Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 30.11.2022 – Au 6 K 22.304
Titel:

Dezemberhilfe, fehlende Antragsberechtigung eines Friseursalons, endgültige Ablehnung der begehrten Förderung, Rücknahme der Bewilligung und Rückerstattung, Verwaltungspraxis

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5
GG Art. 3
BayVwVfG Art. 48
BayVwVfG Art. 49a
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 – Dezemberhilfe – des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 21. Dezember 2020
Schlagworte:
Dezemberhilfe, fehlende Antragsberechtigung eines Friseursalons, endgültige Ablehnung der begehrten Förderung, Rücknahme der Bewilligung und Rückerstattung, Verwaltungspraxis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47283

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid vom 11. Januar 2022 über die Rücknahme und Aufhebung des Gewährungsbescheids vom 9. Januar 2021, über die Ablehnung des Antrags auf Gewährung sowie über die verzinsliche Rückforderung einer begehrten Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe für Dezember 2020 des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 21. Dezember 2020, Az. PGÜ-3..., BayMBl. Nr. 861 (im Folgenden „Dezemberhilfe“).
2
Die Klägerin betreibt einen Friseursalon (Unternehmen der Branche S96.02.1) und beantragte am 8. Januar 2022 (Az. ...) die Auszahlung der Dezemberhilfe in Form einer Billigkeitsleistung. Mit Bescheid vom 9. Januar 2021 hat die Klägerin eine Auszahlung in Höhe von insgesamt 2.364,77 € erhalten.
3
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine direkte Betroffenheit nicht zu erkennen sei, da Unternehmen der Branche S96.02.1 nicht zu den von den Maßnahmen aufgrund der Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs vom 28. Oktober 2020, vom 25. November 2020 und vom 2. Dezember 2020 betroffenen Branchen gehören würden, so dass die Ablehnung des Antrags und die Rücknahme des Bescheids über die Abschlagszahlung der Dezemberhilfe sowie die Rückforderung der zu Unrecht gewährten Dezemberhilfe beabsichtigt sei. Der Klägerin wurde bis zum 24. Oktober 2021 Zeit gegeben, sich zum Sachverhalt zu äußern. Die Klägerin teilte daraufhin am 18. Oktober 2021 mit, dass sie eine Nichtantragsberechtigung nicht erkennen könnte und einen Antrag für den Zeitraum zwischen 16. Dezember 2020 und 31. Dezember 2020 gestellt habe.
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Mit Bescheid vom 11. Januar 2022 wurde der Bescheid vom 9. Januar 2021 gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) zurückgenommen (Ziff. 1). Der Antrag auf Gewährung einer Dezemberhilfe vom 8. Januar 2021 wurde abgelehnt (Ziff. 2) und der bis zum 12. Februar 2022 zu erstattende Betrag auf 2.364,77 € festgesetzt (Ziff. 3). Es wurde angekündigt, dass gemäß Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG Zinsen auf den Erstattungsbetrag erhoben werden, sofern der zu erstattende Betrag nicht innerhalb der gesetzten Frist eingehe (Ziff. 4).
5
Dies wurde damit begründet, dass der Bescheid vom 9. Januar 2021 rechtswidrig gewesen sei. Die Klägerin sei nicht antragsberechtigt gemäß Ziff. 2.1 b) der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 („Dezemberhilfe“) – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 21. Dezember 2020, Az. PGÜ-3... – BayMBl. Nr. 816 (im Folgenden „Richtlinie“). Demnach seien Unternehmen einschließlich Sozialunternehmen (gemeinnützige Unternehmen) sowie Soloselbständige einschließlich selbständiger Angehöriger der Freien Berufe im Haupterwerb antragsberechtigt, wenn ihre wirtschaftliche Tätigkeit wegen der auf Grundlage der Beschlüsse vom 28. Oktober 2020, vom 25. November 2020 und vom 2. Dezember 2020 erlassenen Bestimmungen auf Landesebene direkt, indirekt oder über Dritte betroffen seien. Direkt betroffen seien Unternehmen nach Ziff. 2.1 b) aa), die ihren Geschäftsbetrieb einstellen mussten oder bei denen es sich um Beherbergungsbetriebe oder Veranstaltungsstätten handle. Unternehmen der Branche „Friseursalons“ hätten im Dezember hingegen weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen dürfen, da sie von den Schließungsanordnungen nicht betroffen gewesen seien, somit sei die Antragsberechtigung zu verneinen. Die geringere Nachfrage in Zeiten eines Lockdowns sei den privaten Erwägungen der Kunden/Auftraggeber geschuldet und nicht den Schließungsanordnungen. Zwar sei die Corona-Pandemie ggf. Anlass für den dargelegten Umsatzrückgang, dennoch könne die Dezemberhilfe nur beantragt werden, wenn die konkreten Schließungsanordnungen die Leistungserbringung unmöglich gemacht hätten. Mangels Antragsberechtigung entspreche es daher unter Beachtung von Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag abzulehnen.
6
Auch liege kein Vertrauensschutz vor. Fehlender Vertrauensschutz sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der Bescheid sei durch Angaben erwirkt worden, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien, außerdem hätte die Klägerin die fehlende Antragsberechtigung ohne weiteres erkennen können (vgl. Richtlinie und FAQ, auf die in der Antragstellung mehrfach verwiesen werde), sodass grobe Fahrlässigkeit vorliege. Die Bewilligungsstelle habe aufgrund des automatisierten Verwaltungsverfahrens wegen der fehlerhaften Angabe der Betroffenheit das Fehlen der Antragsvoraussetzungen nicht feststellen können. Der Bescheid ergehe automatisch nach Antragstellung unter Vorbehalt der Nachprüfung, soweit die Angaben des Antrags nach bestimmten, festgelegten Kriterien plausibel erscheinen würden.
7
Am 7. Februar 2022 erhob die Klägerin Klage und beantragt,
8
Der Bescheid der IHK ... vom 11. Januar 2022 mit dem Aktenzeichen ... wird aufgehoben.
9
Die Klägerin begründet die Klage damit, dass es ihr um die Ungleichbehandlung der verschiedenen Unternehmen gehe. Im Gegensatz zu den Kosmetikstudios, die ebenso wie ihr Friseurladen hätten schließen müssen, würden diese die Dezemberhilfe erhalten, sie hingegen nicht.
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Auf Schreiben des Gerichts vom 1. März 2022 hin, in dem mitgeteilt wurde, dass unter die Dezemberhilfe lediglich Schließungen aufgrund der Beschlüsse vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 fallen, und nicht solche aufgrund des Beschlusses vom 13. Dezember 2020 (und somit die Anordnung der Schließung von Friseurgeschäften), teilte die Klägerin mit Schreiben vom 18. März 2022 mit, dass ihre Umsätze aufgrund der vollständigen Schließung des Geschäfts in der 2. Dezemberhälfte 2020 ebenso null gewesen seien wie bei Betrieben, deren Schließung früher angeordnet worden sei. Es sei für sie zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht ersichtlich gewesen, dass die Hilfe nicht für ihre Branche gedacht gewesen sei. Da sie zu diesem Zeitpunkt keinen Steuerberater gehabt habe, sei die später bekannt gewordene Überbrückungshilfe III nicht beantragbar und der Antrag aufgrund der abgelaufenen Frist zum Zeitpunkt des Bescheides der Beklagten vom 11. Januar 2022 auch nicht mehr fristgerecht möglich gewesen.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 1. März 2022:
12
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die streitgegenständliche Bereitstellung öffentlicher Mittel nicht Gegenstand einer gesetzlichen Anspruchsnorm sei. Die Förderung über Billigkeitsleistungen liege im weiten gestalterischen Ermessen, das maßgeblich vom politischen Willen der Verantwortlichen bestimmt werde. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften (wie Förderrichtlinien, FAQs etc.) würden dabei keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen unterliegen und daher nicht am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemessen. Insoweit liege die Interpretationshoheit beim Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit diesen bei der Beklagten (vgl. VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26). Ein Förderanspruch könne sich nur durch aus einer durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) begründeten Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Dem Zuwendungsgeber stehe es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die allein relevante Willkürgrenze werde selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder ggf. bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung liege nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 28). Ein Anspruch könne daher nur bestehen, wenn die in den Förderrichtlinien dargelegten Voraussetzungen ausgehend von der Vollzugspraxis der Bewilligungsstelle und deren Interpretation vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis positiv verbeschieden würden (BVerfG, B.v. 14.10.2008 – 1 BvF 4/05; BVerwG, U.v. 11.5.2006 – 5 C 10.05; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08).
14
Darüber hinaus seien die Besonderheiten des hier vorliegenden Massenverfahrens zu beachten. Das Ziel der Wirtschaftshilfen sei es, einen Beitrag zur Kompensation des Umsatzausfalls von Unternehmen zu leisten, die von den Coronabedingten Betriebsschließungen und Einschränkungen seit Oktober 2020 betroffen seien, und damit deren wirtschaftliche Existenz zu sichern. Diesem Ziel und auch den von den Bundesministerien für Wirtschaft und Energie und für Finanzen vorgegebenen „FAQ“ entsprechend prüfe die Beklagte die Antragsberechtigung in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt unterziehe sie den jeweiligen Antrag einer Plausibilitätsprüfung. Seien danach die Angaben des prüfenden Dritten (beziehungsweise bei Direktanträgen die Angaben des Soloselbständigen oder Freiberuflers) im Antrag grundsätzlich plausibel, werde im Regelfall ein Bewilligungsbescheid erlassen. Dieses Vorgehen sei erforderlich, um möglichst unbürokratisch einen Beitrag zur Existenzsicherung der Unternehmen zu leisten. Werde der Antrag, wie in den ganz überwiegenden Fällen, von einem prüfenden Dritten gestellt, komme hinzu, dass dieser auch selbst besonders für eine Prüfung der Antragsberechtigung qualifiziert sei. Der Bewilligungsbescheid stehe dabei immer unter dem Vorbehalt einer Korrektur und Aufhebung im zweiten Verfahrensabschnitt. In diesem zweiten Schritt würden die Anträge im Nachgang einer vertieften Prüfung unterzogen. Ergebe sich im Rahmen dieser Prüfung, dass die Antragsvoraussetzungen nicht vorlagen, werde dem Antragsteller noch einmal die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und im Zweifel der Bewilligungsbescheid aufgehoben und die Billigkeitsleistung zurückgefordert.
15
Hier habe die Klägerin im Verwaltungsverfahren angegeben, in der Branche „Frisörsalons“ tätig und damit direkt betroffen im Sinne der Dezemberhilfe zu sein (vgl. Antrag der Klägerin vom 8. Januar 2021, Bl. 3 d. Verwaltungsakte). Die Klägerin habe daraufhin mit Bewilligungsbescheid vom 9. Januar 2021 zunächst eine Förderleistung auf der Grundlage der Dezemberhilfe erhalten. Diese stehe unter dem Vorbehalt der abschließenden eingehenden Prüfung (vgl. Ziffer 9 der Nebenbestimmungen des Bescheides). Im Rahmen dieser eingehenden Prüfung im Nachgang habe die Beklagte festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der im Antrag angegebenen Branche nicht antragsberechtigt für die Billigkeitsleistung sei und habe ihr mit Schreiben vom 28. Juni 2021 zur beabsichtigten Rücknahme des Bewilligungsbescheides die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Juli 2021 gegeben. Mit Stellungnahme vom 7. Juli 2021 habe die Klägerin ausgeführt, alle von ihr im Antrag vom 8. Januar 2021 gemachten Angaben seien korrekt und vollständig. Insbesondere habe sie die Branche, den Schließungszeitpunkt und die Rechtsform des Unternehmens angegeben. Die Beklagte habe diese Einwände berücksichtigt, sie rechtfertigten aber keine andere Entscheidung als den Erlass des hier streitgegenständlichen Ablehnungs-, Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides.
16
Die Klage sei unbegründet. Ein gesetzlicher Anspruch auf die streitgegenständliche Förderleistung in Form der Dezemberhilfe bestehe nicht. Der Beklagten sei auch kein anspruchsbegründender Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen. Die Klägerin sei, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheids zutreffend dargelegt werde, nicht vom Kreis der förderberechtigten Unternehmen erfasst. Dies beruhe auf einer politischen Abwägung der zuständigen Organe des Bundes, gegen die verfassungsrechtlich nichts zu erinnern sei. Es fehle insofern an der nach Nr. 2.1 der Richtlinie erforderlichen Betroffenheit der Klägerin. Die Klägerin unterfalle nicht dem Kreis derjenigen, die aufgrund der Beschlüsse von Bund und Ländern vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 erlassenen Bestimmungen auf Landesebene den Geschäftsbetrieb einstellen mussten (direkt Betroffene). Nur solchen Betroffenen sei die Billigkeitsleistung gewährt worden. Schließungen aufgrund späterer Beschlüsse würden hingegen nicht zu einer Förderung führen (vgl. Nr. 1.2 der FAQs zur „Novemberhilfe“ und „Dezemberhilfe“). Diese Voraussetzung liege im Hinblick auf die Klägerin nicht vor. Die Schließung der Geschäftsbetriebe von Friseuren sei nicht aufgrund der oben genannten Beschlüsse erfolgt. Sie sei im Freistaat Bayern vielmehr erst nach dem Bund-Länder Beschluss vom 13. Dezember 2020 mit Wirkung vom 16. Dezember 2020 angeordnet worden. Frisörsalons seien deshalb sogar in den Fragen und Antworten zur „Novemberhilfe“ und „Dezemberhilfe“ des Bundeswirtschaftsministeriums beispielhaft als nicht direkt betroffene Unternehmen genannt. Dass die Klägerin damit nicht in den Kreis der Berechtigten für die streitgegenständliche Dezemberhilfe einbezogen sei, begründe keinen rechtlich relevanten Ermessensfehler. Insbesondere sei es nicht willkürlich und ohne Sachgrund, die streitgegenständliche Förderung auf solche Unternehmen zu beschränken, die bereits ab dem 1. November 2020 direkt von Schließungsanordnungen betroffen gewesen seien. Der Klägerin sei es bis zum 15. Dezember 2020 weiter möglich gewesen, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Sie sei somit objektiv in einer weniger belastenden Situation gewesen als der Betreiber eines Kosmetikstudios, welchem bereits ab Anfang November eine Öffnung nicht mehr gestattet gewesen sei. Weiter sei zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen durch die Schließungen aufgrund des Bund-Länder Beschlusses vom 13. Dezember 2020 die Überbrückungshilfe III vorgesehen. Diese sehe unter bestimmten Voraussetzungen eine Erstattung betrieblicher Fixkosten, einen Eigenkapitalzuschuss und weitere Förderungen von Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen vor. Das seien für den vorliegend allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ausreichende Differenzierungsgründe.
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Zur Rücknahme des Bescheides wird vorgebracht, die Beklagte habe zu Recht den Bescheid vom 9. Januar 2021, durch den die Billigkeitsleistung zunächst gewährt worden sei, zurückgenommen und die Fördersumme zurückgefordert. Die Klägerin könne sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Dafür, dass die Klägerin auf den Bestand des Bewilligungsbescheides tatsächlich vertraut habe und dieses Vertrauen ins Werk gesetzt habe, sei schon nichts ersichtlich. Die klägerische Erwartung, der Verwaltungsakt werde Bestand haben, sei aber auch objektiv nicht schutzwürdig. Denn habe ein Betroffener aufgrund eines Vorbehalts im Verwaltungsakt nicht damit rechnen können, dass dieser dauerhaft und endgültig bestehen bleibe, sei er insoweit nicht schutzwürdig (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.1960 – VI C 65.57; BVerwG, U.v. 14.4.1983 – 3 C 8 /82; zustimmend: VG Stuttgart, U.v. 20.10.2006 – 10 K 5152/04; VG Ansbach, U.v. 22.10.2013 – AN 4 K 13.00950 – juris). Der Bescheid sei ausdrücklich unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags (vgl. Nr. 9 der Nebenbestimmungen des Bescheids) ergangen. Die Beklagte habe die Klägerin zudem darauf hingewiesen, dass die Förderleistung zu erstatten sei und der Bescheid zurückgenommen werden könne, wenn festgestellt werde, dass die Voraussetzung zur Gewährung der Dezemberhilfe nicht vorliegen würden (vgl. Nr. 10 der Nebenbestimmungen des Bescheids). Die Klägerin könne sich auch deshalb nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt habe, die gemäß Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG in wesentlicher Beziehung unrichtig beziehungsweise unvollständig gewesen seien. Ein Verwaltungsakt werde im Sinne des Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG erwirkt, wenn der Begünstigte diesen durch auf Erlass des Verwaltungsaktes gerichtetes zweck- und zielgerichtetes Handeln erreiche und die Angaben entscheidungserheblich gewesen seien. Es genüge, dass das Handeln des Beteiligten mitursächlich gewesen sei. Ursächlich seien die unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben, wenn anzunehmen sei, dass die Behörde bei vollständiger bzw. richtiger Angabe den Verwaltungsakt nicht erlassen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.1960 – VI C 65.57; VG Minden, U.v. 5.9.2014 – 6 K 806/14 – juris; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 21. Auflage 2020, § 48 VwVfG Rn. 116 ff.). Entscheidend sei allein, dass die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes durch Umstände verursacht worden sei, die im Verantwortungsbereich des Begünstigten liegen würden (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1966 – III C 219.64; VGH Mannheim, U.v. 31.7.1985 – 6 S 2606/83; OVG Münster, U.v. 14.7.2004 – 10 A 4471/01 – juris). Dies sei vorliegend gegeben. Denn die Klägerin habe an mehreren Stellen im Antrag angegeben, dass die Fördervoraussetzungen vorliegen würden. So habe sie im Antragsformular angegeben, direkt betroffen im Sinne der Richtlinie für die Dezemberhilfe zu sein (Bl. 3 d. Verwaltungsakte). Des Weiteren habe sie versichert, die Antragsvoraussetzungen zur Kenntnis genommen zu haben (Bl. 4 d. Verwaltungsakte). Auf der Basis dieser Angaben der Klägerin habe die Beklagte die Billigkeitsleistung zunächst bewilligt. Denn das auf Schnelligkeit angelegte Massenverfahren sehe eine inhaltliche Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben durch die Beklagte im Regelfall nicht vor. Die Entscheidung der Beklagten erweise sich demnach als ermessensfehlerfrei. Durch die Rücknahme und Rückforderung entscheide sie im Sinne eines überwiegenden öffentlichen Interesses an einer sparsamen und zweckgerichteten Verwendung von Haushaltsmitteln. Es würden insoweit insbesondere keine Anhaltspunkte für einen Härtefall vorliegen, der eine Rücknahme ausschließen würde.
18
Mit Schreiben vom 23. März 2022 wurde ergänzend ausgeführt, dass die Beklagte nicht für die in Zusammenhang mit den Schließungsanordnungen aus Gründen des Infektionsschutzes erfolgten Grundrechtseingriffen verantwortlich sei, sondern lediglich als Förderstelle für die Vergabe der von Bund und Ländern gewährten Billigkeitsleistung zuständig. Hierbei sei sie strikt an die Richtlinie gebunden, wonach sich die Betroffenheit nach der Einstellung des Geschäftsbetriebs nach den Schließungsverordnungen auf Grundlage der Bund-Länder-Beschlüsse vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 richte. Die Schließung der Friseurbetriebe nach dem Bund-Länder-Beschluss vom 13. Dezember 2020 mit Wirkung vom 16. Dezember 2021 sei gerade nicht erfasst. Die fehlende Förderfähigkeit im Rahmen der Dezemberhilfe sei nicht willkürlich und ohne Sachgrund. Die Klägerin sei noch bis zum 15. Dezember 2020 in der Lage gewesen, den Friseursalon geöffnet zu halten. Sie sei somit objektiv in einer weniger belastenden Situation gewesen als z.B. der Betreiber eines Restaurants, welchem bereits ab Anfang November eine Öffnung nicht mehr gestattet gewesen sei. Dies seien ausreichende Differenzierungsgründe für den allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG. Weiter sei zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen durch die Schließungen aufgrund des Bund-Länder-Beschlusses vom 13. Dezember 2020 die Überbrückungshilfe III vorgesehen. Es stelle sich die Frage, woraus sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe, da nach bisheriger Rechtsprechung der Obergerichte keine Verpflichtung des Staates zum finanziellen Ausgleich der mit den Lockdown-Beschränkungen verbundenen Grundrechtseingriffen und ihren wirtschaftlichen Folgen bestehe. Insoweit habe etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits hervorgehoben, dass Betriebsschließungen aufgrund von § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG im Regelfall noch nicht zu einem Eingriff in die Substanz der betroffenen Unternehmen und damit auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs führen würden, der nur bei Gewährung eines finanziellen Ausgleichs verhältnismäßig sein könne. Dabei sei auch die Frage aufgeworfen worden, ob nicht kontaktintensive Bereiche des Wirtschaftslebens ohnehin durch die Möglichkeit einer Pandemie und darauf antwortende staatliche Infektionsschutzmaßnahmen vorgeprägt seien und damit auch länger andauernde Schutzmaßnahmen (entschädigungslos) hinzunehmen hätten (BayVGH, B.v. 8.4.2021 – 20 NE 21.478 – BeckRS 2021, 7565 Rn. 24; B.v. 21.4.2021 – 20 NE 21.1068 – BeckRS 2021, 8707 Rn. 41).
19
Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 18. März 2022, die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2022 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über welche wegen des Verzichts der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, erweist sich als zulässig, aber unbegründet.
22
Die Klage ist zulässig.
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1. Die Klage ist statthaft als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Verwaltungsakt der Beklagten vom 11. Januar 2022, soweit der ursprüngliche Bescheid über die Gewährung einer Überbrückungshilfe zurückgenommen und aufgehoben (Ziff. 1) und der ausbezahlte Betrag unter Ankündigung der Verzinsung (Ziff. 4) zurückgefordert (Ziff. 3) wurde. Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags vom 8. Januar 2021 auf Gewährung der Dezemberhilfe (Ziff. 2) ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft.
24
2. Die Klägerin ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, weil eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht von vornherein auszuschließen ist.
25
3. Die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt, denn gegen den Bescheid vom 11. Januar 2022 hat die Klägerin am 7. Februar 2022 – und damit vor Ablauf der Klagefrist am 14. Februar 2022 um 24 Uhr – Klage erhoben.
26
I. Die Klage ist unbegründet.
27
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, die Klägerin ist dadurch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
28
1. Die Rechtmäßigkeit der Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids (Ablehnung der Gewährung einer Dezemberhilfe) richtet sich allein nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Maßgeblich dafür sind insbesondere die Richtlinien für die Gewährung von Hilfen sowie die FAQ (dazu VG Würzburg, U.v. 24.10.2022 – W 8 K 21.1263 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.).
29
Die Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, begründen aber als Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) Außenwirkung in der Gestalt, die sie durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben (BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6).
30
Die Richtlinien begründen vom Ansatz her keinen gebundenen Anspruch auf eine Billigkeitsleistung in bestimmter Höhe, sondern es besteht zusammen mit Art. 40 BayVwVfG, wonach die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat, ein Anspruch eines jeden Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über den Antrag. Dabei ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist oder sonst ein Ermessensfehler vorliegt (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 29).
31
Im Rahmen des behördlich auszuübenden Ermessens kommt den Förderrichtlinien, bei denen es sich nicht um eine Rechtsnorm, d.h. nicht einen Rechtssatz mit Außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne Verwaltungsvorschrift handelt, die Funktion zu, für die Verteilung der Fördermittel einheitliche Maßstäbe zu setzen und dadurch das Ermessen der Bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen derartige Förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist die Bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns – gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Dem Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese konsequent anzuwenden. Die allein relevante Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder ggf. bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6 und 13; VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 30 m.w.N.).
32
Zur Feststellung der tatsächlich ausgeübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den Förderrichtlinien ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben (VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 32 m.w.N.). Relevant insoweit sind namentlich die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten FAQs. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichst bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis ist es legitim und sachgerecht, die Entscheidungspraxis an den FAQs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu orientieren (VG Magdeburg – U.v. 30.11.2021 – 3 A 61/21MD – juris Rn. 38). Diese führen – bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt – aus:
33
In Ziff. 1.1 der FAQs („Wer ist antragsberechtigt?“) ist geregelt:
34
„Grundsätzlich sind Unternehmen aller Größen (auch öffentliche und gemeinnützige), Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, Soloselbstständige und selbstständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb aller Branchen antragsberechtigt (mit Ausnahme der unten explizit genannten Ausschlusskriterien), deren wirtschaftliche Tätigkeit vom coronabedingten Lockdown im November und Dezember 2020 auf eine der folgenden Weisen betroffen ist: (…)
35
- Direkt Betroffene im Dezember: Unternehmen und Soloselbstständige, die aufgrund der auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Schließungsverordnungen der Länder den Geschäftsbetrieb bereits im November einstellen mussten und auf Grundlage der Beschlüsse von Bund und Ländern vom 25. November 2020 und vom 2. Dezember 2020 auch im Dezember noch von diesen Schließungen betroffen waren. Hiervon nicht umfasst sind regionale Schließungen von Branchen oder Einrichtungen, die nicht in diesen Beschlüssen genannt werden, sowie Schließungen auf Grundlage späterer Beschlüsse (zum Beispiel der Bund-Länder Beschluss vom 13. Dezember 2020). (…)“
36
Unter Ziff. 1.2 der FAQs („Wer gilt als direkt betroffen?“) heißt es außerdem:
37
„Für die Dezemberhilfe gelten ebenfalls solche Unternehmen und Soloselbstständige als direkt betroffen, die aufgrund der auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Schließungsverordnungen der Länder den Geschäftsbetrieb bereits im November einstellen mussten. Durch die Beschlüsse von Bund und Ländern vom 25. November 2020 und 2. Dezember 2020 verlängert sich diese direkte Betroffenheit maximal bis zum 31. Dezember 2020. Hiervon nicht umfasst sind regionale Schließungen von Branchen oder Einrichtungen, die nicht in diesen Beschlüssen genannt werden. Unternehmen und Soloselbstständige, die den Geschäftsbetrieb erst auf Grundlage späterer Beschlüsse (zum Beispiel der Bund-Länder Beschluss vom 13. Dezember 2020) einstellen mussten, gelten nicht als direkt Betroffene im Sinne der Novemberhilfe beziehungsweise Dezemberhilfe.“
38
„Beispiel: Ein Friseursalon musste auf Grundlage des Bund-Länder Beschlusses vom 13. Dezember 2020 ab Mitte Dezember 2020 den Betrieb einstellen. Da die Schließung erst zu diesem Zeitpunkt erfolgen musste, gilt das Unternehmen somit nicht als direkt betroffen im Sinne der Novemberbeziehungsweise Dezemberhilfe. Stattdessen kann grundsätzlich Überbrückungshilfe beantragt werden. Gleiches gilt für den Einzelhandel.“
39
a) Die Schließung des Friseur-Betriebs der Klägerin beruht erst auf Grundlage des Bund-Länder-Beschlusses vom 13. Dezember 2020, zu deren Umsetzung die 11. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 ergangen ist.
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Nach § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV sind Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, wie zum Beispiel Friseure (…) untersagt. Aus den Bund-Länder-Beschlüssen vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 ergibt sich hingegen keine Schließungsanordnung für Friseurbetriebe. Demnach sind die Voraussetzungen für die Antragsberechtigung hinsichtlich der Dezemberhilfe nicht erfüllt.
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b) Insofern liegt auch keine Ungleichbehandlung vor, da die Klägerin – anders als Betriebe, die bereits ab Anfang November geschlossen werden mussten – bis zum 15. Dezember 2020 (aufgrund der Anordnung mit Beschluss vom 13. Dezember 2020 mit Wirkung zum 16. Dezember 2020) in der Lage war, den Friseursalon geöffnet zu halten. Dieser Differenzierungsgrund genügt dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Der Allgemeine Gleichheitssatz gebietet nur, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen und in diesem Rahmen einen Anspruch zu gewähren, mithin die Einhaltung einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Auch in der vorliegenden Subventionssituation ist es allein Sache des Richtlinien- bzw. Zuwendungsgebers, den Kreis der Antragsberechtigten unter Rückgriff über sein eigenes autonomes Verständnis der direkten oder indirekten Betroffenheit festzulegen. Der sachliche Differenzierungsgrund in Form der zeitlich längeren und dadurch intensiveren Betroffenheit ist nicht zu beanstanden (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 38 ff. m.w.N.).
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Zudem war für diese Fälle die Überbrückungshilfe III vorgesehen. Dass die Möglichkeit der Beantragung der Überbrückungshilfe III der Klägerin erst später bekannt geworden ist und sie Umsatzrückgänge im November und Dezember 2020 beklagt führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Dezemberhilfe.
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Konkrete Fälle, in denen, bei erstmaliger Betriebsschließung aufgrund der auf Grundlage des Bund Länderbeschlusses vom 13. Dezember 2021 erlassenen Bestimmungen, die konkret beantragte Wirtschaftshilfe dennoch bewilligt wurde, hat die Klägerin nicht benannt und sind auch sonst nicht bekannt. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass eine andere Förderpraxis vorlag.
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Auch liegt in der vorliegenden Konstellation kein atypischer Ausnahmefall, der eine abweichende Entscheidung erfordert hätte (VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 35 f.). Der konkrete Sachverhalt der Schließung des Friseursalons aufgrund des Beschlusses vom 13. Dezember 2021 und die dementsprechende fehlende Förderberechtigung für die Dezemberhilfe weisen keine außergewöhnlichen Umstände auf, die von der Richtlinie und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine vom Regelfall abweichende Behandlung gebieten. Es handelt sich um gängige Praxis einer typischen Fallkonstellation, wie schon das in den FAQs aufgeführte Beispiel verdeutlicht.
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2. Auch die Ziffern 1, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. dazu VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 47 ff.).
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a) Rechtsgrundlage für die Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 11. Januar 2022 über die Rücknahme des Bescheides vom 9. Januar 2021 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 9. Januar 2021 zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war. Die Klägerin durfte auch nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG).
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Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
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aa) Die Rücknahmevorschrift des Art. 48 BayVwVfG ist die korrekte einschlägige Rechtsgrundlage, da der aufzuhebende Zuwendungsbescheid mangels Vorliegens der Fördervoraussetzungen nach der einschlägigen Verwaltungspraxis – wie ausgeführt – rechtswidrig war. Denn eine Förderentscheidung unter Verstoß gegen die richtliniengeleitete Verwaltungspraxis ist rechtswidrig (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 21 ff.).
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bb) Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG) zurückgenommen werden.
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Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil sie die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass die Angaben, mit Hilfe derer der Begünstigte den Verwaltungsakt erwirkt hat, objektiv unrichtig oder unvollständig waren; ob der Begünstigte dies wusste, ist unerheblich. Ebenso kommt es nicht auf ein Verschulden an (vgl. Müller in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 48 Rn. 78 m.w.N.). In Abgrenzung zu Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG ist zudem keine Täuschungsabsicht erforderlich. Im Onlineantrag erklärte die Klägerin ausdrücklich, direkt betroffen im Sinne der Förderrichtlinie zu sein, ohne dass dies – wie oben ausgeführt – den Tatsachen entspricht. Es ist anzunehmen, dass die Beklagte bei richtiger Angabe den Bescheid über die Abschlagszahlung nicht erlassen hätte.
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Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid dazu nachvollziehbar ausgeführt: Die Rücknahme des Bescheids vom 9. Januar 2021 stütze sich auf Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG. Der Klägerin sei es anhand der Richtlinie sowie den FAQ mit anschaulichen Beispielen (auf die in der Antragstellung mehrfach verwiesen werde) ohne großen Aufwand möglich gewesen, herauszufinden, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Antragstellung nicht vorlägen. Dennoch sei im Antrag eine Betroffenheit angegeben worden. Der Bescheid über die Abschlagszahlung beruhe gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auf unrichtigen Angaben, so dass von keinem schutzwürdigen Vertrauen ausgegangen werden könne.
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Die erforderliche Kausalität ist gegeben. Denn ursächlich sind die unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben, wenn anzunehmen ist, dass die Behörde bei vollständiger bzw. richtiger Angabe den Fehler – hier die Gewährung der Abschlagszahlung der Dezemberhilfe trotz fehlender Antragsberechtigung mangels direkter oder indirekter Betroffenheit – nicht gemacht und den Verwaltungsakt nicht mit der erlassenen oder nur mit einer ungünstigeren Regelung erlassen hätte (Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Werkstand: 2. EL April 2022, § 48 Rn. 172; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 48 Rn. 154).
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cc) Die Beklagte hat des Weiteren auch ermessensfehlerfrei von ihrer Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht.
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Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Beklagte konnte die Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit ihrer Verwaltungspraxis. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
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Im vorliegenden Fall des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entfällt nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es erfolgt zudem in der Regel eine Reduzierung des Rücknahmeermessens. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 48 Rn. 127b u. 127 c). Gründe, die ein Abweichen von dem gesetzlich normierten Regelfall rechtfertigen würden, sind indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Überdies erfordert der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 – BVerwG 3 C 22.96 – juris, Rn. 16; vgl. auch: HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 44). Dies gilt auch bei einer Bewilligung einer Coronabeihilfe (vgl. VG Gießen, U.v. 3.12.2020 – 4 K 3429/20.GI – juris Rn. 39 f.). Demnach ist in der vorliegenden Fallkonstellation auch bei einer Coronabeihilfe von einem intendierten Ermessen infolge der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 32 f. m.w.N.) auszugehen. Infolgedessen ist ein Vertrauensschutz im Regelfall ausgeschlossen, falls keine atypischen Umstände vorliegen, zu denen der Zuwendungsempfänger aber vor Bescheidserlass substantiierte Angaben hätte machen müssen, soweit die Rechtswidrigkeit des Bescheides durch unrichtige Angaben mitverursacht wurde (vgl. SächsOVG, U.v. 14.7.2020 – 6 A 565/18 – juris LS und Rn. 34 ff.).
57
Die Beklagte hat im Bescheid vom 11. Januar 2022 nachvollziehbar ausgeführt, dass Art. 7 BayHO bei haushaltsrechtlich relevanten Ermessensentscheidungen zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel verpflichte und dies den Ermessensspielraum einschränke. Gründe, die gegen diese Entscheidung sprechen würden oder eine Abweichung von der regelmäßigen Entscheidungspraxis begründen würden, seien nicht ersichtlich.
58
In der Erwiderung vom 1. März 2022 und Stellungnahme vom 23. März 2022 hat die Beklagte in zulässiger Weise ergänzend ihre Ermessensentscheidung erläutert: Der Bescheid über die Abschlagszahlung sei zu Recht zurückgenommen und die Abschlagssumme zurückgefordert worden. Die Klägerin könne sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der Bescheid sei ausdrücklich unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergangen. Die klägerische Erwartung, der Verwaltungsakt werde Bestand haben, sei objektiv nicht schutzwürdig, weil aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung schon nicht von Dauerhaftigkeit und Endgültigkeit ausgegangen werden könnte.
59
b) Die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der gewährten Dezemberhilfe (Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheides) ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
60
Die Rückforderung der Abschlagszahlung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG) bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind. Die Erstattung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Wie dargestellt wurde der Bescheid vom 9. Januar 2021 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, weshalb die Voraussetzungen für die Rückforderung des bereits ausgezahlten Betrages vorliegen, wie er in Ziff. 3 des angegriffenen Rücknahmebescheides festgesetzt wurde. Die Behörde hat kein Ermessen bezüglich des „Ob“ der Rückforderung (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49a Rn. 37; Falkenbach in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 49a Rn. 23 m.w.N.). Vielmehr besteht eine Pflicht zur Rückerstattung bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 36). Der Rückerstattungsanspruch kann mit Leistungsbescheid geltend gemacht werden (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 19 u. 28; OVG NRW, B.v. 16.4.2021 – 4 A 3435/20 – juris Rn. 24).
61
Die Klägerin kann sich hinsichtlich der Rückforderung nicht auf einen eventuellen Wegfall der Bereicherung berufen. Für den Umfang der Erstattung gelten mit Ausnahme der Verzinsung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend, weshalb grundsätzlich auch eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB in Frage kommt. Danach ist grundsätzlich nur noch eine im Vermögen vorhandene Bereicherung herauszugeben. Die Feststellung der Entreicherung erfolgt nach wirtschaftlichen Kriterien durch einen Vergleich des Vermögensstands beim Empfang der Leistung mit dem Vermögensstand im Zeitpunkt der Rückforderung der empfangenen Leistung (sog. Saldotheorie). Eine Entreicherung ist danach nicht eingetreten, wenn die rechtsgrundlos erlangte Leistung im Vermögen des Empfängers noch vorhanden ist. Beispiele hierfür sind die Ersparnis eigener Aufwendungen und die Befreiung von eigenen Verbindlichkeiten sowie eine Gegenleistung für den Verbrauch der empfangenen Mittel. Vermögensdispositionen wirken sich nur dann bereicherungsmindernd aus, wenn der Empfänger den Bereicherungsgegenstand zu Ausgaben verwendet hat, die er sonst nicht geleistet hätte (sog. Luxusausgaben); das Empfangene muss für außergewöhnliche Zwecke verwendet worden sein. Es obliegt dem Schuldner, hier also der Klägerin, die Umstände einer Entreicherung substantiiert vorzutragen, da ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 30 ff.; Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand 2. EL April 2022, § 49a Rn. 72 ff.).
62
Gemessen hieran hat die Klägerin nichts vorgebracht, geschweige denn substantiiert, weshalb eine Entreicherung im obigen Sinne bei ihr vorliegen sollte.
63
Des Weiteren scheitert eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung bei der Klägerin, für sich selbstständig tragend, auch an Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte danach nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn er die zurückgeforderte Zuwendung durch in wesentlichen Punkten unzutreffende oder unvollständige Angaben erwirkt hat (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 2675/15 – juris Rn. 68; Falkenbach in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 49a Rn. 31; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 49a Rn. 15). Dies ist hier – wie bereits ausgeführt – der Fall.
64
c) Die Verzinsung des Rückforderungsbetrages (Ziff. 4 des Bescheides) ist in Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG vorgesehen und ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist nach der gesetzlichen Vorgabe der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an zu verzinsen, wobei für den Fall der – wie hier – rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts der Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Zuwendungsbescheides bzw. der Zeitpunkt der Leistung anzusetzen wäre, so dass der Erstattungsbetrag in der Regel rückwirkend zu verzinsen wäre (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 49a Rn. 20 f.). Die Regelung in Ziff. 4 des streitgegenständlichen Bescheides, wonach eine Verzinsung erst bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist erfolgt, weicht hiervon zugunsten der Klägerin ab und begegnet damit keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit kann auf die Ausführungen in der Bescheidsbegründung verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
65
II. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
66
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).