Abrechnenden systembedingt ein hohes Vertrauen in die Richtigkeit der Mitteilung seiner Angaben entgegenbringt und auch entgegenbringen muss, straferschwerend zu berücksichtigen. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betrug, Corona-Testcenter, Strafzumessung, Ausnutzen einer allgemeinen Notlage, öffentliches Gesundheitssystem, hohes Vertrauen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47917

Tenor

I. Der Angeklagte T ist schuldig des Betrugs in 8 Fällen, des versuchten Betrugs in 20 Fällen und des vorsätzlichen Subventionsbetrugs in 8 Fällen.
Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 2 Monaten verurteilt.
II. Der Angeklagte O ist schuldig des Betrugs in 8 Fällen und des versuchten Betrugs in 20 Fällen.
Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 5 Monaten verurteilt.
III. Die Angeklagte A ist schuldig der Beihilfe zum Betrug in 8 Fällen und der Beihilfe zum versuchten Betrug in 20 Fällen.
Sie wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
IV. Es wird angeordnet die Einziehung von Wertersatz gegen den Angeklagten T in Höhe von 577.008,17 €, gegen den Angeklagten O in Höhe von 437.399,48 € und gegen die Einziehungsbeteiligte O GmbH in Höhe von 380.000 €. Es haften hieraus gesamtschuldnerisch die Angeklagten T und O sowie die Einziehungsbeteiligte O GmbH für 380.000 €. Für einen weiteren Betrag von 57.399,48 € haften T und O gesamtschuldnerisch.
V. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Vorschriften bei Angeklagtem T:
§ 263 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 Alt. 1, § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 Nr. 1, Abs. 9 Nr. 1 StGB, § 2 Abs. 1 SubvG, Art. 53 BayHO, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2, §§ 53, 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d StGB.
Angewandte Vorschriften bei Angeklagtem O:
§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 Alt. 1, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, §§ 53, 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d StGB.
Angewandte Vorschriften bei Angeklagter A:
§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 2 Alt. 1, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, §§ 27, 53 StGB.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
1
Dem Urteil ist hinsichtlich der Angeklagten T und A eine Verständigung vorausgegangen (§ 257c StPO).
A. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
B. Die Taten der Angeklagten
I. Vorbemerkung
2
Der Angeklagte T beantragte zwischen dem 31.03.2020 und dem 28.04.2021 in acht Fällen staatliche Geldleistungen im Rahmen der Corona-Pandemie. In den Anträgen machte er bewusst unrichtige Angaben und erhielt hierdurch unberechtigt Geldleistungen. Diese Taten sind Gegenstand der Anklage 12 KLs 507 Js 1713/21, die zum hier führenden Verfahren hinzuverbunden wurde (nachfolgend II).
3
Gegenstand des führenden Verfahrens sind bewusst überhöhte Abrechnungen von Corona-Testleistungen gegenüber der KVB und die hierdurch täuschungsbedingt zu Unrecht vereinnahmten Vergütungen. Insoweit richtete sich der Anklagevorwurf gegen die Angeklagten T, O und A und betraf den Zeitraum vom 31.05.2021 bis 01.09.2021 (nachfolgend III).
II. Subventionsbetrug
4
Der Angeklagte T beantragte auf den Namen der ET GbR und der Einzelfirma AS in insgesamt acht Fällen verschiedene Geldleistungen, die aufgrund der Corona-Pandemie aus staatlichen Mitteln des Bundes gewährt wurden, und machte dabei jeweils unzutreffende Angaben, um die finanziellen Hilfen zu erhalten, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorlagen. Insgesamt wurden aufgrund der Falschangaben 142.108,69 € von der bayerischen Staatskasse und der Bundeskasse ausgezahlt.
1. Anträge für die ET GbR
5
Anfang 2018 gründeten der Angeklagte T und E gemeinsam die ET GbR, die teilweise auch als … oder … auftrat (im Folgenden: GbR). Zweck der GbR war das Betreiben eines Cafés und das Vermieten von Ferienunterkünften. Dazu hatte die GbR Räumlichkeiten in der …straße in N angemietet. Der Betriebsbeginn wurde zum 30.04.2018 bei der Stadt N gemeldet. Das Unternehmen scheiterte jedoch bereits nach kurzer Zeit, da das Bauamt der Stadt N aus brandschutztechnischen Gründen bauliche Veränderungen verlangte und diese für die GbR finanziell nicht durchführbar waren. Daher wurde der Betrieb des Cafés und der Ferienunterkünfte Anfang des Jahres 2019 eingestellt und der Betrieb des Gewerbes zum 01.04.2019 bei der Stadt N wieder abgemeldet. Spätestens ab 01.04.2019 erzielte die GbR dementsprechend auch keine Umsätze mehr.
6
Obwohl dies alles dem Angeklagten T bekannt war, stellte er im Zeitraum vom 17.04.2020 bis 28.04.2021 in insgesamt fünf Fällen für die GbR Anträge auf finanzielle Hilfen aus Programmen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufgelegt wurden (Fälle 1 bis 5). In den Anträgen machte er jeweils bewusst unzutreffende Angaben zu Tatsachen, die – wie er wusste – für die Gewährung der Hilfen oder die Höhe der Gewährung der Hilfen entscheidend waren. Aufgrund der Anträge wurden Hilfen bewilligt und jeweils vollständig auf von T angegebene Bankkonten, deren Inhaber er war, ausgezahlt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:

Fall

Antrag vom

Subventionsgeber

Hilfsprogramm

Bewilligungsbescheid vom

bewilligter u. ausgezahlter Betrag in €

Auszahlung am

1

17.04.2020

Regierung v. Mittelfranken

Corona-Soforthilfe

20.04.2020

9.000

27.04.2020

2

27.11.2020

IHK f. München und Oberbayern

Novemberhilfe

09.03.2021

41.968,22

29.12.2020 (Abschlag) 11.03.2021 (Rest)

3

13.01.2021

IHK f. München und Oberbayern

Dezemberhilfe

08.04.2021

31.416,30

19.01.2021 (Abschlag) 13.04.2021 (Rest)

4

02.02.2021

IHK f. München und Oberbayern

Überbrückungshilfe II

10.02.2021

9.419,56

12.02.2021

5

28.04.2021

IHK f. München und Oberbayern

Überbrückungshilfe III

17.05.2021

27.804,61

19.05.2021

7
In den einzelnen Anträgen waren folgende für die Gewährung der Hilfen erhebliche Angaben vom Angeklagten T bewusst unzutreffend angegeben worden:
Fall 1: Hier gab der Angeklagte bewusst unzutreffend an, es seien zwei Personen in Vollzeit beschäftigt und es sei durch die Corona-Krise im Frühjahr 2020 ein Liquiditätsengpass in Höhe von 14.270 € entstanden. Tatsächlich wurde das Gewerbe nicht mehr ausgeübt, weswegen keine Personen beschäftigt waren und auch kein coronabedingter Liquiditätsengpass entstanden ist.
Fall 2: Hier gab er bewusst unzutreffende Umsätze für den Vergleichszeitraum November 2019 an. Tatsächlich hatte die GbR in diesem Zeitraum keine Umsätze erzielt, da der Betrieb bereits eingestellt war. Darüber hinaus gab er bewusst wahrheitswidrig an, dass der Geschäftsbetrieb im November 2020 aufgrund staatlicher Schließungsanordnung eingestellt wurde.
Fall 3: Hier gab er bewusst unzutreffende Umsätze für den Vergleichszeitraum Dezember 2019 an. Tatsächlich hatte die GbR in diesem Zeitraum keine Umsätze erzielt, da der Betrieb bereits eingestellt war. Darüber hinaus gab er bewusst wahrheitswidrig an, dass der Geschäftsbetrieb im Dezember 2020 aufgrund staatlicher Schließungsanordnung eingestellt wurde.
Fall 4: Hier gab er bewusst unzutreffende Umsätze für den Vergleichszeitraum September bis Dezember 2019 an. Tatsächlich hatte die GbR in diesem Zeitraum keine Umsätze erzielt, da der Betrieb bereits seit April 2019 eingestellt war. Zudem gab er bewusst wahrheitswidrig an, der Umsatzeinbruch stehe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Fall 5: Hier gab er bewusst unzutreffende Umsätze für den Vergleichszeitraum April bis Juni 2019 an. Tatsächlich hatte die GbR in diesem Zeitraum keine Umsätze erzielt, da der Betrieb bereits seit April 2019 eingestellt war. Zudem gab er bewusst wahrheitswidrig an, der Umsatzeinbruch stehe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
2. Anträge für die AS
8
Der Angeklagte T hatte mit Betriebsbeginn ab 08.04.2015 bei der Stadt N ein Gewerbe als Sportagentur angemeldet. In Ausübung dieses Gewerbes trat er als Einzelunternehmer unter der Bezeichnung AS auf. Mit der AS beabsichtigte der Angeklagte, Provisionen für die Vermittlung von Arbeitsverträgen von Profi-Fußballspielern zu erzielen. Tatsächlich erzielte er im Zeitraum von 2015 bis 2020 jedoch keine Umsätze.
9
Im Zeitraum von 31.03.2020 bis 15.03.2021 beantragte der Angeklagte in drei Fällen für die AS finanzielle Hilfen aus Programmen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufgelegt wurden (Fälle 6 bis 8). In den Anträgen machte er jeweils bewusst unzutreffende Angaben zu Tatsachen, die – wie ihm bewusst war – für die Gewährung der Hilfen oder die Höhe der Gewährung der Hilfen entscheidend waren. Aufgrund der unzutreffenden Angaben wurden jeweils Hilfen und Zuschüsse bewilligt und aus staatlichen Mitteln ausgezahlt. Die Auszahlungen erfolgten auf von T angegebene Bankkonten. In zwei Fällen (Fälle 6 und 7) handelte es sich um ein Konto, dessen Inhaber er selbst war Im Fall 8 handelte es sich um ein Konto des Angeklagten O, der einen Teilbetrag in Höhe von 5.000 € weiterleitete und auf ein Konto des Angeklagten T überwies. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:

Fall

Antrag vom

Subventions-geber

Hilfsprogramm

Bewilligungsbescheid vom

bewilligter und ausge-zahlter Betrag in €

Auszahlung am

6

31.03.2020

Regierung v. Mittelfranken

Corona-Soforthilfe

16.04.2020

11.600

27.04.2020

7

02.05.2020

Regierung v. Mittelfranken

Corona-Soforthilfe

05.05.2020

3.400

22.05.2020

8

15.03.2021

IHK f. München und Oberbayern

Neustart-hilfe

16.03.2021

7.500

16.03.2021

10
In den einzelnen Anträgen waren folgende für die Gewährung des Zuschusses erhebliche Angaben unzutreffend:
Fall 6: Insoweit gab der Angeklagte T bewusst unzutreffend an, er habe sieben Beschäftigte. Weiter gab er bewusst unzutreffend in einer E-Mail vom 14.04.2021 gegenüber der Regierung von Mittelfranken an, es bestehe ein Liquiditätsengpass wegen laufender Kosten für Miete, Kredite und Leasingfahrzeuge in Höhe von 11.600 € (im Antrag hatte er den Liquiditätsengpass mit 33.000 € angegeben). Tatsächlich hatte die AS weder Beschäftigte noch laufende Kosten für Miete, Kredite oder Leasingfahrzeuge.
Fall 7: Hier gab er bewusst unzutreffend an, die AS habe 5,65 Beschäftigte. Zudem gab er in einer E-Mail vom 04.05.2020 gegenüber der Regierung von Mittelfranken bewusst unzutreffend an, die AS habe monatliche Ausgaben für Miete, für sechs Leasingfahrzeuge und für offene Kredite, die sich für 3 Monate auf 27.300 € summieren würden (im Antrag hatte er den Liquiditätsengpass mit 21.400 € angegeben). Tatsächlich hatte die AS weder Beschäftigte noch laufende Kosten der angegebenen Art.
Fall 8: Hier gab er bewusst unzutreffend Umsätze im Vergleichszeitraum 2019 mit 180.000 € an. Tatsächlich hatte er diese Umsätze nicht erzielt. Darüber hinaus gab er in dem Antrag im Feld „Beim Finanzamt hinterlegte Kontoverbindung“ eine IBAN für eine Kontonummer des O an. Schließlich gab er seine Steuernummer bewusst falsch an.
III. Abrechnungsbetrug Corona-Testcenter
11
Der Angeklagte T organisierte im April 2021 und betrieb ab Mai 2021 über seine Firma AS Corona-Teststationen in N, F und S. Tatsächlich führte er das Geschäft zusammen mit dem Angeklagten O, der insoweit sein gleichberechtigter Partner war. O war zugleich alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der unter HRB … in das Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg eingetragenen O GmbH. Weiterhin nahm innerhalb der O GmbH aber auch T tatsächlich die Funktionen eines Geschäftsführers wahr. Sowohl betriebsintern als auch nach außen gingen alle Dispositionen weitgehend von ihm aus und er nahm auch im Übrigen auf die Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluss.
12
Im Mai 2021 beschloss T für die Leistungen der Corona-Teststationen deutlich mehr Testungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (im Folgenden: KVB) abzurechnen, als tatsächlich durchgeführt wurden. Zur weiteren Gewinnmaximierung sollten zudem anstelle der tatsächlichen Sachkosten für die Beschaffung der notwendigen PoC-Antigen-Tests fiktive überhöhte Beschaffungskosten abgerechnet werden. Hierzu sollten die Schnelltests zum Schein über die O GmbH als Zwischenhändler bezogen werden, die sie sodann der AS zu einem deutlich höheren Preis in Rechnung stellen sollte. In Wahrheit fungierte die O GmbH aber nur als Rechnungsadresse sowie Zahlstelle für die Lieferanten und es gab keine realen Geschäftsbeziehungen zur AS. Vielmehr war die AS direkter Warenabnehmer der Lieferanten. All dies geschah mit Wissen und Wollen und unter Mitwirkung des Angeklagten O und wurde bürotechnisch – wissentlich und willentlich – unterstützt durch die Angeklagte A.
13
Auf diese Weise wollten die beiden Angeklagten T und O möglichst viel Geld zu Unrecht erlangen und sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht verschaffen. Hierzu nutzten beide die unter der Firma AS ab dem 03.05.2021 sukzessive eröffneten insgesamt 12 Corona-Teststellen in N, F und S, in denen sie sogenannte Schnelltests (PoC-Antigen-Tests) zum direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anboten und durchführten. In Ausführung ihrer Absprache rechnete T in der Folge für die Monate Mai 2021 bis August 2021 in 28 Fällen gegenüber der KVB bewusst deutlich mehr Testungen ab, als sie tatsächlich durchgeführt hatten, um hierdurch die Auszahlung einer ihnen in dieser Höhe nicht zustehenden Vergütung zu erreichen. Zugleich gab er in den Abrechnungen für die Monate Mai 2021 und Juni 2021 absprachegemäß unzutreffend hohe Beschaffungskosten für die selbst beschafften PoC-Antigen-Tests an, um auch insoweit unberechtigt höhere Zahlungen zu erreichen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Abrechnungen zahlte die KVB jeweils die für die Monate Mai 2021 und Juni 2021 abgerechneten Beträge ungekürzt an T aus, wodurch der KVB ein Schaden in Höhe von mindestens 437.399,48 € entstand (Fälle 1-2, 19-22, 27-28).
14
In den übrigen Fällen kam es bislang nicht zu einer Auszahlung unberechtigter Beträge für die Monate Juli und August 2021 in Höhe von weiteren 214.178,58 €, weil die KVB, nachdem ihr die Ermittlungen wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges bekannt geworden waren, bis zu deren Abschluss einen Zahlungsstopp verhängte (Fälle 3-18, 23-26). Zudem leitete sie aufgrund des Ermittlungsverfahrens mehrere Plausibilitätsprüfverfahren für die Abrechnungen der Monate Juli und August 2021 ein. Als Ergebnis der Prüfungen stellte sie bereits das Fehlen von zwingenden formellen Vergütungsvoraussetzungen fest, so dass auch deswegen eine Auszahlung unterblieb.
15
Im Einzelnen handelte es sich um folgende – fortlaufend entsprechend der Anklage nummerierte – Fälle (für die Teststationen folgen jeweils drucktechnisch zweigeteilte Tabellen. Der untere Tabellenteil ist gedanklich rechts neben den oberen – als dessen Fortsetzung – zu legen und so zu lesen):
Teststationen N

Fall

Abrechnung vom

Zeitraum

Teststation

Tests abgerechnet

Abrechnungs-betrag in €

Auszahlungs-betrag in €

1

31.05.2021

Mai 21

34.427

601.783,96

601.783,96

2

30.06.2021

Juni 21

23.587

416.546,42

416.546,42

3

30.08.2021

Juli 21

3.872

43.443,84

0

4

30.08.2021

Juli 21

1.255

14.081,10

0

5

30.08.2021

Juli 21

2.945

33.042,90

0

6

30.08.2021

Juli 21

4.858

54.506,76

0

7

30.08.2021

Juli 21

3.150

35.343,00

0

8

30.08.2021

Juli 21

1.658

18.602,76

0

9

30.08.2021

Juli 21

1.002

11.242,44

0

10

01.09.2021

Juli 21

1.119

12.555,18

0

11

31.08.2021

Aug. 21

8.525

95.650,50

0

12

31.08.2021

Aug. 21

412

4.622,64

0

13

31.08.2021

Aug. 21

5.848

65.614,56

0

14

31.08.2021

Aug. 21

7.385

82.859,70

0

15

31.08.2021

Aug. 21

2.919

32.751,18

0

16

31.08.2021

Aug. 21

2.178

24.437,16

0

17

31.08.2021

Aug. 21

1.725

19.354,50

0

18

01.09.2021

Aug. 21

2.218

24.885,96

0

Gesamt

109.083

1.591.324,56

1.018.330,38

Fall

Tests tatsächlich

abrechenbarer Betrag tatsächlich in €

Differenz: zu Unrecht abgerechnet

zu Unrecht erhalten in €

1

22.188

342.640,41

259.143,55

259.143,55

2

18.684

261.968,36

154.578,06

154.578,06

3

2.988

33.525,36

9.918,48

0

3

2.988

33.525,36

9.918,48

0

4

513

5.755,86

8.325,24

0

5

2.645

29.676,90

3.366,00

0

6

3.459

38.809,98

15.696,78

0

7

1.881

21.104,82

14.238,18

0

8

614

6.889,08

11.713,68

0

9

471

5.284,62

5.957,82

0

11

5.101

57.233,22

38.417,28

0

12

331

3.713,82

908,82

0

13

3.498

39.247,56

26.367,00

0

14

5.507

61.788,54

21.071,16

0

15

2.433

27.298,26

5.452,92

0

16

1.486

16.672,92

7.764,24

0

17

1.006

11.287,32

8.067,18

0

18

1.529

17.155,38

7.730,58

0

74.962

987.098,57

604.225,99

413.721,61

Teststationen F

Fall

Abrechnung vom

Zeitraum

Teststation

Tests abge-rechnet

Abrechnungsbetrag in €

Auszahlungsbetrag in €

19

31.05.2021

Mai 21

1.950

34.086,00

34.086,00

20

31.05.2021

Mai 21

732

12.795,36

12.795,36

21

01.07.2021

Juni 21

1.849

32.653,34

32.653,34

22

01.07.2021

Juni 21

2.471

43.637,86

43.637,86

23

26.08.2021

Juli 21

2.789

31.292,58

0

24

26.08.2021

Juli 21

2.546

28.566,12

0

25

27.08.2021

Aug. 21

430

4.824,60

0

26

27.08.2021

Aug. 21

255

2.861,10

0

Gesamt

13.022

190.716,96

123.172,56

Fall

Tests tatsächlich

abrechenbarer Betrag tatsächlich in €

Differenz: zu Unrecht abgerechnet

zu Unrecht erhalten in €

19

1.950

30.113,07

3.972,93

3.972,93

20

11.303,98

1.491,38

1.491,38

21

1.849

25.924,83

6.728,51

6.728,51

22

2.471

34.645,89

8.991,97

8.991,97

23

1.599

17.940,78

13.351,80

0

24

1.787

20.050,14

8.515,98

0

25

3.511,86

1.312,74

0

26

2.367,42

493,68

0

10.912

145.857,97

44.858,99

21.184,79

Teststation S

Fall

Abrechnung vom

Zeitraum

Teststation

Tests abge-rechnet

Abrechnungsbetrag in €

Auszahlungsbetrag in €

27

31.05.2021

Mai 21

820

14.333,60

14.333,60

28

03.07.2021

Juni 21

226

3.991,16

3.991,16

Gesamt

1.046

18.324,76

18.324,76

Fall

Tests tatsächlich

abrechenbarer Betrag tatsächlich in €

Differenz: zu Unrecht abgerechnet

zu Unrecht erhalten in €

27

12.662,93

1.670,67

1.670,67

28

3.168,75

822,41

822,41

1.046

15.831,68

2.493,08

2.493,08

16
Von den zu Unrecht abgerechneten 651.578,06 € zahlte die KVB an den Angeklagten T 437.399,48 € aus. Die Differenz von 214.178,58 € betrifft die Abrechnungen der Monate Juli und August 2021, die nicht mehr zur Auszahlung kamen.
17
Die Angeklagten T und O erlangten hierdurch, worauf es beiden ankam, einen Vermögensvorteil in Höhe der zu Unrecht überwiesenen Beträge, auf den sie keinen Anspruch hatten. Absprachegemäß überwies T einen Teil hiervon anschließend auf Konten des O und der O GmbH. O beglich mit den Mitteln die – zum Schein – über die O GmbH beschafften Schnelltests bei den Lieferanten und hob Gelder in bar ab, die er und T in der Folge verbrauchten, unter anderem zur Begleichung gemeinsamer Schulden aus dem gescheiterten Café-Betrieb.
18
Die Angeklagte A war Assistentin des Angeklagten T. Sie unterstützte die Taten der beiden Angeklagten T und O, indem sie in Kenntnis aller Umstände von Anfang an den Kontakt zu Behörden und Lieferanten hielt, notwendige Meldungen an die Gesundheitsämter abgab und insbesondere die unrichtigen Abrechnungen nach Weisung des T an die KVB elektronisch meldete. Zudem unterstützte sie T und O bei der Erstellung von Scheinrechnungen der O GmbH an die AS über die vorgebliche Lieferung von Schnelltests. Von den zu Unrecht ausbezahlten Beträgen der KVB erhielt sie keinen Anteil.
C. Beweiswürdigung
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen …
II. Feststellungen zu den Taten
19
Die Feststellungen zu den Taten beruhen auf den geständigen Einlassungen der drei Angeklagten und auf der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme.
1. Subventionsbetrug
20
Den Anklagevorwurf hat der Angeklagte T, wie unter B.II beschrieben, gestanden und ergänzend erläutert.
2. Abrechnungsbetrug Corona-Testcenter
21
Zum unter B.III festgestellten Sachverhalt haben sich die Angeklagten T, O und A, soweit es ihren jeweiligen Tatbeitrag und ihre Kenntnisse betrifft, geständig eingelassen und ergänzende Angaben gemacht. Diese Einlassungen konnten durch die Beweisaufnahme, auf der auch die Überzeugungsbildung zum weiteren Sachverhalt beruht, bestätigt werden.
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a) Der Angeklagte T gab an, dass er im April 2021 den Entschluss gefasst habe, ab Mai 2021 Corona-Testcenter zu eröffnen. Bei Gesprächen mit dem Gesundheitsamt der Stadt N habe er erfahren, dass zwischen dem Amt und der KVB kein Abgleich der gemeldeten Testzahlen stattfinde. Das habe ihn auf die Idee gebracht, überhöhte Testzahlen an die KVB zu übermitteln, um hierdurch mehr Gewinn zu machen. Später habe er dann von der – offenbar branchenüblichen – Vorgehensweise erfahren, die Corona-Tests über Mittelsmänner zu erwerben und so höhere Sachkosten bei der KVB abzurechnen. Diese Idee habe er aufgegriffen und übernommen.
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Wegen der gemeinsamen Schulden, die er mit O nach dem gescheiterten Betrieb des Cafés hatte, habe er diesen am Geschäft mit den Corona-Testcentern zur Schuldentilgung beteiligen wollen. Er habe ihn dann gebeten, die O GmbH für den Testankauf zu verwenden und die Tests dann zu überhöhten Preisen an ihn weiterzuverkaufen. Mit O habe er auch vereinbart, den Gewinn aus den Corona-Testcentern hälftig zu teilen.
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Zur Rolle der Angeklagten A gab er an, dass sie ihn organisatorisch beim Betrieb der Corona-Testcenter und der Abrechnung mit der KVB unterstützt habe. Sie habe von zu Hause aus und nach seinen Weisungen gearbeitet. Von seinen Teststellenmitarbeitern habe er sich täglich die Anzahl der durchgeführten Tests übermitteln lassen, diese teilweise bereits an dieser Stelle erhöht und wöchentlich an A zur Weiterleitung an das Gesundheitsamt gegeben. Diese Zahlen habe er dann nochmals erhöht und diese monatlich an A mitgeteilt, damit sie sie bei der KVB einreicht. O sei bei diesen Abrechnungsvorgängen nicht aktiv involviert gewesen.
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b) Für den Angeklagten O gab sein Verteidiger eine Einlassung ab, die O als richtig bestätigte und zu der er persönlich weiterführende Angaben machte. Danach sei er bei T als Geschäftspartner für die Corona-Testcenter eingestiegen, um die Schulden für das Café zurückzahlen zu können. Beide hätten eine hälftige Gewinnteilung miteinander vereinbart. Bei der unrichtigen Abrechnung gegenüber der KVB sei nicht er, sondern T die treibende Kraft gewesen. Vor der ersten Abrechnung habe T ihm mitgeteilt, dass er eine überhöhte Anzahl von durchgeführten Testungen an die KVB melden werde. Dagegen habe er Bedenken gehabt, nach einigem Zögern habe er diesem Vorgehen aber zugestimmt. Auch bei den weiteren Abrechnungen habe er von den überhöhten Testzahlen gewusst, die T der KVB gemeldet habe und habe dies gebilligt. T habe auch die Idee gehabt, über die O GmbH Corona-Tests an- und diese mit Aufschlag sodann an die AS weiterzuverkaufen, damit letztere höhere Sachkosten bei der KVB abrechnen könne. Mit diesem Zwischenhandel sei er einverstanden gewesen. T habe dann die Lieferanten kontaktiert und deren Rechnungen seien an die O GmbH gerichtet worden. Nach der ursprünglichen Absprache hätte er für die O GmbH an die AS eine Rechnung schreiben und dann von dieser eine entsprechende Bezahlung erhalten sollen. Praktisch sei es aber so gewesen, dass er für die O GmbH die erste Lieferantenrechnung beglichen habe, nachdem er von T eine erste Zahlung erhalten habe. Im Juli / August habe ihn T um Rechnungstellung gebeten, damit er überweisen könne. Er sei aber nachlässig gewesen und habe diese erst im September erstellt. T hätte sie dann aber tatsächlich begleichen sollen. Er und T hätten einen etwas lockeren Umgang mit Geld gepflegt; T habe den Verwendungszweck bei den Überweisungen an die O GmbH selbst als „zinsfreies Darlehen“ angegeben. Bei der ersten dieser Überweisungen in Höhe von 300.000 € habe ihm T gesagt, dass das Geld für die gemeinsamen Schulden und die Corona-Test sei. Daraufhin habe er dann auch die Lieferanten SI und PK bezahlt. Mit den restlichen Geldern, die von T auf sein Privatkonto und das Konto der O GmbH überwiesen worden seien, seien Schulden bezahlt worden, einzelne Beträge an T zurückgegeben und der Rest von ihm, O, vereinnahmt worden. T habe versehentlich auch auf sein Privatkonto Geld überwiesen, das ebenso auf das GmbH-Konto hätte fließen sollen. Er, O, habe gleichwohl gewusst, welcher Betrag der überwiesenen Gelder sein Gewinnanteil gewesen sei. Schließlich gab er an, mit der Angeklagten A keinen Kontakt gehabt zu haben, er habe nur von einer Assistentin des T für organisatorische Aufgaben gewusst.
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c) Auch die Angeklagte A gestand den ihr vorgeworfenen Sachverhalt über ihren Verteidiger und hat diesen dann persönlich ergänzend erläutert. T habe sie gebeten, ihn bei den Testcentern zu unterstützen. Sie habe dabei auf seine Weisungen hin mit Lieferanten und Behörden über Telefonate und E-Mails kommuniziert und insbesondere die Zahlen an das Gesundheitsamt und die KVB gemeldet. Die Zahlen habe sie ausschließlich von T genannt bekommen, dieser habe auch die Zahlen der Tage und jeweiligen Teststationen aufaddiert. Sie habe gewusst, dass die Zahlen an die KVB nicht stimmen.
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d) Die geständigen Einlassungen der Angeklagten wurden durch die Beweisaufnahme bestätigt. Durch diese steht ebenso der weitere Sachverhalt zur Überzeugung der Kammer fest. Hinzuweisen ist insbesondere auf Folgendes:
D. Rechtliche Bewertung
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I. Der Angeklagte T hat sich wegen des festgestellten Sachverhalts, wie tenoriert, des Betrugs in 8 Fällen, des versuchten Betrugs in 20 Fällen und des vorsätzlichen Subventionsbetrugs in 8 Fällen schuldig gemacht.
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Bei den Betrugstaten zum Nachteil der KVB täuschte er diese auch über die Höhe der zu vergütenden Sachkosten. Dies geschah einerseits über die erhöhte Anzahl der gemeldeten Testungen, bei denen schon überhaupt keine Schnelltests verwendet wurden. Andererseits erfolgte dies für die Monate Mai und Juni 2021 durch die Meldung von tatsächlich nicht angefallenen Beschaffungskosten. In beiden Monaten war an Betreiber von Corona-Testcentern für selbst beschaffte PoC-Antigen-Tests eine Vergütung für die Sachkosten in Höhe der entstandenen Beschaffungskosten, höchstens 6 € je Test, zu bezahlen (§ 11 TestV i.d.F. vom 8. März 2021). Erst ab 01.07.2021 wurden die Sachkosten durch eine Pauschale von 3,50 € je Test vergütet (§ 11 TestV i.d.F. vom 24.06.2021). Da es zwischen der AS und der O GmbH keine realen Verkaufsgeschäfte gab und letztere nur als formelle Rechnungsempfängerin und Zahlstelle gegenüber den Lieferanten fungierte, waren die in den dortigen Rechnungen genannten Ankaufspreise der Schnelltests identisch mit den tatsächlichen Beschaffungskosten der AS.
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II. Der Angeklagte O hat sich wegen des festgestellten Sachverhalts, wie tenoriert, des Betrugs in 8 Fällen und des versuchten Betrugs in 20 Fällen schuldig gemacht.
31
Insbesondere liegt bei ihm ein mittäterschaftliches Handeln und nicht nur Beihilfe vor (zu den Kriterien vgl. Fischer, 69. Aufl., StGB, § 25 Rn. 23 ff.). Zwar war der Angeklagte im unmittelbaren Ausführungsstadium nicht beteiligt; die konkreten Täuschungshandlungen gegenüber der KVB wurden jeweils von T veranlasst und die entsprechenden unrichtigen Abrechnungen durch A eingereicht. Allerdings beruhte der Betrieb der Teststationen von Anfang an auf einer – auf Augenhöhe getroffenen – Abrede zwischen T und O. Er hatte erhebliches Eigeninteresse am Erfolg der Taten. Denn die Absprache mit T sah vor, mit den zu Unrecht erhaltenen Beträgen die gemeinsamen Schulden zu begleichen und den Rest des Gewinns hälftig zu teilen. Dies wurde in der Folge auch so zwischen ihnen gehandhabt. Ferner ließ sich O von T regelmäßig vorab die Anzahl der angeblich durchgeführten Tests nennen, welche an die KVB gemeldet wurde, so dass die Täuschungshandlungen auch stets mit seinem Wissen und Wollen geschahen. Seine objektive und subjektive Tatherrschaft folgt – soweit es die überhöhte Abrechnung von Sach-/Beschaffungskosten von Schnelltests betrifft – auch daraus, dass er seine O GmbH als Rechnungsempfängerin und Zahlstelle gegenüber den Testlieferanten hergab. Dieser Beitrag war nicht nur untergeordnet, sondern notwendig, um nach außen den Schein höherer als der tatsächlichen Beschaffungskosten zu erzeugen.
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III. Die Angeklagte A hat sich wegen des festgestellten Sachverhalts, wie tenoriert, der Beihilfe zum Betrug in 8 Fällen und zum versuchten Betrug in 20 Fällen schuldig gemacht.
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Die Beihilfehandlungen lagen nicht nur in der psychischen Bestärkung des Angeklagten T bei den Betrugstaten – was aber für die Annahme einer Beihilfehandlung bereits ausreichen würde –, sondern auch in der Ausführung der Tathandlungen. So reichte sie auf Ts Geheiß und in Kenntnis der wahren Umstände die unrichtigen Abrechnungen elektronisch bei der KVB ein, um hierdurch eine täuschungsbedingt überhöhte Auszahlung an T zu bewirken. Weiter unterstützte sie auch die Erstellung von Scheinrechnungen der O GmbH an AS, was den Anschein echter Geschäftsvorfälle zwischen den beiden Firmen erzeugen sollte. Wirtschaftlich nahm sie an dem Erfolg der Unternehmung keinen Anteil. Die ersten Monate handelte sie aus persönlicher Verbundenheit zu T, erst kurz vor dem Auffliegen des Betrugs, begann sie bei T ein überschaubares Festgehalt zu beziehen.
E. Strafzumessung
I. Der Angeklagte T
1. Strafrahmen
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a) Bei allen Fällen des Subventionsbetrugs bejaht die Kammer das Vorliegen unbenannter besonders schwerer Fälle und entnimmt dafür die Strafrahmen aus § 264 Abs. 2 Satz 1 StGB. Dieser bestimmt für jeden Fall eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren.
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Ein unbenannter besonders schwerer Fall ist anzunehmen, wenn er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 46 Rn. 88). Dabei ist es möglich, dass in der Gesamtschau das Ausnutzen eines Soforthilfeverfahrens und eine erhebliche Schadenshöhe die Annahme eine solchen Falls begründen kann (BGH, Beschluss vom 04.05.2021 – 6 StR 137/21, juris Rn. 12). Überdies kommt einem gewerbsmäßigen Handeln beim Subventionsbetrug schon für sich eine Indizwirkung für die Bejahung eines unbenannten besonders schweren Falls zu (BGH, aaO.). So liegen die Dinge hier. Die acht Fälle des Subventionsbetrugs beging der Angeklagte im Zeitraum von rund einem Jahr, bei mehreren Subventionsgebern und erlangte hierdurch bei jeder Tat erhebliche Gelder und plangemäß Einkommen auf Dauer. Er handelte gewerbsmäßig. Von den bewilligten und ausgezahlten Coronahilfen erhielt er insgesamt 139.608,69 € (weitere 2.500 € verblieben bei O). Umstände zugunsten des Angeklagten, namentlich sein Geständnis, haben in der zu treffenden Gesamtabwägung kein solches Gewicht, dass sie die besonders schweren Fälle auf den Regelstrafrahmen drücken würden.
36
b) Die Kammer hat auch bei den vollendeten und – im Ausgangspunkt – auch bei den versuchten Betrugstaten zum Nachteil der KVB jeweils das Vorliegen besonders schwerer Fälle bejaht.
37
aa) Für die vollendeten Betrugstaten hat die Kammer den erhöhten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB herangezogen. Dieser sieht für die Einzeltat eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren vor. Hier liegen die Voraussetzungen von Regelfällen vor. So handelte der Angeklagte bei allen vollendeten Taten gewerbsmäßig (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, Fälle 1-2, 19-22, 27-28). Überdies ist in zwei Fällen das Regelbeispiel eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes gegeben (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, Fälle 1, 2), da dort die zu Unrecht ausbezahlten Beträge jeweils erheblich über 50.000 € lagen. Hinreichend gewichtige Umstände, welche die Regelwirkung entkräften könnten, lagen nach Wertung der Kammer nicht vor.
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bb) Bei den versuchten Betrugstaten war wegen der Gewerbsmäßigkeit ebenso von besonders schweren Fällen auszugehen (Fälle 3-18, 23-26). Die Regelstrafrahmen waren allerdings gem. § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.
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Das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs gem. § 23 Abs. 2 StGB führte nicht zum Entfallen der Regelwirkung. Denn insbesondere unter Berücksichtigung des Gesamtbetrags von 214.178,22 €, der durch die Versuchstaten erlangt werden sollte, bestand für die Kammer kein Anlass, auf den Normalstrafrahmen zurückzugreifen. Allerdings war der erhöhte Strafrahmen nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB nach Lage der Dinge jeweils fakultativ zu mildern. Denn die Versuchstaten blieben bereits in einem sehr frühen Stadium stecken. Die KVB verhängte bereits ab dem 03.08.2022 einen Auszahlungsstopp für AS, der bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens bestehen bleibt. Ferner zeigten die bei der KVB zugleich eingeleiteten Plausibilitätsprüfungen auf, dass es bereits an den formellen Anspruchsvoraussetzungen für die Abrechnungsmonate Juli und August, um die es bei den Versuchstaten ging, fehlte. Eine Auszahlung war unter diesen Umständen realistischerweise nicht zu erreichen.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
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Bei der konkreten Strafzumessung in Ausfüllung der genannten Strafrahmen hat sich die Kammer, neben den bereits unter E.I.1 erörterten Aspekten, im Wesentlichen von folgenden Umständen leiten lassen:
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Für den Angeklagten sprach, dass er bereits am ersten Hauptverhandlungstag umfassend geständig war und – in der Phase des Ermittlungsverfahrens vor Anklageerhebung – an der Tataufklärung, insbesondere zur Rolle des O, mitgewirkt hatte. Weiter berücksichtigt die Kammer die Dauer der Untersuchungshaft und die erstrebte Schadenswiedergutmachung durch Zahlung von 25.000 € an die Staatskasse am letzten Hauptverhandlungstag. Ferner war zu Gunsten des Angeklagten zu werten, dass er in den Monaten Juli und August sowie in den – nicht verfahrensgegenständlichen – Monaten September und Oktober tatsächlich Testleistungen erbracht hat. Diese Aufwendungen, deren Auszahlung sich die KVB aufgrund von formellen Abrechnungsfehlern für die Monate Juli und August sowie aufgrund der Nichtabrechnung für die Monate September und Oktober bislang erspart hat, waren strafmildernd zu berücksichtigen. Die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Testungen konnten mangels Dokumentation in den Teststationen zwar nicht konkret benannt werden. Allerdings betrieb T insgesamt 12 Teststationen mit entsprechendem Personal, aus dessen Aussagen – soweit es als Zeuge vor der Kammer ausgesagt hat – für die Kammer zweifelsfrei folgt, dass bis zur Schließung der Testcenter infolge der Festnahme des Angeklagten, jedenfalls auch in großem Umfang Testungen tatsächlich durchgeführt worden sind. Schließlich war bei den Versuchstaten zu berücksichtigen, dass diese in einem frühen Stadium stecken blieben und letztlich nicht mehr zum Erfolg gelangen konnten.
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Zu Lasten des (nicht erheblich) vorbestraften Angeklagten wertet die Kammer, dass er systematisch und planvoll über einen Zeitraum von ca. eineinhalb Jahren vorging. Dabei war zu berücksichtigen, dass infolge des Subventionsbetrugs erhebliche, vier- und fünfstellige Beträge ausbezahlt wurden. Ferner ging er bei den Betrugstaten zum Nachteil der KVB gezielt arbeitsteilig vor und erlangte zu Unrecht insgesamt einen hohen sechsstelligen Betrag. Hierbei lagen die Beträge der Fälle 1 und 2 deutlich über der für die Verwirklichung des Regelbeispiels eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes angenommenen Schwelle. Der eingetretene Gesamtschaden in Höhe von 577.008,17 € und der versuchsweise erstrebte weitere Gewinn von 214.178,58 € sind erheblich.
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Unter Abwägung dieser Umstände hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen, wobei sich die Kammer – ohne zwischen dem Subventionsbetrug und dem Betrug weiter zu unterscheiden – bei der Differenzierung hinsichtlich der Strafhöhe insbesondere von den jeweiligen Schadenssummen leiten ließ:
Vollendete Betrugstaten:
Schadenssumme bis 5.000 €: 7 Monate Freiheitsstrafe (Fall 7 Subventionsbetrug; Fälle 19-20, 27-28 KVB-Betrug)
Schadenssumme bis 10.000 €: 8 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 1, 4, 8 Subventionsbetrug; Fälle 21, 22 KVB-Betrug)
Schadenssumme bis 20.000 €: 10 Monate Freiheitsstrafe (Fall 6 Subventionsbetrug), Schadenssumme bis 30.000 €: 1 Jahr Freiheitsstrafe (Fall 5 Subventionsbetrug), Schadenssumme bis 40.000 €: 1 Jahr 2 Monate Freiheitsstrafe (Fall 3 Subventionsbetrug), Schadenssumme bis 50.000 €: 1 Jahr 4 Monate Freiheitsstrafe (Fall 2 Subventionsbetrug)
Schadenssumme bis 200.000 €: 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe (Fall 2 KVB-Betrug)
Schadenssumme über 200.000 €: 2 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe (Fall 1 KVB-Betrug)
Versuchte Betrugstaten:
möglicher Schaden bis 10.000 €: 6 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 3-5, 9, 10, 12, 15-18, 24-26 KVB-Betrug)
möglicher Schaden bis 20.000 €: 8 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 6-8, 23 KVB-Betrug)
möglicher Schaden bis 30.000 €: 10 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 13, 14 KVB-Betrug)
möglicher Schaden bis 40.000 €: 1 Jahr Freiheitsstrafe (Fall 11 KVB-Betrug)
3. Gesamtstrafenbildung
Bei der gemäß § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 2, 3 StGB unter angemessener Erhöhung der höchsten Einsatzfreiheitsstrafe zu bildenden Gesamtstrafe waren die oben genannten Umstände und das Gesamtbild der Taten und der Person des Angeklagten in eine Gesamtabwägung einzubringen. Die Kammer hielt danach eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 2 Monaten für tat- und schuldangemessen. Hierbei war ein Härteausgleich mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.08.2020 (402 Ds …), die an sich gesamtstrafenfähig gewesen wäre, jedoch bereits vollständig vollstreckt ist, nicht vorzunehmen. Denn ein solcher ist beim Zusammentreffen von einer Freiheitsstrafe mit einer bereits bezahlten Geldstrafe nicht veranlasst (BGH, Urteil vom 05.05.2021 – 6 StR 15/21, juris Rn. 11).
II. Der Angeklagte O
1. Strafrahmen
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a) Für die vollendeten Betrugstaten hat die Kammer den erhöhten Strafrahmen des besonders schweren Falls aus § 263 Abs. 3 StGB entnommen. Der Angeklagte handelte bei allen vollendeten Betrugstaten, um sich auf längere Dauer eine nicht unerhebliche Einnahmequelle für seinen Lebensunterhalt und die Schuldentilgung zu schaffen (Fälle 1-2, 19-22, 27-28). Dadurch lag das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit vor, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB. Zudem ist in zwei dieser Fälle (Fälle 1, 2) das Regelbeispiel eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes einschlägig, da der Schaden dort jeweils mehr als 50.000 € betrug. Hinreichend gewichtige Umstände, welche die Regelwirkung entkräften könnten, lagen nach Wertung der Kammer nicht vor.
45
b) Bei den versuchten Betrugstaten waren im Ausgangspunkt ebenso besonders schwere Fälle zu bejahen, weil der Angeklagte auch insoweit gewerbsmäßig handelte (Fälle 3-18, 23-26). Das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs des § 23 Abs. 2 StGB führt nicht zum Entfallen der Regelwirkung. Der erhöhte Regelstrafrahmen war allerdings jeweils aus den gleichen Gründen zu mildern wie beim Angeklagten T (§ 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB).
2. Strafzumessung im engeren Sinne
46
Bei der konkreten Strafzumessung in Ausfüllung der genannten Strafrahmen hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden Umständen leiten lassen:
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Für den Angeklagten sprach, dass er bereits am ersten Hauptverhandlungstag umfassend geständig war. Dabei hat die Kammer den Wert des Geständnisses besonders hoch gewichtet, weil die Beweislage bei ihm schlechter war als beim Mitangeklagten T (der O, anders als im Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung nicht belastet hatte), sodass insoweit eine umfänglichere Beweisaufnahme hätte durchgeführt werden müssen. Weiter war O nicht der Ideengeber und die treibende Kraft der Taten; sein Beitrag erschöpfte sich im Wesentlichen in der Bereitstellung der O GmbH und in der Begleitung und Organisation des Tagesgeschäfts des Testens. Überdies sprachen für den Angeklagten, dass tatsächlich Tests durchgeführt wurden, die die KVB bislang nicht abgerechnet hat und dass – wenn auch unfreiwillig – eine Schadenswiedergutmachung insoweit erfolgen konnte, als beim Angeklagten knapp 100.000 € sichergestellt wurden. Schließlich war bei den Versuchstaten zu berücksichtigen, dass diese in einem frühen Stadium fehl gingen. Die Motivation zu den vorliegenden Taten war – so sieht das die Kammer – nicht primär von Gier getrieben, vielmehr ging es dem Angeklagten auch darum, die Schulden bei seiner Familie zu tilgen, die sich aus der coronabedingt gescheiterten Selbständigkeit ergaben.
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Zu Lasten des Angeklagten wertete die Kammer den zu Unrecht erlangten Betrag von 437.399,48 € und den versuchsweise erstrebten Betrag von 214.178,58 €. Weiter sprach – deutlich – gegen ihn, dass er aufgrund einer langjährigen Gesamtfreiheitsstrafe, allerdings aus einem anderen Deliktsbereich, erheblich vorbestraft war. Trotz des dortigen Hafteindrucks beging er einen Teil der vorliegenden Taten, unter anderem die Taten der Fälle 1 und 2 in laufender Reststrafenbewährung. Gleichwohl hat die Kammer dabei gesehen, dass dem Angeklagten die Bewährungszeit aufgrund seiner positiven Entwicklung um ein Jahr verkürzt worden war und er durch Eingehung eines Angestelltenverhältnisses, die versuchte Selbständigkeit und erfolgte Familiengründung wichtige und gute Schritte in Richtung eines gesetzestreuen, normalen Lebens getan hatte und im Grunde eine gute Sozialprognose hatte.
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Unter Abwägung dieser Umstände hielt die Kammer die gleichen Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen, die sie auch für Ts Taten zum Nachteil der KVB verhängt hat (oben E.I.2). Auch hier ließ sich die Kammer bei der Differenzierung hinsichtlich der Strafhöhe von den jeweils unterschiedlichen Schadenssummen leiten.
3. Gesamtstrafenbildung
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Bei der gemäß § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 2, 3 StGB unter angemessener Erhöhung der höchsten Einsatzfreiheitsstrafe zu bildenden Gesamtstrafe waren die oben genannten Umstände und das Gesamtbild der Taten und der Person des Angeklagten in die Gesamtabwägung einzubringen. Die Kammer hielt danach eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 5 Monaten für tat- und schuldangemessen.
III. Die Angeklagte A
1. Strafrahmen
51
Es liegt hier nicht – wie in Fällen der Beihilfe zum Betrug häufig – eine Beihilfe zu zahlreichen Betrugstaten vor, sondern mehrere einzelne Beihilfen zu einzelnen Betrugstaten, weil die Angeklagte die jeweiligen Abrechnungen bei der KVB eingereicht hatte und somit jede einzelne Tat individualisiert unterstützte.
52
Bei den vollendeten Betrugstaten des Angeklagten T war der Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB die zunächst vorgegebene Bezugsgröße für die Beihilfe. Weil bei der Angeklagten A allerdings die Gewerbsmäßigkeit fehlte, und damit ein besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 2 StGB (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 28 Rn. 9, § 263 Rn. 210), fiel sie – mit Ausnahme der Fälle 1 und 2 – auf den Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB zurück. Bei den Fällen 1 und 2 beruhte die Erhöhung des Strafrahmens gem. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB auf dem objektiven Umstand des Schadensausmaßes, sodass der erhöhte Strafrahmen auch bei A jeweils den Ausgangspunkt der Betrachtung bildete. Die so gefundenen Strafrahmen waren je zwingend zu mildern (§ 27 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB).
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Bei der Beihilfe zu den versuchten Betrugstaten waren für die Findung der Strafrahmen jeweils die vorstehenden Erwägungen entsprechend heranzuziehen. Hinzu kam hier jeweils die weitere fakultative Milderung gem. § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB, die jeweils an die einzelnen Haupttaten anzulegen war.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
54
Bei der konkreten Strafzumessung in Ausfüllung der genannten Strafrahmen hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden Umständen leiten lassen:
55
Für die Angeklagte sprach ihr strafloses Vorleben und ihr umfassendes Geständnis bereits am ersten Hauptverhandlungstag. Ferner war zu ihren Gunsten zu werten, dass sie an der Tatbeute nicht beteiligt war und sie vielmehr aus Zuneigung zum Mitangeklagten T handelte.
56
Zu Lasten der Angeklagte war zu berücksichtigen, dass ihre Beihilfehandlung nicht nur aus der psychischen Bestärkung, sondern aus aktiver und nicht völlig untergeordneter Förderung der Täuschungshandlungen bestand, indem sie die Abrechnungen für T bei der KVB einreichte. Ferner sprach gegen sie die Schadenshöhe bei den Haupttaten.
57
Unter Abwägung dieser Umstände hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen, wobei sich die Kammer bei der Differenzierung hinsichtlich der Strafhöhe von den jeweils unterschiedlichen Schadenssummen leiten ließ:
Beihilfe zu vollendeten Taten:
Schadenssumme bis 5.000 €: 4 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 19-20, 27-28), Schadenssumme bis 10.000 €: 5 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 21-22), Schadenssumme bis 200.000 €: 11 Monate Freiheitsstrafe (Fall 2), Schadenssumme über 200.000 €: 1 Jahr Freiheitsstrafe (Fall 1).
Beihilfe zu Versuchstaten:
möglicher Schaden bis 5.000 €: 3 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 5, 12, 25-26), möglicher Schaden bis 10.000 €: 4 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 3-4, 9-10, 15-18, 24), möglicher Schaden bis 20.000 €: 6 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 6-8, 23)
möglicher Schaden bis 30.000 €: 7 Monate Freiheitsstrafe (Fälle 13-14), möglicher Schaden bis 40.000 €: 8 Monate Freiheitsstrafe (Fall 11).
58
Sofern die Kammer Freiheitsstrafen von weniger als 6 Monaten verhängt hat, war das zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich (§ 47 Abs. 1 StGB). Im Hinblick auf die kurze zeitige Abfolge der Taten, den eingetretenen und möglichen Schaden und das verwerfliche Ausnutzen einer allgemeinen Notlage – letzterer Gesichtspunkt geht auch zulasten der beiden anderen Angeklagten – war die Ahndung mit einer Geldstrafe nicht mehr ausreichend. Dabei war auch zu bedenken, dass das öffentliche Gesundheitssystem dem Abrechnenden systembedingt ein hohes Vertrauen in die Richtigkeit der Mitteilung seiner Angaben entgegenbringt und es auch entgegenbringen muss.
3. Gesamtstrafenbildung
59
Bei der gemäß § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 2, 3 StGB unter angemessener Erhöhung der höchsten Einsatzfreiheitsstrafe zu bildenden Gesamtstrafe waren die oben genannten Umstände und das Gesamtbild der Taten und der Person der Angeklagten in die Gesamtabwägung einzubringen. Die Kammer hielt danach eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten für tat- und schuldangemessen.
4. Strafaussetzung zur Bewährung
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Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach der Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit der Angeklagten liegen neben einer positiven Sozialprognose auch besondere Umstände vor. Denn die Angeklagte ist mit Ausnahme dieser Taten bis heute nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat sich vollumfänglich geständig gezeigt. Sie versucht ernsthaft, ihr Leben ohne Konflikt mit dem Gesetz zu führen und kümmert sich neben ihren Kindern, die sie allein erzieht, um die Aufnahme eines Studiums. Sie wird ihr weiteres Leben straffrei hinbekommen.
F. Einziehung
I. Einziehung beim Angeklagten T
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Insoweit war die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 577.008,17 € anzuordnen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB). Dieser Betrag verbleibt, nachdem bei den Betrugstaten zum Nachteil der KVB bereits die Kosten für tatsächlich durchgeführte Testungen als Aufwendungen berücksichtigt wurden (§ 73d Abs. 1 StGB). Ferner war die Einziehung im Fall 8 des Subventionsbetrugs auf 5.000 € zu begrenzen. Denn maßgeblich ist nur der Betrag, an welchem der Täter die Verfügungsgewalt erlangt, die Erlangung weiterer Beträge durch Drittbegünstigte oder andere Beteiligte reicht nicht aus (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 73 Rn. 28b, 29). Zwar wurden im Fall 8 die beantragten Gelder in Höhe von 7.500 € ausgezahlt. Jedoch geschah dies auf ein Konto des O, der hiervon nur 5.000 € an T weiterleitete.
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Die Einziehung gliedert sich demnach entsprechend den einzelnen Taten wie folgt:

Subventionsbetrug

Fall

Geschädigter / Subventionsgeber

Betrag

1

Regierung v. Mittelfranken

9.000,00 €

2

IHK f. München und Oberbayern

41.968,22 €

3

IHK f. München und Oberbayern

31.416,30 €

4

IHK f. München und Oberbayern

9.419,56 €

5

IHK f. München und Oberbayern

27.804,61 €

6

Regierung v. Mittelfranken

11.600,00 €

7

Regierung v. Mittelfranken

3.400,00 €

8

IHK f. München und Oberbayern

5.000,00 €

Insgesamt

139.608,69 €

Betrug

1

KVB

259.143,55 €

2

KVB

154.578,06 €

19

KVB

3.972,93 €

20

KVB

1.491,38 €

21

KVB

6.728,51 €

22

KVB

8.991,97 €

27

KVB

1.670,67 €

28

KVB

822,41 €

Insgesamt

437.399,48 €

II. Einziehung beim Angeklagten O
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Der Betrag von 437.399,48 € ist entsprechend der obigen Betrugstabelle auch beim Angeklagten O einzuziehen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB). Beim Mittäter ist es maßgeblich, ob er eine tatsächliche (Mit) Verfügungsgewalt am Erlangten hatte. Dies kann sich auch auf Vermögenswerte erstrecken, die formell bei einer juristischen Person eingehen, als deren Organ er handelte. Voraussetzung hierfür ist dann nicht nur seine Verfügungsgewalt, sondern zusätzlich die Nutzung der Gesellschaft als Tatmantel ohne tatsächliche Trennung von Privat- und Gesellschaftsvermögen (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 73 Rn. 26 ff.). So lag der Fall hier, da T die zu Unrecht von der KVB ausbezahlten 437.399,48 € auf Konten des O und ein Konto der O GmbH überweisen ließ. Für das Konto der O GmbH war O nicht nur alleinverfügungsberechtigt. Vielmehr nutzte er die O GmbH als scheinbaren Zwischenhändler der PoC-Schnelltests. Dabei hob er von dem auf das Konto der O GmbH transferierten Geld insgesamt 160.000 € am 22.06.2021 und 20.07.2021 ab, über die er und T sodann frei verfügten. Eine Vermögenstrennung von O und der O GmbH lag nicht vor.
III. Einziehung bei der O GmbH
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Die O GmbH haftet auf einen Betrag von 380.000 € (§ 73b Abs. 1 Nr. 1, § 73c Satz 1, §§ 73d, 74e Satz 1 Nr. 1 StGB). Diese Summe hatte T von den zu Unrecht erlangten Beträgen der KVB auf das Konto der O GmbH überwiesen. Ferner ging die Erlangung des Betrags auf eine strafbare Handlung von O in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer zurück, die auch bei ihm zur Einziehung geführt hat.
IV. Gesamtschuldnerschaft
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T und O hatten Mitverfügungsgewalt über 437.399,48 €, so dass sie als Gesamtschuldner für diesen Betrag haften, eine sukzessive Verfügungsgewalt etwa durch nachfolgende Auskehr an einen Mittäter reicht hierzu aus (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 73 Rn. 29a). Die O GmbH haftet hinsichtlich des zu Unrecht ausgezahlten Betrags der KVB nur in Höhe von 380.000 € und demnach auch nur in dieser Höhe gesamtschuldnerisch mit O und T. Denn nur in Höhe dieses Betrags erlangte sie Mitverfügungsgewalt durch Überweisung auf ihr Geschäftskonto.
G. Kosten
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 464 Abs. 1, § 465 StPO.