Titel:
Begründeter Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehensvertrag bei strittiger Vertragspartnerschaft
Normenkette:
BGB § 133, § 157, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 362 Abs. 2
Leitsatz:
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wird niemand einer haftungsbeschränkten juristischen Person, von deren Haftungsstatut und Konstruktion er nichts Näheres weiß, Geld leihen, da dies im Gegensatz zur Gewährung eines Darlehens an eine bekannte natürliche Person unbekannte und nicht einschätzbare Verlustrisiken mit sich bringt. (Rn. 10 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlehensverträge, Rückzahlungsansprüche, Echtzeitüberweisung, haftungsbeschränkte juristische Person
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Endurteil vom 12.08.2021 – 22 O 171/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 20.03.2023 – IX ZA 2/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47304
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 12.08.2021, Az. 22 O 171/21, abgeändert:
1. Der Beklagte wird verteilt, an den Kläger 21.100,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2021 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.295,43 € freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
1. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche aus Darlehensverträgen.
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Wegen des zugrundeliegenden unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 12.08.2021 Bezug genommen.
3
Die Parteien haben im Verfahren erster Instanz die aus dem Ersturteil ersichtlichen Anträge gestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Auslegung ergebe, dass die Darlehensverträge nicht mit dem Beklagten, sondern mit der A. UG geschlossen worden seien.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine im Verfahren erster Instanz geltend gemachten Ansprüche in voller Höhe weiter. Die vom Landgericht vorgenommene Vertragsauslegung sei unzutreffend. Es lasse sich widerlegen, dass die A. UG Vertragspartner geworden sei. Der Beklagte habe für das erste Darlehen auch ausgeführt, dass er anfänglich selbst Vertragspartner habe werden wollen und der Vertrag dann geändert worden sei. Für eine solche Vertragsänderung sei der Beklagte beweisbelastet, was das Landgericht nicht beachtet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 17.11.2021 (Bl. 105 ff. d.A.) Bezug genommen.
1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt 22 O 171/21 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.100 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2021, hilfsweise seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.295,43 € an vorgerichtlich entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, hilfsweise ihn von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1295,43 € freizustellen.
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Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 21.12.2021 (Bl. 117 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat – mit Ausnahme des Hauptantrags zu Ziffer 3. – Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 21.100,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2021 (I.). Ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht, jedoch ein Freistellungsanspruch (II.).
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1. Ein Zahlungsanspruch über 16.500 € ergibt sich aus der Darlehensabsprache vom 18.05.2020 über die Zurverfügungstellung von 15.000 € bis 05.06.2020 und die gleichzeitige Bezahlung von 1.500 € als Zins.
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Das Berufungsgericht ist überzeugt, dass der Vertrag, dessen Inhalt an sich unstreitig ist, zwischen dem Kläger und dem Beklagten persönlich geschlossen wurde (§§ 133, 157 BGB).
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Dies beruht insbesondere darauf, dass der Beklagte bei der informatorischen Anhörung vor dem Landgericht Schweinfurt am 01.07.2021 (Bl. 49 f. d.A.) angegeben hat, dass sie (Kläger und Beklagter) davon ausgegangen seien, dass er (der Beklagte) das Darlehen dann weiter an die A. UG die gebe. Dies in Zusammenschau mit der Korrespondenz über die Anbahnung des Vertrages (vgl. bspw. Chat vom 18.05.2020), ergibt eindeutig, dass das Darlehen über 15.000,00 € unter den o.g. Rückzahlungsmodalitäten mit dem Beklagten persönlich geschlossen werden sollte und auch wurde.
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Dass der Darlehensvertrag später dahingehend abgeändert worden wäre, dass nicht der Beklagte, sondern die A. UG Vertragspartnerin geworden wäre, hat der für eine Vertragsänderung nach allgemeinen Grundsätzen beweisbelastete Beklagte zwar behauptet, hierfür jedoch keinen Beweis angeboten. Auch ergibt sich aus den weiteren Umständen nichts, was belastbar für eine Vertragsänderung sprechen könnte.
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Die Tatsache, dass die Auszahlung des Betrages von 15.000,00 € per Echtzeit Überweisung schließlich auf ein Konto der A. UG erfolgte, besagt zur Frage der Vertragspartnerschaft nichts. Dies vor allem, weil die Mitteilung der Kontonummer der UG erst erfolgte, als zwei Echtzeitüberweisungen auf Konten des Beklagten selbst gescheitert waren. Die Zahlung auf ein Konto der UG kann vor diesem Hintergrund alleine als Leistung an einen Dritten zum Zweck der Erfüllung betrachtet werden (§ 362 Abs. 2 BGB). Dies insbesondere, weil eine nachvollziehbare Erklärung für die Auswechslung des Vertragspartners auf Darlehensnehmerseite nicht ersichtlich ist. Zwar lässt der Beklagte schriftsätzlich vortragen, dass dies auf Anraten des Steuerberaters der UG erfolgt sei. Angesichts der zeitlichen Abläufe (Mitteilung der letzten privaten Bankverbindung durch den Beklagten am 18.05.2020, 20:45 Uhr und Mitteilung der Bankverbindung der UG am 19.05.2020, 8:08 Uhr) erscheint dieses Vorbringen als konstruiert, da eine nächtliche oder frühmorgendliche Absprache mit dem Steuerberater abwegig erscheint. Noch weniger vermag der schriftsätzliche Vortrag einer Rücksprache beim Steuerbüro zu überzeugen, als dass der Beklagte bei der informatorischen Anhörung vor dem Landgericht am 01.07.2021 und vor dem Berufungsgericht am 11.10.2022 zur behaupteten Rücksprache angab, er könne nicht sagen, ob diese vorher oder nachher gewesen sei (Bl. 51 und Bl. 127 d.A.), was seinem Vorbringen zur Begründung der Vertragsänderung den Boden entzieht.
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Keinerlei Aussagekraft hat in diesem Zusammenhang die Behauptung des Beklagten, das Darlehen vom 18.05.2020 (sowie die nachfolgenden Darlehen, s.u.) wäre in der Buchhaltung der UG erfasst worden, denn hierbei handelt es sich um einen Vorgang, der im Nachhinein der Steuerung durch den Beklagten unterlag und in der vorliegenden Situation keinen tragfähigen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Vertragsschluss und die Vertragspartnerschaft erlaubt.
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Unabhängig ist dieses Ergebnis auch von der Frage, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die A. UG kannte oder nicht. Denn auch eine Kenntnis der UG und deren Betätigungsfeld lässt vor dem Hintergrund vorstehender Erörterungen einen Schluss auf die Vertragspartnerschaft der UG nicht zu. Denn aus der vorgelegten Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Beklagten ergibt sich klar, dass die Gewährung des Darlehens vom 18.05.2020 (sowie der weiteren Darlehen) nicht auf profitorientiertem geschäftlichen Interesse des Klägers, sondern auf persönlichem Vertrauen und persönlicher Verbundenheit beruhte, was für eine Gewährung an den Beklagten persönlich spricht.
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Unterstrichen wird dieses Ergebnis auch dadurch, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung niemand einer haftungsbeschränkten juristischen Person, von deren Haftungsstatut und Konstruktion er nichts Näheres weiß, Geld leihen möchte, da dies im Gegensatz zur Gewährung eines Darlehens an eine bekannte natürliche Person unbekannte und nicht einschätzbare Verlustrisiken mit sich bringt. Vor diesem Hintergrund war es dem Kläger gerade nicht gleichgültig, mit wem er den Darlehensvertrag abschließt.
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2. Dass das Darlehen vom 26.05,2020, das unstreitig von 5.000,00 € auf 6.000,00 € erhöht und ausgezahlt wurde, mit den unter Ziffer 1. dargestellten Rückzahlungsmodalitäten ebenfalls zwischen dem Kläger und dem Beklagten persönlich zustandekam, ergibt sich aus dem Umstand, dass das Darlehen nach der Absprache zwischen den Parteien „unserem Deal“ hinzugefügt wurde (vgl. Schriftsatz des Klägers v. 28.05.2021, S. 3 f.). Vorstehende Erwägungen, insbesondere betreffend die Zahlung an die A. UG und die Erfassung in der Buchhaltung der A. UG, gelten auch für dieses Darlehen sinngemäß.
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3. Ein weiteres Darlehen über 1.500,00 €, welches nach mündlicher Absprache zwischen Kläger und Beklagtem durch Überweisung von 900,00 € auf das Konto der A. UG und durch Barzahlung von 600,00 € erfüllt wurde und gleichfalls mit den unter Ziffer 1. dargestellten Rückzahlungsmodalitäten zwischen dem Kläger und dem Beklagten abgeschlossen wurde, steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest.
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Dass ein Zahlungsfluss von 900,00 € auf ein Konto der A. UG erfolgte ist unstreitig. Dass am selben Tag, dem 29.05.2020 weitere 600,00 € vom Kläger an den Beklagten in bar übergeben wurden, folgt schon aus den Angaben der Parteien bei der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht. Denn der Beklagte hat dabei ausgeführt, dass am 29.05.2020 tatsächlich ein Gespräch über eine Barzahlung von 600,00 € stattgefunden habe. Der Beklagte meine aber, dass der Kläger ihm kein Geld habe geben können, weil dieser für den Beklagten bereits eine Tänzerin bezahlt habe. Er meine, dass seine Frau dann letztendlich Geld geholt habe (vgl. Protokoll vom 01.07.2021,Bl. 49 d.A.). Diese Angaben überzeugen nicht. Vor dem Hintergrund, dass ein Geldfluss von 900,00 € tatsächlich am 29.05.2020 stattgefunden hat, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass die Ehefrau des Beklagten, wenn sie schon 600,00 € kurzfristig in bar aufgebracht hätte, nicht auch weitere 900,00 € aufgebracht hat. Denn hätte die Ehefrau des Beklagten über Geldmittel verfügt, hätte es eher fern gelegen, dass der Beklagte den Kläger überhaupt um ein kurzfristigeres Darlehen bittet, sondern er hätte zuerst seine Frau gefragt, was nicht behauptet wird. Dass der Kläger ihm kein Geld hätte geben können, weil er zuvor eine Tänzerin gezahlt habe, trifft nicht zu. Es erscheint vor Person, Persönlichkeit und Habitus, die der Kläger im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht gezeigt hat, keineswegs abwegig, dass dieser mit größeren Bargeldbeträgen unterwegs ist. In der Gesamtschau gelangt das Berufungsgericht, ohne zu übersehen, dass beim Kläger ein valide wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt, zu der Überzeugung, dass über die 900,00 € hinaus weitere 600,00 € in bar an den Beklagten am 29.05.2020 übergeben wurden.
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Im Gesamtkontext zu den unter Ziffern 1 und 2 dargestellten Darlehen und aus den dort dargestellten Erwägungen ist das Berufungsgericht auch davon überzeugt, dass die Darlehen über 900,00 € und 600,00 € zwischen dem Kläger und dem Beklagten als Vertragspartner geschlossen wurden. Die Überzeugung davon, dass auch für diese Beträge die Rückzahlungsmodalitäten wie unter Ziffern 1 und 2 dargestellt vereinbart wurden, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang und insbesondere dem Umstand, dass sich angesichts der im Vergleich zu den anderen Darlehen verhältnismäßig geringfügigen Beträgen eine Gleichbehandlung in der Sache aufdrängt und der Angabe des Klägers folgend höchst plausibel erscheint.
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3. Von dem darlehensweise überlassenen 22.500,00 € zzgl. 1.500,00 € Zinsen sind 2.900,00 € zurückgezahlt, sodass ein Zahlungsanspruch von 21.100,00 € verbleibt.
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4. Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz sind seit 29.01.2021 geschuldet, da der Kläger den Beklagten spätestens durch das Schreiben vom 21.01.2021 unter Fristsetzung zur Zahlung bis 28.01.2021 wirksam in Verzug setzte (Anlage K5), § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
23
Vorgerichtliche Anwaltskosten sind unter Verzugsgesichtspunkten grundsätzlich erstattungsfähig, da der Beklagte sich im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit am 21.01.2021 mit der für den 26.05.2020 vereinbarten Rückzahlung der Darlehensbeträge in Höhe von 21.100 € nach dem Kalender in Verzug befand (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Höhe ergibt sich aus einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer bezogen auf einen berechtigten Gegenstandswert von 21.100 € und beträgt damit 1.295,43 €. Nachdem der Beklagte die Bezahlung dieser Kosten durch den Kläger bestritten hat, der Kläger jedoch keinen Beweis für die Bezahlung angeboten hat, war der Beklagte dem Hilfsantrag des Klägers entsprechend, zur Freistellung zu verurteilen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.