Titel:
Dienstherr, Bewerber, Anordnungsgrund, Auswahlverfahren, Anordnungsanspruch, Bewerbungsverfahrensanspruch, Widerspruch, Beteiligung, Anordnung, Stellenbesetzungsverfahren, Antragsteller, Gefahr, Zugang, Verfahren, einstweilige Anordnung, Gericht der Hauptsache, Abbruch eines Auswahlverfahrens
Schlagworte:
Dienstherr, Bewerber, Anordnungsgrund, Auswahlverfahren, Anordnungsanspruch, Bewerbungsverfahrensanspruch, Widerspruch, Beteiligung, Anordnung, Stellenbesetzungsverfahren, Antragsteller, Gefahr, Zugang, Verfahren, einstweilige Anordnung, Gericht der Hauptsache, Abbruch eines Auswahlverfahrens
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47311
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Antragstellers,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das mit Schreiben vom 12. Juli 2022 abgebrochene, die Beförderungsrunde 2020/2021 in der Beförderungsliste „Beteiligung intern ... nach A._.+.“ betreffende Stellenbesetzungsverfahren unter Einbeziehung des Antragstellers fortzusetzen,
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Der nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthafte Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller seiner Obliegenheit zur zeitnahen Geltendmachung seiner Rechte nachgekommen. Hiernach ist der Bewerber gehalten, binnen eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung um Rechtsschutz nachzusuchen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Antragsteller hat gegen die Abbruchmitteilung am 20. Juli 2022 Widerspruch erhoben und am 9. August 2022 den vorliegenden Eilrechtsschutzantrag gestellt.
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Der Antrag ist unbegründet.
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Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers durch eine Veränderung des bestehenden Zustands vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller die drohende Gefahr der Rechtsverletzung – Anordnungsgrund – und ein Recht im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO – Anordnungsanspruch – glaubhaft macht.
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1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können bereits daher diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen. Effektiver Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann nur im Wege des einstweiligen Rechtschutzes erlangt werden. Der Bewerber begehrt die zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis. Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 VwGO ergibt sich daher aus dem Inhalt des Rechtschutzbegehrens, das auf eine sofortige Verpflichtung des Dienstherrn gerichtet ist und daher bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtschutzes verwirklicht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 21 ff.).
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2. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Der Antragsteller kann die Fortsetzung des die Beförderungsrunde 2020/2021 in der Beförderungsliste „Beteiligung intern ... nach A._. + + . „betreffende Stellenbesetzungsverfahren“ nicht verlangen, da die Antragsgegnerin das Verfahren rechtmäßig abgebrochen hat.
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Dieses wurde allerdings nicht in Folge der Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover mit dem Az.: ... betreffend die Beförderungsliste vom 29. März 2022 abgebrochen. Vielmehr wurde das Auswahlverfahren betreffend die erneute Auswahlentscheidung vom 19. Mai 2022 (Bl. 14 Verwaltungsakte) abgebrochen, gegen die derzeit wiederum ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover (Az.: ...) anhängig ist, zu dem der Antragsteller beigeladen wurde.
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Bei der Entscheidung über den Abbruch eines eingeleiteten Auswahlverfahrens unterliegt der Dienstherr unterschiedlichen rechtlichen Bindungen, je nachdem, ob die konkrete Stelle – auf der Grundlage eines neuen Auswahlverfahrens – weiter besetzt werden soll oder nicht.
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Soll die konkrete Stelle nach dem Abbruch nicht besetzt werden, ist der Dienstherr, auch wenn das Stellenbesetzungsverfahren bereits begonnen hatte, keinen strengeren Bindungen unterworfen als bei sonstigen personalwirtschaftlichen Entscheidungen, ob und welche Ämter geschaffen oder wie Dienstposten zugeschnitten werden sollen. Die Entscheidung über den Zuschnitt von Dienstposten oder die Schaffung und Bewirtschaftung von Planstellen unterfällt dem weiten, dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) vorgelagerten Organisationsermessen des Dienstherrn. Dieses wird durch den bloßen Umstand der Eröffnung eines Auswahlverfahrens nicht eingeschränkt. Denn die Ausschreibung begründet nicht das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen, das sich der Dienstherr mit der Ausschreibung hinsichtlich seiner Organisationsgewalt unwiderruflich bindet. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit auf die Prüfung beschränkt, ob sich die Entscheidung zum Abbruch als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erweist (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 2 VR 4.18 – juris Rn. 15 ff.).
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Von diesen, zur endgültigen Beendigung des Auswahlverfahrens führenden Abbruchfällen, sind diejenigen Fälle zu unterscheiden, in denen der Dienstherr unbeschadet der getroffenen Abbruchentscheidung die Stelle weiterhin vergeben will, er hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. In jenen Fällen ist Art. 33 Abs. 2 GG Prüfungsmaßstab (BVerwG, B.v. 10.12.2018 a.a.O. Rn. 18).
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Maßgeblich ist insoweit allein die Situation im Zeitpunkt des Abbruchs und allein diejenige Begründung, die der Dienstherr seiner Abbruchentscheidung zugrunde legt.
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Der vorliegende Fall ist der erstgenannten Variante zuzuordnen.
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Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt dann ferner in formeller Hinsicht voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird (BVerfG, U.v. 26.1.2012 – 2 A 7.09 – BVerfGE 141, 361 Rn. 27 ff.). Der Dienstherr muss dabei unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Verfahren ohne Durchführung der Stellenbesetzung endgültig beenden will. In formeller Hinsicht genügt die vorliegende Abbruchentscheidung noch den rechtlichen Anforderungen. Dabei ist nicht nur – wie der Antragsteller ausführt – auf den Abbruchvermerk vom 11. Juli 2022 (Bl. 21/22 Verwaltungsakte) abzustellen, sondern zusätzlich auf das Schreiben der Antragsgegnerin an den Antragsteller vom 12. Juli 2022. Der Abbruchvermerk vom 11. Juli 2022 führt aus, dass das Auswahlverfahren nicht mehr fortgesetzt werden könne, da die dienstlichen Beurteilungen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr für eine Auswahlentscheidung ausreichend aktuell seien und das Auswahlverfahren daher endgültig abgebrochen werde, auch betreffend andere Beförderungsrunden. Im Schreiben an den Antragsteller wird zusätzlich ausgeführt, dass die in der Beförderungsrunde 2020/2021 auf der Beförderungsliste noch gesperrten Planstellen nicht mehr vergeben würden (vgl. OVG NW, B.v. 18.1.2022 – 1 B 1563/21 – juris Rn. 40). Jedenfalls damit wurde der Antragsteller in die Lage versetzt, darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn seinen Bewerbungsverfahrensanspruch berührt. Bei der im am 19. September 2022 bei Gericht eingegangenen Stellungnahme (richtiges Datum wohl nicht 29. August 2022) handelt es sich daher nicht um einen neuen Sachvortrag, der im Übrigen auch nicht im Verfahren zu berücksichtigen wäre.
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Die Antragsgegnerin hat vorliegend frei von Willkür oder Rechtsmissbrauch entschieden, die streitgegenständlichen Stellen nicht mehr zu besetzen.
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Die Antragsgegnerin hat das Stellenbesetzungsverfahren ausweislich der Abbruchmitteilung vom 12. Juli 2022 und der zugrundeliegenden Abbruchentscheidung vom 11. Juli 2022 abgebrochen, weil
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„das bisherige Auswahlverfahren zu der Beförderungsrunde 2020/2021 nicht mehr auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen für den Beurteilungszeitraum 1.9.2017 bis 31.8.2019 fortgesetzt werden kann. Denn diese dienstlichen Beurteilungen sind nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr für eine Auswahlentscheidung ausreichend aktuell. Da seit Mitte Juni 2022 die dienstlichen Beurteilungen der Beamtinnen und Beamten des gehobenen und höheren Dienstes (ohne die Besoldungsgruppe A. nichttechnisch) sowie der Besoldungsgruppe A. für den Zeitraum 1.9.2019 bis 31.8.2021 eröffnet werden, kann das bisherige Auswahlverfahren aus der Beförderungsrunde 2020/2021 nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen. Es wird daher nicht mehr fortgeführt, sondern endgültig abgebrochen“.
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Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in dem von der Antragsgegnerin übersandten Beschluss vom 25. August 2022 (12 L 913/22) in einem gleichgelagerten Fall ausgeführt: „Für einen etwaigen Missbrauch der Organisationsgewalt oder für ein sonstigen willkürliches Verhalten der Antragsgegnerin ist Hinreichendes weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. […] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens allein der Benachteiligung des Antragstellers dienen soll. Dagegen spricht auch gerade der Umstand, dass neben der streitgegenständlichen Beförderungsrunde auch die Beförderungsrunden 2016, 2017, 2018/2019 abgebrochen wurden. Es obliegt allein dem Dienstherrn, im Rahmen seines weiten organisations- und verwaltungspolitischen Ermessens darüber zu entscheiden, ob und wann er solche Statusämter zur Besetzung bereithält“.
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Das Verwaltungsgericht Augsburg schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die vorliegende Konstellation gerade nicht mit derjenigen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NordrheinWestfalen vom 25. Januar 2022 (1 B 1729/21, juris) zu vergleichen. Dort sollten die gesperrten Planstellen gerade zusätzlich zur Beförderungsquote für die Beförderungsrunde 2021/2022 vergeben werden (OVG NW, juris Rn. 33). Das Oberverwaltungsgericht grenzt diese Freigestaltung eindeutig ab zu seiner Senatsentscheidung vom 27. Februar 2017, in dem ursprünglich vorgesehene weitere Beförderungsmöglichkeiten für die Beförderungsrunde 2017/2018 unstreitig endgültig zurückgezogen wurden (OVG NW, B.v. 27.2.2019 – 1 B 1000/18 juris). Es führt aus, dass eben im dort entschiedenen Fall von einer Besetzung der betroffenen Stellen endgültig Abstand genommen und damit in Ausübung des Organisationsermessens entschieden worden sei, diese Stellen in dieser Beförderungsrunde nicht mehr zu vergeben (OVG NW, B.v. 25.1.2022, a.a.O. Rn. 35 ff.). Die subjektive Rechtsstellung von Bewerbern im Stellenbesetzungsverfahren ist danach in den sogenannten Abbruchfällen allein dann betroffen, wenn der Dienstherr beabsichtigt, die in Rede stehenden Beförderungsstellen weiterhin zu vergeben (OVG NW, B.v. 27.2.2019 a.a.O. Rn. 9).
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Das Gericht folgt daher nicht der Rechtsauffassung des vom Antragsteller übermittelten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 5. September 2022 (2 L 772/22.KO). Danach ist der Dienstherr gehalten, um den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens nicht als willkürlich erscheinen zu lassen, von seinem weiten Organisationsermessen unter Heranziehung personalwirtschaftlicher oder organisationsrechtlicher Erwägungen Gebrauch zu machen und dies auch anhand einer tragfähigen Begründung darzulegen. Dem dürfte die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegenstehen, wonach Art. 33 Abs. 2 GG kein Recht auf Einrichtung und Besetzung von Planstellen begründet, sondern dem Bewerber um ein Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl vermittelt. Die organisations- und haushaltsrechtlichen Vorentscheidungen des Dienstherrn, die zur Existenz eines verfügbaren öffentlichen Amtes führen, sind danach nicht Gegenstand, sondern Voraussetzung der Gewährleistungen des Art. 33 Abs. 2 GG. Für einen Anspruch des Beamten auf fehlerfreie Ausübung des Organisationsermessens fehlt danach die erforderliche Rechtsgrundlage (vgl. BVerwG, B.v. 5.11.2012 – 2 VR 1.12 – juris Rn. 16 ff.) Dem entspricht die bereits oben angeführte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NordrheinWestfalen, wonach die subjektive Rechtsstellung der Bewerber in den sogenannten Abbruchfällen allein dann betroffen ist, wenn der Dienstherr beabsichtigt, die in Rede stehenden Beförderungsstellen weiterhin zu vergeben.
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Der Antrag war daher abzulehnen.
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Die Entscheidung zur Kostentragung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 u. 2 GKG. Der Ansatz des Regelstreitwertes ist angemessen, weil der Antrag nur auf die Fortsetzung des Auswahlverfahrens, nicht jedoch bereits auf die Vergabe des Dienstpostens gerichtet ist. Eine Halbierung des Streitwerts scheidet ungeachtet des Umstandes, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes handelt, schon deshalb aus, weil allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für das Begehren auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens in Betracht kommt (BayVGH, B.v. 5.2.2019 – 3 CE 18.2608 – juris Rn. 36).