Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 09.05.2022 – 8 W 855/22
Titel:

Beschwerde, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, Zugewinngemeinschaft, Ehevertrag, Vereinbarung, Rechtsbeschwerde, Eheleute, Pflichtteil, Vergleich, Antragsteller, Bewertung, Berechnung, Ehegatten, Bedeutung der Rechtssache

Schlagworte:
Beschwerde, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, Zugewinngemeinschaft, Ehevertrag, Vereinbarung, Rechtsbeschwerde, Eheleute, Pflichtteil, Vergleich, Antragsteller, Bewertung, Berechnung, Ehegatten, Bedeutung der Rechtssache
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 21.03.2022 – 12 T 3865/21
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 26.01.2022 – 12 T 3856/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 19.04.2023 – XII ZB 234/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47475

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.01.2022, Az. 12 T 3856/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 57.199,39 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die als Anlage K 1 vorgelegte Kostennote der Antragsgegnerin, deren Grundlage eine am 05.05.2020 beurkundete Aufhebung ehevertraglicher Vereinbarungen und dinglicher Rechte sowie neue ehevertragliche Vereinbarungen zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau waren.
2
Mit dieser Vereinbarung hoben der Antragsteller und seine Ehefrau den im Jahr 2011 notariell beurkundeten modifizierten gesetzlichen Güterstand – das Betriebsvermögen der Eheleute war bereits dadurch dem Zugewinnausgleich und den güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen entzogen worden (vgl. im Einzelnen hierzu Anlage K2) – auf, verzichteten wechselseitig auf Zugewinnausgleich und vereinbarten den Güterstand der Gütertrennung.
3
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20.06.2021 stellte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Im Wesentlichen wendet sich der Antragstellung gegen den Ansatz des Wertes des modifizierten Reinvermögens nach § 100 Abs. 1 GNotKG. Die der Kostennote zugrunde liegenden Vereinbarungen hätten nur das Privatvermögen der Eheleute betroffen, da deren Betriebsvermögen bereits durch den früheren Ehevertrag dem Zugewinnausgleich und den güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen entzogen gewesen seien. Folglich hätte eine Bewertung nach § 100 Abs. 2 GNotKG erfolgen müssen.
4
Mit Beschluss vom 26.01.2022 (Bl. 64 ff. d.A.) wies das Landgericht Nürnberg-Fürth die erhobenen Einwendungen zurück. Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass die nun ausdrücklich getroffene Wahl des Güterstands der Gütertrennung einen Wechsel vom Güterstand der modifizierten Zugewinngemeinschaft zum Güterstand der Gütertrennung und damit eindeutig einen Anwendungsfall des § 100 Abs. 1 GNotKG darstelle. § 100 Abs. 2 GNotKG sei wegen eben dieses Güterstandswechsels unanwendbar. Welche Vermögenswerte von der Neuregelung tatsächlich betroffen seien, könne bei der Bewertung keine Berücksichtigung finden, da im Rahmen des § 100 Abs. 1 GNotKG eine Berücksichtigung von Teilwerten unzulässig sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird verwiesen auf den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.01.2022.
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Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 01.02.2022 zugestellten Beschluss legte dieser mit Schriftsatz vom 28.02.2022, eingegangen beim Gericht am selben Tag, Beschwerde ein. Hinsichtlich der Beschwerdebegründung, mit der der Antragsteller an seiner Rechtsansicht festhält, wird verwiesen auf ebendiesen Schriftsatz.
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Die Antragsgegnerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 15.03.2022 Stellung genommen.
7
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21.03.2022 (Bl. 95 d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
8
Der Senat hat am 07.04.2022 darauf hingewiesen, dass er die Beschwerde für unbegründet halte (Bl. 107 f. d. A.). Hierzu hat sich der Antragsteller unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsansicht mit Schriftsätzen vom 20.04.2022 und vom 05.05.2022 geäußert.
II.
9
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
10
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die angegriffene Kostennote rechtmäßig und auch nicht nach § 21 GNotKG niederzuschlagen ist.
11
1. Nach § 100 Abs. 1 GNotKG ist der Geschäftswert bei der Beurkundung von Eheverträgen i.S.d. § 1408 BGB, die sich nicht auf Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich beschränken und bei der Beurkundung von Anmeldungen aufgrund solcher Verträge die Summe der Werte der gegenwärtigen Vermögen beider Ehegatten, wobei bei Ermittlung des Vermögens Verbindlichkeiten bis zur Hälfte des maßgeblichen Werts abgezogen werden. Betrifft der Ehevertrag dagegen nur bestimmte Vermögenswerte, auch wenn sie dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen wären, oder bestimmte güterrechtliche Ansprüche, so ist deren Wert gemäß § 100 Abs. 2 GNotKG maßgebend.
12
a) § 100 Abs. 1 GNotKG kommt damit zur Anwendung, wenn vertraglicher Regelungsgegenstand die Wahl eines Güterstands, also eine strukturelle Änderung der güterrechtlichen Verhältnisse ist. Unter § 100 Abs. 1 GNotKG fallen auch ehevertragliche Vereinbarungen, mit welchen die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft aufheben. Dagegen ist der Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 GNotKG eröffnet, wenn die ehevertraglichen Vereinbarungen lediglich die Modifikation einzelner vorhandener Vermögenswerte betrifft (statt aller Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 22. Aufl., § 100 Rn. 13 ff., m.w.N.).
13
b) Im Streitfall ist eine solch strukturelle Änderung der güterrechtlichen Verhältnisse von der modifizierten Zugewinngemeinschaft hin zur Gütertrennung gegeben, so dass § 100 Abs. 1 GNotKG Anwendung findet. Das gilt insbesondere auch in dem hier vorliegenden Fall, in dem das Betriebsvermögen bereits vor der hier zu bewertenden Vereinbarung durch einen Ehevertrag dem Zugewinnausgleich entzogen wurde (vgl. hierzu ausdrücklich Diehn, Notarkostenberechnungen, 7. Aufl., Rn. 1596 f.).
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2. Die vom Antragsteller vertretene Rechtsansicht widerspricht dem Wortlaut des § 100 Abs. 2 GNotKG. Die am 05.05.2020 notariell beurkundeten neuen ehevertraglichen Vereinbarungen betreffen nämlich nicht nur bestimmte Vermögenswerte oder bestimmte güterrechtliche Ansprüche. Vom Antragsteller wird übersehen, dass der Wechsel von der modifizierten Zugewinngemeinschaft hin zur Gütertrennung grundsätzlich eine Vielzahl unter anderem gesetzlich geregelter Auswirkungen zur Folge hat, die das gesamte Vermögen der Ehegatten betreffen.
15
a) Das gesetzliche Erbrecht und damit auch der Pflichtteil der Ehegatten unterscheiden sich nach dem jeweiligen Güterstand (vgl. §§ 1371, 1931 BGB). Weiter kann sich ein Ehegatte in der Zugewinngemeinschaft nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen (§ 1365 BGB), während eine solche Beschränkung im Güterstand der Gütertrennung nicht besteht. Eine weitere Verfügungsbeschränkung sieht das Gesetz in der Zugewinngemeinschaft für Haushaltsgegenstände vor (§ 1369 BGB). Des Weiteren entfällt bei der Gütertrennung im Vergleich zur Zugewinngemeinschaft im Rahmen der Auseinandersetzung die oft sehr problematische Abgrenzung des Betriebsvom Privatvermögen; dies schafft Rechtssicherheit für die Beteiligten. Schließlich entfällt beim Wechsel von der Zugewinngemeinschaft hin zur Gütertrennung die Steuerfreiheit des fiktiven Zugewinnausgleichs. Während in der Zugewinngemeinschaft der fiktive Zugewinnausgleich von der Erbschaftsteuer freigestellt ist, kann der überlebende Ehegatte in der Gütertrennung keinen fiktiven Zugewinnausgleich fordern, der die Grundlage für die Berechnung der Erbschaftsteuer mindert (vgl. MüKo/Leipold, BGB, 8. Aufl., vor § 1922 Rn. 372 ff., m.w.N.).
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b) Die vorgenannten Auswirkungen entfallen auch nicht wegen der konkreten Vereinbarungen, die der Antragsteller mit seiner Ehefrau im Ehevertrag vom 24.10.2011 getroffen hat. Zwar kommen die dargestellten Auswirkungen derzeit weitgehend nicht zum Tragen, weil im Ehevertrag vom 24.10.2011 insbesondere ein Erb- und Pflichtteilsverzicht zwischen den Eheleuten vereinbart wurde. Es ist insoweit allerdings von Bedeutung, dass die im Ehevertrag enthaltenen Vereinbarungen von den Eheleuten jederzeit wieder geändert oder aufgehoben werden können.
III.
17
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
18
2. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zugelassen.
19
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Diese ist regelmäßig dann gegeben, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen denkbar ist und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BeckOK FamFG/Obermann, Stand: 01.04.2022, § 70 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 26.09.2018, XII ZA 10/18, juris Rn. 3). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn diese zweifelhaft ist, wenn also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift oder über das Verhältnis mehrerer Bestimmungen zueinander Unklarheiten bestehen. Solche Zweifel sind insbesondere zu bejahen, wenn die Rechtsfrage in veröffentlichten Entscheidungen – soweit ersichtlich – noch nicht erörtert wurde und Äußerungen im Schrifttum nicht vorliegen, sich also bisher weder eine Meinung noch eine Gegenmeinung gebildet hat (vgl. MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl., § 543 Rn. 7).
20
Hieran gemessen liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor. Die vorliegende Fallgestaltung, bei welcher – vor einer Vereinbarung einer Gütertrennung – ein wirtschaftlich bedeutsames Betriebsvermögen dem Zugewinnausgleich kraft einer Vereinbarung zwischen den Eheleuten entzogen wird, ist in der Praxis üblich. Dies gilt auch für zeitgleich vereinbarte Erbverzichte. Veröffentlichte Entscheidungen zu der hier aufgeworfenen Rechtsfrage liegen nicht vor. Bezogen auf den vorliegenden Fall, in dem das Betriebsvermögen bereits vor der hier hinsichtlich des Geschäftswerts zu bewertenden Vereinbarung einer Gütertrennung durch einen Ehevertrag dem Zugewinnausgleich entzogen wurde, ist auch keine argumentative Erörterung im Schrifttum dahingehend ersichtlich, welche Vorschrift für die Bemessung des Geschäftswerts herangezogen werden soll. Lediglich Diehn (a.a.O.) äußert sich hierzu, bleibt jedoch eine Begründung für seine Auffassung schuldig. Klärungsbedürftig ist daher vor allem die Frage, ob statt der formalen und am Wortlaut der angewendeten Norm orientierten Sichtweise nicht eine teleologische, an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Auslegung des § 100 Abs. 2 GNotKG veranlasst wäre.