Inhalt

VG München, Urteil v. 22.09.2022 – M 12 K 21.5454
Titel:

zu zumutbaren Bemühungen um Ausstellung eines Nationalpasses

Normenkette:
AufenthV § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1
Leitsätze:
1. Grundsätzlich können Eritreer, die sich längere Zeit im Ausland aufhalten, einen Diaspora-Status beantragen, der ihnen Bewegungsfreiheit sowie freie Ein- und Ausreise ermöglicht. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder das Verlangen eritreischer Auslandsvertretungen zur Erlangung konsularischer Dienstleistungen ein Formular zu unterzeichnen, das u.a. einen Passus des Bedauerns der Flucht und der Nichterfüllung der nationalen Pflicht sowie des Akzeptierens einer eventuell dafür verhängten Strafe enthält (Reueerklärung) noch eine zu zahlende Diaspora-Steuer sind grundsätzlich geeignet, eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung zu begründen. (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reiseausweis für Ausländer, Eritreische Staatsangehörige, Eritrea, subsidiärer Schutz, Reueerklärung, Diasporasteuer
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 12.09.2022 – M 12 K 21.5454
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.05.2023 – 10 ZB 22.2538
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47873

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist eritreische Staatsangehörige und reiste am 4. August 2014 in das Bundesgebiet ein. Auf ihren am 9. September 2014 gestellten Asylantrag hin wurde ihr mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. August 2016 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt, im Übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt. Eine hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. März 2017 abgewiesen (M 12 K 16.32790).
2
Am 16. Mai 2017 erhielt die Klägerin erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG, die seitdem mehrmals verlängert wurde.
3
Mit Schreiben der Caritas vom … Februar 2018 wurde für die Klägerin bei der Beklagten die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer beantragt. Ihr sei nicht zuzumuten, sich einen eritreischen Pass zu beschaffen, da es die Praxis sei, dass ein neuer Pass nur gegen hohe Geldzahlungen ausgestellt werde.
4
Mit Schreiben vom … Februar 2018 trug die Klägerin vor, sie benötige einen Reisepass, um nach Äthiopien oder in den Sudan zu reisen und dort ihre beiden Kinder zu besuchen. Ihr sei bekannt, dass sie einen Reisepass bei der eritreischen Botschaft beantragen müsse. Sie habe jedoch Angst, diese aufzusuchen. Ihr Mann sei 2013 verhaftet worden und befinde sich wahrscheinlich immer noch im Gefängnis. Seit seiner Verhaftung habe sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Sie wisse nicht, wo er sei und ob er überhaupt noch lebe. Sie habe Angst, selbst inhaftiert zu werden. Sie sei aus Eritrea geflohen, als die Polizei gekommen sei. Sie habe dort so viel Schlimmes erlebt. Sie wolle nicht, dass die eritreischen Behörden erfahren, dass sie hier lebe, zumal noch Familienangehörige in Eritrea lebten. Sie befürchte, dass diese ebenfalls von eritreischen Behörden schlecht behandelt würden.
5
Mit E-Mail vom … Oktober 2018 trug die Betreuerin der Klägerin vor, die Klägerin könne als Flüchtling von der zuständigen eritreischen Botschaft keinen Reisepass erhalten. Sie werde am 9. November 2018 zur Beantragung eines Flüchtlingsreisepasses vorsprechen.
6
Mit E-Mail vom 12. November 2018 an die Betreuerin der Klägerin führte die Beklagte aus, die Klägerin sei in der Passpflicht und könne mit ihrem vorgelegten Identitätsnachweis (Personalausweis) bei der eritreischen Botschaft in Berlin einen Nationalpass beantragen. Die Ausstellungsdauer mit Identitätsnachweis liege bei drei bis vier Monaten.
7
Mit Schreiben vom 25. April 2019 wurde die Klägerin auf ihre Passpflicht hingewiesen sowie aufgefordert, sich unverzüglich mit der Botschaft bzw. dem Konsulat ihres Herkunftsstaats im Bundesgebiet in Verbindung zu setzen und die Ausstellung eines Nationalpasses zu beantragen.
8
Mit Schreiben vom … Mai 2019 an die Beklagte übersandte die Betreuerin der Klägerin ein Schreiben an das Generalkonsulat Eritrea vom 5. April 2019, in der sie sich über die Voraussetzungen der Ausstellung eines Reisepasses erkundigt.
9
Mit Schreiben vom … Januar 2020 beantragte die Klägerin die Ausstellung eines temporären Reiseausweises. Ihr Mann sei immer noch in Eritrea im Gefängnis. Ihre beiden minderjährigen Kinder (12 und 15 Jahre) befänden sich in unmittelbarer Gefahr. Der Ältere sei ebenfalls etwa ein Jahr lang im Gefängnis gewesen, da er versucht habe, sich von der eritreischen Grenze zu lösen. Vor drei Wochen sei es ihm gelungen, in ein Flüchtlingslager Äthiopiens zu gelangen. Um ihre Kinder zu besuchen und den Familiennachzug zu organisieren, benötige sie einen vorübergehenden Reiseausweis. Diesen werde sie zurückgeben, nachdem sie die notwendige Hilfe für ihre Kinder organisiert habe.
10
Mit Schreiben vom 11. März 2020 an die Klägerin forderte die Beklagte die Klägerin auf, bis zum 25. März 2020 einen Nachweis über die Bemühungen der Passbeschaffung bei der eritreischen Botschaft sowie eine ausführliche Darstellung darüber, welchen Gefahren die Kinder in Äthiopien ausgesetzt seien, vorzulegen.
11
Mit Schreiben der Beklagten vom 13. Mai 2020 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ein vorläufiger Reiseausweis nicht erteilt werden könne, da sie die angeforderten Nachweise nicht vorgelegt habe. Es werde um eine Rücknahme des Antrags gebeten, da sonst ein kostenpflichtiger Ablehnungsbescheid zu erlassen sei.
12
Mit Schreiben vom … Juni 2020 teilte die Betreuerin der Klägerin mit, sie habe auf ihr Schreiben an das eritreische Konsulat keine Antwort erhalten. Sie habe mit einem erneuten Schreiben an das Konsulat nochmals um Auskunft gebeten. Die Klägerin habe telefonisch die Auskunft erhalten, dass sie bei einer Passbeantragung in einer sog. Verzichtserklärung auch ihre Aussagen im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerrufen müsse. Es sei nicht zu erwarten, dass sich das Konsulat schriftlich äußere und die Abgabe einer Verzichtserklärung bestätige. Es werde weiterhin um die Prüfung der Ausstellungsvoraussetzungen eines deutschen Reiseausweises gebeten.
13
Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 an die Betreuerin der Klägerin teilte die Beklagte mit, dass eine ausführliche Darlegung über die Bemühungen der Passbeschaffung notwendig sei. Ein Fax an die Botschaft sei nicht ausreichend, da immer eine persönliche Vorsprache beim eritreischen Konsulat erforderlich sei. Bei Vorlage aktueller Unterlagen sei eine neuerliche Prüfung möglich.
14
Mit Schreiben vom … Juni 2020 übersandte die Betreuerin der Klägerin eine von ihr unterzeichnete Niederschrift über die Rücknahme des Antrags auf einen vorläufigen Reiseausweis.
15
Mit Schreiben vom … April 2021 beantragte die Organisation „… … … …“ unter Vollmachtsvorlage, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Die Klägerin besitze keinen Pass. Sie habe Eritrea unerlaubt und damit nach eritreischem Recht illegal verlassen. Sie könne nicht auf zumutbare Weise einen eritreischen Pass erlangen. Es sei bereits faktisch unmöglich, aktuell Dokumente von der eritreischen Botschaft zu bekommen. Seit mehreren Monaten sei keine Terminbuchung mehr möglich. Ein weiteres Zuwarten sei ihr nicht zuzumuten. Die Klägerin wolle sobald möglich ihre Kinder in Addis Abeba besuchen. Die Kinder hätten nach Äthiopien flüchten müssen, da ein Familiennachzug aus Eritrea aufgrund der politischen Lage und der dort nicht vorhandenen deutschen Auslandsvertretung unmöglich sei. In Äthiopien lebten die beiden Kinder unbegleitet in Addis Abeba, um von dort das Familiennachzugsverfahren zur Mutter durchzuführen. Die Wartezeiten auf einen Termin bei der deutschen Botschaft lägen aktuell bei zwei Jahren. Hinzu komme die zunehmend angespannte Lage in Äthiopien. Die Kinder seien daher stark verängstigt und bedürften zumindest des zwischenzeitlichen Beistands der Mutter. Eine Passbeantragung bei der Botschaft sei der Klägerin nicht zumutbar. Es entspreche einer gängigen Praxis der eritreischen Auslandsvertretungen, konsularische Dienstleistungen von der Zahlung einer sog. Diaspora-Steuer und der Unterzeichnung einer Reueerklärung abhängig zu machen. Dies sei der Klägerin nicht zumutbar. Dafür spreche bereits die Willkür der Erhebung dieser Steuer. Das VG Hannover habe kürzlich entschieden, dass die Unterzeichnung einer Reueerklärung entgegen der inneren Überzeugung einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Ausländers darstelle. Die Klägerin lehne die Unterzeichnung einer solchen Erklärung ab. Sie bereue ihre Flucht gerade nicht und sei auch nicht bereit, hierfür eine Strafe zu akzeptieren.
Die Verfolgung durch eben jenen Staat habe sie zur Flucht gezwungen. Ihr Ehemann sei durch staatliche Akteure inhaftiert worden und seither unauffindbar. Auch ihr Bruder sei nach ihrer Flucht inhaftiert worden, da er beschuldigt worden sei, ihr bei der Flucht geholfen zu haben. Auch er sei seitdem unauffindbar.
16
Mit Bescheid vom 26. Juli 2021 teilte die Beklagte mit, dass die Prüfung des Antrags auf einen Reiseausweis für Ausländer abgeschlossen sei. Dem Anliegen könne leider nicht entsprochen werden. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfülle sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes. Grundsätzlich werde die Beschaffung eines eritreischen Nationalpasses als zumutbar angesehen. Der Antrag auf Ausstellung eines Nationalpasses sei formlos per Post möglich. Erst im Nachgang sei eine persönliche Vorsprache notwendig. Die Klägerin sei mehrmals aufgefordert worden, Nachweise über die Bemühungen zur Passbeschaffung von der eritreischen Botschaft vorzulegen. Ausreichende Bemühungen seien derzeit nicht erkennbar. Eine Unzumutbarkeit sei daher nicht gegeben. Bei Vorlage weiterer Nachweise über die Bemühungen könne der Antrag auf einen vorläufigen Reiseausweis für Ausländer für den Besuch der Kinder geprüft werden. Eine Rechtsmittelbelehrungenthielt der Bescheid nicht.
17
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2021, bei Gericht am 13. Oktober 2021 eingegangen, hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
18
die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26. Juli 2021 der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.
19
Mit Schriftsatz vom 8. November 2021 nahm die Beklagte zur Klage Stellung und führte im Wesentlichen aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV sei einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitze und diesen nicht auf zumutbare Weise erklangen könne, ein Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Soweit die Klägerin vortrage, dass viele eritreische Staatsangehörige keinen Nationalpass besäßen, spreche dies noch nicht für eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung. Der Beklagten lägen bis auf das Anschreiben der Betreuerin an die eritreische Botschaft keine weiteren Nachweise vor, dass sich die Klägerin um die Beschaffung des Nationalpasses bemüht habe. Auch die pandemiebedingte Schließung der Botschaft spreche nicht für eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung. Dies treffe auch alle anderen eritreischen Staatsangehörigen. Es sei davon auszugehen, dass die Schließung der Botschaft nicht von Dauer sei. Ein Nachweis für die Verzögerung der Antragstellung für den Familiennachzug sei ebenfalls nicht vorgelegt worden. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 4 AufenthV sei es einem Ausländer zumutbar, für behördliche Maßnahmen die vom Herkunftsland allgemein festgelegten Gebühren zu bezahlen. Damit sei auch die Entrichtung der Diaspora-Steuer zumutbar. Dies spreche ebenso wie die Unterzeichnung der Reueerklärung nicht für eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung. Somit sei der Antrag auf Ausstellung eines endgültigen Reiseausweises für Ausländer abgelehnt worden. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, der Klägerin für den Besuch der Kinder in Äthiopien einen vorläufigen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Hierfür werde jedoch auf die Vorlage von Nachweisen über die Bemühungen zur Passbeschaffung bestanden.
20
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2021 führte der Bevollmächtigte der Klägerin klagebegründend im Wesentlichen aus, die Klage sei fristgerecht eingereicht worden, da der streitgegenständliche Bescheid vom 26. Juli 2021 keine Rechtsbehelfsbelehrungenthalte und somit die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gelte. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Die Voraussetzungen der §§ 5, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG lägen vor. Die Klägerin verfüge über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, besitze jedoch wie die absolute Mehrheit eritreischer Staatsangehöriger keinen Pass. Einen solchen könne sie auch nicht auf zumutbare Weise erlangen. Besonders zu berücksichtigen bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit sei das Kindeswohl der Kinder der Klägerin, die sich unbegleitet im Drittstaat Äthiopien befänden und die sie mit dem begehrten Reiseausweis besuchen wolle, um diesen Beistand während des langjährigen Familiennachzugsverfahrens zu leisten. Dies ergebe sich aus Art. 3 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention sowie den Erwägungsgründen Nr. 18 und 38 zur EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU, die in Art. 25 die Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Ausstellung von Reiseausweisen normiere. Da sich die Entscheidung über die Ausstellung eines Reiseausweises auch unmittelbar auf die Kinder der Klägerin auswirke, sei das Kindeswohl im Rahmen der Entscheidungsfindung dringend zu berücksichtigen. Die Gefährdung oder Bedrohung, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für die Klägerin geführt habe, gehe von staatlichen Akteuren aus und sei daher bei einer wertenden Betrachtung mit der eines Flüchtlings vergleichbar. Der ernsthafte Schaden, der der Klägerin im Fall einer Rückkehr ins Heimatland drohe, resultiere aus der gezielten Bedrohung durch den eritreischen Staat. Dieser Umstand müsse bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Passbeschaffung Berücksichtigung finden. Die Schwelle der Zumutbarkeit sei bei subsidiär Schutzberechtigten zumindest im Vergleich zu anderen Ausländern abzusenken. Grund für die Flucht sei gerade eine Verfolgung durch staatliche Akteure gewesen. Darüber hinaus müsse die Klägerin den Widerruf des subsidiären Schutzstatus nach § 73b Abs. 1 Satz 1 AsylG befürchten. Jüngst sei es vermehrt zur Einleitung von Widerrufsverfahren gegen eritreische international Schutzberechtigte gekommen. Im Falle der Beantragung eines Passes und der damit nach Ansicht der Behörden verbundenen Erlangung des sog. Diaspora-Status sei zu befürchten, dass der subsidiäre Schutzstatus der Klägerin widerrufen werden könne. Diese Befürchtung stütze sich auf eine Änderung der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis. Ein Besuch der eritreischen Botschaft habe zudem zumindest ernstzunehmende mittelbare Auswirkungen für die Klägerin. Es sei hinlänglich bekannt, dass im Rahmen solcher Besuche Daten der Betroffenen sowie ihrer Verwandten in Eritrea erfasst würden. Die Klägerin habe Angst, infolge des Botschaftsbesuchs den eritreischen Auslandsorganisationen, die eng mit den Botschaften und Konsulaten verflochten seien, bekannt und von deren Spionen überwacht zu werden. So habe eine militante Abzweigung der in Eritrea herrschenden PDFJ seinen europäischen Hauptsitz in Frankfurt a.M., wo sich auch das Konsulat befinde. Zudem könne der Klägerin bei Inbesitznahme eines eritreischen Passes im Fall einer Reise ins Ausland eine Abschiebung in das ihr ausweislich des Passes Schutz gewährende Land Eritrea drohen. Angesichts der konkret geplanten Reise der Klägerin nach Äthiopien sei diese einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Aufgrund des derzeit herrschenden Bürgerkriegs in Äthiopien sei die Situation eritreischer Staatsbürger dort völlig unberechenbar; auch Abschiebungen nach Eritrea seien möglich. In diesem Fall müsse die Klägerin mit sofortiger Verhaftung durch die eritreische Polizei oder das Militär rechnen. Dies betreffe v.a. Personen, die im wehr- und nationaldienstfähigen Alter ausgereist seien, weil sie sich durch ihre Flucht zugleich dem Wehr- und Nationaldienst entzogen hätten. Es gebe übereinstimmende Berichte, dass zurückgeführte Asylsuchende verhört und zum Erlangen von Informationen und als Strafe gefoltert oder Folter angedroht worden seien. Personen, die sich dem Wehr- und Nationaldienst entziehen, würden systematisch, willkürlich und ohne Anklage inhaftiert. Die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin dazu zunächst die sog. Aufbausteuer zahlen müsse. Es entspreche einer gängigen Praxis eritreischer Auslandsvertretungen, konsularische Dienstleistungen von der Zahlung dieser Steuer abhängig zu machen. Die rechtliche Grundlage sowie die Praxis dieser Steuererhebung seien durchdrungen von Willkür und einem Mangel an Rechtsstaatlichkeit. Es handele sich bei der Bezahlung dieser Steuer mitnichten um zumutbare staatsbürgerliche Pflichten. Es sei bereits unklar, ob tatsächlich eine gültige Rechtsgrundlage für die Erhebung der Aufbausteuer existiere. Die Erhebung der Steuer erfolge in der Praxis willkürlich und biete den Betroffenen keinerlei Rechtsschutzmöglichkeiten. Es gebe umfassende Berichte dazu, dass bereits das „ob“ der Steuererhebung von der politischen Gesinnung der Betroffenen abzuhängen scheine. Auch die Frage, welche Formen des Einkommens der Steuerberechnung zugrunde gelegt würden, werde uneinheitlich behandelt. Die Höhe der Steuer sei mitunter verhandelbar. Zudem sei die Erhebung der Steuer mit Drohungen und anderen unlauteren Mitteln verbunden. Zudem würden die Steuerzahlungen durch den eritreischen Staat mit großer Wahrscheinlichkeit für völkerrechtwidrige Zwecke, wie z.B. militärische Kampfhandlungen im Nachbarstaat Äthiopien, eingesetzt. Die Aufbausteuer sei damit keine reine normale Steuererhebung und zumutbare staatsbürgerliche Pflicht „wie es auch das deutsche Passrecht für bestimmte staatsbürgerliche Pflichten Deutscher vorsieht“. Schließlich sei der Klägerin auch die Unterzeichnung der sog. Reueerklärung nicht zumutbar. Zu diesem Ergebnis sei zuletzt auch das VG Hannover für den Fall, dass der Betroffene geltend mache, dass der Inhalt der Erklärung seiner inneren Überzeugung widerspreche, gekommen. Von einem Ausländer trotz seiner geltend gemachten entgegenstehenden inneren Überzeugung die Unterzeichnung der Erklärung zu verlangen, stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Ausländers dar. Auch das VG Wiesbaden wäre zuletzt von einer Unzumutbarkeit der Unterzeichnung der Reueerklärung ausgegangen, da es sich hierbei um ein Schuldanerkenntnis handele, das die pauschale Akzeptanz einer undefinierten Bestrafung enthalte und die Unterzeichnenden nicht absehen könnten, welche konkrete Strafe sie erwarte. Die Klägerin lehne die Unterzeichnung einer solchen Erklärung aus nachvollziehbaren Gründen ab. Sie bereue ihre Flucht gerade nicht und sei auch nicht bereit, hierfür eine Strafe zu akzeptieren.
21
Mit Schriftsatz vom … Juni 2022 trug der Bevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen vor, die Klägerin sei sehr besorgt um ihre minderjährigen Kinder, die sich nach wie vor unbegleitet und als Flüchtlinge in Addis Abeba aufhielten. Das Verfahren zum Familiennachzug sei weiterhin anhängig. Eine Bescheidung des Antrags sei wegen der Überlastung der dortigen deutschen Auslandsvertretung nicht zeitnah zu erwarten. Zugleich verschlechtere sich der psychische und physische Zustand der Kinder zunehmend. Zunächst seien die Kinder zumindest rudimentär durch eine Nachbarin betreut worden. Seit etwa einem Jahr seien die Kinder aber auf sich alleine gestellt. Wegen des aktuell in Äthiopien tobenden Bürgerkriegs seien die Kinder stark verängstigt. Selbst vor der Erledigung von Einkäufen hätten sie Angst, da sie zuletzt mehrfach überfallen und ausgeraubt worden seien, Die Klägerin wolle die Kinder deshalb unbedingt zeitnah besuchen.
22
Mit Schriftsatz vom … September 2022 führte der Bevollmächtigte der Klägerin ferner im Wesentlichen aus, für die Klägerin sei seit dem 25. April 2018 die gesetzliche Betreuung angeordnet. Grund dafür sei das Bestehen einer mittelschweren depressiven Episode. Es bestehe zudem der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Nach Angaben der Betreuerin sei den im Rahmen des Betreuungsverfahrens abgegebenen Fachgutachten zu entnehmen, dass die konzentrativen Fähigkeiten der Klägerin im Rahmen der psychischen Erkrankung als reduziert zu bezeichnen seien.
Ferner sei die Klägerin kaum in der Lage, komplexe Sachverhalte eigenständig zu regeln und sie bedürfe einer intensiven sozialpädagogischen Betreuung. Aktuell befinde sich die Klägerin deshalb in einem „Betreuten Einzelwohnen“. Gemäß dem die Klägerin unterstützenden Mitarbeiter der Caritas habe diese Probleme im Umgang mit eritreischen Mitbürgern. Der Kontakt mit anderen Eritreern müsse stets bedacht koordiniert und umgesetzt werden, da sie diesen gegenüber besonders misstrauisch sei. Infolge der Übermittlung der gerichtlichen Terminsladung habe sich die Klägerin sofort unruhig gezeigt und große Besorgnis hinsichtlich der Auswahl eines Dolmetschers gezeigt. Sie habe angegeben, den in München tätigen Dolmetschern zu misstrauen, da sie häufig regierungsnah seien. Im vorliegenden Fall komme es auch wesentlich auf die Frage an, ob die Unterzeichnung der Reueerklärung dem inneren Willen der Klägerin widerspricht. Bei der Bewertung der dahingehenden Darlegung der Klägerin müssten auch ihr sehr geringer Bildungsgrad bzw. der Grad ihrer kognitiven Fähigkeiten sowie ihre psychische Verfassung Berücksichtigung finden. Die durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe an die Darlegung eines Gewissenskonflikts könnten insofern nicht pauschal auf den Fall der Klägerin angewendet werden. Als Anlagen wurde u.a. die Betreuungsbeschlüsse des Amtsgerichts München vom … April 2018 sowie *. Oktober 2021 sowie eine Stellungnahme des Sozialarbeiters … … der Caritas … … vom *. September 2022 übersandt.
23
In der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2022 erklärte die Klägerin im Wesentlichen, sie könne die Reueerklärung nicht unterzeichnen, da sie ihre Flucht nicht bereue. Zur Zahlung der Aufbausteuer sei sie nicht bereit, da damit nur Waffen gekauft würden, die gegen das eigene Volk gerichtet würden. Sie sei im Jahr 2018 beim Konsulat in Frankfurt gewesen. Hiervon habe sie weder ihrer Betreuerin noch der Behörde etwas erzählt. Dort habe man bereits beim Empfang ein Ausweisdokument von ihr kopieren wollen. Außerdem sei ihr die Reueerklärung zur Unterzeichnung vorgelegt worden. Sie habe beides verweigert und das Konsulat verlassen. Die Reueerklärung habe sie nicht mitnehmen dürfen. Die Abgabe einer solchen Reueerklärung sei keine bloße Formalität, sondern habe etwas mit Überzeugung zu tun. Sie wolle gegenüber der Regierung, die für die Zustände in ihrem Land verantwortlich sei, keine Reue bekunden. Ihre Kinder lebten allein in Addis Abeba in einem Zimmer. Sie schicke ihnen Geld, sofern sie es erübrigen könne. Dennoch gingen sie oft hungrig ins Bett.
24
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
26
1. Die Klage ist zulässig, da dem Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2021 keine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt war und die Klage innerhalb der somit einschlägigen Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO erhoben wurde.
27
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nach §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 AufenthV.
28
Nach § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.
29
Zwar besitzt die Klägerin keinen Pass oder Passersatz. Sie hat es jedoch bislang unterlassen, in ausreichender Weise zumutbare Bemühungen zur Erlangung eines eritreischen Nationalpasses zu entfalten. Nicht ausreichend ist insoweit die bloße schriftliche oder telefonische Nachfrage der Betreuerin der Klägerin bzgl. der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Nationalpasses. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Behauptung, im Jahr 2018 im eritreischen Konsulat in Frankfurt vorgesprochen zu haben, ist nicht glaubhaft. Die Klägerin konnte hierzu keinerlei Nachweise vorlegen. Weshalb sie diesen angeblichen Besuch weder im bisherigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren noch gegenüber ihrer Betreuerin erwähnt hat, erschließt sich nicht. Dass sie dort bereits beim Empfang zur Unterzeichnung der Reueerklärung aufgefordert worden sein soll, erscheint fernliegend. Jedenfalls hat die Klägerin auch nach ihren eigenen Angaben nicht mit einem Sachbearbeiter gesprochen, der für ihren Fall geprüft hat, ob die Entrichtung einer Diaspora-Steuer sowie die Unterzeichnung einer Reueerklärung erforderlich ist.
30
Die Bemühungen um die Ausstellung eines Nationalpasses sind der Klägerin auch nicht unzumutbar.
31
Welche konkreten Anforderungen an das Vorliegen der Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist es im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (BayVGH, B.v. 25.11.2021 – 19 B 21.1789 – juris; OVG NRW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – juris). Der Ausländer muss alle ihm zumutbaren Möglichkeiten wahrnehmen, an der Erlangung eines Passes mitzuwirken. Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2022 – 10 C 22.906 – juris Rn. 3). Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind grundsätzlich vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen (BayVGH, B.v. 14.1.2022 – 10 C 21.3219 – juris; B.v. 25.7.2022 – 10 C 22-906 – juris).
32
a) Der Zumutbarkeit der Passbeantragung steht nicht entgegen, dass das Bundesamt der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat:
33
Nach Art. 25 Abs. 1 der RL 2011/95/EU (Anerkennungsrichtlinie) stellen die Mitgliedsstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise für Reisen außerhalb ihres Gebiets aus, es sei denn, zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen diesem entgegen. Nach Art. 25 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie hingegen stellen die Mitgliedsstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen diesem entgegen. Aus dem Vergleich der beiden Absätze ergibt sich, dass es nach der gesetzgeberischen Wertung auch subsidiär Schutzberechtigten im Gegensatz zu Flüchtlingen grundsätzlich zumutbar ist, zunächst bei den Auslandsvertretungen ihres Herkunftsstaats einen Nationalpass zu beantragen (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2022 – 10 C 22.906 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 25.11.2021 – 19 B 21.1789 – juris Rn. 69).
34
Die Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Passerlangung sind unter Berücksichtigung der besonderen Verfolgungs- bzw. Gefährdungssituation der Schutzberechtigten nach den Umständen des Einzelfalls zu stellen.
35
Im vorliegenden Fall sind der Klägerin Bemühungen zur Erlangung eines Nationalpasses nicht deshalb unzumutbar, weil ihre verfolgungsrechtliche Situation bei einer wertenden Betrachtung im materiellen Kern und vom Ergebnis her mit der eines Flüchtlings vergleichbar ist.
36
Die Klägerin ist bei wertender Betrachtung nicht einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, gleichzustellen. Die Klägerin ist nicht vorverfolgt ausgereist. Dass sie sich einer unmittelbar bevorstehenden Einberufung in den Nationaldienst entzogen hätte, ist nicht glaubhaft. Auf den Bescheid des Bundesamts vom 30. August 2016 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. März 2017 (M 12 K 16.32790) wird Bezug genommen. Es liegen auch keine Nachfluchtgründe vor, die eine staatliche Verfolgung der Klägerin befürchten ließen.
Allein aufgrund der unerlaubten Ausreise können weder eine allgemeine staatliche Verfolgung noch Sanktionen gegen in Eritrea verbliebene Familienangehörige festgestellt werden. Ebenso wenig führt die bloße Stellung eines Asylantrags und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, geschweige denn des subsidiären Schutzstatus, zu einer staatlichen Verfolgung. In der Regel können Eritreer, die sich längere Zeit im Ausland aufhalten, einen Diaspora-Status beantragen und sich mit diesem weitgehend frei bewegen; die früheren „Verfehlungen“ werden nicht mehr verfolgt. Sie erhalten eine sieben bis zehn Jahre gültige Karte, die ihnen freie Ein- und Ausreise gestattet und auch verlängert werden kann. Diese ersetzt die sonst erforderlichen Ein- und Ausreisevisa. Dabei werden zur Einreise nicht nur eritreische und ausländische Pässe, sondern auch im Ausland ausgestellte Flüchtlingsausweise genutzt. Dies wäre nicht denkbar, wenn die Reisenden hier befürchten müssten, von den Behörden verfolgt zu werden oder ihre Familie einer solchen Gefahr auszusetzen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea vom 3. Januar 2022 Ziff. IV.3; BayVGH, B.v. 25.11.2021 – 19 B 21.1789 – juris Rn. 70). Dementsprechend führt auch die Vorsprache zur Passbeantragung in einer eritreischen Auslandsvertretung nicht zu Nachteilen für Familienangehörige in Eritrea (Auswärtiges Amt, a.a.O., Ziff. V.1.4).
37
Anhaltspunkte, dass der Klägerin oder ihrer Familie durch das Bemühen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses bei der eritreischen Auslandsvertretung unmittelbare Gefahren drohen könnten, bestehen nach alledem nicht. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass im konkreten Einzelfall ein dringendes Interesse der eritreischen Behörden gerade an der Verfolgung der Klägerin besteht, aufgrund dessen Spione oder eine Auslandsorganisation der PDFJ die Klägerin überwachen sollten.
38
b) Der Vortrag, durch den Besitz eines eritreischen Nationalpasses sei das Risiko einer Abschiebung im Falle einer Reise nach Äthiopien größer, vermag ebenfalls keine Unzumutbarkeit zu begründen, denn auch im Falle der Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer bleibt die Klägerin eritreische Staatsangehörige, was auch in den Reiseausweis einzutragen wäre. Sie wäre damit für ausländische Behörden ebenso wie bei Besitz eines Passdokuments des Herkunftsstaats als solche erkennbar (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2021 – 19 ZB 21.1789 – juris Rn. 89; OVG Hamburg, B.v. 28.2.2012 – 4 Bf 207/11.Z – juris Rn. 23). Da die Klägerin ohne Vorverfolgung aus Eritrea ausgereist ist, ist eine Gefahr, dass sie aufgrund eines Auslieferungsverlangens des eritreischen Staates aus Äthiopien dorthin abgeschoben wird, zudem nicht ersichtlich.
39
c) Ein Widerruf nach § 73b Abs. 1 Satz 1 AsylG kann nur dann vorgenommen werden, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maß verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Dies ist nur bei einer materiellen Änderung der Gefährdungslage der Fall. Die bloße Beantragung eines Nationalpasses führt bei einem subsidiär Schutzberechtigten – im Gegensatz zu Flüchtlingen – gerade nicht automatisch zu einem Erlöschen dieses Schutzstatus.
40
d) Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen, ergibt sich auch nicht aus der ggf. abzugebenden sog. Reueerklärung. Bei der Reueerklärung handelt es sich um die zur Beantragung konsularischer Dienstleistungen ggf. erforderliche Unterzeichnung eines Formulars, das u.a. einen Passus des Bedauerns der Flucht und der Nichterfüllung der nationalen Pflicht sowie des Akzeptierens einer eventuell dafür verhängten Strafe enthält (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2022 – 10 C 22.906 – juris Rn. 5).
41
Vorliegend hat es die Klägerin nämlich bereits unterlassen, sich bei einer eritreischen Auslandsvertretung über die Notwendigkeit der Unterzeichnung dieser Erklärung zu informieren, um in ihrem Fall die konkreten Voraussetzungen für die Beantragung eines Nationalpasses zu klären (s.o.). Es ist somit nicht ersichtlich, dass diese ohne Unterzeichnung der Reueerklärung von vornherein aussichtslos und damit unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2022 – 10 C 22.906 – juris Rn. 6; B.v. 28.12.2020 – 10 ZB 20.2157 – juris Rn. 9).
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e) Auch aus der eventuell zu entrichtenden Aufbausteuer (Diaspora-Steuer) ergibt sich für die Klägerin keine Unzumutbarkeit, sich um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Bei der Aufbausteuer handelt es sich um eine Steuer, deren Zahlung der Erfüllung zumutbarer staatsbürgerlicher Pflichten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV dient und die weder gegen völkerrechtliche Regeln noch gegen deutsches Recht verstoßen würde (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2021 – 19 B 21.1789 – juris Rn. 73 m.w.N.; VG Gießen, U.v. 28.7.2016 – 6 K 3108/15.GI – juris). Zu den Einzelheiten einer etwaigen Forderung hat die Klägerin überdies nichts vorgetragen.
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II. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).