Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 05.08.2022 – B 4 K 20.739
Titel:

Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags für die Wasserversorgungseinrichtung

Normenketten:
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2a
KommZG Art. 22 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags für ein Grundstück, für das bereits ein Herstellungsbeitrag erhoben wurde, ist grundsätzlich zulässig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Dieser schließt nicht aus, dass Beiträge für zusätzliche Vorteile, die das Grundstück aus der leitungsgebundenen Einrichtung zieht, nacherhoben werden können und müssen. Eine Nacherhebung für einen bisher nicht veranlagten Vorteil wird im Regelfall durch eine Veränderung am Grundstück als einen nur vom Grundstückseigentümer beeinflussbaren Faktor ausgelöst. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Flächenbegrenzungsregelungen finden auf Außenbereichsgrundstücke keine Anwendung. Vielmehr werden sie nur im Umfang ihrer tatsächlichen Bebauung und eines angemessenen Umgriffs als bebaubar angesehen und entsprechend zu einem Beitrag herangezogen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dachgeschossflächen stellen auch dann beitragsrechtlich relevante Gebäudeflächen dar, wenn sie die baulichen Voraussetzungen für Vollgeschosse oder für Aufenthaltsräume nicht erfüllen. Eine Satzungsbestimmung „soweit sie ausgebaut sind“ bedeutet, dass die nicht zugänglichen, abgemauerten Dachschrägen bei der Beitragsbemessung außer Ansatz zu bleiben haben. (vgl. VGH München BeckRS 2005, 29084). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags, angemessener Umgriff zur Bebauung eines teils im Außenbereich gelegenen Grundstücks, Tiefenbegrenzung für eine im Geltungsbereich einer Einbeziehungssatzung liegenden, Innenbereichsfläche, Paddocks und ausgebautes Dachgeschoss, Beitrag, Herstellungsbeitrag, Nacherhebung, Wasserversorgung, Beitragsmaßstab, Tiefenbegrenzung, Geschossfläche, Dachgeschoss, Umgriff, Außenbereichsfläche
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.05.2023 – 20 ZB 23.14
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47880

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Nachveranlagung zu einem Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungseinrichtung durch den Bescheid des Beklagten vom 14.08.2019.
2
Das ursprünglich 5.013 m² große Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung …, für das der Herstellungsbeitrag nacherhoben wird, befindet sich am östlichen Ortsrand des Ortsteils … der Gemeinde …, die der Verwaltungsgemeinschaft … angehört und im Landkreis … liegt. Nach der Satzung der Gemeinde … vom 30.08.1993 über die Festlegung der Grenzen des im Zusammenhang bebauten Ortsteils ist der westliche, ca. 3.600 m² umfassende Teil des Grundstücks in den Innenbereich einbezogen. Das Anwesen wurde vormals landwirtschaftlich genutzt und war mit einem Wohnhaus und in Verlängerung einem Stall-/Scheunengebäude bebaut, das sich entlang der nördlichen Grundstücksgrenze in Ost-West-Ausrichtung erstreckte und innerhalb der Grenzen der Einbeziehungsatzung lag.
3
Mit (erstmaligem) bestandskräftigen Vorausleistungsbeitragsbescheid vom 28.08.1995 machte der Beklagte gegenüber dem damaligen Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … einen Vorausleistungsbetrag von 14.439,99 DM zzgl. 7% MwSt geltend. Dabei wurde eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 3.593 m² sowie eine zulässige Geschossfläche von 1.077,90 m² (3.593 m² x 0,3) zugrunde gelegt. Aus dem Berechnungsbogen ergibt sich, dass der Beklagte von einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und einer tatsächlichen Geschossfläche von 594 m² ausging, weshalb er auf die zulässige Geschossfläche abstellte.
4
Mit (erstmaligem) bestandskräftigen Herstellungsbeitragsbescheid vom 27.10.1998 setzte der Beklagte gegenüber dem damaligen Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … einen Herstellungsbeitrag in Höhe von insgesamt 16.869,14 DM zzgl. 7% MwSt. fest. Abzüglich des Vorausleistungsbetrages verblieb ein zu zahlender Herstellungsbeitrag von 3.609,99 DM. Die Ansätze der beitragspflichtigen Grundstücks- und Geschossfläche entsprachen denen des Vorausleistungsbeitragsbescheids.
5
Die Klägerin hat das Anwesen im Jahr 2014 erworben. Sie hält dort nach eigenen Angaben aktuell zwölf Pferde zu privaten Zwecken und hat zwei Pferdeboxen vermietet.
6
Mit Bescheid vom 24.06.2015 (Az. …) erteilte ihr das Landratsamt … eine Baugenehmigung für den Neubau einer südlich des Wohnhauses gelegenen Lager- und Maschinenhalle mit einer Grundfläche von 16,00 x 34,00 m (544 m²).
7
Im Juli 2016 wurde das Landratsamt … auf Geländeauffüllungen und ungenehmigte Umbaumaßnahmen auf dem Grundstück Fl.-Nr. … aufmerksam gemacht. Eine daraufhin am 27.07.20216 vorgenommene Ortseinsicht ergab u.a., dass beim Wohnhaus mit angebautem Stall eine neue Dacheindeckung aufgebracht wurde und auf der Südseite vier freistehende Satteldachgauben neu errichtet wurden. Der Scheunenbereich wurde umgebaut und mehrere Pferdeboxen eingebaut. Östlich des Scheunengebäudes wurde eine bestehende Überdachung zurückgebaut und durch ein massives Nebengebäude ersetzt sowie südöstlich ein Garagengebäude mit begrüntem Flachdach angebaut. Die Fundamente für die bereits genehmigte Mehrzweckhalle südlich des Wohnhauses waren geschalt.
8
Nach Aktenlage hat die Klägerin für folgende Baumaßnahmen auf dem Grundstück Fl.-Nr. … Bauanträge gestellt, die bisher vom Landratsamt … nicht verbeschieden worden sind:
- Bauantrag vom März 2016 für den „Neubau eines Lager- und Kellerraumes“ als östlicher Anbau an das Bestandsgebäude (Az. …),
- Bauantrag vom März 2017 für den „Dachgeschossausbau mit Aufbau von vier Gauben, teilweiser Ausbau der bestehenden Scheune, Umbau des bestehenden Schweinestalls in einen Pferdestall sowie Anbau eines Holzbalkons“ (Az. …),
- Tekturplan und Nutzungsänderungsantrag vom März 2017 betreffend die Umnutzung der bestehenden Lager- und Maschinenhalle in eine Reithalle mit vier Pferdeboxen; mit überdachter Miste und Geländeauffüllungen (Az. …).
9
Im Jahr 2018 wurde das Grundstück Fl.-Nr. … mit Teilen der nördlich angrenzenden Grundstücke … und … verschmolzen und wuchs so auf eine Grundstücksfläche von 5.233 m² an.
10
Zwischenzeitlich wurden auf dem Dach des in östlicher Verlängerung des Stallgebäudes errichteten Nebengebäudes und auf dem Dach des angrenzenden Garagengebäudes eine Schotterschicht und (teils) Ridcon-Platten aufgebracht. Dieser Bereich wird als Geh- und Fahrweg genutzt. Auf der westlichen Grundstücksfläche und ebenso auf der östlichen außerhalb der Einbeziehungssatzung gelegenen Fläche wurden jeweils Paddocks mit überdachtem Unterstand angelegt. Die Maschinenhalle wird als Reithalle mit vier Pferdeboxen genutzt.
11
Mit Bescheid vom 14.08.2019, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, zog der Beklagte die Klägerin zu einem Herstellungsbeitrag für seine Wasserversorgungseinrichtung in Höhe von 5.990,26 EUR heran. Dem lag eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 1.640 m² (5.233 m² abzüglich 3.593 m²) sowie eine zu veranlagende Geschossfläche von 659,65 m² (1.737,55 m² abzüglich 1.077,90 m²) zugrunde. Als Anlagen waren dem Bescheid eine Flächenberechnung sowie ein Lageplan, aus dem die beitragspflichtigen Grundstücksflächen ersichtlich sind, beigefügt.
12
Mit Schreiben vom 08.09.2019, das am 10.09.2019 bei dem Beklagten einging, legte der Ehemann der Klägerin in deren Namen Widerspruch ein. Später wurde eine notarielle Vollmacht der Klägerin vom 11.04.2016 vorgelegt, wonach ihr Ehemann sie im Außenverhältnis unbeschränkt vertreten kann. Mit Schreiben vom 31.12.2019 begründete der Ehemann der Klägerin den Widerspruch dahingehend, dass die Bauvorhaben noch nicht abgeschlossen seien. Die Wohnflächen im Dachgeschoss seien falsch angesetzt und betrügen ca. 125 qm. Dem Bescheid lägen die Unterlagen für die Erschließung vom 27.10.1998 nicht bei. Die Fläche sei auf einer Linie von 40 m nach Osten und Westen begrenzt; es sei davon auszugehen, dass diese 40 m schon im ursprünglichen Herstellungsbescheid ausgenutzt worden seien. Die Halle sei nicht an die Wasser- und Kanalversorgung angeschlossen, ihre Geschossfläche aber dazugerechnet. Der Stall sei nicht verändert, aber teilweise dazugerechnet worden.
13
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2020 wies das Landratsamt … den Widerspruch zurück. Die Baumaßnahme sei im beitragsrechtlichen Sinn abgeschlossen, da die zusätzlich geschaffene Geschossfläche benutzbar bzw. bezugsfertig sei. Die heranziehbare Grundstücksfläche bestimme sich bei bebauten Außenbereichsgrundstücken – wie vorliegend – nach dem angemessenen Umgriff zur vorhandenen Bebauung. Gründe, wonach diese Umgriffsbildung, die auf das gesamte Buchgrundstück zurückgreife, ermessensfehlerhaft sei, seien nicht vorgetragen worden und auch nicht offensichtlich. Beitragspflichtig sei die vorhandene Geschossfläche, die sich nach den Außenmaßen der Gebäude bestimme. Das gesamte Dachgeschoss sei einzubeziehen, da es bisher nicht ausgebaut und damit beitragsfrei gewesen sei. Ebenso beitragspflichtig seien die Flächen des Erdgeschosses des Pferdestalls und der Reithalle, da diese der Art ihrer Nutzung nach einen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung hätten. Der Widerspruchsbescheid wurde als Übergabeeinschreiben am 21.07.2020 zur Post gegeben.
14
Mit Schriftsatz vom 17.08.2020, beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten Klage erhoben und beantragt,
Der Herstellungsbescheid der Verwaltungsgemeinschaft … für den Zweckverband zur Wasserversorgung der … vom 14.08.2019 bezogen auf das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 17.07.2020 werden aufgehoben.
15
Zur Begründung lässt die Klägerin im Wesentlichen ausführen: Vom ursprünglichen Beitragsbescheid sei bereits die aktuelle Nutzung umfasst. Der Umgriff auf die gesamte Grundstücksfläche überschreite den zulässigen Ermessensspielraum. Zudem habe der Beklagte seine Ermessenserwägungen nicht dargelegt. Es fehle schon an einer vollständigen Sachverhaltsermittlung als Grundlage jeder Ermessensbetätigung. Der Hinweis auf einen möglichen Beurteilungsspielraum führe nicht zur Entbehrlichkeit einer Ermessensausübung und deren Darlegung. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der angenommene Dachgeschossausbau und die Umwandlung eines regelmäßig nutzungsintensiveren Schweinestalls in einen Pferdestall mit vier Boxen es rechtfertigen könnte, den beitragsrechtlichen Umgriff auf das gesamte Grundstück zu erweitern. Die betreffenden Flächen gehörten nicht zur geschlossenen Hofstelle und stünden mit ihr auch nicht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang. Auch der Grundstückszuschnitt rechtfertige den Umgriff nicht. Bestritten würden weiter die abgerechneten Geschossflächen.
16
Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 01.09.2020 beantragt,
die Klage abzuweisen.
17
Mit Schriftsatz vom 06.07.2021 legte die Beklagtenseite eine Klageerwiderung vor, auf die verwiesen wird.
18
Am Verwaltungsgericht Bayreuth ist ein Parallelverfahren anhängig, in dem die Klägerin den Herstellungsbeitragsbescheid vom 14.08.2019 nebst Widerspruchsbescheid für die Entwässerung auf dem streitgegenständlichen Grundstück angreift (B 4 K 20.785).
19
Am 27.07.2022 fand eine Beweiserhebung über die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück Fl.-Nr. … statt. Auf das Protokoll des Augenscheins wird Bezug genommen.
20
Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakten mit dem Sitzungsprotokoll vom 05.08.2022 und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

21
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 14.08.2019 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 17.07.2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
1. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist Art. 26 Abs. 1 KommZG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2a KAG.
23
Danach kann der Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabesatzung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 KAG gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung seiner öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Ändern sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich und erhöht sich dadurch der Vorteil, so entsteht damit gemäß Art. 5 Abs. 2a KAG ein zusätzlicher Beitrag.
24
Der Beklagte hat von der Ermächtigung des Art. 22 Abs. 2 KommZG durch den Erlass seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS/ZV) vom 06.10.2010 i. d. Fassung vom 29.09.2016 Gebrauch gemacht. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung und die Gesetzmäßigkeit ihrer Regelungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
25
§ 5 Abs. 9 und § 7b BGS-WAS/ZV regeln den hier maßgeblichen Tatbestand der Nacherhebung. Danach entsteht ein zusätzlicher Beitrag mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht. Eine (nachträgliche) Beitragspflicht kann danach insbesondere entstehen, wenn sich die Grundstücksfläche oder Geschossfläche später vergrößert oder eine nachträgliche Bebauung oder Nutzungsänderung erfolgt.
26
Die Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags für ein Grundstück, für das bereits ein Herstellungsbeitrag erhoben wurde, ist grundsätzlich zulässig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Dieser schließt nicht aus, dass Beiträge für zusätzliche Vorteile, die das Grundstück aus der leitungsgebundenen Einrichtung zieht, nacherhoben werden können und müssen. Der Beitragstatbestand ist insoweit durch eine frühere Veranlagung grundsätzlich nicht verbraucht. Eine Nacherhebung für einen bisher nicht veranlagten Vorteil wird im Regelfall durch eine Veränderung am Grundstück als einen nur vom Grundstückseigentümer beeinflussbaren Faktor ausgelöst (Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A. III 17, 1).
27
Der Nacherhebung können hierbei allerdings nur Grundstücks- und Geschossflächen unterliegen, die nicht bereits Gegenstand der ersten Beitragserhebung waren. Darüber hinaus ist die Nacherhebung ausgeschlossen für die Grundstücks- und Geschossflächen, die bereits bei der ersten Veranlagung zu berücksichtigen gewesen wären, also für die Flächen, für die die Beitragsschuld damals bereits entstanden war. Gemäß Art. 5 Abs. 2a KAG müssen sich die Umstände nämlich nachträglich – also hier nach der ersten Veranlagung mit Bescheid vom 27.10.1998 – geändert haben.
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2. Die Nacherhebung für das Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … mit Bescheid vom 14.08.2020 ist rechtmäßig.
29
Das Grundstück Fl.-Nr. … ist grundsätzlich nach § 2 BGS-WAS/ZV beitragspflichtig, denn es ist bebaut und an die Wasserversorgung des Beklagten angeschlossen. Dass nur das Wohnhaus mit Leitungswasser und andere Grundstücksteile und Gebäude – teils leitungsgebunden, teils leitungsungebunden – mit Brunnenwasser versorgt werden, ist unerheblich. Denn es wird im Herstellungsbeitragsrecht der Vorteil abgegolten, der dadurch entsteht, dass die Möglichkeit besteht, das Grundstück und die Gebäude durch die öffentliche Wasserversorgungsanlage zu versorgen (vgl. BayVGH, B.v. 07.01.2015 – 20 CS 14.2414 – juris Rn. 16; VG München, U.v. 14.07.2016 – M 10 K 16.81 – juris Rn. 30 m.w.N.).
30
§ 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-WAS/ZV bestimmt in zulässiger Weise als Beitragsmaßstab eine Kombination aus Grundstücksfläche (a.) und zulässiger Geschossfläche (b.), sodass im Folgenden hiernach unterschieden wird:
31
a. Die mit dem streitgegenständlichen Ausgangsbescheid nachveranlagte Grundstücksfläche von 1.640 m² ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zu Recht die gesamte neue Buchgrundstücksgröße von 5.233 m² herangezogen und davon die mit Bescheid vom 27.10.1998 bereits abgerechnete Grundstücksfläche von 3.593 m² in Abzug gebracht.
32
Hinsichtlich des Grundstücks Fl.-Nr … ist dabei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der deutlich größere, westliche Grundstücksteil gemäß der Einbeziehungssatzung der Gemeinde … vom 30.08.1993, gegen dessen Wirksamkeit nichts vorgebracht wurde und auch sonst nichts spricht (die Einbeziehungsatzung wurde in der mündlichen Verhandlung besprochen und der ihr beigefügte Lageplan gezeigt), im bauplanungsrechtlichen Innenbereich befindet. Der kleinere östliche Grundstücksteil, auf dem der Großteil der östlichen Paddocks gelegen ist, liegt hingegen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, da er außerhalb des Geltungsbereichs der Einbeziehungssatzung situiert ist und auf drei Seiten von weitläufigen, unbebauten Flächen umgeben ist.
33
aa. Die im nördlichen Grundstücksteil zwischenzeitlich hinzuerworbenen Grundstücksflächen von insgesamt 210 m² waren nachzuveranlagen. Denn das Grundstück Fl.-Nr. … wurde nachträglich durch Verschmelzung um diese Flächen vergrößert.
34
Die hinzuerworbenen Grundstücksflächen gehörten zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung noch zu den Grundstücken Fl.-Nrn. … und … der Gemarkung … und wurden ausweislich der diesbezüglichen Beitragsbescheide vom 27.10.1998 (Az. … und …, Bl. 129 ff. GA) bisher nicht in Ansatz gebracht. Einer Nachveranlagung steht somit, § 5 Abs. 9 Satz 2 Tiret 1 HS 2 BGS-WAS/ZV nicht entgegen, wonach für die hinzuerworbene Fläche bisher noch keine Beiträge geleistet worden sein dürfen.
35
Eine Nachveranlagung scheitert auch nicht an der Flächenbegrenzungsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BGS-WAS/ZV, wonach in unbeplanten Gebieten die Grundstücksfläche nur bis zu einer Tiefe von 40 m herangezogen wird. Die Regelung findet zwar hier grundsätzlich Anwendung, weil sich die hinzuerworbenen Flächen zur Gänze innerhalb des Geltungsbereichs der Einbeziehungssatzung der Gemeinde … vom 30.08.1993, mithin im bauplanungsrechtlichen Innenbereich befinden und bei einer Innenbereichsfestlegung durch Einbeziehungssatzung – entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Protokoll vom 05.08.2022, S. 4) -von einem „unbeplanten Gebiet“ auszugehen ist (vgl. Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A. I 7, 8.2). Denn die Einbeziehungssatzung beinhaltet – anders als ein Bebauungsplan – keinerlei Festsetzungen i.S.d. § 30 Abs. 1 BauGB und bestimmt zudem selbst in ihrem § 2, dass sich innerhalb ihres Geltungsbereichs die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 34 BauGB richtet. Teile der hinzuerworbenen Flächen liegen auch jenseits der Tiefenbegrenzungslinie von 40 m, die sich ausgehend von den in der Kreisstraße liegenden Erschließungsanlagen von West nach Ost erstreckt. Vorliegend greift aber die Ausnahme des § 5 Abs. 1 Satz 4 BGS-WAS/ZV. Danach ist für den Fall, dass die Bebauung über die Tiefenbegrenzung hinaus- oder näher als 3 m an sie heranreicht, die Begrenzung 3 m hinter dem Ende der Bebauung anzusetzen. Diese Satzungsregelung verschiebt vorliegend die Tiefenbegrenzungslinie weiter nach Westen hinter das Ende der vorhandenen Bebauung, mithin weit hinter das Ende der hinzuerworbenen Grundstücksflächen.
36
bb. Die östliche, bisher nicht veranlagte Grundstücksfläche von 1.430 m² war ebenfalls nachzuveranlagen, da sie zwischenzeitlich befestigt und bebaut sowie in ihrer Nutzung geändert wurde.
37
Die Grundstücksfläche war zur Zeit der Erstveranlagung unbebaut und wurde landwirtschaftlich genutzt (vgl. Lageplan und Luftbild als Anlagen zum Herstellungsbeitragsbescheid vom 27.10.1998 in der unpaginierten Behördenakte; Luftbild Google Maps, Bl. 167 GA). Bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Ausgangsbescheids wurde die Fläche fast vollständig bebaut. In ihrem östlichen Teil befinden sich seit 2016/17 (vgl. Protokoll über mündliche Verhandlung vom 05.08.2022, S. 3) Pferdepaddocks mit überdachtem Unterstand. Nicht nur der Unterstand, sondern auch der restliche Paddock-Bereich ist, wie der Augenscheintermin am 27.07.2022 ergeben hat, mit Schotter, Vlies und Ridcon-Platten befestigt (vgl. Protokoll vom 27.07.2022, S. 2 f.) und daher als bebaut i.S.d. Art. 2 Abs. 1 BayBO anzusehen. Auch die zwischen dem Bestandsgebäude und dem östlichen Paddock-Bereich gelegene Fläche wurde ebenfalls bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Ausgangsbescheids befestigt und bebaut. Ursprünglich war sie unbefestigt (vgl. Lageplan und Luftbild als Anlagen zum Herstellungsbeitragsbescheid vom 27.10.1998 in der unpaginierten Behördenakte; Luftbild Google Maps, Bl. 167 GA). Seit einigen Jahren wird sie als geschotterte, teils aufgeschüttete Auffahrt zur Tenne im Obergeschoss des Bestandsgebäudes und zum östlichen Paddock-Bereich mit darunterliegenden Futter- bzw. Vorratsraum sowie massiver Parkgarage für Kraftfahrzeuge genutzt (vgl. Luftbild Bayernatlas, Bl. 166 GA; Lichtbilder des Augenscheintermins; beigezogene Bauakte …*).
38
(1.) Soweit die Grundstücksfläche von 1.430 m² in ihrem westlichen Teil im bauplanungsrechtlichen Innenbereich liegt, greift die Flächenbegrenzungsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BGS-WAS/ZV nicht mehr. Denn die Teilfläche ist nunmehr über ihre gesamte Ost-West-Ausrichtung hinweg bebaut, sodass sie nach § 5 Abs. 1 Satz 4 BGS-WAS/ZV heranzuziehen ist.
39
(2.) Soweit sich die Grundstücksfläche von 1.430 m² in ihrem östlichen Teil im bauplanungsrechtlichen Außenbereich befindet, ist sie nunmehr ebenfalls in Ansatz zu bringen. Flächenbegrenzungsregelungen finden auf Außenbereichsgrundstücke i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB keine Anwendung. Vielmehr werden sie nur im Umfang ihrer tatsächlichen Bebauung und eines angemessenen Umgriffs als bebaubar angesehen und entsprechend zu einem Beitrag herangezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestimmt sich die heranziehbare Grundstücksfläche für ein bebautes Grundstück im Außenbereich nach dem angemessenen Umgriff zur vorhandenen Bebauung, wobei die erforderlichen Abstandsflächen sowie die befestigten Flächen einzubeziehen sind (zum Ganzen: BayVGH, U.v. 12.06.1997 – 23 B 94.336; v. 11.09.1997, GK 1998, Rn. 177; v. 15.12.2001, BayVBl 2002, 471; v. 16.08.2002 – 23 C 02.1640; v. 08.12.2005 – 23 ZB 05.163, BayVGH, B. v. 13.11.2009 – 20 ZB 09.1786, vgl. Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A II 15, 8.1 und 8.2 m.w.N.). Bei der Festlegung der Umgriffsfläche steht der Gemeinde bzw. hier dem Zweckverband ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BayVGH, v. 26.10.1994 – 23 B 93.2262 – GK 1994, Rn. 95.), was jedoch nicht bedeutet, dass es sich dabei um eine echte Ermessensentscheidung mit eingeschränkter Überprüfungsmöglichkeit durch das Gericht handelt (BayVGH, B.v. 13.11.2009 – 20 ZB 09.1786 – juris Rn. 5).
40
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die gesamte Außenbereichsfläche am Umgriff hat teilhaben lassen. Sie ist mit Ausnahme eines dünnen, an der Grundstücksgrenze entlanglaufenden Grünstreifens von ca. 0,5 bis 3 m Breite vollständig befestigt bzw. bebaut. Die befestigten bzw. bebauten Flächen schließen sich auch unmittelbar an die, Wasserversorgungsbedarf auslösenden Gebäude an. Eine unbebaute und unbefestigte, größere Freifläche zwischen ihnen, die eine Trennung bewirken könnte, besteht nicht. Dass der Beklagte auch den unbefestigten und unbebauten Grünstreifen herangezogen hat, ist bereits wegen seiner geringen Breite und den örtlichen Gegebenheiten entgegen der Ansicht der Klägerin (vgl. Protokoll vom 05.08.2022, S. 3) nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass er der Pferdehaltung zuträglich ist, weil er für die auf drei Seiten von Feldern nebst Fahrweg umgebenen Paddocks optisch vorteilhaft ist und einen gewissen Sicht-, Wind- und Staubschutz bietet sowie auf der Südseite der Hangbefestigung dient.
41
Sofern der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bei landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben für die Umgriffsbildung (zusätzlich) einen räumlich-funktionalen Zusammenhang der Umgriffsfläche mit der Hofstelle bzw. dem Betriebsgebäude fordert (vgl. BayVGH, B.v. 07.01.2015 – 20 CS 14.2414 – juris Rn. 14), fehlt es vorliegend bereits an einer solchen landwirtschaftlichen bzw. gewerblichen Nutzung. Denn nach den Angaben der Klägerin erfolgt die gesamte Pferdehaltung privat; nur zwei Pferdeboxen würden vermietet (Protokoll vom 27.07.2022, S. 2, 4). Im Übrigen besteht auch für die streitgegenständliche Außenbereichsfläche augenscheinlich ein räumlich-funktionaler Zusammenhang mit dem Bestandsgebäude, insbesondere dem dortigen Pferdestall. Die Außenbereichsfläche wird für die private Pferdehaltung intensiv genutzt. Außerdem bezieht sich die genannte Rechtsprechung nur auf Flächen, die selbst keinen Wasserversorgungsbedarf haben, mithin ein Vorteil allein für Flächen nachvollziehbar ist, die mit den Anschlussbedarf auslösenden Gebäuden in engem Zusammenhang stehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.08.2006 – 23 ZB 06.1544 – juris Rn. 7). Vorliegend besteht jedoch auch im östlichen Paddock-Bereich ein Wasseranschlussbedarf. Die östlichen Paddocks, bei denen die Pferde längere Zeit verweilen und Futter bereitgehalten wird, bedürfen nämlich bei typisierender Betrachtung ebenso wie Pferdeställe (vgl. dazu BayVGH, B.v. 22.08.2006 – 23 ZB 06.1544 – juris Rn. 11) allein für das Tränken der Tiere Wassermengen, die mit Eimern o.Ä. über weitere Entfernungen gewöhnlich nicht herangeschafft werden. Diese Einschätzung wird im konkreten Fall auch durch die bei den östlichen Paddocks installierten Selbsttränken der Pferde und die dorthin verlegte Brunnenwasserleitung untermauert (vgl. Protokoll vom 27.07.2022, S. 3)
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Gegen eine Einbeziehung spricht auch nicht, dass die Paddocks bisher baurechtlich nicht genehmigt sind. Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine „tatsächlich gefestigte Nutzung“ (BayVGH, B.v. 16.08.2002 – 23 C 02.1640 – juris Rn. 33; U.v. 15.12.1999 – 23 B 98.3206 – juris Rn. 62). Diese liegt bezüglich der Paddocks offensichtlich vor. Sie sind bereits ca. 2016/2017 – also weit vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide – errichtet worden (Protokoll vom 05.08.2022, S. 3) und werden seither entsprechend genutzt. Eine Nutzungsuntersagung oder Beseitigungsanordnung ist bisher nicht erlassen worden.
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Ermessensfehler liegen entgegen der klägerischen Ansicht auch im Übrigen deshalb nicht vor, weil es sich vorliegend nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Hinsichtlich der Bestimmung des Umgriffs hat der Beklagte nur einen Beurteilungs-, nicht jedoch einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum (s.o.). Ermessenserwägungen mussten daher auch nicht dokumentiert werden. Zudem liegt eine hinreichende Begründung i.S.d. Art. 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayVwVfG augenscheinlich vor (siehe die Gründe des streitgegenständlichen Ausgangsbescheids nebst Flächenberechnung und Lageplan sowie die Gründe des Widerspruchsbescheids).
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cc. Bei der Erstveranlagung mit Bescheid vom 27.10.1998 war auch keine größere Grundstücksfläche als die damals angesetzten 3.593 m² zu berücksichtigen gewesen, sodass die nachveranlagte Fläche nicht entsprechend zu reduzieren war. Die damals angesetzte Grundstücksfläche endete ca. 3 m hinter der damaligen Bebauung, entspricht somit der oben dargestellten Flächenbegrenzung für den unbeplanten Innenbereich.
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b. Die nachveranlagte Geschossfläche von 659,65 m² ist nicht überhöht. Die berücksichtigbare Geschossfläche beträgt mindestens 1.737,55 m², von der die im ursprünglichen Bescheid vom 27.10.1998 angesetzte Geschossfläche von 1.077,90 m² zu Recht in Abzug gebracht wurde.
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aa. Die im streitgegenständlichen Ausgangsbescheid in Ansatz gebrachten Geschossflächen sind dem Grunde nach heranziehbar.
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Nach § 5 Abs. 8 Satz 5 BGS-WAS/ZV, der anders als Abs. 8 Satz 1 BGS-WAS/ZV auch für Innenbereichslagen gilt, sind nur Gebäude und selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslösen oder die nicht angeschlossen werden dürfen, nicht heranzuziehen. Denn nur ihnen vermittelt die Anschlussmöglichkeit keinen Vorteil (s.o.). Zur Klärung der Frage, ob ein Gebäude nach der Art seiner bestimmungsgemäßen Nutzung einen Bedarf nach einem Anschluss an die Wasserversorgung auslöst, ist auf objektive Gesichtspunkte und auf eine typisierende Betrachtung abzustellen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 31).
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Die vorliegend in Ansatz gebrachte Geschossfläche resultiert aus den Geschossflächen des Bestandsgebäudes (Wohnhaus mit angebautem Stall) und der Reithalle inklusive der dortigen Pferdeboxen. Beide Gebäude befinden sich im bauplanungsrechtlichen Innenbereich (s.o.). Deren Geschossflächen sind zu berücksichtigen, weil ihnen jeweils die Anschlussmöglichkeit einen Vorteil vermittelt.
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(1.) Das Bestandsgebäude ist – ebenso wie die Reithalle – augenscheinlich ein Gebäude und hat nach den vorstehenden Grundsätzen einen Anschlussbedarf. Wohnhaus und Mitteltrakt (OG: Reiterstube mit Küche, WC und Vorraum; DG: Büro) des Bestandsgebäudes sind zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt und lösen daher einen Anschlussbedarf aus. Für das Erdgeschoss des Mitteltrakts, in dem sich u.a. die Werkstatt befindet, wird dies auch durch die Existenz einer Waschküche und einer Toilette untermauert (vgl. Protokoll vom 27.07.2022, S. 3; Pläne des Bauantrags …*). Der östlich angrenzende Stalltrakt dient dem Aufenthalt und der Unterbringung von Pferden. Ein Stallgebäude hat nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 22.8.2006 – 23 ZB 06.1544 – juris Rn. 11 m.w.N.; U.v. 25.10.2001 – 23 B 01.1588 – juris Rn. 22 f.) einen Anschlussbedarf an die öffentliche Wasserversorgungsanlage, weil das in dem Stall untergebrachte Vieh getränkt werden muss. Dass hierzu kein Wasser mit Trinkwasserqualität erforderlich ist, ändert nichts an dem grundsätzlichen Anschlussbedarf. Vorliegend ist hiervon mit Blick auf Größe, Anzahl und Art der unterbringbaren Tiere auch keine Ausnahme zu machen, wie sich u.a. an den vorhandenen Selbsttränken und der Pferdewaschbox manifestiert (vgl. Fotos des Ortstermins vom 27.07.2022, insb. Bl. 153, 155 GA).
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(2.) In ständiger Rechtsprechung gehen sowohl die befassten Verwaltungsgerichte als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich davon aus, dass Reit- und Bewegungshallen für Pferde nach der Art ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung regelmäßig einen Wasserversorgungsbedarf auslösen. Explizit hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 25.10.2001 (Az. 23 B 01.1588, juris Rn. 24 m.w.N.) angenommen, dass eine Beregnung für Reithallen in aller Regel notwendig ist. Diese Annahme stützte sich im Wesentlichen auf eine in dem vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren (VG München, U.v. 26.04.2001 – M 10 K 00.3598) eingeholte Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht vom 07.03.2001, wonach ohne regelmäßige Bewässerung der Boden einer Reit-/Pferdebewegungshalle zu stark austrockne und zu großer Staubentwicklung in der Halle führe; das Einatmen des Staubes sei Menschen und Pferden nicht zuzumuten und widerspreche auch dem Tierschutzgesetz, weil dadurch den Pferden vermeidbare Leiden und Schäden zugefügt würden. Außerdem gehe durch das Austrocknen die Tretschicht sehr viel schneller kaputt, und darüber hinaus verliere der Boden an Elastizität und auch Rutschfestigkeit, wodurch die Gesundheit der Pferde im Fundament in Mitleidenschaft gezogen werde und erhöhte Unfallgefahr entstehe. Diese Einschätzung trifft auch auf die streitgegenständliche Reithalle zu, die allseits umschlossen ist. Nach den Angaben des Ehemanns der Klägerin wird der mit Sand bedeckte Reithallenboden bei Bedarf beregnet (vgl. Protokoll vom 27.07.2022, S. 4). Dass dies hier nicht leitungsgebunden, sondern mit einem auf einem kleinen Schlepper montierten Wasserfass erfolgt (ebd.), ist unerheblich, weil es nach dem Vorstehenden auf eine objektivierte und typisierte Betrachtung des Wasser(anschluss) bedarfs ankommt. Auch die im Erdgeschoss der Reithalle integrierten, von außen zugänglichen Pferdeboxen, bei denen es sich um einen selbständigen Gebäudeteil handeln dürfte, haben bei typisierender Betrachtung anhand objektiver Maßstäbe einen Wasseranschlussbedarf, da sich die Tiere dort länger aufhalten, was sich u.a. an den angebrachten, mit Brunnenwasser leitungsgebunden versorgten Selbsttränken zeigt (vgl. Protokoll vom 27.07.2022, S. 4).
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bb. Auch die Höhe der angesetzten Geschossfläche ist in Summe nicht zu beanstanden.
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Maßgeblich ist für die Beitragsbemessung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-WAS/ZV grundsätzlich die „zulässige Geschossfläche“. Diese wird nach § 5 Abs. 2 bis 8 BGS-WAS/ZV ermittelt und bestimmt sich in unbeplanten Innenlagen grundsätzlich nach der zulässigen Geschossfläche vergleichbarer Baugebiete bzw. der umgebenden Bebauung. Ist im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld eine größere Geschossfläche vorhanden, ist diese nach § 5 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 bzw. 5 Satz 2 BGS-WAS/ZV zu Grunde zu legen. Die vorhandene Geschossfläche, auf die der Beklagte im streitgegenständlichen Ausgangsbescheid abgestellt hat, bietet somit die Untergrenze der ansetzbaren (zulässigen) Geschossfläche. Sie liegt vorliegend bei mindestens 1.737,55 m², also der in Ansatz gebrachten Fläche.
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Nach § 5 Abs. 8 Satz 2 BGS-WAS/ZV ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen zu bestimmen. Kellergeschosse werden gemäß § 5 Abs. 8 Satz 3 BGS-WAS/ZV mit der vollen Fläche herangezogen, Dachgeschosse nach § 5 Abs. 8 Satz 4 BGS-WAS/ZV nur, „soweit sie ausgebaut sind“. Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslösen oder die nicht angeschlossen werden dürfen, werden gemäß § 5 Abs. 8 Satz 5 BGS-WAS/ZV nicht herangezogen, sofern sie nicht tatsächlich an die Wasserversorgung angeschlossen sind.
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(1.) Auf Grundlage dieser Vorgaben entspricht die für die Reithalle nebst Pferdeboxen angesetzte Geschossfläche in ihrer Summe den laut Bauantragsunterlagen (Az. …*) von Außenwand zu Außenwand reichenden Abmaßen des Gebäudes, ist daher nicht zu beanstanden. Zu Unrecht nicht angesetzt hat der Beklagte jedoch die Geschossfläche der sich über den Pferdeboxen befindlichen Empore, die laut Bauantragsunterlagen Abmaße von 4,50 m x 16,00 m (= 72,00 m²) hat. Die Problematik hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert. Die Empore selbst hat zwar allein betrachtet keinen Wasseranschlussbedarf, ist aber dennoch einzubeziehen, weil die Reithalle Wasseranschlussbedarf hat (s.o.) und die Empore nicht als selbständiger Gebäudeteil i.S.d. § 5 Abs. 8 Satz 5 BGS-WAS/ZV außen vorgelassen werden kann. Denn das Emporengeschoss ist räumlich wie funktional in die Reithalle integriert. Es ist zu ihr hin offen und ermöglicht den Blick auf die Reitvorgänge in der gesamten Reithalle sowie auch Zurufe u.Ä.
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(2.) Auch das Kellergeschoss, das Erdgeschoss und das Obergeschoss des Bestandsgebäudes sind vom Beklagten – ausgehend von den in den Bauantragsunterlagen eingezeichneten Maßen (Az. …*) – mit der korrekten Größe in Ansatz gebracht worden. Ausschließlich im Erdgeschoss wurde der Stall berücksichtigt. Die darüber liegende Tenne im Obergeschoss und im Dachgeschoss wurde zur Recht nicht angesetzt. Dass die in den Baugenehmigungsunterlagen der Klägerin angegebenen Maße der (Außen-)Mauern nicht korrekt sind, wurde weder substantiiert vorgetragen noch ist hierfür etwas ersichtlich. Die an den Stall östlich angrenzende Vorrats- bzw. Futterkammer (4,3 m x 10,90 m = 46,87 m²) ist als unselbständiger Gebäudeteil des Pferdestalls anzusehen und hätte daher berücksichtigt werden müssen. Dass diese der Beklagte unterlassen hat, ist demnach zwar rechtswidrig, verletzt die Klägerin aber nicht in ihren Rechten, da es für sie vorteilhaft ist.
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(3.) Die angesetzte Geschossfläche des Dachgeschosses des Bestandsgebäudes ist überhöht. Allerdings ist dies nicht darauf zurückzuführen, dass Dachgeschossflächen etwa erst ab einer bestimmten lichten Höhe heranziehbar wären, wie die Klägerin meint. Vielmehr ist in der Rechtsprechung geklärt, dass Dachgeschossflächen auch dann beitragsrechtlich relevante Gebäudeflächen darstellen, wenn sie die baulichen Voraussetzungen für Vollgeschosse oder für Aufenthaltsräume nicht erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 13.08.2001 – 23 ZB 01.212 – juris Rn. 6; Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A II 11, 3.4). Die Satzungsbestimmung „soweit sie ausgebaut sind“ in § 5 Abs. 8 Satz 4 BGS-WAS/ZV meint nur die räumliche Einschränkung der beitragspflichtigen Geschoßfläche auf die tatsächlich ausgebaute Fläche. Für die Veranlagung eines Dachgeschosses ist also der Ausbauzustand entscheidend. Allein die nicht zugänglichen, abgemauerten Dachschrägen haben nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei der Beitragsbemessung außer Ansatz zu bleiben (zum Ganzen: BayVGH, B. 08.07.2002 – 23 ZB 02.1156 – juris Rn. 8; v. 21.07.1998 – 23 ZB 98.96 – juris Rn. 3 m.w.N.; Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A II 11, 3.3).
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Davon ausgehend ist die für das Dachgeschoss des westlichen Trakts des Bestandsgebäudes im streitgegenständlichen Ausgangsbescheid zu Grunde gelegte Fläche von 19,50 x 8,90 m nicht zu beanstanden. Sie reicht laut den Bauantragsunterlagen von der östlichen bis zur westlichen Außenwand sowie von der nördlichen bis zur südlichen Außenwand der Kniestock- bzw. Drempelabmauerung, entspricht damit den obigen Vorgaben, wonach der ungenutzte Luftraum hinter der Kniestock- bzw. Drempelabmauerung nicht heranzuziehen ist. Anders verhält es sich jedoch mit der weiteren – vermutlich für den Mitteltrakt des Bestandsgebäudes – in Ansatz gebrachten Dachgeschossfläche von 10,20 x 9,05 m. Woraus diese Maße resultieren, konnte die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung nicht erklären. Ausgehend von den Bauantragsunterlagen sind unter Nichtanrechnung des im Dachgeschoss des Mitteltrakts befindlichen Luftraums ca. 6,75 m x 4,90 m zzgl. 5,30 m x 4,00 m anzusetzen, mithin für diesen Dachgeschossteil nur 54,28 m² statt 92,31 m² (näher zum Luftraum/Galeriegeschoss: Thimet, Teil IV Kommentar zum Kommunalabgabengesetz, I. Abschnitt, Art. 5, A II 11, 7).
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Soweit die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, dass die im Bauantrag verzeichneten Maße der Abseiten nicht ganz dem Bestand entsprechen könnten, weil zur Zeit der Bauantragstellung das Dachgeschoss noch nicht ausgebaut gewesen sei (vgl. Protokoll vom 05.08.2022, S. 3), blieb dies völlig vage und wäre zudem auch unerheblich. Wie die beim Augenscheintermin gefertigten Lichtbilder verdeutlichen (vgl. Bl. 149 ff. GA), sind nämlich allenfalls geringfügige Abweichungen von den Maßen des Bauantrags denkbar. Die daher maximal vorstellbare Minderung der Dachgeschossfläche wird durch die zu Unrecht nicht angerechnete Geschossfläche der Empore und der Futter- bzw. Vorratskammer (s.o.) überkompensiert, wirkt sich daher zumindest im Ergebnis nicht zu Lasten der Klägerin aus.
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Soweit die Klägerin pauschal „die abgerechneten Geschossflächen“ bestreitet, substantiiert sie diese Behauptung nur hinsichtlich des Dachgeschosses. Ihr musste daher für andere Geschosse nicht über die obigen Ausführungen hinaus nachgegangen werden.
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cc. Bei der Erstveranlagung mit Bescheid vom 27.10.1998 war auch nicht zu wenig Geschossfläche berücksichtigt worden, sodass die nachveranlagte Fläche nicht entsprechend zu reduzieren war.
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Die diesbezüglichen Argumente der Klägerin, der Stall sei nicht verändert, aber teilweise dazugerechnet worden sowie die Nutzung des Stalls sei nicht intensiviert worden, verfangen bereits mit Blick auf die hier erfolgte Berechnung der Geschossflächenmehrung nicht. Denn der Beklagte hat, wie oben erläutert, den Flächenzuwachs dadurch errechnet, dass er von der aktuellen Geschossfläche die erstveranlagte Geschossfläche in Abzug gebracht hat. Letztere war auch nicht zu niedrig angesetzt.
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Zur Zeit der Erstveranlagung stand allein das Bestandsgebäude, das in seinem Dachgeschoss unstreitig noch nicht ausgebaut war. Nach dem damaligen Aufmaßblatt in der unpaginierten Behördenakte des Beklagten betrug die vorhandene Geschossfläche in Summe zwar nur 772,75 m². In Ansatz gebracht wurden damals aber letztlich 1.077,90 m², weil der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die zulässige Geschossfläche, die 30% der Grundstücksfläche betragen hat, abstellte (§ 5 Abs. 5 BGS-WAS/ZV). Ein Vergleich mit der Flächenberechnung des streitgegenständlichen Ausgangsbescheids, der für das Bestandsgebäude (Wohnhaus und Pferdestall) ohne Dachgeschoss eine Geschossfläche von 895,69 m² ansetzt, zeigt bereits klar, dass bei der Erstveranlagung in Summe keine geringeren Flächen für die entsprechenden Geschosse angesetzt wurden als im Rahmen der Nachveranlagung.
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c. Die Festsetzung des Herstellungsbeitrages ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG, § 169 AO wegen Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Da die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a Satz 2 KAG, § 15 BGS-WAS/ZV nicht nachgekommen ist, begann die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) KAG, § 170 AO erst mit dem Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der beim Beklagten zuständige Sachbearbeiter von dem Nacherhebungstatbestand erfahren hat. Dies war hier frühestens im Nachgang zur Ortseinsicht des Landratsamts … im Jahr 2016, vermutlich jedoch erst mit dem Schreiben des Landratsamts … vom 25.01.2017 an den Beklagten (Az. …*) der Fall. Auch die 25-jährige Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) Spiegelstrich 1, 2. HS KAG greift vorliegend nicht, da die relevanten Baumaßnahmen und Nutzungsänderungen unstreitig später erfolgten.
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Aus den vorstehend dargelegten Gründen sowie den Gründen des Ausgangs- und Widerspruchsbescheids, auf die Gericht ergänzend gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug nimmt, ist der festgesetzte Herstellungsbeitrag rechtmäßig und die Klage war dementsprechend vollumfänglich abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die unterliegende Partei die Verfahrenskosten zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11. § 711 ZPO war nicht entsprechend anzuwenden.