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ArbG München, Endurteil v. 09.03.2022 – 36 Ca 15764/20
Titel:

Coronavirus, SARS-CoV-2, Arbeitnehmer, Schadensersatz, Elternzeit, Arbeitszeit, Betreuung, Zustimmung, Ablehnung, Klageverfahren, Einstellung, Bruttogehalt, Zeitpunkt, Anlage, Festsetzung, Voraussetzungen

Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Arbeitnehmer, Schadensersatz, Elternzeit, Arbeitszeit, Betreuung, Zustimmung, Ablehnung, Klageverfahren, Einstellung, Bruttogehalt, Zeitpunkt, Anlage, Festsetzung, Voraussetzungen
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Urteil vom 09.02.2023 – 3 Sa 194/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47793

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf EURO 26.835,68 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten nach beendetem Arbeitsverhältnis über Zahlungsansprüche, resultierend aus einer unterbliebenen Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit.
2
Die Klägerin war ab dem 1.10.2005 bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 21.9.2005 war eine Tätigkeit als Rezeptionistin für 40 Wochenstunden vereinbart, die Vergütung betrug zuletzt 4.090,00 €. Das Arbeitsverhältnis endete nach Eigenkündigung der Klägerin mit dem 23.12.2021.
3
Mit Schreiben vom 28.12.2019 (Anlage K2=Bl.7dA.), dessen Betreff „Antrag auf Elternzeit“ lautete, beantragte die Klägerin zur Betreuung und Erziehung ihres Kindes, dessen Geburtstermin sie mit dem 00.00.0000 angab, Elternzeit bis zum 23.12.2021. Des Weiteren enthält dieses Schreiben folgende Passage:
„… Während der Elternzeit, nach Ablauf des ersten Jahres, ab dem 25.12.2020, möchte ich wieder wie in der letzten Elternzeit, auf Teilzeit (24-Stunden-Woche) arbeiten. Hierzu setze ich mich frühzeitig mit Ihnen in Verbindung um die Modalitäten zu klären. …“
4
Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 22.10.2020 an die Klägerin und teilte ihr unter dem Betreff „Ihr Antrag auf Teilzeitbeschäftigung in der Elternzeit vom 28.12.2019“ mit, dass ihrem Antrag nicht entsprochen werde könne. Sie führt aus, dass die Dauer der beantragten Elternzeit im Antrag unklar geblieben sei, im Zeitpunkt des Beginns der beantragten Teilzeittätigkeit nicht regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt seien und zudem dringende betriebliche Gründe, nämlich ein mangelnder Beschäftigungsbedarf, einer Teilzeitbeschäftigung der Klägerin entgegenstünden (Anlage K3=Bl.8f dA.).
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Der Klägervertreter forderte die Beklagte unter Fristsetzung mit Schreiben vom 2.11.2020 auf, dem Teilzeitantrag der Klägerin nachzukommen, da die formellen Voraussetzungen erfüllt und entgegenstehende dringende betriebliche Gründe nicht ersichtlich seien (Anlage K4=Bl.a0f dA.). Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
6
Die Klägerin macht geltend, dass ihr die Teilzeitbeschäftigung wie beantragt zu gewähren sei bzw. hätte bewilligt werden müssen, da die formalen Voraussetzungen erfüllt seien und betriebliche Gründe nicht entgegenstünden. Die Beklagte schulde ihr dafür ein monatliches Bruttogehalt von € 2.454,00.
7
Mit Klage vom 29.12.2020 beanspruchte die Klägerin von der Beklagten die Zustimmung zur Teilzeitbeschäftigung ab dem 23.12.2020 sowie die Zahlung eines monatlichen Gehaltes in Höhe von 2.454,00 € brutto ab dem 25.12.2020. Im Kammertermin vom 18.02.2022 beantragte die Klägerin sodann:
8
Die Beklagte wird verurteilt, für den Zeitraum 25.12.2020 bis 31.12.2020 EUR 474,97 brutto, für den Zeitraum 01.01. 2021 bis 30.11.2021 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von jeweils 2.454,00 € brutto und für Dezember 2021 € 1.820,71 brutto, mithin insgesamt € 26.835,68 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9
Der Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
10
Der Beklagte macht geltend, das mit dem Schreiben vom 28.12.2019 bereits kein formwirksamer Antrag auf Teilzeitbeschäftigung in der Elternzeit gestellt worden sei, vielmehr beinhalte dieses Schreiben lediglich die Ankündigung eines zukünftigen, noch zu stellenden formgerechten Antrages. Auch beschäftige sie zum Zeitpunkt des angekündigten Beginns der Teilzeitbeschäftigung nicht mindestens 16 Arbeitnehmer, vielmehr beschäftige sie seit Juli/August 2020 lediglich 14 namentlich genannte Arbeitnehmer. Zudem bestünde in der Corona-Pandemie ein mangelnder Beschäftigungsbedarf und soweit dieser zukünftig bestünde, sei er mit den unbefristet eingestellten Mitarbeitern abgedeckt. Zum beabsichtigten Beschäftigungsbeginn habe es keinen Hotelbetrieb gegeben, in der Folge sei das Hotel für Renovierungsmaßnahmen geschlossen gewesen.
11
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass ihr Schreiben vom 28.12.2019 ihren Erklärungswillen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht habe, was die Beklagte ausweislich ihres Antwortschreibens vom 22.10.2020 richtigerweise auch als Antrag auf Teilzeitbeschäftigung verstanden habe. Des Weiteren sei der regelmäßige Beschäftigungsbedarf maßgeblich, weshalb nicht auf Zeiten außergewöhnlich niedrigen Geschäftsanfalls abzustellen sei. Maßgeblich sei deshalb der Beschäftigungsbedarf aus dem Kalenderjahr 2019 und in diesem Jahr seien zu den von der Beklagten aufgezählten 14 Mitarbeitern zumindest drei weitere Arbeitnehmer beschäftigt worden. Bei der Einstellung anderen Mitarbeiter für die Rezeption hätte die Beklagte das Teilzeitbegehren der Klägerin berücksichtigen müssen.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der Rechtsausführungen wird auf die Schriftsätze des Klägers und der Beklagten jeweils nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 313 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

I.
13
Die zum zuständigen Arbeitsgericht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte ist der Klägerin nicht für die unterbliebene Teilzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 25.12.2020 bis 23.12.2021 zum Schadensersatz nach § 280 BGB verpflichtet.
14
1. Die Klägerin hat mit ihren Schreiben vom 28.12.2019 formwirksam die Verringerung ihrer Arbeitszeit während der Elternzeit beantragt, wozu die Zustimmung nach § 15 Abs. 7 S.5 BEEG als erteilt gilt.
15
a. Nach § 15 Abs. 7 S. 2 BEEG muss der Antrag den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit enthalten, wohingegen die Verteilung der verringerten Arbeitszeit nach § 15 Abs. 7 S. 3 BEEG lediglich angegeben werden soll. Diesen Anforderungen wird das Schreiben der Klägerin vom 28.12.2019 gerecht, in dem sie mitteilt, dass sie ab dem 25.12.2020 24 Stunden pro Woche arbeiten möchte. Die Dauer der gewünschten Teilzeitbeschäftigung ergibt sich aus der gewählten Formulierung „während der Elternzeit“, die sie im vorangegangenen Absatz bis zum 24.12.2021 beantragte. Die weitere Formulierung, dass sie sich frühzeitig zur Klärung der Modalitäten mit der Beklagten in Verbindung setzen werde, bezieht sich nach Auffassung des Gerichts eindeutig und ausschließlich auf die Verteilung der Arbeitszeit.
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Dass auch die Beklagte das klägerische Schreiben vom 28.12.2019 als Antrag auf Teilzeitbeschäftigung und nicht nur als Ankündigung eines noch zu stellenden Antrages verstanden hat, ergibt sich nicht nur aus der in ihrem Schreiben vom 22.10.2020 gewählten Bezeichnung im Betreff, sondern auch aus der sachlichen Auseinandersetzung und letztlich erklärten Ablehnung des klägerischen Anliegens.
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b. Die Beklagte hat auf diesen Antrag vom 28.12.2019 zunächst nicht reagiert, ihn insbesondere nicht gemäß § 15 Abs. 7 S. 4 und 5 BEEG innerhalb von 4 Wochen mit schriftlicher Begründung abgelehnt hat. Nach § 15 Abs. 7 S.5 BEEG gilt damit die Zustimmung zur beantragten Teilzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 25.12.2020 bis zum 23.12.2021 als erteilt.
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c. Vorprozessual und auch im Klageverfahren verlangte die Klägerin ausschließlich von der Beklagten die Zustimmung zur beantragten Teilzeitbeschäftigung und stellte nach Ablauf des beanspruchten Zeitraumes vom 25.12.2020 bis zum 23.12.2021 ihren Antrag auf Zahlung des auf diesen Zeitraum entfallenden Entgelts, mithin auf Schadensersatz für die aus ihrer Sicht zu Unrecht unterbliebene Zustimmung zur beantragten Teilzeitbeschäftigung, um. Da jedoch kraft gesetzlicher Fiktion die Zustimmung als erteilt gilt, besteht auch keine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen unterbliebener Zustimmung.
19
2. Ob die Klägerin, der im maßgeblichen Zeitraum damit ein Beschäftigungsanspruch zugestanden hätte, unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Zahlungsansprüche gegen die Beklagten geltend machen kann, war vorliegend nicht zu prüfen, da es sich dabei um einen anderen Streitgegenstand handelt. Bei Geld- und Gattungsschulden bedarf es zur Individualisierung des Streitgegenstandes neben dem Klageantrag zusätzlich des zugrundeliegenden Sachverhaltes. Das Verlangen einer Zustimmung nach § 15 Abs. 7 BEEG ist ein anderer Lebenssachverhalt als ein Beschäftigungsanspruch nach erfolgter bzw. fingierter Zustimmung und damit erfolgter Arbeitszeitreduzierung.
II.
20
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO.
21
2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Der Antrag wurden gemäß seiner Bezifferung bewertet.
22
3. Gegen diese Entscheidung kann die Klagepartei Berufung einlegen. Auf anliegende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.