Titel:
Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens
Normenketten:
AO § 15, § 42, § 164 Abs. 2, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BGB § 364 Abs. 1, Abs. 2
EStG § 11
EGBGB Art. 27, Art. 28 Abs. 1 S. 1
FGO § 93 Abs. 3 S. 2
Leitsatz:
Eine Wiedereröffnung kann deshalb geboten sein, wenn ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung mit Hinweisen oder Fragen des Gerichts überrascht wurde, zu denen er nicht sofort Stellung nehmen konnte, und ihm das Gericht keine Möglichkeit mehr zur Stellungnahme gegeben hat (BFH-Urteil XI R 60/00, BeckRS 2001, 24000453; BFH-Beschluss vom 15.10.2008 X B 106/08, BFH/NV 2009, 40, BeckRS 2008, 25014157). (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslandssachverhalt, Aussetzung der Vollziehung, beherrschender Gesellschafter, Beweisantrag, Darlehen, Darlehensforderung, Darlehenskonto, Darlehensrückzahlungspflicht, Darlehensvaluta, Darlehensverbindlichkeit, Darlehensvertrag, Kapitalanlage, Gesellschafter, Zinsloses Darlehen, Zufluss
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VIII R 30/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47865
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
Streitig ist der Zufluss von Zinsen beim Kläger.
2
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nichtselbständiger Arbeit, beide Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietungseinkünfte und Renten.
3
Der Kläger errichtete mit Vertrag vom 30.12.1998 die B [S.L.], eine Kapitalgesellschaft spanischen Rechts. Er hielt 80% der Anteile, die übrigen Anteile hielten seine beiden Kinder zur Hälfte. Die B erwarb auf 1 eine Fläche und begann mit dem Bau einer Sportstätte, die 2007 in Betrieb genommen wurde.
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Am 31.12.2007 reichte der Kläger ein Darlehen von … € zu einem anfänglichen Zinssatz von 4,79% an B aus. Der Darlehensvertrag ist in spanischer Sprache abgefasst.
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Mit notariellem Vertrag in spanischer Sprache vom 14.06.2011 wurde das Stammkapital der B um weitere … € erhöht und darauf das Gesellschafter-Darlehen des Klägers mit dem Restbetrag von … € verwendet. Der Stand der Darlehensverbindlichkeiten der B gegenüber dem Kläger war in den Jahren 2011 bis 2014 mit 0 €, der Stand der Zinsverbindlichkeiten gegenüber dem Kläger in den Jahren 2010 bis 2014 mit xx € ausgewiesen.
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Im Nachgang zu einer Betriebsprüfung u.a. für das Jahr 2011 ging das Finanzamt wegen der Verwendung des Darlehens zur Erhöhung des Stammkapitals der B im Jahr 2011 von einem Zufluss der Zinsen an den Kläger als beherrschenden Gesellschafter aus.
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Zu diesem Punkt schloss sich ein Verfahren vor dem Finanzgericht Nürnberg an (6 K 1160/16). Der Kläger wurde – wie schon im dortigen Vorverfahren – von C Steuerberatungsgesellschaft mbH vertreten. Die Schriftsätze zeichnete Steuerberater C. Auf die Schriftsätze dieses Verfahrens wird verwiesen, insbesondere auf das klägerische Schreiben vom 21.09.2016. Im Verlauf des Verfahrens legte der Kläger eine neue Übersetzung des Darlehensvertrags vor. Hiernach waren die Zinsen bei Fälligkeit des Darlehens zahlbar. Weiter lautet die neue Übersetzung „Rückzahlungsmodalität Die Darlehensfrist wird auf 10 Jahre festgelegt, Fälligkeit 30. Dezember 2017, wobei während der Laufzeit des Darlehens vorzeitig ganz oder teilweise getilgt werden kann.“
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Das Finanzamt hielt an seiner Auffassung eines Zuflusses im Jahr 2011 nicht mehr fest und half der Klage durch Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheids 2011 ab; die Hauptsache wurde erledigt erklärt.
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Das Finanzamt veranlagte die Kläger im Streitjahr mit Einkommensteuerbescheid vom 30.11.2018, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging.
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In der Zeit von Februar 2019 bis Januar 2020 führte es bei den Klägern eine Außenprüfung für den Zeitraum 2014 bis 2017 durch (Prüfungsanordnung vom 08.01.2019).
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Aus Schriftverkehr in diesem Zusammenhang (Schreiben des Klägervertreters vom 14.02.2020) ergibt sich, dass die B im März 2014 bei der Stadtverwaltung in 1 einen Bauantrag für die Realisierung eines Hotels auf der „B“ gestellt hat.
12
Im Zug der Betriebsprüfung wurde folgende Vereinbarung vorgelegt:
„Verlängerung des zwischen der Fa. B SL, 1 und Herrn A1 [= Kläger] abgeschlossenen Darlehensvertrages vom 31.12.2007 Zwischen der Fa. B (Darlehensnehmerin) und A1 (Darlehensgeber) wurde am 31.12.2007 ein Darlehensvertrag über … € geschlossen. Das Darlehen war am 31.12.2017 zur Rückzahlung fällig. Die Zinsen (Anfangszins 4,79%, dann der am letzten Tag eines jeden Jahres veröffentlichte Euribor) sind bei Fälligkeit des Darlehens zahlbar.
Da die Darlehensnehmerin noch nicht in der Lage ist, das Darlehen zum 31.12.2017 zurückzuzahlen und auch die Zinsen nicht begleichen kann, verlängern die Vertragsparteien das vorgenannte Darlehen zu den gleichen Konditionen um 5 Jahre, somit bis zum 31.12.2022. Das Gleiche gilt für die aufgelaufenen Zinsen, die ebenfalls zum 31.12.2022 zusammen mit der Hauptschuld zur Zahlung fällig sind.
Tochter des A1 [handschriftlich] A1 [handschriftlich] Darlehensnehmerin Darlehensgeber“
13
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung (Betriebsprüfungsbericht vom 13.08.2020) sei die Verlängerung der Laufzeit als eigenständiges Rechtsgeschäft einer eigenen Fremdvergleichsprüfung zu unterziehen, da es sich um einen Vertrag unter nahen Angehörigen handele. Unter fremden Dritten wäre eine gänzlich vorbehaltlose Laufzeitverlängerung nicht üblich, insbesondere nicht ohne die Gewährung von Sicherheiten bzw. Gegenleistungen oder Ratenzahlungsvereinbarungen wegen drohender Zahlungsstörung ab Fälligkeit. Dem Gläubiger seien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners zu dem Zeitpunkt bekannt gewesen. B gelte nicht als zahlungsunfähig, solange kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei. Die Bezugnahme auf den Nennbetrag des Darlehens und die Verwendung der Vergangenheitsform lasse auf eine nachträglich erstellte Vereinbarung mit Rückdatierung schließen. Demnach wäre die Zinsschuld entsprechend ursprünglicher Vereinbarung mit Ablauf des 31.12.2017 fällig geworden. Die Forderung eines Mehrheitsgesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft gelte bereits mit der Fälligkeit der Forderung als zugeflossen, da ein beherrschender Gesellschafter es regelmäßig selbst in der Hand habe, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen.
14
Die Zinserträge von xx € gälten zum 31.12.2017 als zugeflossen und unterlägen als Einkünfte aus Kapitalvermögen der tariflichen Einkommensteuer, da der Kläger zu mehr als 10% an der B beteiligt sei.
15
Das Finanzamt folgte dem und erließ am 17.09.2020 einen nach § 164 Abs. 2 AO entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
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Die Kläger legten Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung, die gewährt wurde.
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Es habe am 21.01.2020 keine Schlussbesprechung stattgefunden, sondern nur ein Gespräch der Kläger mit Herrn D, Bayerisches Landesamt für Steuern. Herr D werde unter den Teilnehmern der Schlussbesprechung nicht genannt. Im Anschluss hieran sei ein umfangreicher schriftlicher Austausch über die Frage des fiktiven Zinszuflusses erfolgt, der sich im Prüfungsbericht nicht wiederfinde.
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In den Jahren 2008 und 2011 sei es zum debt-to-equity-swap gekommen, so dass der Verzicht auf den Nennbetrag des Darlehens offenbar zur Leistung auf die Einlageforderung der B im Rahmen der Kapitalerhöhung nach spanischem Recht verwendet worden sei. Die Vereinbarung vom 14.11.2017 werde nun einem Fremdvergleich unterzogen, obgleich dies bereits beim ursprünglichen Darlehensvertrag der Fall gewesen sei. Im Rahmen der Klage 6 K 1160/16 sei bereits die Frage des fiktiven Zuflusses von Zinsen geklärt worden; im Rahmen eines Erörterungstermins habe der Senat eine klare Auffassung gegen eine fiktive Zinszurechnung gezeigt, bevor der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden sei Durch den debt-to-equity-swap sei das Darlehen vorzeitig zurückgeführt worden. Dies führe bei einem verzinslichen Darlehen aber nicht zur vorzeitigen Beendigung des Vertrags; dies trete erst mit dem Ende der Laufzeit ein. Durch die Wandlung in Eigenkapital sei das Darlehen nicht in Höhe der ursprünglichen Valuta getilgt worden. Da die ursprünglich vereinbarte Laufzeit des Darlehens unberührt geblieben sei, sei auch der bis dahin entstandene Zinsanspruch nicht fällig.
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Die Vereinbarung vom 14.11.2017 stelle zivilrechtlich eine zinslose Stundung des verbliebenen Zinsanspruchs aus dem Darlehensanspruch oder eine Prolongation dar. Es handele sich um eine einseitig durch den Kläger vorgenommene Inhaltsänderung eines Teils des ursprünglichen Darlehensvertrags, die die Fälligkeit hinausschiebe, nicht um eine Novation. Daher könne nur der ursprüngliche Darlehensvertrag, nicht aber die Prolongation einem Fremdvergleich unterzogen werden. Entgegen der Betriebsprüfung sei die Vereinbarung nicht inhaltlich fehlerhaft und stelle keinen Verzicht auf die Erfüllung des Darlehens dar.
20
Eine zu einem Fremdvergleich – Verortung einer Vertragsbeziehung im betrieblichen Bereich oder im Bereich privater Verbundenheit – Anlass gebende Situation liege nicht vor. Die B als spanische Kapitalgesellschaft sei nicht Angehörige i.S.v. § 15 AO. Auch ein Fall des § 42 AO liege nicht vor.
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In die Gesamtwürdigung bei Durchführung eines Fremdvergleichs seien sämtliche Umstände des Einzelfalls und damit auch der ursprüngliche Darlehensvertrag sowie die Umwandlung in Eigenkapital und die Stellung des Klägers als Mehrheitsgesellschafter einzubeziehen. Es sei durch verschiedene politische Widrigkeiten zu einer Verzögerung des gesamten Immobilienprojekts auf dem Gelände der B gekommen. Im Zeitpunkt der Stundungsvereinbarung habe jedoch festgestanden, dass die Schaffung werthaltiger Baugrundstücke nur eine Frage der Zeit gewesen sei. Jeder am Erfolg der B beteiligte Dritte hätte mit einer weiteren zinslosen Stundung ohne Einräumung von Sicherheiten die Rückzahlung der Zinsen hinausgeschoben, um der B zu ermöglichen, ihre Liquidität für das Immobilienprojekt zu nutzen. Bei Einforderung der Zinsrückzahlung hätte die B nahezu sämtliche Immobilien weit unter dem Wert, der in bebaubaren Zustand hätte erzielt werden können, veräußern müssen. Dies hätte zukünftige Erträge aus der Erfolgsbeteiligung vernichtet. Auch die Einforderung dinglicher Sicherheiten hätte die notwendige Liquidität der B schwer belastet. Mit der zinslosen Stundung gehe eine beachtliche Chance auf Auszahlung zukünftiger Gewinne einher.
22
Selbst bei Unterstellung der Fälligkeit der Zinsen könne der Zinszufluss beim beherrschenden Gesellschafter nicht fingiert werden, da die B zahlungsunfähig gewesen sei. Nach der BFH-Rechtsprechung komme es nur im Fall der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zu einer Zuflussfiktion. Infolge der Verzögerungen der Grundstücksprojektierung sei die B nur durch die Finanzierung des Klägers überlebensfähig gewesen und habe die Zinszahlung nicht aufbringen können. Aus dem erheblichen Eigenkapital aus der Wandelung der Darlehensvaluta ließen sich keine Rückschlüsse auf die Liquidität ziehen.
23
Der B habe nach Art. 133 LSL ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden. Nach der BFH-Rechtsprechung gälten Zinsen aus kapitalersetzenden Darlehen bei beherrschenden Gesellschaftern solange nicht als zugeflossen, als der Gesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe.
24
Durch die Laufzeitverlängerung sei es auch nicht zu einer Novation gekommen. Eine Änderung der Identität sei nicht erfolgt; einen entsprechenden Willen hätten die Vertragsparteien nicht gebildet.
25
Das Finanzamt erließ am 03.11.2020 und am 23.04.2021 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide.
26
Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2021 als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt vertrat wie die Betriebsprüfung die Auffassung, ein Zufluss eines Vermögensvorteils sei nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des beherrschenden Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen; dies jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig sei und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richte. Dies sei vorliegend erfüllt.
27
Den Verzicht auf die Darlehensforderung gegenüber der B (Vertrag vom 14.06.2011) und die Einlage in die Gesellschaft sowie die Erhöhung des Stammkapitals der B auf … € wertete das Finanzamt als Tilgung der Hauptschuld aus dem Darlehensvertrag. Lediglich die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Zinsen seien mit einer Endfälligkeit zum 30.12.2017 bestehen geblieben. Die Vereinbarung einer Verlängerung bzw. die Prolongation des Darlehens sei deshalb nicht mehr möglich gewesen.
28
Die Darlehenszinsen seien erst am 30.12.2017 fällig. Mit der auf den 14.11.2017 datierten Vereinbarung habe der Kläger der B den fällig werdenden Betrag erstmals als Darlehen zur Verfügung gestellt. Es sei eine Novation bzw. Schuldumwandlung erfolgt (§ 364 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Diese führe beim Kläger als beherrschendem Gesellschafter zum Zufluss bei Fälligkeit am 30.12.2017. Nachweise für die Zahlungsunfähigkeit der Darlehensschuldnerin am 30.12.2017 lägen nicht vor. Aufgrund des in der Bilanz 2016 der B ausgewiesenen Eigenkapitals könne auch nicht von einer Überschuldung zum 31.12.2017 ausgegangen werden.
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Die vorgelegte Vereinbarung vom 14.11.2017 sei im Übrigen nicht schlüssig und erwecke den Anschein, nachträglich erstellt worden zu sein, wenn ausgeführt werde, „dass das Darlehen am 31.12.2017 zur Rückzahlung fällig war“. Bei einer vor Ablauf des Darlehensvertrags getroffenen Vereinbarung hätte es geheißen „…zur Rückzahlung fällig ist.“ Laut Darlehensvertrag vom 31.12.2007 sei das Darlehen tatsächlich zum 30.12.2017 und nicht, wie in der Vereinbarung angegeben, zum 31.12.2017 fällig. Da die Hauptschuld des Darlehens bereits im Jahr 2011 durch die Umwandlung in Eigenkapital getilgt sei, habe 2017 keine Darlehensforderung (Hauptschuld) mehr bestanden. In der Vereinbarung werde jedoch vom Fortbestand des Darlehens ausgegangen, wenn ausgeführt werde, dass die Darlehensnehmerin nicht in der Lage sei, das Darlehen und die Zinsen zum 31.12.2017 zurückzuzahlen, wenn eine Verlängerung des Darlehens zu gleichen Konditionen erfolge, und wenn geregelt werde, dass die aufgelaufenen Zinsen zum 31.12.2022 zusammen mit der Hauptschuld zur Zahlung fällig seien.
30
Die Kläger haben Klage erhoben. Sie wiederholen zum Teil ihren bisherigen Vortrag und führen weiter aus, wegen der unterbliebenen Schlussbesprechung sei der Bescheid rechtswidrig.
31
Ein Zufluss der Zinsen sei nicht erfolgt.
32
Soweit sich das Finanzamt auf die Stellung des Klägers als beherrschendem Gesellschafter beziehe, sei festzuhalten, dass es außerhalb von Gewinnanteilen keine gesetzliche Grundlage für eine Zuflussfiktion gebe. Zudem sei die Zinszahlung nicht vor dem 31.12.2022 fällig.
33
Das Darlehen mit der Laufzeit zum 30.12.2017 sei 2011 nicht beendet worden. Der Abschluss der Vereinbarung – eine Stundung oder Laufzeitverlängerung – führe nicht zu einem Zufluss. Es handele sich um eine Zinsprolongation, die weder zu einer Beendigung des bestehenden Darlehensvertrags noch zu einem neuen Darlehen über den aufgelaufenen Zinsbetrag führe.
34
Auch ein Zufluss in Form eines Leistungsersatzes unter Abkürzung des Zahlungswegs, nämlich der Begleichung der Altschuld unter Rückgewähr der Leistung und Begründung einer neuen Verpflichtung, liege nicht vor.
35
Im Übrigen sei der Gläubiger nicht in der Lage gewesen, den Leistungserfolg herbeizuführen, da der Schuldner nicht leistungsfähig gewesen sei. Aus diesem Grund sei die Vereinbarung auch im Interesse des Schuldners zustande gekommen, was das Vorliegen einer Novation ausschließe.
36
Auf die entsprechende gerichtliche Anforderung zur Vorlage der Vereinbarung vom 14.11.2017 trägt der Kläger vor, das Original sei unauffindbar. Unter Vorlage von Bestätigungen wird vorgetragen, der Steuerberater des Klägers C habe auf Wunsch des Klägers die Vereinbarung formuliert. Der Kläger habe sie unterzeichnet. Am 14.11.2017 habe die Geschäftsführerin der B, Tochter von A1, diese unterzeichnet und an die Buchhaltung gegeben.
37
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 17.09.2020, zuletzt geändert durch Bescheid vom 23.04.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2021 dahingehend zu ändern, dass der Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers i.H.v. xx € entfällt.
38
Das Finanzamt beantragt,
39
Es verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt weiter vor, am 21.01.2020 habe eine Schlussbesprechung stattgefunden; im Übrigen hänge die Verwertbarkeit der Prüfungsfeststellungen nicht davon ab.
40
Das Original der Vereinbarung befinde sich nicht in den Akten des Amts.
41
Die Kläger wurden mit Schreiben des Gerichts vom 11.02.2022 darauf hingewiesen, dass bislang der Vortrag, B SL sei Ende 2017 nicht in der Lage gewesen sei, die Zinsen gegenüber dem Kläger zu tilgen, nicht belegt sei. Um die Vorlage der Bilanz 2017 der B und weiterer aussagekräftiger Unterlagen zur Frage der Zahlungsfähigkeit der B SL zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 14.11.2017 wurde gebeten.
42
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung am 24.02.2022 haben sich die Kläger und der Beklagte schriftsätzlich geäußert; hierauf wird verwiesen.
43
Die Akten des Verfahrens 6 K 1160/16 wurden zum Verfahren beigezogen (Beschluss vom 27.10.2022).
44
Auf die dem Gericht vorliegenden Akten, die Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
45
Die zulässige Klage ist unbegründet.
46
Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 17.09.2020, zuletzt geändert durch Bescheid vom 23.04.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).
47
Das Finanzamt ist zu Recht von einem Zufluss der Zinsen i.H.v. xx € im Jahr 2017 ausgegangen.
48
A. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht geboten.
49
Der Senat musste aufgrund der nachgereichten Schriftsätze mit Anlagen des Prozessbevollmächtigten vom 09.03.2022 und vom 05.04.2022 und des Finanzamts vom 22.03.2022 nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 24.02.2022 die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnen.
50
I. Das Finanzgericht kann die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO), um nachträgliche Schriftsätze noch zu berücksichtigen. In jedem Fall muss das Finanzgericht aber auch ohne ausdrücklichen Antrag darüber beschließen, ob es aufgrund des eingereichten Schriftsatzes die mündliche Verhandlung wiedereröffnet oder die Wiedereröffnung nicht für geboten erachtet. Es muss insbesondere zum Ausdruck bringen, dass entsprechende Erwägungen angestellt worden sind; denn anderenfalls lässt sich nicht nachprüfen, ob das Gericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Auf diese Ausführungen haben die Prozessbeteiligten einen Anspruch. Nur dann ist auch gewährleistet, dass das Recht auf Gehör gewahrt worden ist (BFH-Beschlüsse vom 08.10.2003 VII B 321/02, BFH/NV 2004, 499, 500; vom 25.04.1996 VIII B 30/95, BFH/NV 1997, 118).
51
Das Gesetz sieht zwar in § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO für die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beschluss des Gerichts vor. Es reicht aber auch aus, wenn das FG seine Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen, im Urteil selbst begründet (BFH-Urteil vom 23.10.2003 V R 24/00, BStBl II 2004, 89; BFH-Beschluss vom 05.09.2005 IV B 155/03, BFH/NV 2006, 98).
52
Die Wiedereröffnung des Verfahrens nach Schluss der mündlichen Verhandlung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.04.2005 VIII B 128/03, BFH/NV 2005, 1823; vom 29.06.2006 VII R 50/04, BFH/NV 2006, 1865 und vom 24.10.2006 VIII B 189/05, BFH/NV 2007, 459; Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl., § 93 Rz. 9, m.w.N.).
53
Das Ermessen ist allerdings dann auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung der Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, z.B. weil anderenfalls der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt würde oder die Sachaufklärung nicht ausreicht (BFH-Urteil vom 04.04.2001 XI R 60/00, BStBl II 2001, 726; BFH-Beschluss vom 05.09.2005 IV B 155/03, BFH/NV 2006, 98).
54
Eine Wiedereröffnung kann deshalb geboten sein, wenn ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung mit Hinweisen oder Fragen des Gerichts überrascht wurde, zu denen er nicht sofort Stellung nehmen konnte, und ihm das Gericht keine Möglichkeit mehr zur Stellungnahme gegeben hat (BFH-Urteil XI R 60/00; BFH-Beschluss vom 15.10.2008 X B 106/08, BFH/NV 2009, 40).
55
Wenn sich ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf überraschende Fragen oder Ausführungen nicht sofort erklären kann, kann er die Einräumung einer Frist beantragen, um die Erklärung durch einen Schriftsatz nachzuholen (§ 155 FGO i.V.m. § 283 der Zivilprozessordnung – ZPO).
56
Die mündliche Verhandlung muss nicht wiedereröffnet werden, wenn ein Beteiligter nachträglich Tatsachen vorträgt, die er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte vorbringen können oder wenn er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und zusammenfasst. Denn im finanzgerichtlichen Verfahren können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.04.2005 VIII B 128/03, BFH/NV 2005, 1823; vom 29.06.2006 VII R 50/04, BFH/NV 2006, 1865; Herbert in Gräber, FGO, § 93 Rz. 11;).
57
II. Bei Anwendung dieser Grundsätze war im Streitfall die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten.
58
Insbesondere wurde der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör nicht verletzt; die Sachaufklärung wurde ausreichend vorgenommen.
59
1. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wurde nicht ausdrücklich beantragt.
60
2. Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger ist auf seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung hin eine Frist eingeräumt worden, um auf – laut Protokoll der mündlichen Verhandlung – den Gedanken des Gerichts einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise für die Vereinbarung reagieren zu können. In diesem Zug hat er mit Schriftsatz vom 09.03.2022 Stellung genommen und mit Schriftsatz vom 05.04.2022 auf das Schreiben des Finanzamts vom 22.03.2022 reagiert.
61
In den Schriftsätzen vom 09.03.2022 und vom 05.04.2022 hat der Prozessbevollmächtigte sein bisheriges Vorbringen im Einspruchsverfahren und Klageverfahren, hier auch mündliches Vorbringen des Prozessbevollmächtigten und des Klägers selbst in der mündlichen Verhandlung, wiederholt. Dies betrifft das Verständnis der Vereinbarung vom 14.11.2017, das Fortbestehen und die Verlängerung der Zinsforderung, bzw. deren Fälligkeitsverschiebung, die Darstellung der Zahlungsunfähigkeit der B Ende des Jahres 2017, ferner die rechtliche Auseinandersetzung mit der Frage des Zuflusses wegen der Stellung des Klägers als beherrschendem Gesellschafter, die zivilrechtliche Lage und die Anforderungen an einen Zufluss nach § 11 EStG und an das Vorliegen einer Novation.
62
Soweit Vorgänge in Bezug auf die Kapitalerhöhung der B im Jahr 2011 angesprochen sind, wird klägerseitig auf den Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2022 Bezug genommen. Der Senat hatte hierzu im Vorfeld die Akten des Verfahrens 6 K 1160/16 beigezogen.
63
Auch das Finanzamt hat in seinem Schriftsatz vom 22.03.2022 Bekanntes wiederholt.
64
3. Die Sachaufklärung wurde ausreichend vorgenommen. Beweise waren entgegen der mit Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten erhobenen (Schriftsatz vom 09.03.2022) und wiederholten (Schriftsatz vom 05.04.2022) Aufklärungsrüge nicht zu erheben.
65
a) Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. unsubstantiierten Beweisanträgen muss es nicht nachgehen. Unsubstantiiert sind Beweisanträge dann, wenn sie entweder das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne bestimmte Tatsachen nicht hinreichend konkretisieren, sie also nicht angeben, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll oder wenn sie dazu dienen sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, wie etwa solche, die ohne jegliche tatsächliche Grundlage aufgestellt werden (sog. „Behauptungen und Beweisanträge ins Blaue hinein“ oder Ausforschungsbeweisanträge).
66
Substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, dürfen weder abgelehnt noch übergangen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die in Frage stehende Tatsache zu Gunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist.
67
In welchem Maß eine Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht der Beteiligten ab (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, § 76, Rz 26-33 m.w.N.).
68
b) Das Gericht muss den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen.
69
aa) Aus Sicht des Senats sind die in der mündlichen Verhandlung formulierten Beweisanträge nicht ausreichend substantiiert.
70
Weder beim Antrag zur Einvernahme des damaligen Steuerberaters C als Verfasser als Zeugen zur Auslegung dieses Papiers – gemeint ist die Vereinbarung vom 14.11.2017 – noch beim Antrag der Einvernahme der Geschäftsführerin der B, der Tochter von A1 zur Interpretation der Vereinbarung vom November 2017 sind das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme hinreichend konkretisiert.
71
Die Sachaufklärungspflicht des Gerichts bezieht sich regelmäßig auf Tatsachen. Denn nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen.
72
Welche Tatsachen bei der Zeugeneinvernahme von Steuerberater C und der Tochter von A1 unter Beweis gestellt werden sollen, ergibt sich aus den Beweisanträgen nicht.
73
bb) Selbst wenn man die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge als ausreichend substantiiert ansieht und sich dabei vom Wortlaut der Beweisanträge leiten lässt, wonach die Auslegung bzw. die Interpretation der Vereinbarung als Beweisthema durch die Einvernahme der Zeugen unter Beweis gestellt werden soll, ist das Gericht nicht gehalten, zu diesen Themen die Zeugen zu vernehmen.
74
Bei der Frage der Auslegung bzw. Interpretation der Vereinbarung vom 14.11.2017 handelt es sich nicht um eine Sachverhalts- bzw. Tatsachenfrage, sondern um eine rechtliche Wertung. Diese ist dem Beweis nicht zugänglich. Die Auslegung der Vereinbarung erfolgt durch das angerufene Gericht.
75
Die vom Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge erhobene Aufklärungsrüge geht aus der Sicht des Senats ins Leere.
76
c) Der Senat ist auch nicht gehalten, die Tochter von A1 und Steuerberater C aufgrund der im Schriftsatz vom 09.03.2022 gestellten Anträge als Zeugen zu vernehmen.
77
aa) Aus Sicht des Senats ist auch bei den im Schriftsatz der Kläger vom 09.03.2022 formulierten Beweisanträgen, die auf eine Beweiserhebung durch Zeugenbeweis gerichtet sind, fraglich, ob diese ausreichend substantiiert sind.
78
(i) So wird der Antrag, die Tochter von A1 und Steuerberater C als Zeugen zu vernehmen, für den Fall einer im Konjunktiv („sollte“) formulierten, kumulativen Situation (Zweifel des Gerichts am Abschluss einer Prolongationsvereinbarung und zudem Nicht-Ausgehen von einer Zahlungsunfähigkeit bei Fälligkeit des Zinsanspruchs) gestellt.
79
Es ist zweifelhaft, ob in Bezug auf beide Zeugen das Beweisthema benannt und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne bestimmte Tatsachen hinreichend konkretisiert ist.
80
(ii) Der Beweisantrag im Schreiben vom 09.03.2022 wird bei wohlwollendem Verständnis als ausreichend substantiiert angesehen. Der Senat geht davon aus, dass die Erklärung des Prozessbevollmächtigten so zu verstehen ist, als beantrage dieser die Einvernahme von Steuerberater C und von der Tochter von A1 als Zeugen zum Beweis der (inneren) Tatsache, dass von allen Vertragsparteien der Vereinbarung die Prolongation (der Fälligkeit des Zinsanspruchs) gewollt war, sowie zum Beweis der Tatsache, dass die B bei (ursprünglicher) Fälligkeit des Zinsanspruchs zahlungsunfähig gewesen ist.
81
bb) Soweit bewiesen werden soll, dass von allen Vertragsparteien der Vereinbarung die Prolongation (der Fälligkeit des Zinsanspruchs) gewollt war, bedarf es dieser Beweiserhebung nicht; aus Sicht des Senats kann diese in Frage stehende Tatsache auch aufgrund der beiderseitig unterschriebenen Vereinbarung zu Gunsten der Beweisführenden als wahr unterstellt werden (Im Einzelnen siehe unten C. III. 2. d) hh)).
82
cc) Soweit unter Beweis gestellt wird, dass die B bei (ursprünglicher) Fälligkeit des Zinsanspruchs zahlungsunfähig gewesen ist, ist der Senat nicht gehalten, die benannten Zeugen in einer wieder zu eröffnenden mündlichen Verhandlung zu vernehmen.
83
Die Umstände, die die Zahlungs(un) fähigkeit der B begründen, sind Auslandssachverhalte. Die Tochter von A1 und Steuerberater C sind nicht als präsente Zeugen in der mündlichen Verhandlung gestellt worden.
84
(i) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können (§ 90 Abs. 2 Abgabenordnung – AO).
85
Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO findet die erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten auch im finanzgerichtlichen Verfahren Anwendung. Sie beinhaltet neben einer Sachaufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht des Steuerpflichtigen auch eine Beweismittelvorsorgepflicht (vgl. im Einzelnen Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO, Rz. 21ff).
86
Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom Finanzgericht nicht zu laden, sondern vom Kläger zur mündlichen Verhandlung zu stellen, wenn der Zeuge über einen Auslandssachverhalt aussagen soll (BFH-Beschluss vom 13.02.2019 VIII B 83/18, BFH/NV 2019, 579).
87
(ii) Die Umstände, die die Zahlungs(un) fähigkeit der B begründen, sind Auslandssachverhalte.
88
Die Kläger sind zur Frage der Zahlungs(un) fähigkeit der B ihrer erweiterten Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.
89
Die Kläger wurden mit Schreiben des Gerichts vom 11.02.2022 darauf hingewiesen, dass bislang der Vortrag, B SL sei Ende 2017 nicht in der Lage gewesen sei, die Zinsen gegenüber dem Kläger zu tilgen, nicht belegt sei. Auf § 90 Abs. 2 AO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO wurde verwiesen. Weiter wurde um die Vorlage der Bilanz 2017 der B und weiterer aussagekräftiger Unterlagen zur Frage der Zahlungsfähigkeit der B SL zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 14.11.2017 gebeten.
90
Damit war den Klägern die grundsätzliche Beweisbedürftigkeit ihres Vortrags hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit der B vor der mündlichen Verhandlung bekannt. Es lag in ihrer Sphäre und Verantwortung, über die angeforderte Bilanz 2017 und weitere aussagekräftige Unterlagen hinaus geeignet erscheinende Beweismittel beizubringen und zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Dieser Mitwirkungspflicht sind sie nicht nachgekommen – etwa durch Anbieten von der Tochter von A1 oder Steuerberater C als präsente Zeugen in der mündlichen Verhandlung.
91
Auf einen nach der mündlichen Verhandlung in Bezug auf den Beweis eines Auslandssachverhalts gestellten Beweisantrag ist der Beweis nicht zu erheben und die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen (vgl. auch Herbert in Gräber, FGO, § 93, Rz. 11; BFH-Urteil vom 29.06.2006 VII R 50/04, BFH/NV 2006, 1865).
92
d) Es ist auch nicht geboten, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und entsprechend dem im Schriftsatz vom 09.03.2022 gestellten Beweisantrag ein Sachverständigengutachten einzuholen.
93
aa) Aus Sicht des Senats ist auch beim im Schriftsatz der Kläger vom 09.03.2022 formulierten Beweisantrag, der auf eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten gerichtet ist, die ausreichende Substantiierung fraglich.
94
In dem Antrag ist weder das Beweisthema benannt noch das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne bestimmte Tatsachen hinreichend konkretisiert. Es ist bereits unklar, ob eine gutachtliche Würdigung einer Sachverhaltsfrage oder einer Rechtsfrage oder beider Fragen begehrt wird; der Rückgriff auf die Formulierung „insofern“ stellt keine Klarheit her.
95
bb) Selbst wenn man den Beweisantrag im Schreiben vom 09.03.2022 bei wohlwollendem Verständnis als ausreichend substantiiert ansieht und davon ausgeht, dass der Antrag des Prozessbevollmächtigten so zu verstehen ist, als beantrage dieser die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit nach spanischem Recht, ist der Senat nicht gehalten, diesen Beweis zu erheben.
96
(i) Zwar ist es Aufgabe des Finanzgerichts als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln und nicht etwa Aufgabe der Kläger, die Regelungen über das ausländische Recht (im Einzelnen) darzulegen. Wie das Finanzgericht das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BFH-Urteil vom 13.06.2013 III R 63/11, BStBl II 2014, 711, Rn. 26 – 27 m.w.N.).
97
(ii) Allerdings kommt es nach der Rechtsauffassung des Senats auf die Beweistatsache, nämlich auf die Frage des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit nach spanischem Recht, im Streitfall und damit auf ein Sachverständigengutachten zu dieser Frage nicht an (im Einzelnen unten unter C. III. 2. d) jj) (ii) 1. Spiegelstrich).
98
e) Der Senat ist nicht gehalten, die Geschäftsführerin der B, Tochter von A1, und den Steuerberater C aufgrund des im Schriftsatz vom 05.04.2022 gestellten Beweisantrags als Zeugen zu vernehmen.
99
aa) Der Beweisantrag im Schreiben vom 05.04.2022 wird als ausreichend substantiiert angesehen.
100
bb) Soweit bewiesen werden soll, dass die Vereinbarung vom 14.11.2017 nach einem Hinweis des Steuerberater C auf den Wunsch der B SL geschlossen wurde, bedarf es dieser Beweiserhebung nicht; aus Sicht des Senats kann diese Frage als letztlich nicht entscheidungserhebliche Motivation für die getroffene Vereinbarung dahinstehen. Die Parteien haben ohne erkenntlichen Zwang eine Vereinbarung getroffen, bei deren Auslegung als wahr unterstellt werden kann, dass auch die B ein Interesse am Abschluss hatte. Dass alleine die B die Vereinbarung angeregt hätte, wird klägerseits nicht vorgetragen und widerspräche auch den bisherigen Angaben des Klägers im Verfahren.
101
Im Übrigen dürfte es sich bei einer Wunschäußerung der B um einen Auslandssachverhalt handeln. Insoweit wird auf die Ausführungen unter A. II. 3. c) cc) (i) und (ii) verwiesen.
102
Als wahr unterstellt werden kann, dass der Abschluss auf Hinweis des Steuerberater C erfolgte. Dies bestätigt dieser in seinem Schreiben vom 07.03.2022.
103
cc) Soweit unter Beweis gestellt wird, dass es der B SL damals nicht möglich gewesen wäre, die fällig werdenden Zinsen zu zahlen, ist der Senat nicht gehalten, die benannten Zeugen in einer wieder zu eröffnenden mündlichen Verhandlung zu vernehmen.
104
Die Umstände, die die Zahlungs(un) fähigkeit der B begründen, sind Auslandssachverhalte. Die Tochter von A1 und Steuerberater C sind nicht als präsente Zeugen in der mündlichen Verhandlung gestellt worden.
105
Auf einen nach der mündlichen Verhandlung in Bezug auf den Beweis eines Auslandssachverhalts gestellten Beweisantrag ist der Beweis nicht zu erheben und die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen (vgl. auch Herbert in Gräber, FGO, § 93, Rz. 11; BFH-Urteil vom 29.06.2006 VII R 50/04, BFH/NV 2006, 1865).
106
Die Ausführungen unter A II. 3. c) cc) (i) und (ii) gelten gleichermaßen.
107
B. Der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 2017 vom 17.09.2020, zuletzt geändert durch Bescheid vom 23.04.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2021 steht nicht entgegen, dass nach dem Vortrag der Kläger eine Schlussbesprechung unterblieben sein soll.
108
I. Der Senat versteht das Vorbringen von Klägerseite unter Heranziehung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 17.09.2020 (Stellungnahme zum Betriebsprüfungsbericht) so, dass klägerseits gerügt wird, es habe am 21.01.2020 keine Schlussbesprechung, sondern nur ein Austausch mit dem Fachprüfer für Auslandsbeziehungen vom Landesamt für Steuern, Herrn D, stattgefunden; im Anschluss habe sich ein umfangreicher Schriftverkehr über den fiktiven Zinszufluss entwickelt, dessen Inhalt sich im Betriebsprüfungsbericht ebenso wenig wiederfinde wie der Name des Fachprüfers für Auslandsbeziehungen.
109
Nach den Akten über die Betriebsprüfung für die Jahre 2014 bis 2017 (Betriebsprüfungsbericht vom 13.08.2020) hat eine Schlussbesprechung am 21.01.2020 stattgefunden, an der neben dem Kläger und dem Prozessbevollmächtigten die Steuerberater Herr E, Frau F und Herr G für die Steuerpflichtigen (zugleich Kläger) und für das Finanzamt der Prüfer und Herr H teilgenommen haben.
110
Aus Sicht des Senats scheint es möglich, dass zwar eine (Schluss-)Besprechung stattgefunden hat, die Liste der Teilnehmer an der Schlussbesprechung aber unvollständig ist und im Rahmen der (Schluss-)Besprechung vom 21.01.2020 der hier streitige Punkt nur ausgetauscht wurde.
111
In Folge wurde die Thematik breit erörtert; dies ergibt sich aus den Akten.
112
II. Selbst wenn die Schlussbesprechung unterblieben wäre, ist dies folgenlos. Es ergibt sich insbesondere kein Verwertungsverbot für die Prüfungsergebnisse (FG Hamburg, Urteil vom 13.12.2002 III 124/01, Rn. 89f, juris, mit Verweis auf BFH-Rspr). Ein etwaiger Mangel der Schlussbesprechung, der das rechtliche Gehör (§ 91 AO) berührt und Einfluss auf das Begründungserfordernis (§ 121 AO) für die Auswertungsbescheide und die darin in Bezug genommenen Prüfungsfeststellungen hat, ist durch das gewährte Gehör zum Prüfungsbericht (§ 202 AO) vor den Bescheiden, im Einspruchsverfahren und im gerichtlichen Verfahren gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2-3, Abs. 2 AO geheilt.
113
C. Der Kläger hat Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt.
114
I. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz – EStG – zählt zu den Einkünften aus Kapitalvermögen alle Zinsen aus Kapitalforderungen jeder Art. Wird Kapital gegen Entgelt überlassen, so ist der Einkunftstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt (BFH-Urteil vom 16.02.2010 VIII R 4/07, BStBl II 2014, 147).
115
II. Einnahmen aus Kapitalvermögen liegen nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG erst vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben (BFH-Urteil vom 05.11.2013 VIII R 20/11, BStBl II 2014, 275).
116
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich über sie verfügen kann. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrags.
117
Bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Zufluss eines Vermögensvorteils aber nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen; denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BStBl II 2015, 333, m.w.N.; im Einzelnen siehe unten unter C. IV).
118
2. Ebenso kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten den Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 09.04.1968 IV 267/64, BStBl II 1968, 525). Der Gläubiger muss allerdings in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.02.1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480; vom 22.07.1997 VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755).
119
Ein solcher Zufluss durch Gutschrift in den Büchern „des Verpflichteten“ kommt im Übrigen grundsätzlich nur in Betracht, wenn und soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht. Aus der Art und Weise der Verbuchung kann der Gläubiger keine Ansprüche herleiten. Ein Anspruch muss vielmehr vorausgesetzt werden, wenn gefragt werden soll, ob der Schuldner durch eine bestimmte Buchung auf diesen Anspruch leisten und die Zahlung bewirken wollte (BFH-Urteil vom 30.11.2010 VIII R 40/08, BFH/NV 2011, 592, unter Bezugnahme auf BFH-Urteil in BStBl II 1984, 480, unter 2.a der Entscheidungsgründe).
120
3. Der Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag „fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll“. In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann, wenn sie im Interesse des Gläubigers liegt, eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Die Novation stellt sich dann als eine bloße Verkürzung des Leistungswegs dar (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2008 VIII R 36/04, BStBl II 2009, 190; vom 16.09.2014 VIII R 15/13, BStBl II 2015, 468).
121
Ob sich die Novation als Ausdruck der wirtschaftlichen Verfügungsmacht darstellt, ist regelmäßig danach zu beurteilen, ob die Schuldumschaffung im Interesse des Gläubigers liegt. Bei der Interessenabwägung handelt es sich lediglich um ein Indiz für die wirtschaftliche Verfügungsmacht. Dieses Indiz kann für die Frage der wirtschaftlichen Verfügungsmacht dann geeignet sein, wenn sich ein überwiegendes Interesse der einen Vertragspartei deutlich feststellen lässt. So vermag ein überwiegendes Interesse des Gläubigers an der Novation bestehen, wenn er im Betrieb des Schuldners eine rentable Kapitalanlage anstrebt; hingegen wird ein überwiegendes Interesse des Schuldners an der Novation zu bejahen sein, wenn er im Zeitpunkt der Novation nicht zahlungsfähig ist (BFH-Beschluss vom 07.08.2007 IV B 139/06, BFH/NV 2008, 57).
122
Gleichwohl bestehen Fallkonstellationen, in denen die Interessenlage der Vertragspartner als Indiz für den Verlust bzw. die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht von geringerer Bedeutung ist. Dies gilt beispielsweise für Sachverhalte, in denen beide Vertragsparteien ein annähernd gleichwertiges Interesse an der Novation haben. Hier kommt es für die Frage, ob der Schuldner die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den von ihm geschuldeten Betrag verloren hat, darauf an, ob die Novation Ausdruck der freien Dispositionsbefugnis der Vertragsbeteiligten über den geschuldeten Geldbetrag ist (BFH-Urteil vom 07.12.1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825).
123
4. Davon zu unterscheiden ist das bloße einvernehmliche Hinausschieben der Fälligkeit des auszuzahlenden Zinsanspruchs. Dies stellt lediglich eine Stundung und keine den Zufluss begründende Verfügung des Gläubigers über die Kapitalerträge dar (vgl. BFH-Urteile vom 16.09.2014 VIII R 15/13, BStBl II 2015, 468; vom 11.11.2009 IX R 1/09, BStBl II 2010, 746; vom 20.10.2015 VIII R 40/13, BStBl II 2016, 342).
124
5. Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt und ausgeübt hat und ob eine Schuldumschaffung im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers lag, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem Finanzgericht obliegt (vgl. BFH-Beschluss vom 29.06.2000 XI B 10/00, BFH/NV 2000, 1469). Hierbei hat das Finanzgericht alle Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Entscheidend kommt es auf den Zeitpunkt des mutmaßlichen Zuflusses an (vgl. BFH-Urteil vom 16.03.2010 VIII R 4/07, BStBl II 2014, 147; vom 16.09.2014 VIII R 15/13, BStBl II 2015, 468).
125
III. Nach den o.g. Grundsätzen liegt in Streitfall ein Zufluss vor.
126
1. Eine tatsächliche Auszahlung der Zinsen an den Kläger ist im Streitjahr nicht erfolgt.
127
2. Der Zufluss wird durch die Vereinbarung vom 14.11.2017 bewirkt.
128
Mit Abschluss der Vereinbarung wird der B vom Kläger der Betrag der aufgelaufenen Zinsen, die nach ursprünglicher Vereinbarung am 30.12.2017 zur Rückzahlung fällig waren, bis zum 31.12.2022 als zinsloses Darlehen zur Verfügung gestellt. Im Abschluss der Vereinbarung durch den Kläger liegt die Ausübung seiner wirtschaftlichen Verfügungsmacht, die einkommensteuerlich so zu werten ist, als ob die B als Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Kläger als Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des durch die Vereinbarung neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder als zinsloses Darlehen zur Verfügung gestellt hätte.
129
a) Auf den Darlehensvertrag vom 31.12.2007 ist § 488 BGB anzuwenden.
130
Die Bestimmung des anzuwendenden Rechts nach internationalem Privatrecht erfolgt nach Art. 28 EGBGB. Art. 4 Rom I-VO kommt erst für nach dem 17.12.2009 geschlossene Verträge zur Anwendung (vgl. Art. 29 Rom I-VO).
131
Der Vertrag unterliegt mangels Rechtswahl (Art. 27 EGBGB) dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Es wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt (…) hat (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB). Bei einem Darlehen erbringt die charakteristische Leistung der Darlehensgeber (vgl. Heldrich in Palandt, 65. Auflage, 2006, EGBGB 28 (IPR), Rz. 13, unter Angabe von Rechtsprechung).
132
Die Vorschriften des Art. 28 EGBGB entsprechen inhaltlich weitgehend Art. 4 Rom I-VO.
133
Entsprechend dem Wohnsitz des Klägers 2007 ist von seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auszugehen; daher ist deutsches Recht auf das Darlehen vom 31.12.2007 anwendbar.
134
b) Bei einem Darlehensvertrag (§ 488 BGB) stehen die Hauptpflichten des Darlehensgebers in Bezug auf die Ausreichung und das Belassen des Geldbetrags im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) zu den Hauptpflichten des Darlehensnehmers in Bezug auf das Abrufen des Geldbetrags, die Zinszahlung sowie die Gestellung vereinbarter Sicherheiten. Die Hauptpflicht des Darlehensnehmers auf Rückführung des Darlehensbetrags steht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis (Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, 2022, Vorb v § 488, Rz. 2).
135
c) Die Akzessorietät des Zinsanspruchs ist im Kontext der konkreten vertraglichen Regelung zu beurteilen.
136
Der zivilrechtliche Meinungsstand ist hier uneinheitlich.
137
Teils wird vertreten, eine Akzessorietät bestünde beim Darlehensvertrag nicht, da die Zinsen Gegenleistung für die Überlassung des Darlehensbetrages und die Zinspflicht damit Hauptschuld sei (Grüneberg in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, 2022, § 246 Rz. 8; ebenso Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 488, Rz. 15). Hiernach beginnt die Zinspflicht auch etwa ohne Erfüllung der Überlassungspflicht allein aufgrund des Vertrags.
138
Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre besteht eine gesetzliche Akzessorietät der Zinsschuld zur Hauptschuld; ein Zinsanspruch könne nur für die Dauer der Valutierung bestehen. Die Begleichung der Hauptschuld bewirke den Entfall des Zinsanspruchs (Nachweise bei Freitag in Staudinger, BGB § 488, Rz. 181ff).
139
Ferner wird vertreten, die Akzessorietät des Zinsanspruchs folge den vertraglichen Abreden der Vertragsparteien (vgl. Mülbert, WM 2002, 465). Hiernach bestehe eine vertragliche Akzessorietät; die Parteien begründeten im Rahmen eines entgeltlichen Darlehensvertrages das zinsrechtliche Akzessorietätsprinzip vertraglich. Es bedürfe daher eines Rückgriffs auf ein „gesetzliches“ Akzessorietätsprinzip nicht. Im entgeltlichen Dauerüberlassungsvertrag beinhalte der allen synallagmatischen Verträgen eigene Gedanke der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ein zeitbezogenes Akzessorietätsprinzip. Der Darlehensnehmer entrichte den Zins als Entgelt für die „Überlassung von Kaufkraft auf Zeit“, nicht hingegen dafür, Gelder (noch) nicht erhalten oder bereits zurückgezahlt zu haben (Freitag in Staudinger, BGB § 488, Rz. 182ff).
140
Angesichts der Vertragsfreiheit und der praktischen Vielgestaltigkeit von Darlehensverträgen erscheint die Beurteilung der Akzessorietät anhand der vertraglichen Maßgaben der Vertragsparteien sachgerecht; denn abhängig von der konkreten Gestaltung und Vereinbarung können Zeiträume und Zeitpunkte von Valutierung, Rückzahlung und Zinslauf und -fälligkeit auseinanderfallen, ohne dass das Abhängen des Zinsanspruchs vom Zeitraum der Valutierung des Darlehens dem Grundsatz nach in Frage stünde.
141
Dies zeigt sich gerade im Streitfall: Der Zinsanspruch des Darlehens beruht auf der seinerzeitigen Valutierung in den Jahren 2007 bis 2011 und ist hierzu akzessorisch. Nach der ursprünglichen vertraglichen Regelung der Vertragsparteien soll der Zinsanspruch erst am Ende der Laufzeit des Darlehens fällig sein. Dies wurde von Klägerseite auch im Verfahren 6 K 1160/16 so vertreten.
142
Im Zug der Kapitalerhöhung am 14.06.2011 wurde das Gesellschafter-Darlehen des Klägers auf die Erhöhung des Stammkapitals der B verwendet. Damit fiel die entsprechende Darlehensverbindlichkeit bei B gegenüber dem Kläger weg. Dies spiegelt sich auch in den Konten der B wider, welche sich aus den Akten ergeben: Zum 14.06.2011 wird Fremdkapital (Deudas a largo plazo – langfristige Verbindlichkeiten) i.H.v. … € auf Eigenkapital (Capital social – Grundkapital) umgebucht.
143
In zivilrechtlicher Hinsicht fiel damit sowohl das Belassen des Darlehensbetrags (als überlassenes Fremdkapital) als auch die Rückführungsverpflichtung des Darlehensbetrags weg.
144
Hinsichtlich des Zinsanspruchs hielten die Vertragsbeteiligten jedoch am Vertrag vom 31.12.2007 fest: Dieser sollte, wie oben ausgeführt, nach der ursprünglichen vertraglichen Regelung der Vertragsparteien Bestand haben und erst am Ende der Laufzeit des Darlehens fällig sein.
145
Der Senat schließt hieraus, dass sich nach dem Verständnis der Vertragsparteien der Zinsanspruch vom Belassen des Darlehensbetrags und vom Bestehen der Rückzahlungsverpflichtung löst. Der Zinsanspruch besteht hiernach bis zum Ablauf der ursprünglichen 10-jährigen Darlehensfrist bis zum Fälligkeitszeitpunkt 30.12.2017 gesondert fort, obgleich mit der Umwandlung des Fremdkapitals in Eigenkapital im Zug der Kapitalerhöhung am 14.06.2011 die Überlassung des Darlehensbetrags als Fremdkapital und die Pflicht zur Rückführung des Darlehensbetrags weggefallen sind.
146
d) Die Vereinbarung vom 14.11.2017 stellt sich vor diesem Hintergrund als Schuldumschaffung dar.
147
aa) Der Senat geht sowohl von der tatsächlichen Existenz der Vereinbarung vom 14.11.2017 als auch vom Abschluss zum angegebenen Zeitpunkt aus.
148
Den Aufforderungen des Gerichts zur Vorlage der Vereinbarung (Schreiben vom 27.10.2021 und 18.01.2022) im Original ist die Klägerseite nicht nachgekommen. Es wurde durch Bestätigung von der Tochter von A1 vom 06.02.2022 vorgetragen, das Original sei derzeit nicht auffindbar.
149
In der Handakte VIII des Betriebsprüfers befindet sich eine „Ursprungskopie“, die Bleistiftvermerke des Prüfers einschließlich Eingangsvermerk („erh. 13/2/19“) mit Namenskürzel sowie Unterstreichungen mit rotem Stift trägt. Weitere Kopien dieser Kopie befinden sich in den Akten.
150
Der Senat hat ebenso wie das Finanzamt keine Zweifel an der grundsätzlichen Existenz der genannten Vereinbarung. Die Nichterfüllung der mit Schreiben vom 18.01.2022 gesetzten Aufforderung zur Vorlage im Original unter Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO bleibt daher folgenlos.
151
Die Vereinbarung ist auch nicht formbedürftig.
152
Das Finanzamt hat auch nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan und nachgewiesen, dass die Vereinbarung später – nach Jahresende 2017 – abgeschlossen und auf 14.11.2017 rückdatiert wurde. Das Finanzamt trägt hierfür die Beweis- und Feststellungslast.
153
Zwar ist festzuhalten, dass wegen der Verwendung des Präteriums („war (…) fällig“) in Absatz 1 Satz 2 der Vereinbarung eine Rückdatierung möglich erscheint. Die weitere Formulierung der Vereinbarung, insbesondere der Gebrauch des Tempus, ist jedoch aus Sicht des 14.11.2017 stimmig. Wegen des fehlenden Originals ist eine (forensische) Überprüfung in Bezug auf dessen Rückdatierung nicht möglich.
154
Die terminliche Ungenauigkeit hinsichtlich des ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkts des Darlehens (31.12.2017 statt richtig 30.12.2017) ist kein Beleg für eine Rückdatierung.
155
In der Gesamtschau gelangt der Senat nicht zur Überzeugung, dass eine Rückdatierung erfolgt ist.
156
bb) Dem Wortsinn nach wird durch die Vereinbarung vom 14.11.2017 der Darlehensvertrag vom 31.12.2007 verlängert.
157
Dies geht aus der Überschrift und aus dem ersten Satz des 2. Absatzes der Vereinbarung hervor. Die Verlängerung soll zu den gleichen Konditionen um 5 Jahre bis zum 31.12.2022 erfolgen.
158
Nach dem zweiten Satz des zweiten Absatzes gilt „das Gleiche“ für die Zinsen, die hiernach ebenfalls zum 31.12.2022 fällig sind.
159
Dem ersten Satz des 2. Absatzes wird nach Auffassung des Senats der Fortbestand der Pflicht zur Rückführung des Darlehens neben der Pflicht zur Zinsbegleichung zugrunde gelegt. Im zweiten Satz des 2. Absatzes wird ausdrücklich von einer am 31.12.2022 fälligen Hauptschuld gesprochen.
160
cc) Eine Verlängerung des Darlehensvertrags am 14.11.2017 um 5 Jahre ist aus Sicht des Senats zivilrechtlich nicht möglich.
161
Wie oben dargestellt, sind Hauptpflichten eines Darlehensvertrags das Belassen des Geldbetrags als Fremdkapital seitens des Darlehensgebers und die Rückführung des Darlehensbetrags seitens des Darlehensnehmers.
162
Mit der Verwendung des Darlehens zur Eigenkapitalerhöhung der B sind diese Pflichten weggefallen.
163
Nach Auffassung des Senats kann im Jahr 2017 – kurz vor Ablauf der 2007 vereinbarten „regulären“ Darlehenslaufzeit – dieser Umstand von den Parteien der Vereinbarung nicht ignoriert werden. Ein Darlehensvertrag, dessen Hauptpflichten infolge einer anderweitigen Gestaltung unter denselben Partnern (der Kläger als Darlehensgeber und beherrschender Gesellschafter und B als Darlehensnehmer und beherrschte Gesellschaft) weggefallen sind, kann nicht als Darlehensvertrag verlängert werden, da die kennzeichnenden Hauptpflichten wegen anderweitiger Vertragsgestaltung nicht mehr erfüllt werden können.
164
Dies gilt auch, wenn man die Bezeichnung als „Darlehens“Vertrag nach dem Grundsatz falsa demonstratio non nocet als irrelevante Falschbezeichnung ansieht. Auch wenn man von der Verlängerung eines anderweitigen Vertrags sui generis durch die Vereinbarung vom 14.11.2017 ausginge, kommt man zu keinem anderen Ergebnis, da die vorausgesetzten Hauptpflichten des Vertrags – das Belassen von Fremdkapital und dessen Rückzahlung – weggefallen sind.
165
dd) Die Vereinbarung ist hinsichtlich der Verlängerung des Darlehens zu gleichen Konditionen um 5 Jahre daher inhaltslos. In steuerlicher Hinsicht ist sie diesbezüglich ohne Relevanz.
166
Die im Satz 1 des zweiten Absatzes implizierte Darlehensrückzahlungspflicht zum 31.12.2017 (richtig eigentlich 30.12.2017) besteht nicht mehr; daher ist auch eine Aussage zur neuen Fälligkeit der Hauptschuld am 31.12.2022 gegenstandslos.
167
ee) Die Verlängerung („Das Gleiche gilt für die aufgelaufenen Zinsen, …“) der aufgelaufenen Zinsen ist aus Sicht des Senats die einzig sinnhafte Regelung der Vereinbarung vom 14.11.2017.
168
Aus dem Darlehensvertrag vom 31.12.2007 besteht nur noch der Zinsanspruch fort, so dass nur diesbezüglich eine Vereinbarung getroffen werden kann.
169
Der Senat ist der Auffassung, dass die Gesamtregelung der Vereinbarung vom 14.11.2017 nicht etwa wegen der ins Leere gehenden Verlängerung des Darlehens in Gänze als irrelevant anzusehen ist, sondern auf die sinnhafte Regelung hinsichtlich der Zinsen zu reduzieren ist.
170
ff) Auch aus dem geäußerten Willen der Vereinbarungsbeteiligten bzw. der am Zustandekommen der Vereinbarung vom 14.11.2017 Beteiligten ergibt sich für den Senat, dass die Vereinbarung inhaltlich auf die Zinsen zu reduzieren ist:
171
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, das ursprüngliche Darlehen sei in Eigenkapital umgewandelt worden. Die Rechtsvorgänge 2007 und 2011 als Darlehen und Umwandlung seien ihm klar gewesen. Es habe immer Geldbedarf in der B gegeben; eine Rückzahlung hänge vom Erfolg der Baurechtsschaffung ab. 2017 sei die Lage unverändert gewesen. Die Zinsforderung habe stehen gelassen werden müssen.
172
Daraus entnimmt der Senat, dass dem Kläger klar war, dass sich der verbleibende offene Punkt auf die aufgelaufenen Zinsen beschränkte und dass er mit der Vereinbarung vom 14.11.2017 nur diesbezüglich eine Regelung treffen wollte, weil die Hauptforderung auch aus seiner Sicht schon vorher mit der Eigenkapitalumwandlung geregelt war.
173
Auch für die Geschäftsführerin der B, der Tochter von A1, ist dies nach dem Verständnis des Senats der relevante Punkt der Vereinbarung: Sie hebt in der Bestätigung vom 06.02.2022 die Verschiebung der Fälligkeit der Zinsen mit der Vereinbarung vom 14.11.2017 hervor; dies im Zusammenhang mit der Darstellung der wirtschaftlichen Lage der B zum ursprünglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt der Zinsen. Der Senat sieht sich in diesem Verständnis auch durch die Bestätigung vom 09.03.2022 bestärkt, in der die Tochter von A1 betont, dass Zielsetzung der Vereinbarung vom 14.11.2017 die Prolongation der bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Zinsen gewesen sei.
174
Auch Steuerberater C hat als Ersteller des Entwurfs der Vereinbarung in seiner Stellungnahme vom 07.02.2022 die Bitte des Klägers dargestellt, eine Vereinbarung zu formulieren, durch welche die Zinsfälligkeit bis zum 31.12.2022 verschoben werde, weil B nicht in der Lage sei, die Zinsverbindlichkeit zu tilgen. Die Einschätzung des Senats, die Regelung der Vereinbarung vom 14.11.2017 sei auf die Regelung hinsichtlich der Zinsen zu reduzieren, wird durch die Äußerung von Steuerberater C vom 09.03.2022 bestärkt, wonach die Vereinbarung vom 14.11.2017 ausschließlich dem Zweck habe dienen sollen, die Fälligkeit der Verbindlichkeiten der B SL gegenüber dem Kläger bis zum 31.12.2022 hinauszuschieben, da bereits absehbar gewesen sei, dass die B zum Jahresende 2017 nicht über die Liquidität zur Tilgung verfügen würde und die kurzfristige Erteilung der beantragten Baugenehmigung nicht zu erwarten gewesen sei.
175
gg) In diesem Verständnis folgt der Senat für die steuerliche Bewertung den in § 41 AO enthaltenen Rechtsgedanken:
176
Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam (…), so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäftes gleichwohl eintreten und bestehen lassen, § 41 Abs. 1 Satz 1 AO. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich, § 41 Abs. 2 Satz 2 AO.
177
Unter Anwendung dieser Grundsätze haben die Parteien eine unwirksame Verlängerung des Darlehensvertrages formuliert, deren Schicksal die Nebenforderung teilen sollte. Gewollt war aber wirtschaftlich die weitere Zurverfügungstellung des bisherigen Zinsanspruches des Klägers ohne Entgelt an die B.
178
hh) Der Senat geht mit dem Kläger davon aus, dass von den am Abschluss der Vereinbarung vom 14.11.2017 Beteiligten aus deren Sicht eine Prolongation der Fälligkeit des Zinsanspruchs vereinbart wurde und dass diese auch von einer Verschiebung der Fälligkeit durch die Vereinbarung ausgingen.
179
Der Senat unterstellt es dabei als wahr, dass von den am Abschluss der Vereinbarung vom 14.11.2017 Beteiligten eine Prolongation der Fälligkeit des Zinsanspruchs gewollt war.
180
Für den Senat ergibt sich dies zum einen aus der schriftlichen Einlassung von der Tochter von A1 vom 06.02.2022, in der sie ausdrücklich davon spricht, die Fälligkeit der Zinsen sei von ihnen verschoben worden. In der Bestätigung vom 09.03.2022 bestätigt sie, die Zielsetzung des Vertrags über die Verlängerung (…) sei die Prolongation der bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Zinsen gewesen. Der Senat sieht keinen Anlass, an diesem für die B durch die Geschäftsführerin geäußerten Willen zu zweifeln und geht davon aus, dass seitens der B eine Verlängerung der Fälligkeit des Zinsanspruchs bis zum 31.12.2022 gewollt war.
181
Seitens des Klägers wird schriftsätzlich im Klageverfahren vorgetragen, es liege in der Vereinbarung eine Zinsprolongation vor. Der Senat hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass beim Kläger bei Abschluss der Vereinbarung ein entsprechender Wille vorhanden war.
182
Dieser Eindruck wird durch die schriftlichen Einlassungen des Steuerberater C gestärkt, der in seinem Schreiben vom 07.02.2022 ausführt, der Kläger haben ihn im November 2017 gebeten, eine Vereinbarung zu formulieren, durch welche die Zinsfälligkeit bis 31.12.2022 hinausgeschoben werde. Entsprechendes geht aus dem Schreiben des Steuerberater C vom 09.03.2022 hervor.
183
jj) Nach Auffassung des Senats ist die auf eine Regelung hinsichtlich der Zinsen zu reduzierende Vereinbarung vom 14.11.2017 steuerlich nicht nur als bloße Verschiebung der Fälligkeit zu bewerten. Bei Gesamtwürdigung der Verhältnisse manifestiert sich vielmehr im Abschluss der Vereinbarung die Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Klägers. Der Betrag der aufgelaufenen Zinsen, die nach ursprünglicher Abrede am 30.12.2017 zur Rückzahlung fällig wären, wurde der B bis zum 31.12.2022 zur Verfügung gestellt. Dies ist einkommensteuerlich so zu werten, als ob die B als Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Kläger als Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder als zinsloses Darlehen zur Verfügung gestellt hätte.
184
(i) Der Senat folgert dies zunächst aus dem Regelungskontext: Die Vereinbarung vom 14.11.2017 weist keine Identität mit dem Darlehensvertrag vom 31.12.2007 auf und stellt aus obigen Gründen keine Verlängerung des Gesamtvertrags dar, sondern eine separate, auf den Zinsanspruch beschränkte Regelung. Damit liegt zwischen dem Darlehensvertrag vom 31.12.2007 und der Vereinbarung vom 14.11.2017 eine inhaltliche und regelungstechnische Zäsur.
185
Der Zinsanspruch wird nicht mehr als eine Hauptpflicht im Rahmen des Darlehensvertrags geschuldet, sondern als gesonderter Anspruch aufgrund der Vereinbarung vom 14.11.2017 fortgeführt.
186
(ii) Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Interessen ergibt sich, dass die Vereinbarung bzgl. der „Verlängerung der aufgelaufenen Zinsen“ vom 14.11.2017 im überwiegenden Interesse des Klägers getroffen wurde.
- Entgegen der Auffassung der Klägerseite hat eine Beurteilung, in wessen Interesse die Vereinbarung liegt, zu erfolgen.
187
Zwar trifft die Einlassung der Kläger zu, eine Novation setze voraus, dass der Gläubiger zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich in der Lage gewesen sei, den Leistungserfolg herbeizuführen; dies sei immer dann nicht anzunehmen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig oder nicht leistungsbereit gewesen sei.
188
Die B ist nach Auffassung des Senats aber nicht etwa zahlungsunfähig gewesen.
189
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 06.04.2000 IV R 56/99, BFH/NV 2000, 1192) kann ein Zufluss/Abfluss auch in Fällen der Novation grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der Schuldner in dem betreffenden Zeitpunkt zur Zahlung des Betrages in der Lage gewesen wäre, also nicht zahlungsunfähig war. Als Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen.
190
Nach dem BFH-Urteil vom 22.05.1973 VIII R 97/70, BStBl II 1973, 815, auf welches der BFH in der Entscheidung IV R 56/99 verweist, gleicht der Begriff der Zahlungsunfähigkeit bzw. Illiquidität dem im Konkursrecht geltenden Begriff der Zahlungsunfähigkeit, nämlich der aus Mangel an Zahlungsmitteln bestehenden dauernden Unfähigkeit, die sofort zu begleichenden Geldschulden im Wesentlichen zu erfüllen. Hätte sich eine Gesellschaft in einem solchen wirtschaftlichen Zustand befunden, so hätte sie (…) Konkurs anmelden müssen. Der BFH grenzt Illiquidität von vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten ab. Auch kann hiernach von Illiquidität der Gesellschaft nicht gesprochen werden, wenn sie nachrangige Forderungen anderer Gläubiger vorab beglich, so dass ihr zur Befriedigung der Forderung der [dortigen] Klägerin keine Mittel mehr verblieben, oder wenn sie vorhandene Mittel für Zwecke verwendet, die ihr im Interesse einer erfolgreichen Betriebsführung vordringlich erschienen. Ohne Bedeutung ist hiernach auch, ob der Gesellschaft eigene Mittel zur Verfügung standen. Es genügt, wenn sie sich die notwendigen Mittel im Wege des Kredits hätte verschaffen können.
191
Eine das Zufließen im Sinne des § 11 EStG bewirkende Verfügung der [dortigen] Klägerin über ihre Forderung gegen die von ihr beherrschte Gesellschaft lag demnach bereits dann vor, wenn Mittel vorhanden waren oder hätten bereitgestellt werden können, um ihre Forderung zu erfüllen, falls sie mit dem Nachdruck eines fremden Gläubigers auf Forderungserfüllung bestanden hätte, oder wenn sich die Gesellschaft die zur Erfüllung der Forderung notwendigen Mittel durch Kreditaufnahme hätte beschaffen können und die [dortige] Klägerin als Geschäftsführerin hiervon nur abgesehen hat, weil sie gleichzeitig Gesellschafterin war. Die [dortige] Klägerin war auch durch nichts gehindert, die empfangenen Mittel der Gesellschaft alsbald wieder in Form eines Darlehens zur Verfügung zu stellen.
192
Der BFH vertritt die Ansicht, dass ein dem beherrschenden Gesellschafter von der Gesellschaft geschuldeter und gutgebrachter Betrag dem Gesellschafter nur dann nicht als zugeflossen im Sinne des § 11 EStG behandelt werden kann, wenn die Gesellschaft in dem maßgebenden Zeitpunkt konkursreif war, wenn also die [dortige] Klägerin die zur Begleichung ihrer Forderung notwendigen Mittel infolge der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft unter keinen Umständen flüssigmachen konnte.
193
Der Senat kann sich im Streitfall nicht davon überzeugen, dass bei der B diese Verhältnisse bei Abschluss der Vereinbarung gegeben waren. Die Kläger tragen hierfür die Beweislast, da die Zahlungsunfähigkeit der B eine steuerentlastende und damit ihnen günstige Tatsache darstellt.
194
Von Klägerseite wurde vorgetragen, die B sei nicht in der Lage gewesen, die Zinsen zum ursprünglichen Fälligkeitstermin an den Kläger zu zahlen. Auch die Geschäftsführerin der B, die Tochter von A1, stellt dies in ihren Erklärungen vom 07.02.2022 und 09.03.2022 dar. Belege hierfür wurden nicht erbracht, obwohl das Gericht im Schreiben vom 11.02.2022 darauf und auf das Vorliegen eines Auslandssachverhalts hingewiesen sowie aufgefordert hatte, die Bilanz 2017 der B vorzulegen und weitere aussagekräftige Unterlagen zur Frage der Zahlungsfähigkeit der B zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 14.11.2017 beizubringen.
195
Weder aus der schriftlichen Stellungnahme der Geschäftsführerin der B noch aus dem Klägervortrag ergibt sich irgendein Hinweis, dass die Schuldnerin im Sinne einer Stundung wegen Zahlungsunfähigkeit aktiv geworden wäre. Im Gegenteil erklärt der Kläger, es sei seine und die Initiative seines deutschen Steuerberaters gewesen. Schon das ist ein Beleg für eine latente Zahlungswilligkeit der B.
196
Ferner kann der Senat aus den mit Schreiben vom 08.02.2022 (Eingang Finanzgericht 22.02.2022) vorgelegten und als Bilanz 2017 bezeichneten komprimierten Summen- und Salden-Liste sowie aus der dem Schreiben vom 09.03.2022 beigefügten detailliierten Balance de Sumas y Saldos weder eine Überschuldung noch eine dauernde Zahlungsunfähigkeit im oben genannten Sinn entnehmen.
197
Die B verfügt über beträchtliche Aktiva von über xx €(insbesondere Grundstücke, Gebäude). Die langfristigen Verbindlichkeiten über #1700 beliefen sich zum 31.12.2017 ausweislich der komprimierten Saldenliste auf lediglich x €. Im Jahr 2017 wurden über das Konto #5201 (Kurzfr. Verbindlichkeiten, Dispo-Kredit) zwar xx € aufgenommen, aber auch xx € zurückgeführt. Auch unter Einbeziehung des Kontos #5550 ergibt sich mit Verbindlichkeiten von xx € keine Überschuldung. Die Fremdmittel sind insgesamt weit unter den Ansätzen des Anlagevermögens und das Eigenkapital ist beträchtlich. Eine Überschuldung lag daher nicht vor.
198
Auch kann der Senat nicht zur Einschätzung kommen, die B habe die zur Zinsbegleichung notwendigen Mittel infolge der wirtschaftlichen Lage der B unter keinen Umständen flüssigmachen können. Sowohl die Aufnahme eines Fremdkredits unter Belastung von Anlagevermögen als auch ein Verkauf von Anlagevermögen erscheint möglich. Die Konten #5700 (Kassenbestand) und #5720 (Banken u Kreditinst, Girokto, Euro) weisen allerdings nur geringe verfügbare Mittel auf. Die laufenden Lieferantenbeziehungen aus den Kontenkreisen #5000 und #6000 sind mit den Erlösen im Kontenkreis #7000 in einem angemessenen Verhältnis und der Betrieb läuft bis zum Tag der mündlichen Verhandlung fort. Auch dies spricht gegen eine Zahlungsunfähigkeit.
199
Wenn die Klägerseite sich darauf beruft, die B sei nicht in der Lage gewesen, die Zinsen zum ursprünglichen Fälligkeitstermin zu zahlen bzw. die Fälligkeit des Zinsanspruchs hätte zur Zahlungsunfähigkeit der B geführt, geht sie nach dem Verständnis des Senats davon aus, dass es zu diesem Zeitpunkt an vorhandenen flüssigen (Geld-)Mitteln in der B gefehlt habe. Aus Sicht des Senats mag dies durchaus so gewesen sein.
200
Allerdings ist für die Zahlungsunfähigkeit, wie oben dargestellt, nicht entscheidend, ob und in welcher Höhe dem Schuldner flüssige Mittel zur Verfügung stehen. Der Schuldner ist gehalten, sich notwendige Mittel im Wege der Kreditaufnahme zu verschaffen bzw. durch Vermögensumschichtung Mittel flüssig zu machen.
201
Aus Sicht des Senats ist es in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, wie sich der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach spanischem Recht beurteilt. Das Beweismittel eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ist für die zu treffende Entscheidung unbeachtlich.
202
Der Senat stützt sich zur Beurteilung der Frage der Zahlungsunfähigkeit auf die o.g. Kriterien, die sich aus der steuerlichen Rechtsprechung des BFH ergeben. Auf die Frage, ob die B nach spanischem Recht zahlungsunfähig war, kommt es nicht an.
203
Unabhängig davon wurde im Klageverfahren bislang nicht vorgetragen, dass für die B in Spanien ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden sei.
- Die Vereinbarung liegt zum einen auch im Interesse der B.
204
Hierzu wurde bereits im Einspruchsverfahren (Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 17.09.2020) vorgetragen, bei Einforderung der Zinsrückzahlung hätte die B nahezu sämtliche Immobilien weit unter dem Wert, der in bebaubaren Zustand hätte erzielt werden können, veräußern müssen. Dies hätte zukünftige Erträge aus der Erfolgsbeteiligung vernichtet. Auch die Einforderung dinglicher Sicherheiten hätte die notwendige Liquidität der B schwer belastet. Jeder am Erfolg der B beteiligte Dritte hätte mit einer weiteren zinslosen Stundung ohne Einräumung von Sicherheiten die Rückzahlung der Zinsen hinausgeschoben, um der B zu ermöglichen, ihre Liquidität für das Immobilienprojekt zu nutzen.
205
Hieraus schließt der Senat, dass es im Hinblick auf die nicht ausreichend vorhandenen flüssigen Mittel der B und die Wahrung der Erwerbschancen der B aus einer zukünftig abgeschlossenen Immobilienprojektierung in deren Interesse liegt, die Bezahlung der Zinsen nicht zum eigentlichen Fälligkeitszeitpunkt vorzunehmen, sondern diese in die Zukunft zu verlagern.
- Die Vereinbarung liegt zum anderen überwiegend im Interesse des Klägers.
206
Die Vereinbarung kam nach Vortrag des Klägers im Verfahren auf sein und Steuerberater Cs Betreiben hin zu Stande. Auch aus den Akten finden sich keinerlei Hinweise für eine Aktivität der Schuldnerin B zur Vereinbarung vom 14.11.2017. Schon das ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass die neue Fälligkeit des Betrages im Interesse des Gläubigers war.
207
Zudem ergibt sich aus dem oben genannten Aspekt der Belassung der Liquidität in der B zur Bewahrung von deren Erwerbschancen aus der Grundstücksprojektierung das Interesse des Klägers als beherrschendem Gesellschafter der B.
208
In den Jahren 2008 und 2011 wurden zuvor vom Kläger an die B ausgereichte Darlehen i.H.v. xx € im Rahmen von Kapitalerhöhungen verwendet und damit Eigenkapital der B.
209
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausgeführt, es sei ihm um die Stärkung der B gegangen, die „eigentlich immer Geldbedarf“ gehabt habe. Ihm sei klar gewesen, dass eine Rückzahlung immer vom Erfolg der Baurechtsschaffung abhängig gewesen sei. 2017 sei die Situation unverändert gewesen und es sei wiederum um die Stärkung der Gesellschaft gegangen; deshalb hätten sie die Zinsforderung stehen lassen müssen.
210
Zur geplanten baulichen Entwicklung hat der Kläger erläutert, aus dem Verkauf des Hotels mit Appartements, für das das Baurecht entwickelt werde, solle ein erheblicher Rückfluss für die Investitionen in die B erzielt werden.
211
Hieraus folgt für den Senat, dass die Baurechtsschaffung und hiernach die Verwertung des bebauten bzw. bebaubaren Grundstücks von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung für den Kläger im Rahmen seiner Beteiligung an der B ist. Der Kläger vermittelte dem Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugend den Eindruck, sein Engagement in die B sei überwiegend motiviert in der Projektentwicklung zur Schaffung des Baurechts und diente – unter Renditegesichtspunkten – dagegen nur im geringeren Umfang der Schaffung und dem Betrieb der Sportstätte. Eine Behinderung oder Verhinderung der Baurechtsschaffung durch die Notwendigkeit der Rückzahlung des Zinsanspruchs zum ursprünglichen Fälligkeitstermin – etwa durch die Notwendigkeit, Grundstücksteile vor Baurechtsschaffung zu veräußern – liefe dem zuwider. Der Kläger hat Maßnahmen der Stärkung des Unternehmens unternommen und in diesem Zusammenhang im Jahr 2017 die Zinsforderung „stehen gelassen“. Die Vereinbarung vom 14.11.2017, mit der aus Sicht des Klägers das „Stehen lassen“ umgesetzt wurde, liegt als Maßnahme der Ermöglichung und Erleichterung der Baurechtsschaffung im Interesse des Klägers.
212
Der Kläger strebt, wie er in der mündlichen Verhandlung ausführte, als beherrschender Gesellschafter die Gewinnchancen durch die Aufwertung des Baurechtes für sich als lukrativen Wert an. Er hat deshalb kontinuierlich über die Jahre Eigenkapital zugeführt, für das er bei Realisierung des Bodengewinns eine Rendite erwartet. Daher war es auch nachvollziehbar, dass er die fälligen Zinszahlungen nicht durch Fremdkapital in der Gesellschaft ausgleichen ließ, sondern den Betrag weiter in den Büchern als seine Forderung quasi als Ersatz von Kapitalzuführung stehen ließ.
213
Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Tilgung des Zinsanspruchs zum ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkt dem Interesse eines „üblichen“ Darlehensgebers entspräche und die Vereinbarung deswegen nicht im Interesse des Klägers als Darlehensgeber liegen könnte. Diese Betrachtung greift aber zu kurz, da der Kläger gerade wegen seiner beherrschenden Stellung und der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Baurechtsschaffung ein deutliches Interesse an der Stärkung der B auch im Jahr 2017 und am „Stehen lassen“ des Zinsanspruchs durch die Vereinbarung hat.
- Bei Betrachtung und Abwägung der beiderseitigen Interessen, nämlich das durch Fremdkapital lösbare Cashflow Problem der B im Verhältnis zur Renditeschmälerung des Klägers sieht der Senat ein überwiegendes Interesse des Klägers für den Abschluss der Vereinbarung vom 14.11.2017.
214
Hierfür spricht, dass die Vereinbarung auf seine Initiative und die seines Steuerberaters C zurückgeht, also die Initiative in seiner Sphäre liegt. Der Kläger war durch keinerlei Verpflichtung zum „Stehen lassen“ des Zinsbetrags angehalten. Er hat aufgrund der kontinuierlichen Eigenkapitalzuführung über Jahre eine erhebliche Renditeerwartung aus der B, die bei Realisierung des Bodengewinns eintreten wird. Dies stellt sich aus Sicht des Klägers als Frage der Zeit dar.
- Die Vereinbarung ist Ausdruck der freien Dispositionsbefugnis der Vertragsbeteiligten über den geschuldeten Geldbetrag.
215
Als Hilfserwägung zieht der Senat auch die Kreditwürdigkeit der B als Gesichtspunkt heran.
216
Nach dem BFH-Urteil vom 07.12.1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825, kommt es für eine Konstellation, in der beide Vertragsparteien ein annähernd gleichwertiges Interesse an der Novation haben, für die Frage, ob der Schuldner die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den von ihm geschuldeten Betrag verloren hat bzw. spiegelbildlich der Gläubiger die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, darauf an, ob die Novation Ausdruck der freien Dispositionsbefugnis der Vertragsbeteiligten über den geschuldeten Geldbetrag ist. Dies ist der Fall, wenn sich die Novation bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich als Abkürzung eines Leistungswegs – etwa Begleichung der Altschuld (Zinsen) durch tatsächliche Zahlung durch den Schuldner (= Abfluss beim Schuldner) und sofort wieder Zurverfügungstellung des vereinnahmten Betrags infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes durch den Gläubiger als Darlehen – darstellt. Hierzu ist erforderlich, dass der Schuldner sowohl im Zeitpunkt der Novationsvereinbarung kreditwürdig ist, ihm deshalb der Gläubiger den für die Begleichung der Zinsschuld erforderlichen Geldbetrag als Darlehen auch ausbezahlen würde und der kreditwürdige Schuldner in der Lage wäre, den ihm ausbezahlten Darlehensbetrag zur umgehenden Begleichung der Zinsschuld zu verwenden.
217
Die B war hiernach aus Sicht des Senats im November 2017 kreditwürdig: Sie war (und ist) Eigentümerin des etwa … ha großen Grundstücks auf 1, auf dem sich neben einer Sportstätte einschließlich Gebäuden diejenige Fläche befindet, für die das Baurecht entwickelt werden soll. Den Aktiva von xx € laut Bilanz B 2017 stehen Verbindlichkeiten von xx € gegenüber.
218
Damit ist aus Sicht des Senats die Vereinbarung vom 14.11.2017, mit der eine weitere zinslose Zurverfügungstellung des Betrags in Höhe des Zinsanspruchs bis 31.12.2022 erfolgt, Ausdruck der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Klägers.
219
Diese Einschätzung wird durch weitere Aspekte bestätigt; die Vereinbarung stellt sich als Ausdruck der freien Dispositionsbefugnis des Klägers und B über den Zinsbetrag dar:
220
Nach dem Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung von den Einlassungen des Klägers und seinem Auftreten gewonnen hat, ist er der eigentliche Akteur in Bezug auf die Entwicklung des Baurechts zugunsten der B und die folgende wirtschaftliche Verwertung. Er sprach davon, er sei mit der Gemeinde in Kontakt und er würde das Hotel mit Appartements verkaufen. Als Darlehensgeber und beherrschender Gesellschafter hat er die B umfangreich mit Fremdkapital ausgestattet, das im erheblichen Umfang im Rahmen der Kapitalerhöhungen in Eigenkapital (2008: x €, 2011: xx €) umgewandelt wurde. In der mündlichen Verhandlung hat er betont, es sei ihm um die Stärkung der B gegangen.
221
Die Verhältnisse 2017 seien gegenüber den Vorjahren unverändert gewesen und es sei wiederum um die Stärkung der Gesellschaft gegangen. Deshalb hätten sie [„wir“] die Zinsforderung „stehen lassen“. Ferner hat er ausgeführt, die Rückzahlungsmöglichkeit der B hänge von deren wirtschaftlichen Erfolg ab; dieser hänge maßgeblich von der Baurechtschaffung ab.
222
Hieraus schließt der Senat, dass der Kläger zur Stärkung der Gesellschaft den Zinsanspruch nicht geltend machen wollte. Aus Sicht des Klägers war kraft seiner Stellung und seiner Verantwortung als beherrschender Gesellschafter der Zeitpunkt zu einer Rückzahlung noch nicht eingetreten. Diese bewusste Disposition stellt sich aus Sicht des Senats gleichsam als Umwidmung des Darlehenszinsanspruchs in einen Beitrag zur Stärkung der Gesellschaft (ohne förmliche Umwandlung in Eigenkapital) und zugleich als Ausprägung der Ausübung der Verfügungsmacht dar.
223
Dafür, dass die weitere Zurverfügungstellung des Zinsbetrags sich als Ausübung der Verfügungsmacht des Klägers darstellt, sprechen auch die nicht fremdüblichen Bedingungen der Vereinbarung. Diese belegen, dass der Kläger nach ihm tunlich erscheinenden Gesichtspunkten und nach seinen Einschätzungen von der Leistungsfähigkeit der B mit dem Zinsanspruch verfährt und dass er durch dieses „Schalten und Walten“ und in der Streitkonstellation durch das „Stehen lassen“ des Zinsanspruchs seine Verfügungsmacht ausübt.
224
Die weitere Zurverfügungstellung des Betrags von x € erfolgte ohne Vereinbarung von Zinsen bis 31.12.2022 und ohne Besicherung.
225
Hierzu führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung aus, 2017 hätten sie [„wir“] keine Zinsen vereinbart, weil bei der B „nichts sei [„ist“]“. Dies erläuterte er dahingehend, die B habe kein Geld. Im Einspruchsverfahren hatte der Kläger bereits schriftlich vorgetragen, die Einforderung dinglicher Sicherheiten hätte die notwendige Liquidität der B schwer belastet.
226
Ein fremder Gläubiger hätte nach Überzeugung des Senats einen Betrag in dieser Größenordnung nicht ohne Sicherheit und ohne die Einforderung eines Zinses als Entgelt für den Verlust an eigener Liquidität zur Verfügung gestellt.
- Die schriftliche Ausführung von der Tochter von A1 in ihrer Bescheinigung vom 09.03.2022, wonach der Abschluss dieser Vereinbarung nur und ausschließlich in deren [„unserem“] eigenen Interesse erfolgt sei, weil deren [„unsere“] Gesellschaft nicht in der Lage gewesen sei, die Zinsen zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zu bezahlen, steht dem nicht entgegen. Die Tochter von A1 als Geschäftsführerin kann sich aus Sicht des Senats fraglos dazu äußern, ob der Abschluss der Vereinbarung im Interesse der B erfolgt ist, nicht aber ausschließen, dass der Abschluss auch im Interesse anderer erfolgt ist.
227
e) Auf die Zinserträge kommt die tarifliche Einkommensteuer zur Anwendung, da der Kläger zu mehr als 10% an der B beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG).
228
IV. Entgegen der Auffassung des Finanzamts kann ein Zufluss der Zinsen beim Kläger als beherrschendem Gesellschafter nicht zum 30.12.2017 fingiert werden. Der Zufluss war infolge des Abschlusses der Vereinbarung vom 14.11.2017 bereits zuvor.
229
1. Zwar führt das Finanzamt dem Grundsatz nach zutreffend aus, dass nach der Rechtsprechung des BFH bei beherrschenden Gesellschaftern der Zufluss eines Vermögensvorteils nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen ist; denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BStBl II 2015, 333, m.w.N.). Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.
230
Anders als von Klägerseite vertreten, legt die Rechtsprechung diese Grundsätze nicht nur für Zuflüsse im Rahmen von Gewinnanteilen – gemeint wohl Ausschüttungen – zugrunde. Sie haben gleichermaßen Geltung bei der Frage des Zuflusses von Zinsen aus einem von einem beherrschenden Gesellschafter ausgereichten Darlehen.
231
So hat der BFH im Urteil vom 08.05.2007 VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249, einen Zufluss von Zinsen aus einem von einem beherrschenden Gesellschafter ausgereichten Darlehen mit der Gutschrift auf dem Darlehenskonto als gegeben angesehen.
232
Die Frage der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft beurteilt der BFH in dieser Entscheidung (Rz. 14 – 17) im Übrigen auch für diese Konstellation im oben dargestellten Sinne. Hiernach ist als Zahlungsunfähigkeit nur das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen. Dies ist vor dem „Zusammenbruch“ des Schuldners im Regelfall zu verneinen, so lange ein Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners noch nicht gestellt wurde (ständige Rechtsprechung). Der BFH geht im Folgenden auch in diesem Zusammenhang auf die Aspekte der Tilgung der Forderung anderer Gläubiger und der Notwendigkeit der Beschaffung der zur Erfüllung der Forderung notwendigen Mittel durch Kreditaufnahme ein.
233
Schließlich hält der BFH fest, mangels anderweitiger Fälligkeitsabrede hätte der [dortige] Kläger den Zufluss seiner Forderung nicht dadurch vermeiden können, dass er ggf. seine Interessen als Gläubiger hinter die Interessen der Gesellschaft hätte zurücktreten lassen.
234
2. Im Streitfall ist jedoch der Zinsanspruch nicht (mehr) wie ursprünglich im Darlehensvertrag vom 31.12.2007 vereinbart am 30.12.2017 fällig geworden. Durch Abschluss der Vereinbarung vom 14.11.2017 vor Fälligkeitseintritt wurde eine neue Fälligkeit am 31.12.2022 begründet. Dies hat zur Folge, dass die Zuflussfiktion nicht eintreten kann. Denn infolge der Vereinbarung vom 14.11.2017 war der Zinsanspruch nicht am 30.12.2017 fällig.
235
V. Aus der früheren Befassung des Gerichts im Verfahren 6 K 1160/16 ergibt sich kein anderes Ergebnis.
236
Entgegen dem Vortrag des am Verfahren 6 K 1160/16 nicht beteiligten Klägervertreters ist in diesem Rahmen die Frage des fiktiven Zuflusses von Zinsen nicht geklärt worden.
237
Eine gerichtliche Entscheidung zur Frage des Zuflusses der Zinsen im Jahr 2011 gibt es nicht; ein Erörterungstermin hat entgegen des klägerischen Vortrags nicht stattgefunden.
238
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.